Zulässigkeit der Berufung im sozialgerichtlichen Verfahren bei Berufungseinlegung gegen ein Urteil eines deutschen Gerichts
in Kroatien
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1950 geborene Klägerin, kroatische Staatsangehörige mit Wohnsitz in ihrem Heimatland, war - mit Unterbrechungen - in Deutschland
vom 7. Januar 1969 bis 30. Juli 1980 bei der Firma S. als Arbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 1. August 1980
hat die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland keine Versicherungszeiten mehr zurückgelegt.
Die Klägerin beantragte am 28. Februar 2007 über den kroatischen Versicherungsträger Rente wegen Erwerbsminderung von der
Beklagten. Diese zog beim kroatischen Versicherungsträger medizinische Unterlagen bei. Aus einem Gutachten vom 29. Oktober
2007 des Arbeitsmediziners Dr. T. geht hervor, dass die Klägerin in ihrer Jugend überwiegend gesund gewesen sei. In Deutschland
seien eine Tonsillektomie und Appendektomie vorgenommen worden. Verletzungen habe sie in Deutschland nicht erlitten. 1996
sei sie aufgrund einer Cysticercosis cerebri, Epilepsia symptomatica und Reactio allergica stationär behandelt worden. 2004
und 2006 hätten erneute stationäre Behandlungen stattgefunden. Seit 28. Februar 2007 liege das Leistungsvermögen der Klägerin
unter 3 Stunden. Die ältesten vorliegenden Befundberichte stammen aus dem Jahr 1996. Der kroatische Versicherungsträger teilte
mit Schreiben vom 16. November 2007 mit, die Klägerin habe in ihrem Heimatland keine Versicherungszeiten zurückgelegt.
Mit angefochtenem Bescheid vom 18. Dezember 2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil die besonderen versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Im maßgeblichen Zeitraum 28. Februar 2002 bis 27. Februar 2007 seien nur 0 Kalender-
monate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt. Auch sei der Zeitraum 1. Januar 1984
bis Januar 2007 nicht durchgehend mit Anwartschafts- erhaltungszeiten belegt. Die Wartezeit sei auch nicht vorzeitig erfüllt.
Schließlich sei die Erwerbsminderung nicht vor dem 1. Januar 1984 eingetreten.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie sei von 2. August 1993 bis 30. November 2007 arbeitslos
gemeldet gewesen. Arbeit habe sie nicht finden können. Sie legte eine Bescheinigung des kroatischen Arbeitsamtes vom 22. Januar
2008 vor, wonach sie vom 2. August 1993 bis 30. November 2003, 29. März
2004 bis 31. Dezember 2004, 22. März 2005 bis 31. Dezember 2005, 17. Mai 2006 bis 11. Dezember 2006 und 26. Juni 2007 bis
30. November 2007 im Register arbeitsloser Personen geführt worden sei. Im vorhergehenden und im laufenden Jahr habe die Klägerin
keine Geldleistung bezogen. Vorgelegt wurde weiterhin ein Arbeitsvertrag mit einem deutschen Arbeitgeber über Saisonarbeiten
(Spargelernte) vom 26. Februar 1996 für die Dauer von drei Monaten sowie Bescheide der kroatischen Rentenversicherungs- anstalt,
wonach in den Jahren 2003 24 Tage, 2004 15 Tage, 2005 1 Monat 6 Tage und 2006 1 Monat 19 Tage Versicherungszeit zurückgelegt
wurden.
Der Widerspruch wurde daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2008 zurückgewiesen. Der Klägerin wurde umfangreich
dargelegt, dass die versicherungs- rechtlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch nicht erfüllt seien. Für die Zeit
der Arbeitslosigkeit in Kroatien von 1993 bis 2007 scheide die Anerkennung einer Pflicht-beitragszeit aus, weil die Klägerin
nach den vorgelegten Unterlagen keine Leistungen vom kroatischen Arbeitsamt bezogen habe.
Mit der hiergegen erhobenen Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie verwies erneut darauf, seit 2. August 1993 beim Arbeitsamt gemeldet gewesen
zu sein, ohne eine Arbeit zu bekommen. Sie übersandte eine Vollmacht zu den Gerichtsakten, mit der sie ihren Sohn A. am 10.
März 2008 gegenüber der Beklagten bevollmächtigt hatte, den Schriftverkehr mit der deutschen Rentenversicherung in ihrem Namen
zu erledigen. Der ganze Schriftverkehr könne an ihren Sohn gerichtet werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 2. Juni 2009 wies das SG die Klage unter Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen Bescheids sowie des Widerspruchsbescheids ab. Ausweislich
der Postzustellungsurkunde wurde der Gerichtsbescheid am 13. Juni 2009 an den Sohn der Klägerin zugestellt.
Mit Schreiben vom 10. Juli 2009, in Kroatien zur Post gegeben am selben Tag, legte die Klägerin persönlich gegen den Gerichtsbescheid
Berufung ein. Der Briefumschlag trägt keine Kennzeichnung als Luftpostsendung/Vorrangsendung ("Par avion", "Prioritaire" o.ä.).
Das Porto beträgt 8 HRK. Das Schreiben ist beim SG ausweislich des Poststempels am 22. Juli 2009 eingegangen. Zur Begründung verwies die Klägerin darauf, sie sei nicht mehr
arbeitsfähig. Ab 25. Juli 2009 würde sie Beiträge zur Rentenversicherung bezahlen. Außerdem legte sie ein Zeugnis über eine
Ausbildung vor.
Mit Schreiben vom 8. September 2009 übersandte die Klägerin eine Vollmacht zu Gunsten ihres Sohnes. Der Senat teilte der Klägerin
mit, dass die Berufung verfristet eingelegt worden sei und hörte sie zu dem Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen an. Die
Klägerin erklärte, sie habe den Berufungsschriftsatz am 10. Juli 2009 abgesandt. Sie habe nicht damit gerechnet, dass er 19
Tage unterwegs sei. Das Zeitfenster für ihre Reaktion sei sehr kurz bei 30 Tagen Frist und 19 Tagen Postlaufzeit. Mit der
Langsamkeit der Post könne man nicht rechnen. Es werde Wiedereinsetzung beantragt. Sie legte ferner eine Bescheinigung des
kroatischen Rentenversicherungsträgers über den Beginn einer Tätigkeit am 9. September 2009 vor.
Die Beklagte äußerte sich zunächst mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2009 dahingehend, dass eine übermäßig lange Laufzeit nicht
zulasten der Klägerin gehen sollte. Bei einer Aufgabe der Berufung zur Post am 10. Juli 2009 sei unter normalen und üblichen
Umständen des Deutschen Postverkehrs mit einem fristgerechten Eingang am 13. Juli 2009 bei Gericht zu rechnen. Nach Hinweis
des Senats, dass der Berufungsschriftsatz am 10. Juli 2009 in Kroatien zur Post gegeben worden ist, erklärte die Beklagte,
sie gewähre in Widerspruchsverfahren (großzügig) Wiedereinsetzung, wenn der Widerspruch inner- halb der Rechtsbehelfsfrist
nach den Vorschriften des ausländischen Staates zur Post gegeben worden sei und sich der Widerspruchsführer hierauf berufe.
In Kroatien beginne die Widerspruchsfrist am ersten Tag nach dem Tag, an dem die Zusendung oder Mitteilung vollzogen worden
sei. Die Frist ende am 15. Tag; sei der letzte Tag der Frist ein Sonntag oder ein staatlicher Feiertag, ende die Frist mit
Ablauf des folgenden Arbeits- tages. Werde die Eingabe per Post, per Einschreiben oder auf telegrafischem Weg eingereicht,
gelte der Tag der Einlieferung bei der Post als Tag der Eingabe bei der Behörde.
Der Senat hat bei der "BRIEF" der Deutschen Post AG Auskünfte zu den Laufzeiten von Briefsendungen aus Kroatien eingeholt.
Danach dauern Luftpostsendungen ca. 4 bis 7 Tage nach Deutschland. Es handele sich hierbei um nicht repräsentative Laufzeitstudien.
Diese Daten könnten nur als unverbindliche Richtgröße dienen. Auf Anfrage des Senats, ob es sich bei der Sendung um eine Luftpostsendung
handele, teilte die Deutsche Post mit Schreiben vom 23. November 2009 mit, bei der Sendung müsste es sich angesichts des Portos
von 8 HRK um eine Landwegesendung handeln. Derartige Sendungen benötigten von Kroatien ca. 10 bis 14 Tage. Hierbei handele
es sich ebenfalls um Erfahrungswerte und nicht um Laufzeitgarantien. Es könne immer mal wieder vor-kommen, dass die tatsächlichen
Laufzeiten von diesen Erfahrungswerten abweichen würden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Landshut vom 2. Juni 2009 sowie des Bescheids der Beklagten
vom 18. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2008 zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen
Erwerbsminderung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen.
II. Die Berufung ist unzulässig, da sie nicht fristgerecht erhoben wurde und Gründe für eine Wiedereinsetzung in die abgelaufene
Berufungsfrist nicht vorliegen. Sie ist daher als unzulässig zu verwerfen (§
158 S. 1
Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Der Senat kann die nicht fristgerecht eingelegte Berufung gemäß §
158 S. 2
SGG durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung als unzulässig verwerfen. Einer besonderen Anhörungsmitteilung bedarf es nicht.
Nach den Grundsätzen über die Gewährung recht- lichen Gehörs genügt der - hier mehrfach erfolgte - Hinweis an die Berufungsklägerin,
aus welchen Gründen die Berufung unzulässig sein könnte. Die Klägerin hatte auch die Mög-lichkeit der Stellungnahme (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Auflage, §
158 Rn. 8).
Gemäß §
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - ist die Berufung bei dem Landes- sozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur
Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist gemäß §
151 Abs.
2 S. 1
SGG auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten
der Geschäfts- stelle eingelegt wird. Gemäß §
66 Abs.
1 SGG beginnt die Berufungsfrist nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über das mögliche Rechtsmittel, das Gericht, bei dem der
Rechtsbehelf anzubringen ist, seinen Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden ist.
Die Berufungsfrist beginnt mit der Tag der ordnungsgemäßen Zustellung der Ausfertigung des Gerichtsbescheids an den Berufungskläger
oder dessen Bevollmächtigten (§
64 Abs.
1 SGG). Die Ausfertigung des Gerichtsbescheids wurde nicht der Klägerin in Kroatien, sondern ihrem Sohn in Deutschland ausweislich
der Postzustellungsurkunde am 13. Juni 2009 ordnungsgemäß zugestellt. Die Klägerin hatte ihren Sohn im Verfahren vor dem SG wirksam zur Entgegennahme von Schriftverkehr und damit auch des Gerichts- bescheids bevollmächtigt (§
73 Abs.
2 S. 2 Nr.
2 SGG in der ab 1. Juli 2008 gültigen Fassung i.V.m. §
15 Abs.
1 Nr.
3 Abgabenordnung). Sie hatte eine Abschrift der Vollmacht zu Gunsten ihres Sohnes, die die Klägerin bei der Beklagten im Verwaltungs- verfahren
eingereicht hatte, mit dem Klageschriftsatz zu den Akten des SG übersandt. Aus diesem Schriftstück geht hervor, dass der Sohn der Klägerin zur Erledigung des Schriftverkehrs sowie zur Annahme
jeglichen Schriftverkehrs bevollmächtigt sein soll. Durch die Einreichung dieser Vollmacht beim SG hat die Klägerin hinreichend deutlich gemacht, dass diese auch in sozialgerichtlichen Verfahren Gültigkeit haben soll (vgl.
Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer-Leitherer,
SGG, 9. Auflage, §
73 Rn. 13 b). Eine wirksame Vollmacht liegt vor. Mit dem Tag der Zustellung des Gerichtsbescheids an den Sohn und damit am 13.
Juni 2009 begann daher die Berufungsfrist zu laufen.
Gemäß §
64 Abs.
2 S. 1
SGG endet eine nach Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf des entsprechenden Tags des nächsten Monats. Fällt das Ende einer
Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
Die Berufungsfrist endete damit am 13. Juli 2009 (Montag).
Die Berufungsfrist belief sich auch nicht gemäß §
66 Abs.
2 SGG auf ein Jahr nach der Zustellung des Gerichtsbescheides, da die in diesem enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig
ist. In der Rechtsbehelfsbelehrung wird die Klägerin zutreffend darauf verwiesen, die Berufung innerhalb eines Monats beim
Bayerischen Landessozialgericht oder beim SG einzulegen. Auch aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien über Soziale Sicherheit
vom 24. November 1997 (BGBl 1998 II S. 2034; AbkSozSich Kroatien) ergibt sich nichts anderes. Ist der Antrag auf eine Leistung nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaats
bei einer Stelle im anderen Vertragsstaat gestellt worden, die für die Annahme des Antrags auf eine entsprechende Leistung
nach den für sie geltenden Rechtsvorschriften zugelassen ist, gilt der Antrag gemäß Art. 33 S. 1 AbkSozSich Kroatien als bei
dem zuständigen Träger gestellt. Dies gilt für sonstige Anträge sowie für Erklärungen und Rechtsbehelfe ent- sprechend (Art.
33 S. 2 AbkSozSich Kroatien).
Mit diesen Bestimmungen wird nur eine Zuständigkeit des kroatischen Rentenversicherungsträgers begründet, gleichermaßen wie
der deutsche Rentenversicherungsträger Anträge auf Rentenleistungen aus der deutschen Rentenversicherung entgegen- zunehmen.
Dasselbe gilt für die Entgegennahme von Widersprüchen oder von formlosen Rechtsbehelfen im Verwaltungsverfahren wie einer
Gegenvorstellung. Insoweit ist der kroatische Rentenversicherungsträger Verwaltungsstelle im Sinne des §
66 Abs.
1 SGG. Die Rechtsmittelbelehrung in einem ablehnenden Verwaltungsakt des deutschen Rentenicherungsträgers hat daher auch darauf
hinzuweisen, dass der Widerspruch fristwahrend beim kroatischen Rentenversicherungsträger eingelegt werden kann (vgl. BSG,
Urteil vom 10. September 1997, Az. 5 RJ 18/97, in juris). Ein Versicherter kann aber ebenso wenig beim zuständigen deutschen Versicherungsträger wie beim zuständigen kroatischen
Versicherungsträger fristwahrend Berufung einlegen. Die Fiktionen des Art. 33 Abs. 1 S. 1, 2 AbkSozSich Kroatien gelten nur
für die Stellung von Anträgen bzw. Einlegung von Rechtsbehelfen im Verwaltungsverfahren bzw. Vorverfahren, da nur insoweit
eine Zuständigkeit des zuständigen Trägers iSd Art. 33 Abs. 1 S. 1, Artikel 1 Abs. 1 Nr. 6 AbkSozSich Kroatien besteht. Vom
Begriff des zuständigen Trägers werden Gerichte nicht erfasst, wie sich aus Art. 1 Abs. 1 Nr. 6 sowie aus Art. 28 Abs. 1 S.
1 und 2 AbkSozSich Kroatien ergibt, der zwischen Trägern und Gerichten differenziert.
Die Einbeziehung von Rechtsbehelfen nur im Verwaltungsverfahren bzw. Vorverfahren in die Fiktion des Art. 33 S. 1 AbkSozSich
Kroatien wird bei einem Blick auf den zum Zeit- unkt des Abschlusses des AbkSozSich Kroatien im Jahr 1997 und bis zum 1. Januar
2002 gültigen §
84 Abs.
1 SGG verständlich. Nach dieser Bestimmung betrug die Widerspruchs frist generell nur einen Monat. §
84 Abs.
1 S. 2
SGG, wonach die Frist bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate beträgt, wurde erst mit Wirkung vom 2. Januar 2002 eingefügt. Den
Problemen von Versicherten, die sich durch den verlängerten Postlauf bei einer Erhebung des Widerspruchs aus Kroatien ergaben,
wurde daher im Rahmen des AbkSozSich Kroatien dadurch Rechnung getragen, dass diesen die Möglichkeit eingeräumt worden ist,
fristwahrend Widerspruch auch beim zuständigen kroatischen Versicherungsträger einzulegen. Für Klage und Berufung betrug dem-
gegenüber die Rechtsmittelfrist bei einer Zustellung oder Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids bzw. des angefochtenen Urteils
im Ausland bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des AbkSozSich Kroatien drei Monate (vgl. §
87 Abs.
1 S. 2
SGG in der ab 1. Januar 1981 gültigen Fassung, §
153 Abs.
1 SGG). Damit hat in Bezug auf Klage und Berufung der Umstand bereits hinreichend Berücksichtigung gefunden, dass die Ein- legung
eines Rechtsmittels aus dem Ausland aufgrund der verlängerten Laufzeiten der Post längere Zeit in Anspruch nimmt als im Inland.
Eine unangemessene Schlechterstellung eines in Kroatien befindlichen Versicherten ist hiermit nicht verbunden. Würde man -
gestützt auf Art. 33 Abs. 1 S. 2 AbkSozSich Kroatien - eine Berufungseinlegung beim kroatischen Versicherungsträger mit frist
-wahrender Wirkung zulassen, käme es vielmehr zu dem befremdlichen Ergebnis, dass ein Versicherter mit Aufenthalt in Kroatien
3 Monate Frist zur Einlegung der Berufung bei dem Versicherungsträger in Kroatien (also für ihn im Inland) hätte, während
einem Ver- sicherten in Deutschland nur eine Frist von einem Monat für die Einlegung der Berufung beim zuständigen Landessozialgericht
bzw. Ausgangsgericht zur Verfügung stünde. Eine derartige Ungleichbehandlung ist für das Widerspruchsverfahren nach Einfügung
des §
84 Abs.
1 S. 2
SGG aufgrund der eindeutigen Regelung des Art. 33 S. 1, 2 AbkSozSich Kroatien hinzunehmen. Eine Notwendigkeit für eine extensive Auslegung dieser Ab- kommensregelung auch
auf die Erhebung der Berufung kann der Senat jedoch nicht erkennen.
Die Klägerin konnte daher auch nicht beim kroatischen Versicherungsträger bzw. zuständigen kroatischen Gericht fristwahrend
Berufung einlegen. Die Rechtsmittelbelehrung des SG, die nur auf das Bay. Landessozialgericht und das SG Bezug nimmt, ist daher nicht zu beanstanden.
Da die Berufungsschrift erst am 22. Juli 2009 beim SG eingegangen ist, ist die Berufung damit nicht fristgerecht erhoben.
Entgegen der Annahme von Klägerin und Beklagter gibt es keine Rechtsgrundlage dafür, im Berufungsverfahren eine Einhaltung
der Berufungsfrist daraus abzuleiten, dass der Berufungsschriftsatz vor Ablauf der Frist zur Post gegeben worden ist. Die
Berufung muss vielmehr - wie aus §
151 Abs.
1 und Abs.
2 S. 1
SGG hinreichend deutlich wird - innerhalb der Berufungsfrist beim zuständigen LSG oder bei dem SG eingegangen sein (Leitherer, aaO., § 151 Rn. 10).
Ein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§
67 SGG) liegt nicht vor. Der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin ist daher abzulehnen.
Gemäß §
67 Abs.
1 SGG ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn ein Verfahrensbeteiligter ohne Verschulden verhindert war, eine
gesetzliche Verfahrensfrist, wie dies die Berufungsfrist darstellt, einzuhalten. Von fehlendem Verchulden ist dann auszugehen,
wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt nicht außer acht lässt, die für einen gewissenhaften
und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm
nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten ist (Bundessozialgericht - BSG, Urteil vom 27. Mai 2008, Az. B 2 U 5/07 R). Besteht aber die Möglichkeit einer verschuldeten Fristversäumnis, scheidet eine Wiedereinsetzung aus (vgl. Keller, aaO.,
§ 67 Rdn. 3).
Eine Wiedereinsetzung nach dieser Bestimmung kommt nicht in Betracht. Durch die Einlieferung des Berufungsschriftsatzes in
Kroatien zur Post am Freitag, 10. Juli 2009 und damit so kurz vor Ablauf der Berufungsfrist sowie durch dessen Versendung
auf dem Landweg hat die Klägerin nicht diejenige Sorgfalt angewendet, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten
Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung zuzumuten ist. Kein Verschulden liegt in diesem Zusammenhang dann vor, wenn
das Schriftstück ordnungsgemäß adressiert und den postalischen Bestimmungen entsprechend richtig frankiert so rechtzeitig
zur Post gegeben wurde, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Post (bzw. - bei der Versendung
aus dem Ausland - mehrerer Postunternehmen) bei regelmäßigem Betriebsablauf den Empfänger fristgerecht erreicht hätte (Bundesverfassungsgericht,
Kammerbeschluss vom 29. Dezember 1994, Az. 2 BvR 106/93 in NJW 1995, 1210). Ein Absender kann also darauf vertrauen, dass die Post die normalen Laufzeiten einhält. Die Fristversäumung ist regelmäßig
daher als unverschuldet anzusehen, wenn der Postkunde von einer normalen Laufzeit ausgeht, die ihm die Post auf Anfrage mitgeteilt
hätte.
Wie die Anfrage des Senats bei der Deutschen Post ergeben hat, ist bei Landwegsendungen aus Kroatien in der Regel von einer
Laufzeit zwischen 10 und 14 Tagen auszugehen. Die Beförderungsdauer des Berufungsschriftsatzes mit 12 Tagen hält sich auch
in diesem Rahmen. Unerheblich ist, dass es nach der Auskunft der Deutschen Post auch zu abweichenden und damit eventuell auch
zu kürzeren Laufzeiten kommen kann. Denn bei einer gewöhnlichen Laufzeit von mindestens 10 Tagen darf man nicht darauf vertrauen,
dass es ausnahmsweise zu einer kürzeren Laufzeit kommt (vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 2000, B 1 KR 27/99 R, wonach ein nicht als Vorrangsendung ("Airmail" etc.) gekennzeichneter Brief aus Kroatien mit einer Wahrscheinlichkeit von
allenfalls 50 % den Empfänger in Deutschland innerhalb von nur fünf Tagen erreicht). Die Klägerin konnte angesichts dieser
gewöhnlichen Postlaufzeiten aus Kroatien nicht darauf vertrauen, dass die am 10. Juli 2009 zur Post gegebene Sendung bis 13.
Juli 2009 beim SG eingeht, zumal sich dieser Zeitraum über ein Wochenende erstreckte. Zumindest hätte die Klägerin daher bei der nur noch sehr
kurzen zur Verfügung stehenden Zeitspanne eine Versendung als Vorrangsendung (z.B. "Airmail") vorsehen müssen. Ihr hätte darüber-
hinaus zu diesem Zeitpunkt noch die Möglichkeit offen gestanden, den Berufungsschriftsatz per Fax einzureichen, so wie sie
dies in Bezug auf ihre Stellungnahmen im weiteren Verfahren getan hat. Schließlich hätte sie auch ihren sowohl im SG-Verfahren als auch im Verfahren vor dem LSG als Bevollmächtigten benannten Sohn bitten können, von Deutschland aus in ihrem
Namen Berufung einzulegen. Es ist kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, warum die Klägerin von keiner dieser Möglichkeiten
Gebrauch gemacht hat.
Ein Wiedereinsetzungsgrund ist schließlich auch nicht darin zu sehen, dass die Klägerin darauf vertraut hätte, mit der fristgerechten
Einlieferung zur Post sei die Berufungsfrist eingehalten. Zum einen hat die Klägerin dies nicht behauptet. Sie hat vielmehr
erst nach dem Hinweis der Beklagten, in Widerspruchsverfahren würde von Seiten der Beklagten so verfahren, erklärt, dies müsse
auch in gerichtlichen Verfahren gelten. Zuvor hat sie hin- gegen nur geltend gemacht, mit einer derart langen Postlaufzeit
habe sie nicht rechnen müssen. Im übrigen ist die Rechtsmittelbelehrung im erstinstanzlichen Urteil so klar und deutlich gefasst,
dass ein eventuelles Missverständnis der Klägerin auf ihr Verschulden zurückzuführen wäre und damit als vermeidbarer Rechtsirrtum
unbeachtlich bleiben müsste (BayLSG, Urteil vom 7. September 2006, Az. L 14 R 262/06, m.w.N.).
Die Berufung war daher als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung (§
193 SGG) berücksichtigt den Umstand, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG), sind nicht ersichtlich.