Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1969 geborene Kläger österreichischer Staatsangehörigkeit ist ausgebildeter Kfz-Mechaniker und hat in verschiedenen Branchen
u.a. als Schlosser und Kraftfahrer gearbeitet.
Er hatte am 14.03.2002 einen Wegeunfall mit dem Motorrad, bei dem er ein Polytrauma mit Verletzungen am rechten Schultergelenk,
am rechten Brustkorb und an der oberen Lendenwirbelsäule erlitt. Ein Wirbelsäulenbruch wurde zunächst mit Metallimplantat
operiert; im Juni 2003 erfolgte eine Versteifungsoperation der Wirbel L 1/L 2. Die zuständige Berufsgenossenschaft gewährte
dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2005 bis 10.03.2006 eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 60 v.H.
und ab 11.03.2006 nach einer MdE von 50 v.H.
Unabhängig von dem Arbeitsunfall hat der Kläger einen Bandscheibenschaden im Bereich L 5/S 1.
Am 08.06.2004 stellte der Kläger einen ersten Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, der von der Beklagten nach einer
Begutachtung auf orthopädischem Fachgebiet abgelehnt wurde. Im nachfolgenden Klageverfahren (S 14 R 1962/04) vor dem Sozialgericht München machte der Kläger insbesondere Schulterbeschwerden, Atembeschwerden, Überempfindlichkeit aufgrund
einer Bauchwandparese und Wirbelsäulenbeschwerden geltend. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige Prof. K. diagnostizierte
in seinem unfallchirurgischen Gutachten vom 24.05.2005
1. Zustand nach Polytrauma (Fusion L 1/L2, Höhenminderung L 1, Schulterblattfraktur rechts mit eingeschränkter Kraftentwicklung,
komplexes Thoraxtrauma mit Rippenserienfraktur, Sensibilitätsstörung Thorax rechts und der Flankenregion und Oberschenkel,
Bauchwand- und Flankenschwäche rechtsseitig),
2. Lumbalgie L 5/S 1 - ohne radikuläre Störungen,
3. Senk-Spreizfüße - ohne wesentliche Funktionsbeeinträchtigung,
4. Adipositas.
Der Kläger könne trotz Funktionseinbußen noch leichte Arbeiten in wechselnden Körperpositionen (nach ca. 15 - 20 Minuten)
bis zu 8 Stunden täglich ausüben. Tätigkeiten, die auf eine vorzugsweise Benutzung der rechten oberen Extremität abzielten,
seien nicht durchführbar. Der Kläger werde weiterhin ein lumbales Stützmieder benutzen müssen.
In einem Rechtsstreit vor dem österreichischen Landesgericht Linz als Arbeits- und Sozialgericht schloss der Kläger am 12.05.2006
einen Vergleich mit der österreichischen Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau über eine "Knappschaftsvollpenison".
Die dort eingeholten Gutachten des Nervenarztes Dr. L. vom 12.09.2005 und des Orthopäden Dr. Sch. vom 22.11.2005 wurden vom
SG beigezogen. Dr. Sch. diagnostizierte u.a. eine angeborene Instabilität im Bereich L5/S1 und vertrat die Auffassung, dass
die vom Kläger zur Schmerzbekämpfung benötigten Opiate zu solchen Nebenwirkungen führen würden, dass der Kläger nicht arbeiten
könne. Es seien zwei zusätzliche Pausen innerhalb eines Arbeitstages von jeweils einer halben Stunde erforderlich, damit sich
der Kläger von den starken chronischen Schmerzen erholen könne. Der Gesundheitszustand des Klägers werde sich mit hoher Wahrscheinlichkeit
im Laufe der nächsten Jahre verschlimmern.
Der Rechtsstreit vor dem Sozialgericht München (S 14 R 1962/04) wurde durch Vergleich beendet, wonach volle Erwerbsminderung auf Zeit ab 08.06.2004 bis 31.07.2007 anerkannt und die entsprechenden
Leistungen ab 01.01.2005 gewährt wurden.
Der hier streitgegenständliche Antrag auf Weitergewährung der Rente ab 01.08.2007 wurde nach orthopädischer Begutachtung durch
Dr. W. vom 11.06.2007 mit Bescheid vom 06.09.2007 abgewiesen. Der dagegen gerichtete Widerspruch vom 27.09.2007 wurde nach
Begutachtungen auf psychiatrischem Fachgebiet vom 30.01.2008 durch Dr. W. und erneut auf orthopädischem Gebiet durch Dr. M.
vom 05.03.2008 mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2008 zurückgewiesen. Der Kläger verfüge über ein zeitliches Leistungsvermögen
von mindestens sechs Stunden für leichte Arbeiten ohne viel Bücken und ohne Zwangshaltungen.
Die Klage vom 28.04.2008 beim Sozialgericht München ist mit der Verschlechterung des Gesundheitszustands unter Bezugnahme
auf das Gutachten des Dr. Sch. begründet worden. Außerdem sind Atteste vom Unfallchirurgen Dr. H. vom 02.08.2008 und vom Facharzt
für innere Medizin, Dr. L., vorgelegt worden. Letzterer hat am 12.08.2008 über eine massive restriktive Ventilationsstörung
mutmaßlich im Gefolge des Thoraxtraumas und eine dadurch deutlich limitierte pulmonale Leistungsfähigkeit in der Fahrradergometrie
berichtet.
Das Sozialgericht hat einen aktuellen Befundbericht bei Dr. H. eingeholt und bei dem Facharzt für Orthopädie und Schmerztherapie
Dr. M. ein Gutachten nach §
106 SGG in Auftrag gegeben. Dieser hat den Kläger am 27.11.2008 untersucht und insbesondere chronische Schmerzen im Rücken, der rechten
und linken Schulter sowie im rechten Oberkörper festgestellt.
Der tief sitzende Rückenschmerz sei nicht im ehemaligen Frakturbereich, sondern in der lumbo-sakralen Übergangsregion mit
deutlicher Bandscheibenprotrusion lokalisiert. Der Diagnose einer ausgeprägten Instabilität der Wirbelsäule könne nicht gefolgt
werden. Eine Ausstrahlung in die Beine werde verneint. Eine Schmerzzunahme bei längerem Sitzen sei plausibel. Es zeige sich
insbesondere eine Fehlstatik des Oberkörpers mit deutlichem Schultertiefstand links. Ohne Orthese könne der Oberkörper nicht
im Lot gehalten werden.
Die Funktion der rechten Schulter sei eingeschränkt. Überkopfarbeiten könnten nicht mehr durchgeführt werden. Allerdings werde
der Arm durchaus im Alltag eingesetzt, da der Kläger im Rahmen seiner Wohngemeinschaft sämtliche Hausarbeiten durchführe.
Die Beweglichkeit der linken Schulter sei besser; Beschwerden an diesem Gelenk seien aber durchaus glaubhaft.
Durch den Unfall sei es auch zu einer Nervenschädigung mit Bauchmuskellähmung gekommen. Dadurch habe sich ein neuropathisches
Schmerzsyndrom mit vermehrter Berührungsempfindlichkeit eingestellt. Es liege aber kein Dauerschmerz in dieser Region vor.
Es bestehe nach Dr. L. eine limitierte pulmonale Leistungsfähigkeit, wobei der Kläger allerdings angebe, bei normalen Spaziergängen
in ebenem Gelände keine Atemnot zu verspüren, wohl aber beim Treppensteigen und Bergaufgehen.
Gegen die Schmerzzustände würden bei Bedarf zwei- bis dreimal pro Woche zwei Schmerzmedikamente gegen leichte bis mittelschwere
Schmerzen in eher niedriger Dosierung eingenommen. Durch die Einnahme von Schmerzmitteln im Rahmen moderner Schmerztherapie
seien keine schweren Schäden zu erwarten; die nur zeitweise durchgeführte Schmerzmitteleinnahme sei Indiz dafür, dass kein
ständiger Bedarf bestehe.
Aus dem Tagesablauf ergäben sich Einschränkungen aber auch Ressourcen. Der Rückenschmerz nehme erst nach ca. ein bis eineinhalb
Stunden Sitzen zu. Es würden regelmäßige Spaziergänge von bis zu eineinhalb Stunden ausgeführt.
Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass der Kläger noch leichte Arbeiten in Wechselposition (stündliche Unterbrechung der
Position) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt drei bis sechs Stunden mit Einschränkungen täglich durchführen könne. Abweichend
von der Vorgutachterin Dr. W. sehe er aufgrund der multiloculären Schmerzsymptomatik bei nachweisbaren Schäden und Funktonseinschränkungen
auch eine quantitative Leistungseinschränkung. Zu vermeiden seien Heben und Tragen, häufiges Bücken, Zwangshaltungen, Arbeiten
auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten mit ständig vorgehaltenen Armen, Überkopfarbeiten, häufiges Treppensteigen.
Die Beklagte hat in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme auf den relativ "normalen" Tagesablauf des Klägers hingewiesen
sowie auf die von Dr. M. angegebenen deutlichen Schwielenbildungen und Gebrauchsspuren im Bereich beider Hände. Die von Dr.
M. übernommene Aussage des Dr. L., dass eine schwere restriktive Ventilationsstörung bestehe, sei zu hinterfragen. Das multilokuläre
chronifizierte Schmerzsyndrom sei nicht hinreichend belegt.
Daraufhin hat das SG noch ein nervenärztliches Gutachten bei Dr. K. nach §
106 SGG mit ergänzender Stellungnahme vom 19.05.2009 eingeholt. Der Gutachter hat den Kläger am 31.03.2009 untersucht. Er hat unterhalb
des Rippenbogens eine mäßig ausgeprägte Bauchmuskelparese festgestellt, die er als optisch nicht sehr eindrücklich beschrieben
hat. Bei Ablenkung seien keine Ausweichbewegungen wie zuvor bei Berührung des Brustkorbs festzustellen gewesen. Dass der Kläger
bei Ablenkung im Bereich der Narbe keine Schmerzen angegeben habe, habe nichts mit Simulation, sondern mit Verdeutlichung
zu tun, die im Rahmen einer Begutachtung eher die Regel denn die Ausnahme sei.
Im Bereich der Extremitäten hätten keine sensomotorischen Ausfälle vorgelegen. An den Händen hat der Gutachter eine deutliche
Beschwielung mit frischen Arbeitsspuren beschrieben. Das abgeleitete EEG zeige einen normalen Befund.
Auf psychiatrischem Gebiet hat sich keine krankheitswertige Symptomatik gefunden. Allerdings sei eine gewisse Schmerzbetonung
nicht zu verkennen gewesen. Das vom orthopädischen Gutachter herausgearbeitete neuropathische Schmerzsyndrom sei zu bejahen.
Das Schmerzsyndrom werde unspezifisch (1-2 Tabletten pro Woche) mit einem konventionellen Schmerzmittel behandelt. Auf den
Einwand der Prozessbevollmächtigten, der Kläger nehme tatsächlich jeden Tag Schmerzmittel ein (Parkamed 500 bzw. Voltaren
oder Diclobene) und steigere die Dosis je nach Befinden, hat Dr. K. erläutert, dass der Kläger ihm gegenüber auf Befragen
angegeben habe, dass er 1-2 mal wöchentlich Parkamed einnehme und sich außerdem regelmäßig mit Voltaren einreibe. Dies sei
keine zeitkontingente regelmäßige Schmerztherapie. Die moderate Behandlung und die objektiven Faktoren sprächen dafür, dass
es sich um ein geringfügig ausgeprägtes Schmerzsyndrom handele, bezüglich dessen auch eine nicht bewusstseinsferne Ausgestaltung
anzunehmen sei.
Es liege eine starke Bemuskelung vor. Auf den Hinweis der Prozessbevollmächtigten, die Muskulatur des Klägers beruhe auf einem
leichten angemessenen Training (Physiotherapie, Fitnessraum eines Bekannten, Ergometer) und er verrichte nur leichte Hausarbeiten
unterbrochen durch Pausen, hat der Gutachter bezweifelt, ob ein "leichtes Training" zu einer derartigen Bemuskelung führen
könne.
Die von Dr. L. herausgestellte gravierende Einschränkung der Lungenfunktion stelle keinen objektiven Befund dar, sondern sei
von der Mitarbeit abhängig.
Der Gutachter hat im Ergebnis ein vollschichtiges Leistungsvermögen im Bereich leichter, kurzfristig auch mittelschwerer körperlicher
Tätigkeiten angenommen. Besondere Unterbrechungen seien nicht erforderlich. Zu vermeiden seien schwere körperliche Tätigkeiten,
Tätigkeiten in Zwangshaltung und häufige Überkopfarbeiten.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat kritisiert, dass Dr. K. die Röntgenaufnahmen, die Verletzung der Hautnerven und
deren Folgen sowie die eingeschränkte Lungenfunktion nicht ausreichend gewürdigt habe. Er habe nicht berücksichtigt, dass
der Kläger ein Mieder tragen müsse, mit dem normales Bücken und Bewegungen nicht möglich seien. Ausschlaggebend sei das orthopädische
Gutachten. Die Beschwielung der Hände gehe auf die sehr trockene Haut des Klägers und Risse zurück, die auch Verfärbungen
bewirken würden. Der Kläger verfüge nicht so sehr über Muskeln als über Fett.
Die Klage ist durch Urteil vom 03.08.2009 abgewiesen worden. Das SG hat sich auf das Gutachten des Dr. K. gestützt. Dem Gutachten des Dr. M. sei eine überzeugende Begründung für die von ihm
angenommene zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens nicht zu entnehmen. Dr. M. setze sich insbesondere nicht mit den
zahlreichen Aktivitäten (Hausarbeiten, Fischen, Spaziergänge, Training auf dem Heimtrainer, Motorradfahren) des Klägers auseinander,
die er trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen noch durchführe. Die Aktivitäten würden die beschriebene ausgesprochen
kräftige Muskulatur und die Beschwielung an den Händen erklären. Bei dieser Sachlage sei es ohne Bedeutung, wie oft er die
Schmerzmittel einnehme. Eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens sei nicht nachgewiesen.
Das Urteil ist dem Kläger am 17.09.2009 zugegangen. Am 01.10.2009 ist Berufung eingelegt worden. Zur Begründung hat sich die
Prozessbevollmächtigte des Klägers insbesondere auf das Gutachten des Dr. M. berufen. Der Gutachter Dr. K. stütze sich auf
die falsche Annahme einer geringen Schmerzmitteleinnahme. Insbesondere die eingeschränkte Lungenfunktion und die Notwendigkeit,
ein Stützmieder zu tragen, seien nicht ausreichend berücksichtigt worden.
Der vom Senat nach §
106 SGG beauftragte Orthopäde Dr. G. hat den Kläger am 03.03.2010 untersucht. Der Gutachter hat die Diagnosen gestellt:
1. Cervikales Facettensyndrom ohne wesentliche Funktionsbeeinträchtigung,
2. Thoracolumbales Schmerzsyndrom bei
- posttraumatischer Seitverbiegung der BWS nach Rippenserienfraktur rechts, persistierende Bauchwandlähmung
- Z.n. Spondylodese L 1/2 ohne wesentliche Segmentfehlstellung knöchern überbaut
- Lumbaler Spondylosis interspinosa im Sinne Morbus Baastrup,
3. Funktionsbeeinträchtigung beider Schultergelenke bei Impingementsymptomatik mit höhergradiger Rotatorenmanschettenpathologie
rechts,
4. Funktionsbeeinträchtigung beider Ellenbogengelenke unklarer Ätiologie,
5. V.a. initiale Coxarthrose beidseits.
Die Wirbelsäule weise eine erhebliche Funktionsbeeinträchtigung auf, deshalb seien statisch belastende Tätigkeiten und einseitige
Körperpositionierungen zu vermeiden. Auf Dauer nicht mehr zumutbar seien auch das Heben und Tragen von mittelschweren Lasten.
Eine Segmentinstabilität lasse sich nicht nachweisen. Inwieweit eine Beeinträchtigung der Atemkapazität bestehe, könne aus
orthopädischer Sicht nicht beantwortet werden.
Wegen der Funktionsbeeinträchtigungen an den oberen Extremitäten seien Tätigkeiten über die Armhorizontale hinaus und in ständiger
Armvorhalte (Bildschirm) nicht mehr möglich. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände sei nicht beeinträchtigt. Der Kläger könne noch
mindestens sechs Stunden - im Wechsel stehend, gehend und sitzend zu etwa gleichen Anteilen - ohne zusätzliche Arbeitsunterbrechungen
täglich arbeiten.
Außerdem ist der Facharzt für Arbeitsmedizin und Lungenheilkunde Prof. Dr. F. nach §
106 SGG mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt worden. Er hat bei der Untersuchung am 16.09.2010 u.a. festgestellt, dass
der asymmetrische knöcherne Brustkorb in der Beweglichkeit schmerzbedingt leicht eingeschränkt ist; die Beatmung erfolge seitengleich.
Der Kläger bemühe sich bei der Untersuchung, die maximale Leistung zu erbringen. Die Lungenfunktionsprüfung habe zusammenfassend
keine respiratorische Insuffizienz ergeben. Die Leistungsuntersuchung zur Fahrerlaubnisverordnung (Wiener Test) habe Hinweise
auf eine deutlich unterdurchschnittliche Belastbarkeit des Klägers ergeben. Die verminderte Belastbarkeit spreche gegen eine
Einsetzbarkeit für Tätigkeiten unter Zeitdruck.
Der Kläger habe spontan das Bedürfnis gezeigt, die Position zu wechseln und bei längerem Sitzen ab ca. 10-15 Minuten die Beine
zu bewegen. Das Mieder behindere den Kläger nachvollziehbar beim Bücken und beim Atmen. Es habe sich klinisch und radiologisch
eine Zunahme der thorakal rechts-konvexen Skoliose gezeigt. Dies belege eine Verschlimmerung.
Kardiopulmonal habe sich keine Leistungsbeschränkung gefunden. Der Kläger wirke psychisch völlig unauffällig.
Es seien noch leichte Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen nur bei frei wählbarem Wechsel der Haltungen für mindestens sechs
Stunden täglich möglich. Nässe und Zugluft müssten vermieden werden. Es müssten zusätzliche Arbeitspausen einmal pro Stunde
für 5 Minuten zum Ausgleich für Bewegungsübungen gegeben sein. Besondere Anforderungen an den Gleichgewichtssinn würden wegen
der Stellmechanismen des Halteapparats ausgeschlossen sein.
Die Prozessbevollmächtigte hat darauf hingewiesen, dass sich eine Verschlechterung des Wirbelsäulenleidens ergeben habe. Es
sei widersprüchlich, wenn trotz Verschlechterung gegenüber dem früheren Zustand ein vollschichtiges Leistungsvermögen angenommen
werde. Die zahlreichen Leistungseinschränkungen und insbesondere die geforderten Arbeitspausen seien mit den Bedingungen des
allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr vereinbar.
Der Gutachter Dr. G. hat am 19.04.2011 eine ergänzende Stellungnahme nach Aktenlage zu den Feststellungen des Prof. F. abgegeben.
Eine erneute klinische Untersuchung habe sich nach Aktenstudium erübrigt. Bereits am 03.03.2010 sei von einer erheblich leistungsbeeinträchtigenden
Funktionsminderung der Brust- und Lendenwirbelsäule ausgegangen worden. Insofern ergebe sich keine geänderte Einschätzung.
Die Einhaltung zusätzlicher Arbeitspausen sei nicht erforderlich. Nicht berücksichtigt werde dabei eine möglicherweise vorhandene
Beeinträchtigung der Lungenfunktion.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen angenommen. Der vom Bundessozialgericht
insoweit vorgegebene Fallkatalog betreffe zusätzliche Arbeitspausen von zwei Mal je 15 Minuten täglich. Hier seien sogar zusätzliche
Arbeitspausen von 5 Minuten pro Stunde erforderlich, insgesamt damit 40 Minuten pro Tag. Hinzu kämen weitere Einschränkungen
der Arm- und Handbewegungen (keine Bildschirmarbeit).
Prof. Dr. F. ist unter richterlichem Hinweis auf die Rechtsprechung zu den sog. Verteilzeiten um ergänzende Stellungnahme
gebeten worden. Er hat dazu am 05.08.2011 mitgeteilt, dass er im Gegensatz zu Dr. G. weiterhin Arbeitspausen zusätzlich zu
der 30-minütigen Ruhepause nach dem Arbeitszeitgesetz für erforderlich halte. Diese zusätzlichen Arbeitspausen von einmal 5 Minuten pro Stunde könnten in die sog. Verteilzeiten
gelegt werden. Bei den im Gutachten angesprochenen Bewegungsübungen solle es sich um physiotherapeutische Maßnahmen handeln,
ohne dass es hierzu einer spezifischen Einrichtung oder Ausstattung bedürfe. Eine spezifische lungenfachärztliche Indikation
liege nicht vor.
Die Prozessbevollmächtigte hat die Berufung aufrecht erhalten. Sie gehe von einem verschlossenen Arbeitsmarkt aus. Zusätzliche
Pausenzeiten von 40 Minuten würden nicht den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts entsprechen. Soweit der Gutachter von
Graubereichen wie den Verteilzeiten spreche, könnten diese kein rechtliches Kriterium darstellen. Selbst eine Aufteilung der
30-minütigen Pause in Kurzpausen nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 Arbeitszeitgesetz würde nicht ausreichen. Diese Ausnahmeregelung beziehe sich außerdem auf ein Tätigkeitsspektrum mit besonders hohen Anforderungen
an die Konzentration, die der Kläger laut Gutachten des Prof. Dr. F. nicht mehr erbringen könne.
Die Bevollmächtigte des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung vom 24.11.2011 den Antrag gestellt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 3. August 2009 sowie des Bescheids vom 6. September
2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. April 2008 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller, hilfsweise wegen
teilweiser Erwerbsminderung ab 1. August 2007 zu zahlen.
Die Beklagtenvertreterin hat den Antrag gestellt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die Akten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das SG hat zu Recht die Klage gegen den Bescheid v. 06.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.04.2008 abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den im Jahr 1969 geborenen Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger
steht kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung nach §
43 Abs.
1,
2 SGB VI zu. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach §
240 SGB VI kommt schon wegen des Geburtsjahrgangs des Klägers nicht in Betracht.
Für die Entscheidung über die Weitergewährung der Rente ab August 2007 kommt es nicht darauf an, ob eine wesentliche Änderung
in den Verhältnissen i.S.d. § 48 SGB X eingetreten ist (vgl. Kater in Kasseler Kommentar, § 102 Rn. 3). Vielmehr ist das Vorliegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab August 2007 nachzuweisen. Dieser Nachweis ist
auf der Grundlage der ausreichend erhobenen Beweislage nicht zur Überzeugung des Senats erbracht.
Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer
Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig
zu sein. Erwerbsgemindert ist nach §
43 Abs.
3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein
kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Kläger ist nach den überzeugenden Feststellungen von Dr. G. und Prof. F. noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich
erwerbstätig zu sein (§
43 Abs.
3 SGB VI).
Unbestritten leidet der Kläger an verschiedenen Gesundheitsstörungen, die zum Teil auf seinen schweren Arbeitsunfall vom März
2002 zurückgehen. Sie bedingen aber weder einzeln für sich genommen noch in ihrer Gesamtheit eine zeitliche Leistungseinschränkung.
Soweit Dr. M. ein nur drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen annimmt, wird diese Einschätzung durch die Angaben
in seinem Gutachten ("multiloculäre Schmerzsymptomatik") nicht überzeugend begründet. Die Diagnose einer Schmerzsymptomatik
belegt noch keine quantitative Leistungsminderung, vielmehr ist das subjektiv angegebene Ausmaß auch auf seine Plausibilität
zu prüfen. Der Gutachter hat insoweit selbst auf die eher geringe Intensität der Schmerztherapie und die aus der Schilderung
des Tagesablaufs ableitbaren Ressourcen des Klägers hingewiesen.
Die Diagnose einer ausgeprägten Instabilität der Wirbelsäule im Bereich L 5/S 1 mit Ausstrahlungen in die Beine, die Dr. Sch.
in seinem Gutachten vom 22.11.2005 gestellt hat und die für das Vergleichsangebot der Beklagten vom 28.07.2006 im Rechtsstreit
S 14 R 1962/04 ausweislich der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 17.07.2005 mit ausschlaggebend war, hat Dr. M. ausdrücklich nicht bestätigt.
Schon in der Anamnese hat der Kläger eine Ausstrahlung in die Beine verneint. Der Lasegue-Test war beidseits negativ. Bei
den von Dr. M. angefertigten Funktionsaufnahmen der LWS ließ sich keine vermehrte Aufklappbarkeit und kein Wirbelgleiten im
Segment L5/S1 darstellen. Eine Instabilität wurde auch weder von Prof. Dr. K. noch von Dr. G. gesehen.
Soweit Dr. M. im Thoraxbereich zusätzlich eine vermehrte Berührungsempfindlichkeit festgestellt hat, hat er zugleich vermerkt,
dass es sich um keinen Dauerschmerz handele. Der Gutachter Dr. K., in dessen Fachgebiet die Störung fällt, hat darauf hingewiesen,
dass eine Schmerzangabe und Ausweichbewegung bei Berührung der Narbe nur unter Blickkontrolle, nicht aber bei Ablenkung stattgefunden
haben. Die Ausprägung des neuropathischen Schmerzsyndroms im Bereich des oberen Thorax sieht er daher nachvollziehbar als
nicht schwerwiegend an. In nachfolgenden Gutachten wurde die Berührungsempfindlichkeit vom Kläger nicht wesentlich thematisiert.
Soweit der Kläger über Atembeschwerden klagt, die durch die eingeschränkte Beweglichkeit des Brustkorbs und das Tragen eines
Stützmieders verursacht werden, hat sich bei der Lungenfunktionsprüfung durch Prof. Dr. F. bei guter Mitarbeit des Klägers
keine kardio-pulmonale Leistungseinschränkung nachweisen lassen. Die Diagnose einer massiven restriktiven Ventilationsstörung,
die Dr. L. am 12.08.2008 attestiert hat, konnte nicht in einem erheblichen Ausmaß bestätigt werden. Ein Belastungsabbruch
bei der Fahrradspiroergometrie erfolgte bei Prof. Dr. F. bei 157 Watt (= 105% des Solls), während Dr. L. noch von einem Belastungsabbruch
bei 100 Watt berichtet hat. Diese Entwicklung mag auch auf das Training zurückzuführen sein, das der Kläger im eigenen Interesse
der Gesunderhaltung absolviert. Die Prozessbevollmächtigte hat hierzu über den regelmäßigen Besuch des Klägers eines Fitnessraums
sowie die Benutzung eines Ergometers berichtet. Eine zeitliche Leistungslimitierung aufgrund der Atemprobleme lässt sich jedenfalls
nicht begründen. Dies widerspricht auch nicht den eigenen Angaben des Klägers. Er berichtet zwar über Luftnot beim Treppensteigen,
ist aber jedenfalls nach eigenen Angaben in der Lage, ca. eine Stunde spazieren gehen zu können.
Aus den unbestritten bestehenden erheblichen Wirbelsäulenbeschwerden aufgrund eines bestehenden Bandscheibenschadens und der
Fehlstatik des Oberkörpers bei Bauchmuskellähmung lassen sich Leistungseinschränkungen - insbesondere eine Wechselhaltung
- ableiten. Eine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens ist aber nicht überzeugend zu begründen; selbst Prof. Dr.
F. hat eine solche nicht angenommen, obwohl er von einer Verschlechterung der Fehlstellung ausging.
Den Schulterbeschwerden kann ebenso durch qualitative Leistungseinschränkungen ausreichend Rechnung getragen werden. Dabei
ist auch darauf hinzuweisen, dass im Bereich der Extremitäten keine sensomotorischen Ausfälle festgestellt wurden, die Muskulatur
kräftig als auch seitengleich ausgebildet ist und sowohl Dr. M. als auch Dr. K. und Dr. G. an den Händen deutliche Gebrauchsspuren
fanden. Mit dem Einwand des Klägers, er habe sehr trockene Haut an den Händen, wird diese Beobachtung nicht überzeugend widerlegt.
Damit allein ließe sich nicht die Beobachtung des Dr. G. erklären, dass bei Rechtshändigkeit eine deutlich verstärkte Hohlhandbeschwielung
gegenüber links mit Verarbeitungsspuren und abgestoßenen Fingernägeln vorliegt. Eine Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit
der Hände wird von keinem Gutachter gesehen.
Die Gutachter haben beim Kläger keine psychischen Störungen festgestellt. Dr. K. hat dabei auch die Aussage des Klägers angegeben,
dass er pflanzliche Beruhigungsmittel einnehme, weil er sich Gedanken mache, wie es weitergehe. Prof. Dr. F. hat ausgeführt,
dass der kooperative, freundlich-aufgeschlossene Kläger ausgeglichen, bewusstseinsklar, orientiert und geordnet wirkt und
sich allgemein in einer "guten psychisch-in-tellektuellen Verfassung" befindet. Prof. Dr. F. will allerdings aus der Leistungsuntersuchung
nach der Fahrerlaubnisverordnung (Wiener-Test) eine unterdurchschnittliche Belastbarkeit ableiten, da sich im allgemeinen
Leistungstest Hinweise auf nicht angepasstes Arbeitstempo und im sog. Determinationstest ein unterdurchschnittliches Leistungsprofil
bei den Merkmalen Belastbarkeit, Konzentration und Reaktionsfähigkeit gezeigt habe. Dabei haben sich gute Ergebnisse bei Tests
zur Messung optischer und akustischer Reize ergeben. Der Senat hat Zweifel, ob sich aus zwei Einzel-Tests im Rahmen der Leistungsuntersuchung
zur Fahrerlaubnis verallgemeinerungsfähige Aussagen zur Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ableiten lassen.
Auch wenn Prof. Dr. F. darauf hinweist, dass der Kläger generell bemüht sei, maximale Leistung zu erbringen, erscheint die
Aussagekraft von Tests, die auf der Mitwirkungsbereitschaft des Probanden beruhen, beschränkt. Die Ausgangssituation eines
Probanden, der die Fahrerlaubnis erhalten will, unterscheidet sich von derjenigen des Klägers erheblich. Prof. Dr. F. spricht
zusammenfassend auch nur von einer "möglicherweise" reduzierten Stresstoleranz unter zeitlicher komplexer Belastung. Weitere
Aufklärung ist hierzu nicht veranlasst. Zu Gunsten des Klägers können die von Prof. Dr. F. abgeleiteten Einschränkungen (keine
Arbeiten im Akkord und nur eingeschränkt Arbeiten unter Zeitdruck) jedenfalls unterstellt werden. Eine schwere spezifische
Leistungseinschränkung lässt sich daraus nicht ableiten.
Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass der Kläger
unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden allgemeinen Arbeitsmarktes keine Tätigkeit finden könnte.
Denn bei ihm liegen weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung
vor. Als solche schwere Einschränkungen gelten etwa besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an
einen neuen Arbeitsplatz (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 104, 117), - in Verbindung mit anderen Einschränkungen - die Erforderlichkeit, zwei zusätzliche Arbeitspausen von je 15 Minuten einzulegen
(BSG SozR 2200 § 1246 Nr 136), Einschränkungen bei Arm- und Handbewegungen, halbstündiger Wechsel vom Sitzen zum Gehen (BSG
SozR 3-2200 § 1247 Nr 8) und regelmäßig einmal in der Woche auftretende Fieberschübe (vgl BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 14), Einarmigkeit
und Einäugigkeit (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 30). Als Folge einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer
schweren spezifischen Leistungsbehinderung wäre eine Verweisungstätigkeit konkret zu benennen. Grund dafür ist, dass der Arbeitsmarkt
für solche überdurchschnittlich stark leistungsgeminderten Personen möglicherweise schlechthin keine Arbeitsstelle bereit
hält (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 81, 90) bzw. nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für die an sich noch mögliche
Vollzeittätigkeit eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen gibt (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 136) oder, dass ernste Zweifel
daran aufkommen, ob der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb einsetzbar ist (BSG SozR 2200
§ 1246 Nr 104).
Dies ist nach der Auffassung des Senats nicht der Fall.
Hier kann der Kläger nach den überzeugenden Angaben des Dr. G. noch leichte Arbeiten im Wechsel stehend, gehend und sitzend
zu etwa gleichen Anteilen, Arbeiten im Freien bei Kälte und Nässe nicht länger als zwei Stunden, ohne Heben und Tragen über
5 kg und ohne regelmäßige Einnahme von Zwangshaltungen jeder Art (Überkopfarbeiten, ständige Armvorhalte am Bildschirm, gebückt,
hockend oder vornübergeneigt) ausüben.
Zusätzlich hat Prof. Dr. F. das Klettern auf Leitern und Gerüste bei leicht eingeschränkter Gang- und Standsicherheit und
das Arbeiten im Akkord als unzumutbar angesehen. Der Wechsel der Haltungen müsse möglichst frei wählbar sein.
Publikumsverkehr ist uneingeschränkt möglich. Die Hände des Kläger sind gebrauchsfähig. Besondere Anpassungsschwierigkeiten
oder psychische Probleme bestehen nicht.
Der Senat sieht im Ergebnis noch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen.
Ein erhöhter Pausenbedarf, der mit betriebsüblichen Arbeitsbedingungen nicht vereinbar wäre, ist nach Ansicht des Senats nicht
gegeben. Prof. Dr. F. hat zwar auch zusätzliche Arbeitspausen von 5 min pro Stunde zum Ausgleich für Bewegungsübungen gefordert.
Dabei hat er sich aber ausdrücklich nicht auf eine lungenfachärztliche Indikation berufen. Der fachnähere Orthopäde Dr. G.
hat demgegenüber zusätzliche Pausen auch in Kenntnis des später erstellten Gutachtens nicht als erforderlich angesehen und
es für ausreichend gehalten, dass der Kläger Zwangshaltungen nicht regelmäßig einnehmen müsse. Eine überzeugende Begründung
für die Forderung nach zusätzlichen Pausen hat Prof. Dr. F. nicht erbracht. Er nennt die Vermeidung einer körperlichen Überforderung.
Insoweit kann aber auch der ohnehin geforderte Haltungswechsel bereits zur Bewegung und Lockerung genutzt werden. Prof. Dr.
F. weist selbst darauf hin, dass es für die Bewegungen jedenfalls einer spezifischen Ausstattung des Arbeitsplatzes nicht
bedürfe.
Selbst wenn der Forderung von Prof. Dr. F. entgegen der Überzeugung des Senats gefolgt würde, so könnten die Unterbrechungen
aber jedenfalls im Rahmen der sog. Verteilzeiten abgedeckt werden. Dabei handelt es sich nicht um die nach § 4 Arbeitszeitgesetz geregelte Ruhepause von 30 Minuten, die ggf. nach Satz 2 dieser Bestimmung in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten
aufgeteilt werden kann. Über die nach dem Arbeitszeitgesetz vorgeschriebenen Pausen hinaus werden Arbeitnehmern in gewissem Umfang auch noch sogenannte Verteilzeiten zugestanden, in
denen persönliche Belange wahrgenommen werden (Zeiten z.B. für das Vorbereiten beziehungsweise Aufräumen des Arbeitsplatzes,
den Gang zur Toilette, Unterbrechungen durch Störungen durch Dritte usw.). Hierbei gelten beispielsweise Kurzpausen von weniger
als 15 Minuten alle zwei Stunden im öffentlichen Dienst nicht als Arbeitszeit verkürzende Pausen. Die von den Arbeitgebern
allgemein für Büroarbeiten zugestandene persönliche Verteilzeit ist mit etwa 12% der tariflich festgesetzten Arbeitszeit anzusetzen
(s Gürtner, Kasseler Kommentar §
43 SGB VI Rn 40, LSG Baden Württemberg, Entscheidung vom 20.03.2007 - L 11 R 684/06 m.w.N., juris). Auf gerichtliche Nachfrage, mit der auf diese Praxis und deren Umfang hingewiesen wurde, hat Prof. Dr. F.
es ausdrücklich für ausreichend gehalten, dass der Kläger diese Verteilzeiten für die von ihm geforderten Bewegungsübungen
nutzen könne. Dabei wird mit der Subsumtion der geforderten Bewegungsübungen unter die Verteilzeiten die rechtliche Bewertung
nicht auf den Gutachter verlagert, wie die Prozessbevollmächtigte meint. Der Stellungnahme des Prof. Dr. F. ist vielmehr zu
entnehmen, dass sich das von ihm für notwendig gehaltene medizinische Ausmaß der Pausen und der Bewegungsübungen innerhalb
des angegebenen Zeitrahmens der sog. Verteilzeiten hält.
Nach Ansicht des Senats ließen sich die sog. Verteilzeiten für die von Prof. Dr. F. geforderten Lockerungsübungen nutzen.
Es besteht inzwischen ein breit verankertes Bewusstsein auch für die wirtschaftliche Bedeutung von präventiven Gesunderhaltungsmaßnahmen
am Arbeitsplatz wie z.B. ergonomisches und dynamisches Sitzen. Für Bildschirmarbeitsplätze schreibt die Bildschirmarbeitsverordnung sogar ausdrücklich in § 5 vor, dass die tägliche Arbeit an Bildschirmgeräten regelmäßig durch andere Tätigkeiten oder durch Pausen unterbrochen wird,
die die Belastung verringern. Die regelmäßige Lockerung bzw. Bewegung ist nach Ansicht des Senats ein sozialadäquater persönlicher
Belang, der - soweit er nicht ohnehin in den Arbeitsablauf integriert werden kann - in dem genannten Rahmen der Verteilzeit
berücksichtigt werden könnte.
Anders als bei dem vom BSG am 06.06.1986 (5b RJ 42/85) entschiedenen Fall geht es hier nicht um zwei zusätzlich benötigte
15-minütige Arbeitspausen, sondern um kürzere Zeiträume. Soweit die Prozessbevollmächtigte zusammenfassend von einem zusätzlichen
Pausenbedarf von 40 Minuten spricht, wird damit der Charakter der jeweils nur kurzen Verteilzeiten nicht treffend erfasst.
Im Übrigen ist bei Annahme eines ausreichenden sechsstündigen Leistungsvermögens rechnerisch lediglich von sechs kurzen Pausen
auszugehen, wobei die Bewegungsübung nach der letzten Arbeitsstunde wohl bereits in der Freizeit ausgeübt werden könnte, so
dass es rechnerisch nur um ca. 25 Minuten gehen dürfte.
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass für den Kläger als konkreter Verweisungsberuf die Tätigkeit eines Pförtners an der
Nebenpforte in Frage kommt. Insoweit ist in der mündlichen Verhandlung auf die Entscheidung des Senats vom 30.02.2011 - L
13 R 144/09 mit der dort enthaltenen Beschreibung hingewiesen worden. Der Senat hält diese Tätigkeit auch angesichts der beim Kläger
gegebenen Leistungseinschränkungen für zumutbar. Sie besteht hauptsächlich darin, überwiegend den Verkehr der Betriebsangehörigen
bei Bedarf von der Pförtnerloge aus zum Beispiel durch Öffnen einer Schranke oder Pforte mittels Knopfdruck zu gewähren. Der
Wechsel der Haltungen ist dabei möglich; Zwangshaltungen wie ständige Armvorhalte fallen nicht an. Hinsichtlich weiterer Merkmale
sowie der Verfügbarkeit solcher Arbeitsplätze wird auf die Ausführungen in o.g. Entscheidung verwiesen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen. Außergerichtliche Kosten sind mangels Erfolg des Verfahrens nicht zu erstatten
(§
193 SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.