Anspruch auf Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung; Recht eines kosovarischen Staatsangehörigen zur
freiwilligen Versicherung; Geltung des Deutsch-Jugoslawischen Abkommens über soziale Sicherheit
Tatbestand
Der im Februar 1967 im Kosovo geborene Kläger, kosovarischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt im
Kosovo, war - mit kurzen Unterbrechungen - vom 20. August 1993 bis 21. Februar 2005 in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig
beschäftigt. Er hat dabei insgesamt 134 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen zurückgelegt.
Mit Antrag vom 10. Februar 2009 begehrte der Kläger die Erstattung der zur gesetzlichen Rentenversicherung geleisteten Beiträge,
da er nicht versicherungspflichtig sei und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung habe. Der Antrag wurde mit angefochtenem
Bescheid vom 16. Februar 2009 abgelehnt. Als Staatsangehöriger des Kosovo sei der Kläger auch bei gewöhnlichem Aufenthalt
im Kosovo zur freiwilligen Beitragszahlung in der deutschen Rentenversicherung berechtigt. Ein serbischer Staatsangehöriger
in Serbien sei nach Art. 3 Abs. 1 des Deutsch-Jugoslawischen Abkommens über soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 (SozSichAbkYUG)
einem deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt und somit zur freiwilligen Versicherung nach deutschen Rechtsvorschriften
berechtigt. Dieses Abkommen werde vorerst für den Kosovo weiter angewendet. Die Regelaltersgrenze sei noch nicht erreicht.
Eine Beitragserstattung sei daher nicht möglich.
Hiergegen hat der Kläger Widerspruch mit der Begründung eingelegt, er sei nicht serbischer Staatsangehöriger, sondern Staatsangehöriger
des Kosovo. Die Anwendung des SozSichAbkYUG für den Kosovo entbehre jeder materiell-rechtlicher oder völkerrechtlicher Grundlage.
Dies sei auch bereits von einem Mitarbeiter der deutschen Rentenversicherung bestätigt worden. Dieses Abkommen entfalte keine
Wirkungen für einen Staatsbürger des Kosovo. Aufgrund einer Abschiebung in den Kosovo liege keine Versicherungspflicht vor.
Mangels eines entsprechenden Staatsvertrags bestehe kein Recht zur freiwilligen Versicherung. Der Kosovo sei seit 17. Februar
2008 unabhängig. Im Kosovo sei bereits ein deutsches Konsulat eingerichtet worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach Art. 3 Abs. 1 SozSichAbkYUG/Kosovo
seien Staatsangehörige der Republik Kosovo mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Republik Kosovo wie deutsche Staatsangehörige
bei Auslandsaufenthalt berechtigt, sich in der deutschen Rentenversicherung freiwillig zu versichern (§
7 Abs.
1 SGB VI). Im Nachgang zur völkerrechtlichen Anerkennung der Republik Kosovo durch die Bundesrepublik Deutschland am 21. Februar 2008
habe das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales entschieden, das SozSichAbkYUG im Verhältnis zum Kosovo auch
nach dessen Unabhängigkeitserklärung vom 17. Februar 2008 weiterhin uneingeschränkt anzuwenden. Mit der Anerkennung des Kosovo
als eigenständiger Staat habe die Bundesregierung die gleiche Situation wie im Verhältnis zu allen anderen Nachfolgestaaten
Ex-Jugoslawiens geschaffen. Da der Präsident des Kosovo mit Schreiben vom 17. Februar 2008 gegenüber dem Bundespräsidenten
bekräftigt habe, dass der Kosovo für die sich aus internationalen Verpflichtungen der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien
ergebenden Rechte und Pflichten einstehe, soweit der Kosovo betroffen sei, sei nach Auffassung der Bundesregierung ein Vertrauenstatbestand
geschaffen worden, der zunächst eine weitere einseitige Anwendung des Sozialversicherungsabkommens durch die Bundesrepublik
Deutschland rechtfertige.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) erhoben und beantragt, den Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger
einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen. Die Verweigerung der Auszahlung stelle
einen Akt der Eingriffsverwaltung dar. Ein solcher benötige eine eindeutige gesetzliche Grundlage. Die Rückzahlung könne damit
nur versagt werden, wenn ein festes Recht zur freiwilligen Versicherung bestehe. Ein solches liege nur vor, wenn das Versicherungsrecht
durch einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen den Staaten gesichert sei. Die einseitige Erklärung, den Angehörigen eines
anderen Staates auch weiterhin das Recht zur freiwilligen Versicherung einräumen zu wollen, biete für die Betroffenen keinerlei
Sicherheit. Eine solche Aussage könne ihre Gültigkeit jederzeit verlieren. Dies bedeute eine erhebliche Unsicherheit für die
Betroffenen. Ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen dem Kosovo und der Bundesrepublik Deutschland sei jedoch nicht geschlossen
worden. Auch komme eine Fortgeltung für den Kosovo nicht in Betracht. Bereits die völkerrechtliche Rechtsnachfolge der sozialistischen
Republik Jugoslawien durch die Bundesrepublik Jugoslawien, bestehend aus Serbien und
Montenegro, sei international nicht anerkannt, wie sich in dem UN-Beschluss zeige, wonach die Bundesrepublik Jugoslawien einen
neuen Antrag auf Sitz in der UN habe stellen müssen. Selbst wenn es fortbestanden hätte, würde das SozSichAbkYUG für den Kosovo
keine Wirkung entfalten, da sich der Kosovo als eigenständiger Staat von Serbien abgespalten habe. Er trete keine Rechtsnachfolge
Serbiens an.
Durch den Brief des Präsidenten des Kosovo an den deutschen Bundespräsidenten sei kein Abkommen geschlossen worden. Sein Bekenntnis
zu den Verpflichtungen als Mitglied der Staatengemeinschaft sei hierfür zu unbestimmt. Es werde kein Bezug auf Vertragstexte
genommen. Es handele sich nur um eine Absichtserklärung. Auch werde kein Vertrauenstatbestand geschaffen. Der Präsident des
Kosovo habe sich damals an 192 Staatsoberhäupter in der ganzen Welt gewandt. Ein solches "Rundschreiben" könne keinen Vertrauenstatbestand
für bestimmte Abkommen begründen. Zweck des Schreibens sei es gewesen, für eine Anerkennung des Kosovo als unabhängiger Staat
zu werben. Es sei selbstverständlich, dass sich der Kosovo in diesem Zusammenhang zu seinen internationalen Pflichten bekenne.
Schließlich sei auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zum Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages nicht legitimiert.
Hierzu sei nur der Deutsche Bundestag berechtigt. Von einer Staatensukzession könne nicht ausgegangen werden. Hierfür müssten
die Rechte und Pflichten eines Staates vollständig übergehen, der alte Staat also nicht mehr existieren. Serbien würde als
völkerrechtlich anerkannter Nachfolger Jugoslawiens aber noch existieren. Im Falle der Abspaltung eines Teilgebietes könne
nicht von einer Staatensukzession ausgegangen werden. Da Serbien anerkannter Nachfolger der sozialistischen Republik Jugoslawien
sei, könne nicht der Kosovo ebenfalls Nachfolger derselben sein. Damit wäre ein neuer völkerrechtlicher Vertrag für die Fortgeltung
des Abkommens erforderlich. Es könne zwar sein, dass im Falle Bosnien-Herzegowinas durch den expliziten Notenwechsel zwischen
der Bundesregierung und der Regierung Bosnien-Herzegowinas die völkerrechtlich wirksame Fortgeltung des Abkommens ausgehandelt
worden sei. Dies sei aber in Bezug auf den Kosovo nicht der Fall. Weder ein nach deutschem Recht legitimiertes Legislativorgan
noch ein völkerrechtlich legitimierter Vertreter der Bundesrepublik Deutschland hätten die Fortgeltung des SozSichAbkYUG beschlossen.
Die Beklagte wies darauf hin, dass die Nichtanwendung des SozSichAbkYUG für Rentenantragsteller und -bezieher erhebliche Nachteile
mit sich brächte (keine Berücksichtigung von im Kosovo zurückgelegten Versicherungszeiten bei der Prüfung eines deutschen
Rentenanspruchs, Einschränkung der Zahlung der deutschen Rente in den Kosovo auf 70 %, Einschränkungen bei der Absicherung
im Krankheitsfall). Das BSG sei auch im Verhältnis zur Republik Bosnien-Herzegowina von einer Anwendbarkeit des SozSichAbkYUG ausgegangen, obwohl die
zuständigen Körperschaften (Bundestag und Bundesrat) der durch die Regierungen erklärten weiteren Anwendung der deutsch-jugoslawischen
Verträge im Verhältnis zwischen Deutschland und Bosnien-Herzegowina nicht in Form eines Bundesgesetzes zugestimmt hätten.
Eines Transformationsgesetzes nach Art.
59 Abs.
2 Satz 1
GG habe es nicht bedurft. Die Bundesregierung sei von einer Fortgeltung der deutsch-jugoslawischen Verträge im Verhältnis zu
den Nachfolgestaaten Jugoslawiens ausgegangen und habe sich diese Auffassung von den neuen Partnerstaaten bestätigen lassen.
Bundesrat und Bundestag würden diese Auffassung teilen. Dies ergebe sich aus dem Zustimmungsgesetz zum Sozialversicherungsabkommen
mit der Republik Slowenien vom 24. Juni 1997. Dort sei in Art. 43 bestimmt, dass das SozSichAbkYUG erst mit Inkrafttreten
dieses neuen Abkommens am 1. September 1999 außer Kraft trete. Bis dahin habe es also im Verhältnis zu Slowenien weiter gegolten.
Diese Situation bestehe auch zwischen der Republik Kosovo und der Bundesrepublik Deutschland. Aufgrund der Erklärung des Präsidenten
des Kosovo vom 17. Februar 2008 bestehe kein vertragloser Zustand.
Das SG hat daraufhin - nachdem zwei Termine zur mündlichen Verhandlung verlegt werden mussten - die Klage mit Gerichtsbescheid vom
5. Juli 2010 abgewiesen. Das BSG habe im Urteil vom 11. Mai 2010, Az. B 13 RJ 19/99 R keine Bedenken gehabt, das SozSichAbkYUG auf die Nachfolgestaaten Jugoslawiens in Bezug auf Streckungstatbestände und damit
zu Gunsten der Versicherten weiter anzuwenden. Die weitere einseitige Anwendung des SozSichAbkYUG bedürfe nicht zwingend eines
völkerrechtlichen Vertrages, der in innerdeutsches Recht transformiert werden müsse. Vielmehr könne der deutsche Staat durch
einseitiges Kollisionsrecht vorsehen, dass von den deutschen Behörden das nach wie vor bestehende Sozialversicherungsabkommen
auf den bisherigen Personenkreis weiterhin angewendet werde. Soweit eine weitere Anwendung zu Gunsten der Versicherten erfolge,
bedürfe es auch keiner gesetzlichen Grundlage, weil damit kein unzulässiger Eingriff in Rechte Dritter verbunden sei. Die
weitere Anwendung des SozSich-AbkYUG bezwecke, den durch den Gesetzgeber geschaffenen Status quo aufrechtzuerhalten. Jedenfalls
stehe dem Kläger wegen der im Widerspruchsbescheid erteilten schriftlichen Zusicherungen ein Recht zur freiwilligen Versicherung
zu. Insoweit handele es sich um eine lediglich begünstigende Regelung. Durch die Gewährung dieses Rechts sei ein Versicherter
im Vergleich zu nicht entsprechend Berechtigten bevorzugt (BSG, Urteil vom 14. August 2008, B 5 R 39/07 R). Auch angesichts der Nichterstattung der vom Arbeitgeber entrichteten Beiträge sei es wirtschaftlich wenig sinnvoll, von
der Möglichkeit einer Beitragsrückerstattung Gebrauch zu machen. Ein verfassungswidriger Eingriff in die Eigentumsgarantie
sei nicht gegeben, weil dem Kläger durch die Einräumung der Option auf eine freiwillige Versicherung keine Rechtsposition
entzogen werde, sondern die von ihm erworbene Rentenanwartschaften erhalten blieben und ausgebaut werden könnten. Der Entfall
des Anspruchs auf Beitragserstattung stelle einen unbedeutenden Rechtsreflex dar.
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen, das Recht zur freiwilligen
Versicherung sei keine reine Leistungsverwaltung und damit die Versagung der Beitragsrückzahlung kein unbedeutender Rechtsreflex.
Zwar möge es sein, dass sich das Recht zur freiwilligen Versicherung für die meisten Versicherten positiv auswirke. Es stelle
aber nicht ausschließlich einen Vorteil dar. Es nehme dem Kläger die Möglichkeit, seine Altersversorgung umzustellen, da er,
wenn er bereits den Großteil seiner Beiträge in die deutschen Rentenversicherung investiert habe, bei keinen anderen Versicherungen
sinnvoll Vorsorge betreiben könne. Ohne Zugriff auf den großen Teil seiner Beiträge sei eine Umstellung schwierig. Es sei
daher eine gesetzliche Grundlage erforderlich, die es jedoch nicht gebe. Da völkerrechtliche Verträge nicht unmittelbar für
die deutschen Bürger gelten würden, sei ein Transformationsgesetz erforderlich. Dessen Existenz und Gültigkeit sei nicht geprüft
worden. Der Kläger sei nicht Staatsbürger der Republik Jugoslawien im Sinne des Art. 1 SozSichAbkYUG und befindet sich auch
nicht auf deren Hoheitsgebiet. Daher sei das für das SozSichAbkYUG geltende Transformationsgesetz für den Kläger nicht anwendbar.
Eine Änderung des Vertragsinhalts auf völkerrechtlicher Ebene könne keine Wirkung für den Gesetzesvorbehalt entfalten. Gebietsbezogene
Abkommen würden zwar für den neuen "Eigentümer" des Gebiets weitergelten. Ein Abkommen über soziale Sicherheit sei jedoch
nicht primär gebietsbezogen, sondern knüpfe an eine bestimmte Staatsangehörigkeit und erst im zweiten Schritt an ein bestimmtes
Gebiet an. Auch sei die per-se-Weitergeltung eines Abkommens für einen Nachfolgestaat mit dessen staatlicher Souveränität
nicht vereinbar. Der Gedanke, ein Abkommen, welches für serbische Staatsangehörige gelte, würde auch für das eigenständige
Volk des Kosovo automatisch Geltung entfalten, sei mit der Unabhängigkeit nicht zu vereinbaren. Die Weitergeltung sei zwischen
den neugebildeten Staaten stets positiv vereinbart und nicht als gegeben angesehen worden. Aus dem Argument des Vertrauensschutzes
könne auch nicht die Rechtmäßigkeit der Versagung der Beitragsrückzahlung hergeleitet werden. Es fehle in Bezug auf den Kläger
schon an einem schutzwürdigen Vertrauen. Er sei rechtskräftig aus Deutschland ausgewiesen worden, sei der deutschen Sprache
nicht mächtig und habe keine Möglichkeit, nach Deutschland zurückzukehren. Ohne die bereits eingezahlten Beiträge seit es
dem Kläger nicht möglich, eine andere Altersversorgung aufzubauen. Hier werde also kein bestehendes Vertrauen geschützt, sondern
die Fähigkeit des Klägers zur freien Bestimmung seine Altersversorgung erheblich eingeschränkt.
Die Beklagte hat daraufhin die zwischen den diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kosovo
am 10. Juni 2011 ausgetauschte Verbalnote übersandt. Damit dürfte den Zweifeln an der Weitergeltung des SozSichAbkYUG der
Boden entzogen sein. Das SozSichAbkYUG sei sowohl von der Beklagten als auch vom Rentenversicherungsträger im Kosovo uneingeschränkt
weiter angewandt, die Zusammenarbeit regulär weitergeführt worden. Auf die Entscheidung des 6. Senats des Bayerischen Landessozialgerichts
vom 26. September 2011, Az. L 6 R 884/08, wurde hingewiesen.
Der Kläger hat entgegnet, aus dieser Verbalnote ergebe sich, dass das SozSichAbkYUG für den Kosovo nicht fortbestanden habe.
Dessen Fortbestand werde vielmehr erst jetzt durch einen neuen völkerrechtlichen Vertrag geregelt. Auch ergebe sich aus der
Anlage 1 Nr. 6 der Verbalnote, dass die Fortführung nur mit Einschränkungen erfolge. Es müssten über die Anwendung weitere
Konsultationen stattfinden. Damit sei klar, dass das Abkommen in seiner ursprünglichen Form nicht weiter gegolten habe. Auch
gebe es noch kein Transformationsgesetz zu der Verbalnote. Diese würde auch nicht auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung
am 10. Februar 2009 zurückwirken. Liege zum Zeitpunkt der Antragstellung kein Recht zur freiwilligen Versicherung vor, entstehe
ein Anspruch auf Rückerstattung, der durch spätere Änderungen nicht wieder rückgängig gemacht werden könne, da es sich dann
um einen Eingriff in eine bestehende Rechtsposition des Klägers handeln würde. Entgegen der Rechtsansicht des Bay. Landessozialgerichts
handele es sich bei der Abspaltung des Kosovo auch um eine Separation und nicht um eine Dismembration. Insoweit bestehe kein
Völkergewohnheitsrecht dahingehend, dass bestehende Verträge in Kraft blieben. Vielmehr gingen die Staaten ganz überwiegend
nach der "clean slate" Doktrin vor. Danach würden beim Neustart keinerlei Verpflichtungen übernommen. Die entgegen stehende
Formulierung der "Vienna Convention on the succession of states in respect of treaties" könne als gescheitert angesehen werden.
Zwar könnten die betroffenen Staaten durchaus Interesse an der Fortgeltung einzelner Verträge haben. Eine teilweise Fortgeltung
im Sinne einer Rosinentheorie sei jedoch weder mit dem Völkerrecht noch mit den Prinzipien der Rechtssicherheit vereinbar.
Die Annahme sei absurd, dass der Kosovo nach langem Kampf um die Unabhängigkeit serbische Verpflichtungen in ihrer Gesamtheit
übernehmen wollte. Die vom Bay. Landessozialgericht offensichtlich vertretene strenge Transformationstheorie, wonach der in
deutsches Recht umgesetzte Vertrag unabhängig von der völkerrechtlichen Rechtslage so lange fortgelte, bis das Zustimmungsgesetz
durch einen actus contrarius aufgehoben werde, sei nicht zwingend. Problematisch sei, dass dadurch das innerstaatliche Recht
komplett vom Völkerrecht abgekoppelt werde. Das sei mit Zweck und Natur des Zustimmungsgesetzes nicht vereinbar. Das Zustimmungsgesetz
habe nicht den Zweck, eine eigenständige Rechtslage zu begründen, sondern eine völkerrechtliche Rechtslage im deutschen Recht
umzusetzen. Die strenge Transformationstheorie werde daher inzwischen überwiegend abgelehnt. Im Hinblick auf die Staatensouveränität
sei es äußerst fragwürdig, das Abkommen zunächst auf unbestimmte Zeit bestehen zu lassen. Denn wenn der Gesetzgeber des neuen
Staates ein Abkommen nicht wünsche, gingen die Anwartschaften, die das Bay. Landessozialgericht zu schützen versuche, so oder
so verloren. Damit könne weder der zwischenzeitliche Wegfall die Anwartschaften zum Erlöschen bringen noch könne die zwischenzeitliche
weitere Anwendung sie dauerhaft schützen. Die Weiteranwendung sei also kein Schutz, sondern Bevormundung des Betroffenen und
des neu geschaffenen Staats. Eine solche sei weder von der Rechtssicherheit geboten noch mit dem Völkerrecht vereinbar.
Das Verfahren wurde im Einverständnis der Beteiligten angesichts der zum BSG eingelegten Revision gegen das Urteil des Bayer Landessozialgerichts vom 27. September 2011 zum Ruhen gebracht. Mit Schreiben
vom 19. Februar 2014 wurde es vom Kläger wieder aufgerufen und unter dem Az. L 13 207/14 fortgeführt.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16. Februar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2009 sowie
des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Landshut vom 5. Juli 2010 zu verurteilen, den Arbeitnehmeranteil der in der Zeit
vom 20. August 1993 bis 21. Februar 2005 für den Kläger entrichteten Beiträge zur Rentenversicherung zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 16. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
11. Mai 2009 abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung des Arbeitnehmeranteils der für ihn in der Zeit vom
20. August 1993 bis 21. Februar 2005 entrichteten Beiträge.
Nach der allein in Betracht kommenden Bestimmung des §
210 Abs.
1 Nr.
2 SGB VI werden Versicherten, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben, Beiträge
auf Antrag erstattet.
Der Kläger hat ein Recht zur freiwilligen Versicherung, so dass ein Erstattungsanspruch ausscheidet. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz
1 SGB können sich Personen, die nicht versicherungspflichtig sind, für Zeiten von der Vollendung des 16. Lebensjahres an freiwillig
versichern. Das gilt auch für Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben (§
7 Abs.
1 S. 2
SGB VI). Damit sind grundsätzlich alle Deutsche unabhängig von ihrem gewöhnlichen Aufenthalt und im Übrigen alle Nicht-Deutschen
im Geltungsbereich des SGB zur freiwilligen Versicherung berechtigt. Gemäß §
232 Abs.
1 Satz 1
SGB VI können sich darüber hinaus Personen, die nicht versicherungspflichtig und vor dem 1. Januar 1992 vom Recht der Selbstversicherung,
der Weiterversicherung oder der freiwilligen Versicherung Gebrauch gemacht haben, weiterhin freiwillig versichern.
Zwar ist der Kläger nicht Deutscher, er hat seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Geltungsbereich des SGB
und hat auch nicht vor dem 1. Januar 1992 vom Recht der Selbstversicherung, der Weiterversicherung oder der freiwilligen Versicherung
Gebrauch gemacht. Ein Recht des Klägers zur freiwilligen Versicherung in Deutschland ergibt sich jedoch aus Art. 3 Abs. 1
a SozSichAbkYUG in der Fassung des Änderungsabkommen zum 30. September 1974, da nach dieser Bestimmung bei Anwendung der Rechtsvorschriften
eines Vertragsstaates dessen Staatsangehörige den Staatsangehörigen des anderen Vertragsstaates gleichstehen, wenn sie sich
im Gebiet eines Vertragsstaates gewöhnlich aufhalten.
Der Senat hat keine Zweifel daran, dass mittlerweile eine Regel des Völkerrechts in Form des Völkergewohnheitsrechts Bestandteil
des Bundesrechts ist, wonach (auch) im Verhältnis Deutschlands zum Kosovo das SozSichAbkYUG in der Fassung des Abänderungsabkommens
vom 30. September 1974 weitergilt (vgl. BFH, Urteil vom 7. März 2013, Az.: V R 61/10 unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 12. April 2000, B 14 KG 3/99 R, BayLSG, Urteil vom 11. August 2011, Az. L 6 R 36/10, alle in [...]). Der Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art.
100 Abs.
2 GG bedarf es daher nicht.
Der Senat ist davon überzeugt, dass jedenfalls seit Vorlage des "Rapport final sur la succession en matière des traités" des
Committee on Aspects of the Law of State Succession der International Law Association, New Delhi Conferene 2002 (" Rapport";
vgl. hierzu BSG, Vorlagebeschluss vom 23. Mai 2006, Az. B 13 RJ 17/05 R) davon auszugehen ist, dass zwar bei allen Nachfolgestaaten in der Staatenpraxis Verhandlungen über die Nachfolge in zweiseitige
Verträge vorgeherrscht hätten, dies jedoch nicht darüber hinwegtäuschen dürfe, dass die zu Grunde gelegte Regel - d.h. die
Rechtsüberzeugung - das Kontinuitätsprinzip gewesen sei.
Angesichts der überragenden Bedeutsamkeit dieser Quelle ist damit grundsätzlich davon auszugehen, dass völkerrechtliche Verträge
zunächst auch für den Nachfolgestaat Gültigkeit haben. Dabei kann es dahingestellt gestellt bleiben, ob der Kosovo als Nach-Nachfolgestaat
der SJFR aus einer Abspaltung von einem fortbestehenden Ursprungsstaat (Separation, Sezession) entstanden ist oder auf einem
Zerfall eines Staates in mehrere neue Staaten beruht (Dismembration), da nach dieser Rechtsquelle dieser Grundsatz für alle
Varianten Gültigkeit beansprucht. Der Senat kann daher diese Frage offen lassen.
Alle Nachfolgestaaten der SJFR haben im Sinne des Kontuinitätsprinzips agiert. Das DSJVA 1968 wurde ohne gesetzgeberische
Akte und nur aufgrund einer Vereinbarung im Rahmen von Notenwechseln (z.B. im Fall der Republik Bosnien Herzegowina die Bekanntmachung
in BGBl II 1992,1196) bzw. im Fall des Kosovo (zunächst) nur nach Erklärung des Präsidenten der Republik Kosovo an den deutschen
Bundespräsidenten mit anschließender Bestätigung der Fortführung des SozSichAbkYUG durch das BMAS faktisch durch die Bundesrepublik
Deutschland und den jeweiligen Nachfolgestaat, vertreten durch die jeweilig zuständigen Behörden, so lange weitergeführt,
bis es zu einer Neuverhandlung und -vereinbarung eines neuen Abkommens gekommen ist. Sämtliche mit Nachfolgestaaten neu abgeschlossenen
Sozialversicherungsabkommen ähneln aber sehr stark dem SozSichAbkYUG. Insbesondere im Hinblick auf die Regelung des Art. 3
SozSichAbkYUG haben sich in den neu abgeschlossenen Abkommen keine Änderungen ergeben.
Die Souveränität des Kosovo wird entgegen der Ansicht der Berufung durch die Annahme einer sich aus Völkergewohnheitsrecht
ergebenden vorläufigen Fortgeltung des SozSichAbkYUG nicht negativ tangiert. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Kosovo
das SozSichAbkYUG für seine Staatsangehörigen stillschweigend weitergeführt hat. Es bestand also Einverständnis mit diesem
"Eingriff in die Souveränität".
Auch ist von der Frage, ob sich aus Völkergewohnheitsrecht zunächst eine (vorläufige) Fortgeltung der vom Vorgängerstaat abgeschlossenen
Staatsverträge mit dem Nachfolgestaat ergibt, die Frage zu unterscheiden, ob der Nachfolgestaat dauerhaft an diesen vorläufig
fortgeltenden Staatsvertrag gebunden ist. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass ein Nachfolgestaat die im jeweiligen
Staatsvertrag vorgesehenen Kündigungsrechte nutzen kann. Im SozSichAbkYUG ist insoweit eine Kündigungsfrist von drei Monaten
zum Ende eines Kalenderjahres vorgesehen (vgl. Art. 43 Abs. 1 S. 2 SozSichAbkYUG). Schließlich ergibt sich im Falle eines
Dissenses auch aus dem Beendigungsgrund der "clausula rebus sic stantibus" die Möglichkeit für einen die Weitergeltung des
völkerrechtlichen Vertrags nicht wünschenden Vertragsstaat, die Vertragsbindung zu beenden, wenn ihm der Nachweis gelingt,
dass sich die zur Zeit des Vertragsschlusses bestehenden Umstände derart verändert haben, dass es den Parteien nach Treu und
Glauben nicht mehr zugemutet werden kann, den Vertrag zu erfüllen (vgl. Ipsen, Völkerrecht, § 16, Rn. 92, 101). Davon abgesehen
belegt die Praxis der Neuverhandlungen der Sozialversicherungsabkommen mit den einzelnen Nachfolgestaaten, dass ein Nachfolgestaat
auch im Rahmen von Verhandlungen durchaus seine eigenen, von denen des Vorgängerstaates abweichenden Vorstellungen über den
Vertragsinhalt einbringen und durchsetzen kann.
Die vom BSG in seinem Vorlagebeschluss vom 23. Mai 2006, Az. B 13 RJ 17/05 R geäußerten Zweifel in Bezug auf die Frage, ob das entsprechende Völkergewohnheitsrecht bereits in dem für den dortigen
Kläger maßgeblichen Zeitpunkt galt, haben nur für das Verfahren Bedeutung, das dem Vorlagebeschluss vom 23. Mai 2006 zugrundelag,
hier jedoch nicht. Das BSG hat ausgeführt, es sei insoweit naheliegend, auf den Zeitpunkt der Abspaltung der Republik Bosnien und Herzegowina von Jugoslawien
(1992) abzustellen. Zu diesem frühen Zeitpunkt lag weder der "Rapport" noch die tatsächliche Übung der Nachfolgestaaten des
SJFR, das SozSichAbkYUG vorläufig weiter anzuwenden, vor, so dass diese Zweifel des BSG nachvollziehbar sind. Deutlich anders ist dies jedoch zum Zeitpunkt der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo am 17. Februar
2008, die weit später nach dem Rapport aus dem Jahr 2002 erging, der maßgeblich auf die damals bereits vorliegende langjährige
Übung der sonstigen Nachfolgestaaten, das SozSichAbkYUG bis zu einer Neuvereinbarung vorläufig fortzuführen, Bezug nimmt.
Sowohl zum Zeitpunkt der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo am 17. Februar 2008 als auch zu dem noch später liegenden Zeitpunkt
des Antrags des Klägers auf Beitragserstattung am 10. Februar 2009 - ein anderer Zeitpunkt kommt nach Auffassung des Senats
nicht in Betracht - lag das eine Vertragskontinuität begründende Völkergewohnheitsrecht in diesem Sinne also schon vor.
Selbst wenn man nicht von einer durch Völkergewohnheitsrecht begründeten Verpflichtung des Nachfolgestaats ausgehen würde,
die mit dem Vorgängerstaat geschlossenen Verträge zunächst fortzuführen, so ergibt sich doch eine völkerrechtlich wirksame
Bindung des Kosovo und der Bundesrepublik Deutschland an die Regelungen des SozSichAbkYUG jedenfalls daraus, dass das SozSichAbkYUG
von beiden Beteiligten faktisch fortgeführt worden ist. In der Staatenpraxis war und ist es üblich, dass Staatsverträge vom
Gebietsnachfolger häufig stillschweigend erneuert werden (vgl. Verdross, Völkerrecht, 8. Auflage, mit zahlreichen Beispielen
aus der Vergangenheit). Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Beklagte hat bestätigt, dass das SozSichAbkYUG im Verhältnis
zum Kosovo nach dessen Unabhängigkeitserklärung auch von den dortigen Behörden fortgeführt worden ist. Jedenfalls solange
ein noch vom Vorgängerstaat abgeschlossener Staatsvertrag auch vom Gebietsnachfolger tatsächlich vollzogen wird, ist hierin
eine völkerrechtlich übliche stillschweigende Erneuerung dieses Staatsvertrags zu sehen, die dann jedoch - jedenfalls bis
zum Zeitpunkt einer neuen Vereinbarung - eine sich aus Völkergewohnheitsrecht ergebende Bindungswirkung für beide sich auf
die Vertragsfortführung einlassenden Beteiligten nach sich zieht.
Das vom Berufungskläger geforderte strikte "tabula rasa"-Prinzip wird den komplexen und verschiedenartigen Aspekten der Staatennachfolge
hingegen nicht gerecht. Selbst wenn man aus demselben Grund auch nicht von einem strikten Kontinuitätsprinzip, sondern von
einer Notwendigkeit zur Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen völkerrechtlichen
Vertrags ausgeht (vgl. in diesem Sinn Ipsen, Völkerrecht, § 13 Rn. 14), muss hier eine Entscheidung zu Gunsten des Kontinuitätsprinzip
erfolgen, da über die grundsätzliche Fortgeltung des SozSichAbkYUG zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kosovo
kein Streit bestand und besteht und auch der Vertrag selbst keinen Anhalt dafür bietet, dass er einer Fortführung durch den
Nachfolgestaat nicht zugänglich sein könnte. Es ist in keiner Weise ersichtlich, warum die Fortführung des SozSichAbkYUG dem
Kosovo nicht möglich oder nicht zumutbar sein soll.
In Bezug auf die sozialversicherungsrechtlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der SJFR und der Bundesrepublik
Deutschland und dem Kosovo ist kein relevanter Unterschied festzustellen, der für die Gültigkeit des "tabula rasa" Prinzips
sprechen würde. Der Übergang des SozSichAbkYUG auf den Kosovo ist insbesondere nicht deshalb ausgeschlossen, weil dies mit
dem Zweck des Vertrags unvereinbar wäre (vgl. Herdegen, Völkerrecht, § 29 Rn. 3). Dies ist hier offensichtlich nicht der Fall.
An den Gründen, die zu der Schaffung des SozSichAbkYUG führt haben, insbesondere die Verbesserung des sozialversicherungsrechtlichen
Schutzes für die aus dem Gebiet Jugoslawiens kommenden, in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigten
Staatsangehörigen der SJFR, hat sich durch den Zerfall der SJFR in die Nachfolgestaaten nichts geändert. Ein ehemaliger Staatsangehöriger
der SJFR ist nicht deshalb weniger schutzbedürftig, weil er nunmehr Staatsangehöriger des Kosovo ist.
Eine weitere Fallgestaltung, für die eine Lösung entsprechend dem "tabula rasa" Prinzip gefordert wird, ist die der wesentlichen
Veränderungen der Rahmenbedingungen. In Bezug auf den Vertragsgegenstand, also die sozialversicherungsrechtlichen Beziehungen
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und des SJFR bzw. der Bundesrepublik Deutschland und dem Kosovo, ist aber keine wesentliche
Änderung in den Rahmenbedingungen gegeben. Auch der Kosovo hat ein Rentenversicherungssystem, in das sich das SozSichAbkYUG
einpassen lässt. Wäre dies nicht der Fall, läge also eine wesentliche Änderung der Rahmenbedingungen vor, wäre das SozSichAbkYUG
sicherlich nicht vom Kosovo stillschweigend weitervollzogen worden und zu dem Austausch der Verbalnote vom 10. Juni 2011 wäre
es ebenfalls nicht gekommen.
Der Senat ist der Auffassung, dass es bei der von der Berufung postulierten Ablehnung einer sich aus Völkergewohnheitsrecht
ergebenden Bindung des Nachfolgestaats an die vom Vorgängerstaat abgeschlossenen Staatsverträge selbst in den Fällen, in denen
- wie hier - der Staatsvertrag von beiden Seiten faktisch weiter "mit Leben erfüllt" worden ist, die große Gefahr bestünde,
dass es für beide Vertragsparteien, jedenfalls aber für den Nachfolgestaat und dessen Staatsangehörige, zu erheblichen Nachteilen
kommen könnte, die in ihrer Gesamtheit jedenfalls von niemandem gewünscht sind. Hinzu kommt, dass Nachfolgestaaten nach Erlangung
ihrer Unabhängigkeit vielfach mangels funktionierender Verwaltungsstrukturen überhaupt nicht in der Lage sind, zeitnah neue
Staatsverträge auszuhandeln. Es verbietet sich nach Auffassung des Senats davon auszugehen, dass das Völkergewohnheitsrecht
dies billigend in Kauf nimmt. Der hier vorliegende Fall belegt dies nachdrücklich.
Das SozSichAbkYUG ist mit erheblichen Vorteilen sowohl für die Staatsangehörigen des Kosovo als auch für den Kosovo selbst
verbunden. Durch die Weitergeltung dieses Abkommens wird den Staatsangehörigen des Kosovo nicht nur das Recht zur freiwilligen
Beitragszahlung eingeräumt, bei dessen Ausübung der Versicherte einen höheren Altersrentenanspruch erwirbt und darüber hinaus
sich - bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (vgl. §
241 Abs.
2 Satz 1
SGB VI) - auch das Weiterbestehen einer Anwartschaft auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung trotz Aufenthalts im Kosovo
sichern kann. Auch fällt erheblich ins Gewicht, dass bei einer Weitergeltung des Abkommens die in den Kosovo ausgezahlten
Renten nicht nach den Auslandsrentenvorschriften des
SGB VI zu berechnen sind mit der Folge, dass keine Kürzung der persönlichen Entgeltpunkte auf 70 vH erfolgt (vgl. §§
110 Abs.
2,
113 Abs.
3 SGB VI). Denn nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 und Art. 1 Nr. 1 und 2 SozSichAbkYUG gelten die deutschen Rechtsvorschriften, nach denen die
Zahlung von Geldleistungen vom Inlandsaufenthalt abhängig ist, nicht für die Staatsangehörigen der SFJR, die sich im Gebiet
der SFJR aufhalten. Bei einer Weitergeltung des SozSichAbkYUG im Verhältnis zum Kosovo kommt es also jedenfalls dann nicht
zu einer Kürzung der Renten, wenn sich ein Staatsangehöriger des Kosovo auf dessen Gebiet aufhält.
Durch einen Ausfall von Rentenzahlungen aus Deutschland oder nur gekürzte Rentenzahlungen an kosovarische Staatsangehörige,
die sich im Kosovo aufhalten, entstünden auch dem Kosovo selbst Nachteile, da eventuell hier von Seiten des Kosovo auszugleichende
Bedarfssituationen entstünden. Der Senat schließt sich der Auffassung des 6. Senats des BayLSG in seiner Entscheidung vom
27. September 2011 an, wonach darüber hinaus auch kein Interesse des Kosovo daran bestehen kann, dass seine Staatsangehörigen
sich im Ausland erworbene Rentenanwartschaften abgelten lassen. Denn mittel- und längerfristig entlasten die vollen Ansprüche
ihrer Bürger (d.h. aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen) gegenüber dem ausländischen Versicherungsträger die Sozialkassen
der neu gegründeten Staaten. Sowohl für den Einzelnen als für den Staat sind künftige Leistungen aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen
günstiger als die gegenwärtige, zum gänzlichen Verlust der Rentenanwartschaft führende Erstattung nur des halben Beitragswerts
(BayLSG, a.a.O., Rn. 21). Hierin liegt keine "Bevormundung" des Einzelnen, sondern eine sachgerechte Wahrung der Interessen
sowohl des Staates als auch des Einzelnen.
Dieser - einzelfallorientierte - Ansatz entspricht im Ergebnis auch den Regelungen der - von der Bundesrepublik Deutschland
allerdings nicht ratifizierten und damit nicht unmittelbar geltenden - Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Verträge.
Diese sieht sowohl im Falle der Dismembration als auch der Abspaltung (Separation, Sezession) grundsätzlich eine Vertragskontinuität
vor. Diese soll nur dann nicht gelten, wenn abweichende Abreden zwischen den Parteien bestehen, das Fortgelten mit dem Vertragszweck
nicht vereinbar ist oder eine wesentliche Änderung der Rahmenbedingungen vorliegt (vgl. Art. 34 der Konvention). Eine Unvereinbarkeit
der Fortgeltung mit dem Vertragszweck ist hier ebensowenig wie eine wesentliche Änderung der Rahmenbedingungen - wie oben
ausgeführt - gegeben. Abweichende Abreden, die auf eine Nichtweitergeltung des SozSichAbkYUG hinausliefen, liegen ebenfalls
nicht vor, vielmehr ist aufgrund der Erklärung des Staatspräsidenten des Kosovo vom 17. Februar 2008, der tatsächlichen Weiteranwendung
des SozSichAbkYUG und der Verbalnote vom 10. Juni 2011 das Gegenteil der Fall.
Nach Auffassung des Senats ist damit davon auszugehen, dass das SozSichAbkYUG aufgrund Völkergewohnheitsrecht im Verhältnis
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kosovo bis zur Ablösung durch ein eigenständiges Abkommen weitergilt. Dieses
Ergebnis wird - deklaratorisch, nicht konstitutiv - bestätigt durch den Notenwechsel vom 10. Juni 2011 zwischen den diplomatischen
Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kosovo. Aus diesem geht hervor, dass das SozSichAbk- YUG fortgilt
und sich beide Seiten hinsichtlich der konkreten Durchführung des Abkommens weiter konsultieren. Schon allein aus der Verwendung
des Begriffs "fortgilt" geht deutlich hervor, dass die Parteien des Notenwechsels davon ausgegangen sind, dass das SozSichAbkYUG
bereits für den Zeitraum zwischen der Unabhängigkeit des Kosovo und dem Notenwechsel Geltung hatte, es aber eventuell in Bezug
auf Einzelheiten im Rahmen der konkreten Durchführung im Verhandlungswege zu anderen Regelungen kommen kann. Es handelt sich
also nicht um eine Neuvereinbarung erst mit Wirkung ab dem Zeitpunkt des Austausches der Verbalnote, sondern vielmehr um eine
Bekräftigung und gegenseitige Versicherung dahingehend, dass das SozSichAbkYUG auch im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und dem Kosovo nach wie vor Gültigkeit hat. Denn ansonsten hätte die Vereinbarung dahingehend lauten müssen, dass
das SozSichAbkYUG im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kosovo mit gleichem Inhalt neu vereinbart
wird.
Einer (erneuten) Transformation des kraft Völkergewohnheitsrechts fortgeltenden SozSichAbkYUG durch ein weiteres Zustimmungsgesetz
bedurfte es nicht. Vielmehr erstreckt sich das Zustimmungsgesetz vom 29. Juli 1969 zum SozSichAbkYUG, BGBl II. 1969,1437 nunmehr
auf das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kosovo kraft Völkergewohnheitsrecht fortgeltende SozSichAbkYUG,
wobei unerheblich ist, ob dies im Verhältnis zwischen Deutschland und dem Kosovo voll mit unverändertem Wortlaut anzuwenden
bleibt oder es so zu lesen ist, als beziehe es sich lediglich auf Hoheitsgebiet, Staatsbürger usw. des Kosovo, vgl. BSG, Vorlagebeschluss vom 23. Mai 2006, a.a.O. Rn. 21). Das BSG hat in seinen Urteilen vom 16. Dezember 1999, Az. B 14 KG 1/99 R und 12. April 2000, Az. B 14 KG 3/99 R, beide in [...], klargestellt, dass das SozSich-AbkYUG im Verhältnis zur ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien weiter
anzuwenden ist, ohne dass es eines Transformationsgesetzes nach Art.
59 Abs.
2 Satz 1
GG bedurfte. Die Bundesregierung sei von der Fortgeltung deutsch-jugoslawischer Verträge im Verhältnis zu den Nachfolgestaaten
Jugoslawiens ipso jure ausgegangen und habe sich diese Auffassung von den neuen Partnerstaaten bestätigen lassen. Bundestag
und Bundesrat teilten dieser Auffassung. Dies ergebe sich aus dem Zustimmungsgesetz zu dem Abkommen vom 24. September 1997
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Slowenien über soziale Sicherheit (BGBl II 1998, 19, 185). Denn dort sei in Art. 43 bestimmt, dass das Abkommen 1968 - erst - mit Inkrafttreten dieses neuen Abkommens - am 1.
September 1999 (BGBl II. 1999, 796) - außerkrafttrete, es also im Verhältnis zu Slowenien weiter gegolten habe. Für den Senat ist nicht ersichtlich, warum dies
nicht auch im Verhältnis zum Kosovo Gültigkeit beanspruchen sollte.
Nach alledem besteht kein Anspruch des Klägers auf Erstattung seiner Beiträge. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung (§
193 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) beruht auf dem Umstand, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Nach dem bisher keine höchstrichterliche Entscheidung hierzu vorliegt, war die Revision aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung
der Angelegenheit zuzulassen (vgl. §
160 Abs.
2 SGG).