Zulässigkeit des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes im sozialgerichtlichen Verfahren bei einem bestandskräftigen
Verwaltungsakt
Gründe:
I. Zwischen den Beteiligten ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Anrechnung einer Einkommenssteuererstattung
und die damit verbundene Kürzungen der Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum von Mai bis
Oktober 2010 streitig.
Der 1981 geborene Beschwerdeführer (Bf) erhielt mit Bescheid vom 15.01.2010 und Bescheid vom 24.06.2010 Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhaltes nach dem SGB II von der Beschwerdegegnerin (Bg) bewilligt. Nachdem der Bf Ende April 2010 eine Steuerrückerstattung
in Höhe von 1915,88 Euro erhielt, hob die Bg mit Bescheid vom 20.07.2010 den Bewilligungsbescheid vom 15.01.2010 für die Monate
Mai und Juni 2010 in Höhe von insgesamt 628,62 Euro teilweise auf. Mit einem weiteren Bescheid vom 20.07.2010 wurden der Bescheid
vom 24.06.2010 teilweise aufgehoben und für den Monat Juli 2010 Leistungen in Höhe von 314,31 Euro zurückgefordert. Der Bewilligungsbescheid
vom 24.06.2010 wurde für die Monate August bis Oktober 2010 durch einen dritten Änderungsbescheid vom 20.07.2010 dahingehend
abgeändert, dass dem Bf monatliche Leistungen nur noch in Höhe von 433,22 Euro bewilligt wurden.
Gegen diese Bescheide erhob der Bf am 28.7.2010 Widerspruch.
Bereits am 04.08.2010 hat er beim Sozialgericht München einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und sich gegen
die Bescheide vom 20.07.2007 gewandt. Er hat vorgetragen, dass er über kein Geld mehr verfüge und er Leistungen entsprechend
der Bewilligung vom 24.06.2010 verlange.
Die Bg hat die Widersprüche des Bf mit den Widerspruchsbescheiden vom 09.08.2010 und Widerspruchsbescheid vom 10.08.2010,
jeweils am 10.08.2010 zur Post gegeben, als unbegründet zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 12.08.2010 hat das Sozialgericht den Bf darauf hingewiesen, dass sein Eilrechtsschutzantrag nur dann zulässig
sei, wenn die Widerspruchsbescheide angefochten, das heißt Klage erhoben worden sei. Dies sei bisher nicht geschehen.
Am 15.09.2010 hat der Kläger Klage gegen die oben genannten Bescheide erhoben. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen S
13 AS 2588/10 geführt.
Mit Beschluss vom 17.09.2010 hat das Sozialgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt, da dieser
unzulässig sei. Der Bf habe nicht rechtzeitig Klage gegen die angegriffenen Bescheide erhoben. Die Frist hierfür habe am 13.09.2010
geendet, da die Widerspruchsbescheide am 10.08.2010 zur Post gegeben worden seien und somit nach § 37 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) als am 13.08.2010 als bekannt gegeben gelten.
Der Bf hat am 15.10.2010 gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt. Er habe fristgerecht am 15.09.2010 Klage eingereicht
und bezweifle, dass dies nicht fristgerecht sei.
Die Bg hat zur Erwiderung der Beschwerde auf die den Beschluss tragenden Gründe verwiesen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Verfahrensakten des Sozialgerichts München
S 13 AS 2588/10 sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Bg Bezug genommen.
II. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -). Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht als
unzulässig verworfen hat.
Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz sind, sowohl hinsichtlich eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach
§
86b Abs.
2 Satz 2
SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustandes mit Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis als auch hinsichtlich eines Antrags
auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach §
86b Abs.
1 Nr.
2 SGG, nur zulässig, wenn die angefochtenen Bescheide nicht nach §
77 SGG bestandskräftig sind.
Vorliegend sind die Bescheide der Bg vom 20.07.2010 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 09.08.2010 und des Widerspruchsbescheides
vom 10.08.2010 gemäß §
77 SGG in der Sache bindend geworden. Gegen die mit zutreffender Rechtsbehelfsbelehrung erlassenen Bescheide wurde nicht innerhalb
der Monatsfrist nach §
87 SGG Klage erhoben.
Das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Widerspruchsbescheide am 10.08.2010 zur Post gegeben wurden. Die Klagefrist
beträgt nach §
87 Abs.
1 SGG einen Monat nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post
als bekannt gegeben. Damit gelten die Widerspruchsbescheide als am 13.08.2010 als bekannt gegeben. Die Klagefrist endete am
Montag den 13.09.2010. Die am 15.09.2010 erhobene Klage ist somit verfristet. Anhaltspunkte, die eine Widereinsetzung nach
§
67 SGG rechtfertigen könnten, bestehen nicht. Es liegen auch keine Hinweise auf einen verspäteten Zugang der Widerspruchsbescheide
vor.
Wenn eine Entscheidung in der Hauptsache, wie vorliegend, wegen eines bindenden Verwaltungsaktes nicht mehr möglich ist, kann
ein Eilverfahren nicht mehr erfolgreich durchgeführt werden. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bei einer bindenden
Hauptsacheentscheidung ist erstinstanzlich dann bereits unzulässig (vgl. Keller in Meyer-Ladewig,
SGG, 9. Auflage 2008, §
86b Rn. 7 und 26d), wie schon das Sozialgericht ausgeführt hat.
Daher ist die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.