Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung; Wegfall des Zahlungsanspruchs bei nachträglicher, rückwirkender Bewilligung
einer Rente wegen voller Erwerbsminderung; Berücksichtigung der Nachzahlung für Erstattungsansprüche anderer Leistungsträger
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin überzahlte Rente zu erstatten hat.
Die 1962 geborene Klägerin war ab dem 07.04.2010 arbeitsunfähig und bezog ab dem 19.05.2010 Krankengeld von der beigeladenen
Krankenkasse SBK (Beigeladene zu 1)). Auf ihren Antrag vom 10.08.2010 wurde für sie eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme
in der Zeit vom 09.09.2010 bis zum 05.10.2010 durchgeführt.
Mit Bescheid vom 08.04.2011 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 01.08.2010 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
auf Dauer aufgrund eines am 07.04.2010 eingetretenen Leistungsfalls. Als maßgebliches Rentenantragsdatum wurde das Datum ihres
Antrags auf Bewilligung einer Reha-Maßnahme zugrunde gelegt. Die laufende Zahlung der Rente wurde zum 01.06.2011 aufgenommen
(mtl. Zahlbetrag: 259,63 Euro). Der Nachzahlungsbetrag für die Zeit vom 01.08.2010 bis zum 31.05.2011 in Höhe von 2.367,60
Euro wurde zwecks Klärung der Ansprüche anderer Stellen vorläufig nicht ausgezahlt. Es wurde darauf hingewiesen, dass noch
geprüft werde, ob ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung wegen eines verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes bestehe.
Ausweislich der Abrechnung der Rentennachzahlung vom 26.04.2011 überwies die Beklagte an die Beigeladene zu 1) einen Betrag
von 1.952,19 Euro zur Erfüllung des für die Zeit vom 01.08.2010 bis 12.04.2011 nach § 103 SGB X i.V.m. §
50 Abs.
2 SGB V geltend gemachten Erstattungsanspruchs. Der verbleibende Betrag von 415,41 Euro wurde an die Klägerin überwiesen. Die Klägerin
bezog neben der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung weiterhin fortlaufend (über den 12.04.2011 hinaus) bis zum 09.09.2011
Krankengeld. Ab dem 10.09.2011 erhielt sie Arbeitslosengeld.
Nach Abschluss der Ermittlungen zur Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid
vom 04.11.2011 anstelle der bisherigen Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, beginnend
ab dem 01.11.2010 und endend zum 31.10.2013. Die laufende Zahlung der Rente wurde zum 01.01.2012 aufgenommen (mtl. Zahlbetrag:
524,40 Euro). Der Nachzahlungsbetrag für die Zeit vom 01.11.2010 bis zum 31.12.2011 in Höhe von 7.303,86 Euro wurde zwecks
Klärung der Ansprüche anderer Stellen vorläufig nicht ausgezahlt. Es wurde darauf hingewiesen, dass bei Berechnung des Nachzahlungsbetrages
unberücksichtigt geblieben sei, dass die Klägerin bereits eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erhalten hatte, die
wegen des zeitgleichen Anspruchs auf die Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht zu leisten gewesen sei.
Die Beigeladene zu 1) machte einen Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X für die Zeit vom 01.11.2010 bis zum 09.09.2011 in Höhe von 5.363,54 Euro geltend. Die Beklagte rechnete den Erstattungsanspruch
der Beigeladenen zu 1) mit Schreiben vom 22.11.2011 ab. Da bereits am 26.04.2011 ein Betrag von 1.403,74 Euro für die Zeit
vom 01.11.2010 bis 12.04.2011 gegenüber der Beigeladenen zu 1) abgerechnet worden war, wurde nur der für die Zeit vom 13.04.2011
bis 09.09.2011 verbleibende Erstattungsbetrag von 3.959,84 Euro an die Beigeladene zu 1) überwiesen.
An die Beigeladene zu 2) überwies die Beklagte einen Betrag von 1.587,30 Euro zur Befriedigung des für die Zeit vom 10.09.2011
bis 31.12.2011 nach § 103 SGB X angemeldeten Erstattungsanspruchs.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 23.05.2012 hob die Beklagte den Bescheid vom 08.04.2011 über die Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung hinsichtlich des Zahlungsanspruchs für die Zeit vom 01.11.2010 bis 31.10.2013 nach § 48 SGB X auf. Für die Zeit vom 01.11.2010 bis 31.12.2011 ergebe sich eine Überzahlung von 3.520,92 Euro, die nach § 50 SGB X zu erstatten sei. Im Interesse der Klägerin habe man diesen Betrag bereits mit der Rentennachzahlung aus dem Bescheid vom
04.11.2011 verrechnet, die nach Erfüllung der Ansprüche anderer Stellen verblieben sei (einem Betrag von 1.756,72 Euro). Die
restliche Überzahlung betrage somit noch 1.764,20 Euro. Dieser Betrag sei von der Klägerin zurückzuzahlen. Die Voraussetzungen
des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X für eine rückwirkende Aufhebung des Bescheides vom 08.04.2011 lägen vor. Durch Zuerkennung der Rente wegen voller Erwerbsminderung
ab dem 01.11.2010 habe die Klägerin nach Erlass des Bescheides vom 08.04.2011 Einkommen erzielt, das zum Wegfall des Anspruchs
auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung geführt habe. Denn nach §
89 Abs.
1 SGB VI sei der Zahlungsanspruch auf die bisherige Rente für die Zeit entfallen, für die ein Anspruch auf die neu bewilligte Rente
wegen voller Erwerbsminderung bestehe, da diese Rente höher sei als die bisherige Rente. Man verweise auf das Urteil des Bundessozialgerichts
(BSG) vom 07.09.2010, B 5 KN 4/08 R.
Der dagegen erhobene Widerspruch der Klägerin wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 13.11.2012 zurückgewiesen.
Nach sorgfältiger Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Rückzahlung und den Interessen der Klägerin könne die
Beklagte auf die Rückforderung nicht verzichten.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht München trug der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor, dass die
im Urteil des BSG vom 07.09.2010, B 5 KN 4/08 R, aufgestellten Grundsätze vorliegend nicht anwendbar seien. Jeder Versicherte, der einen Anspruch auf volle Erwerbsminderungsrente
habe, habe auch einen Anspruch auf teilweise Erwerbsminderungsrente, der nur nicht zur Auszahlung komme. In einem solchen
Falle gelte der Anspruch auf Zahlung der vollen Erwerbsminderungsrente in Höhe der geleisteten teilweisen Erwerbsminderungsrente
als erfüllt. Soweit diese Erfüllungsfiktion im vorgenannten Urteil des Bundessozialgerichts verneint worden sei, sei diese
Argumentation nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. Denn die vom Bundessozialgericht angenommene Unterschiedlichkeit
zwischen der Rente für Bergleute und der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit treffe für Renten wegen teilweiser und voller Erwerbsminderung
nicht zu.
Die Beklagte teilte dazu mit, dass die bisherige Verwaltungspraxis im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 07.09.2010 nicht mehr zulässig sei.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht München erklärte die Klägerin, aus der Vorschrift des §
51 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I) derzeit keine Rechtsverletzung geltend zu machen.
Das Sozialgericht München wies die Klage mit Urteil vom 28.11.2013 ab. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bescheides
vom 08.04.2011 über die Bewilligung der teilweisen Erwerbsminderungsrente hinsichtlich des Zahlungsanspruchs für die Zeit
vom 01.11.2010 bis 31.10.2013 seien nach § 48 SGB X erfüllt. Die Beklagte habe zu Recht eine Rentenüberzahlung von insgesamt 3.520,92 Euro festgesetzt. Mit Bewilligung der vollen
Erwerbsminderungsrente rückwirkend ab November 2010 habe die Klägerin Einkommen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erzielt, welches nach §
89 Satz 1
SGB VI zum Wegfall des Anspruchs auf Zahlung der niedrigeren Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung geführt habe. Ein atypischer
Fall liege nicht vor. Die gegebene Konstellation entspreche der üblicherweise entstehenden Konstellation, wenn zunächst eine
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und später nach Prüfung der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes eine Rente
wegen voller Erwerbsminderung bewilligt werde und zwischenzeitlich auch Leistungen anderer Träger bezogen worden seien. Die
Klägerin könne auch nichts daraus für sich herleiten, dass die Beklagte in der Vergangenheit vergleichbare Fälle anders abgewickelt
habe. Denn eine gesetzliche Grundlage für die frühere Vorgehensweise sei nicht feststellbar, vielmehr entspreche die jetzige
Handhabung den rechtlichen Vorgaben. Die Klägerin habe die zu Unrecht erbrachten Leistungen nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten. Entgegen der Auffassung der Klägerin seien die Grundsätze des Urteils des Bundessozialgerichts vom 07.09.2010,
B 5 KN 4/08 R, auf den vorliegenden Fall übertragbar. Das Ergebnis sei auch sachgerecht. Der Klägerin seien im hier maßgeblichen Nachzahlungszeitraum
Beträge zugeflossen, die insgesamt höher gewesen seien als der spätere Zahlungsanspruch auf die Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Ein Rechtsgrund dafür, dass die Klägerin die so entstandene Überzahlung behalten dürfe, sei nicht ersichtlich. Die anderen
Leistungsträger könnten die Überzahlung nicht von der Klägerin zurückverlangen, weil ihre Leistungen auf die Rente wegen voller
Erwerbsminderung angerechnet und somit als mit Rechtsgrund gezahlt gelten würden. Die abgerechneten Erstattungsansprüche der
Beigeladenen zu 1) und 2) seien korrekt berechnet, insbesondere sei bei der Berechnung des Erstattungsanspruchs der Beigeladenen
zu 1) die Regelung des §
50 SGB V beachtet worden. Es bestünden allerdings Zweifel, ob die von der Beklagten "im Interesse der Klägerin" vorgenommene Aufrechnung
den rechtlichen Vorgaben entspreche, zumal §
51 Abs.
2 SGB I die Aufrechnung auf die Hälfte des Zahlungsanspruchs begrenze. Diese Frage könne jedoch dahinstehen, da die Klägerin hieraus
derzeit keine Rechte geltend machen wolle.
Dagegen hat die Klägerin Berufung erhoben und zur Begründung auf ihre Ausführungen im Klageverfahren verwiesen. Das Sozialgericht
habe verkannt, dass das Urteil des BSG vom 07.09.2010, B 5 KN 4/08 R, einen anderen Sachverhalt betreffe und daher nicht auf den vorliegenden Fall herangezogen werden könne. Das BSG habe unterschieden zwischen einer Rente für Bergleute, deren Schutzgut das spezielle Leistungsvermögen des Versicherten im
Bergbau sei, und einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, deren Schutzgut das allgemeine Leistungsvermögen sei, also die Fähigkeit,
sich durch Erwerbsfähigkeit überhaupt unterhalten zu können. Im vorliegenden Fall gehe es aber allein um die zeitliche Einschätzung
des allgemeinen Leistungsvermögens. Es bestünden weder unterschiedliche Versicherungsfälle noch verschiedene Sicherungsziele.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen Landessozialgericht erklärte die Bevollmächtigte der Klägerin, dass die
vor dem Sozialgericht abgegebene Erklärung zu §
51 SGB I weiterhin gelte.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.11.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.05.2012
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.11.2012 zu verurteilen, eine neue Abrechnung der Rentennachzahlung aus dem Bescheid
vom 04.11.2011 vorzunehmen mit der Maßgabe, dass zunächst die geleistete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung mindernd
vor Erfüllung der Erstattungsansprüche berücksichtigt wird.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Akten des Sozialgerichts und der Beklagtenakte
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht München hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 23.05.2012
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.11.2012 ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat die Beklagte den Bescheid
vom 08.04.2011 hinsichtlich des Zahlungsanspruchs für die Zeit vom 01.11.2010 bis 31.10.2013 aufgehoben und fordert von der
Klägerin die daraus resultierende Überzahlung von 3.520,92 Euro zurück.
Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung des Bescheides vom 08.04.2011 ist § 48 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen
oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf den Grund oder die Höhe der bewilligten Leistung
auswirkt (BSG SozR 3 - 1300 § 48 Nr. 48).
Mit Bewilligung der vollen Erwerbsminderungsrente rückwirkend ab November 2010 durch Bescheid vom 04.11.2011 ist eine wesentliche
Änderung eingetreten, die sich auf den mit Bescheid vom 08.04.2011 zuerkannten Zahlungsanspruch der Klägerin auf Rente wegen
teilweiser Erwerbsminderung auswirkte. Denn bestehen - wie vorliegend - für denselben Zeitraum Ansprüche auf mehrere Renten
aus eigener Versicherung, wird nach §
89 Abs.
1 Satz 1
SGB VI nur die höchste Rente geleistet. §
89 SGB VI führt im Ergebnis zu einer Zahlungssperre, die dazu führt, dass der Anspruch auf die niedrigere Rente zwar dem Grunde nach
bestehen bleibt, aber während des Bezugs der höheren Rente nicht geltend gemacht werden kann (Wehrhahn in: Kasseler Kommentar
zum Sozialversicherungsrecht, Stand: August 2012, §
89 SGB VI, Rn. 4). Bei rückwirkender Bewilligung einer höheren Rente entfällt dann nachträglich der Zahlungsanspruch der niedrigeren
Rente (vgl. BSG, Urteil vom 07.09.2010, B 5 KN 4/08 R, Rn. 27, zitiert nach [...]). Vorliegend trat die Zahlungssperre des §
89 Abs.
1 Satz 1
SGB VI erst mit Bewilligung der vollen Erwerbsminderungsrente ein mit der Folge, dass der Bescheid vom 08.04.2011 über die Gewährung
einer teilweisen Erwerbsminderungsrente hinsichtlich seines Zahlungsausspruchs für die Zeit vom 01.11.2010 bis 31.10.2013
nachträglich rechtswidrig geworden ist.
Die Beklagte war nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X auch berechtigt, den Rentenbescheid vom 08.04.2011 mit Wirkung für die Vergangenheit teilweise aufzuheben. Denn die Klägerin
hat nach Erlass dieses Bescheides Einkommen erzielt hat, das zum Wegfall des Zahlungsanspruchs auf Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung in der Zeit vom 01.11.2010 bis 31.10.2013 geführt hat. Der rückwirkend zuerkannte Anspruch auf Rente wegen
voller Erwerbsminderung stellt Einkommen im Sinne dieser Vorschrift dar. Die Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X ist bei jeglichen Auswirkungen auf den bisherigen Anspruch anzuwenden, so auch bei einem hinzugetretenen höheren Rentenanspruch,
der nach §
89 Abs.
1 Satz 1
SGB VI dazu führt, dass die bisherige Rente nicht mehr zu zahlen ist (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 33; BSGE 59, 111, 113 f.; Steinwedel in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand August 2012, § 48 SGB X, Rn. 47).
Die maßgeblichen Fristen des § 48 Abs. 4 i. V. m. § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 SGB X wurden eingehalten. Ein atypischer Fall liegt nicht vor. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts
München Bezug genommen.
Die teilweise Aufhebung des Rentenbescheides vom 08.04.2011 hat zur Folge, dass die Klägerin die in der Zeit vom 01.11.2010
bis 31.10.2013 geleistete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe von 3.520,92 Euro nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu erstatten hat.
Gegen eine solche Vorgehensweise spricht auch nicht die von der Klägerin vorgetragene (unzutreffende) Annahme, dass der Anspruch
auf Zahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe der bereits geleisteten niedrigeren Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
als erfüllt gilt und daher eine Erstattung der letztgenannten Rente ausscheidet. Eine Regelung, wonach der der Anspruch auf
Zahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe der bereits geleisteten niedrigeren Rente als erfüllt gilt, existiert
nicht, insbesondere enthält §
89 SGB VI keine solche Bestimmung.
Wie sich aus der Entscheidung des BSG vom 07.09.2010, B 5 KN 4/08 R, ergibt, kann der Vorschrift des §
89 SGB VI eine solche Erfüllungsfiktion auch unter Berücksichtigung allgemeiner Erwägungen nicht entnommen werden. Zwar ging es in
der genannten Entscheidung des BSG primär um das Verhältnis eines Anspruchs auf Rente für Bergleute zu einem Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Gleichwohl
sind die dortigen Ausführungen ohne Einschränkung auf das Verhältnis eines Anspruchs auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
zu einem Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung übertragbar. Denn auch die beiden letztgenannten Renten begründen
eigenständige, voneinander unabhängige Leistungsansprüche, die unterschiedliche Leistungsfälle haben können und deren Schutzgut
keineswegs vollkommen identisch ist. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, soll die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
das Risiko abdecken, dass ein Versicherter nur noch in beschränktem zeitlichen Umfang erwerbstätig sein kann, während die
Rente wegen voller Erwerbsminderung das Risiko abdecken soll, dass ein Versicherter praktisch gar nicht mehr erwerbstätig
sein kann. Schließlich sind die beiden Renten in unterschiedlichen Absätzen des §
43 SGB VI geregelt neben einer eigenständigen Regelung für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit in §
240 SGB VI. Auch §
89 Abs.
1 Satz 2
SGB VI unterscheidet zwischen den beiden Renten, indem er in der Rangfolge zwischen der Rente wegen voller (Nr. 7) und der Rente
wegen teilweiser Erwerbsminderung (Nr. 11) differenziert. Wie das Bundessozialgericht in der genannten Entscheidung betont,
gibt es ein einziges Recht auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht (BSG, a.a.O., Rn. 30, zitiert nach [...]; vgl. auch BSG Urteil 31.10.2002, B 4 RA 9/01 R, Rn. 14, zitiert nach [...]).
Als selbständige, unabhängig voneinander bestehende Ansprüche begründen die hier in Rede stehenden Renten wegen teilweiser
und voller Erwerbsminderung jeweils selbständige Leistungsverhältnisse mit der Folge, dass bei einer Leistungsstörung - z.B.
aufgrund eines späteren Wegfalls des Rechtsgrunds der Leistung - dasjenige Leistungsverhältnis rückabzuwickeln ist, in dem
die Störung entstanden ist (vgl. BSG, Urteil vom 07.09.2010, B 5 KN 4/08 R, Rn. 31, zitiert nach [...]).
Diese Vorgehensweise ist auch sachgerecht. Nach der geltenden Rechtslage kann ein Versicherter neben einer Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung einen Anspruch auf Zahlung von (gekürztem) Krankengeld (§
50 Abs.
2 SGB V) oder Arbeitslosengeld (§
125 Abs.
1 SGB III) haben, während ein Anspruch auf Krankengeld oder auf Arbeitslosengeld neben einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgeschlossen
ist (§
50 Abs.
1 Satz 1
SGB V, §
125 Abs.
1 SGB III).
Dies kann - wie im Fall der Klägerin - dazu führen, dass die Summe der nebeneinander gezahlten Sozialleistungen (Rente wegen
teilweiser Erwerbsminderung plus Krankengeld oder Arbeitslosengeld) höher ist als der später für denselben Zeitraum zuerkannte
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller
Erwerbsminderung bestanden hat und damit die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung sowie das Kranken- und Arbeitslosengeld
zu Unrecht gezahlt worden sind, ist es im Ergebnis auch interessengerecht, den Nachzahlungsbetrag aus der Rente wegen voller
Erwerbsminderung in vollem Umfang - und nicht nur in Höhe des Betrages, der nach Abzug der geleisteten Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung verbleibt - zur Erfüllung der Erstattungsansprüche der anderen Leistungsträger zu verwenden. Denn nach der
Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X gilt in einem solchen Fall der Anspruch des Versicherten auf Rente wegen voller Erwerbsminderung durch das gezahlte Kranken-
oder Arbeitslosengeld als (zumindest teilweise) erfüllt. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass der Versicherte im Ergebnis
jedenfalls den Betrag erhält, der ihm aufgrund seines Anspruchs auf Rente wegen voller Erwerbsminderung zustand.
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin trotz Rückzahlungsverpflichtung im Ergebnis mehr erhalten als sie bekommen hätte, wenn
die Rente wegen voller Erwerbsminderung von Anfang an, also ab dem 01.11.2010, gezahlt worden und es in der Zeit vom 01.11.2010
bis 31.12.2011 gar nicht erst zur Zahlung von Krankengeld oder Arbeitslosengeld gekommen wäre.
Zugestanden hätte ihr in dieser Zeit nur die Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von insgesamt 7.303,86 Euro. Tatsächlich
erhielt sie Krankengeld in Höhe von 7.832,76 Euro (Zeitraum 01.11.2010 bis 09.09.2011) sowie Arbeitslosengeld in Höhe von
1.587,30 Euro (Zeitraum 10.09.2011 bis 31.12.2011). Mithin erhielt sie in der Zeit vom 01.11.2010 bis 31.12.2011 einen Betrag
von insgesamt 9.420,06 Euro, und zwar zusätzlich zur ausgezahlten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Vor diesem Hintergrund
erscheint es sachgerecht, dass sie zumindest zur Erstattung der in diesem Zeitraum (01.11.2010 bis 31.12.2011) geleisteten
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung verpflichtet ist.
Nachdem die Klägerin eine Rechtsverletzung aus der Vorschrift des §
51 SGB I ausdrücklich nicht geltend macht, kann dahinstehen, ob die im Bescheid erklärte Aufrechnung den gesetzlichen Anforderungen
gerecht wird.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG).