Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin im Zugunstenverfahren unter Berücksichtigung von nachgewiesenen (statt
nur glaubhaft gemachten) Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) auf Grund einer Mitgliedschaft in einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) in Rumänien Anspruch auf eine höhere Altersrente für Frauen hat.
Die 1942 in Rumänien geborene Klägerin, die Inhaberin des Vertriebenenausweises A ist, ist am 21.11.1991 in die Bundesrepublik
Deutschland übergesiedelt. In Rumänien war sie nach der am 01.03.1995 von der LPG "Romgera" ausgestellten Adeverinta Nr. 55 von Januar 1971 bis Dezember 1977 Mitglied der LPG "Romgera", Gemeinde S., und im Pflanzenanbau tätig. Die LPG "Viata Noua", ebenfalls Gemeinde Sintana, bescheinigte am 10.07.1990, dass die Klägerin zwischen 1971 und 1977 im Rahmen
ihres Betriebes gearbeitet habe.
Die Beklagte gewährte der Klägerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 13.11.2002 Altersrente für Frauen ab 01.01.2003 unter
Berücksichtigung der rumänischen Zeiten im Jahr 1971 als nachgewiesene und in dem streitigen Zeitraum von 1972 bis 1977 als
nur glaubhaft gemachte Zeiten auf der Grundlage der Adeverinta Nr. 55 vom 01.03.1995.
Mit Schreiben vom 08.11.2004 beantragte die Klägerin eine ungekürzte Berücksichtigung der rumänischen Beitragszeiten für die
Jahre 1971 bis 1977, weil sie in diesem Zeitraum als Mitglied der LPG Viata Noua gearbeitet habe, und die LPG für den gesamten Zeitraum Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung entrichtet habe. Zur Begründung verwies sie auf die Kommentierung
des § 15 FRG des vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger herausgegebenen Kommentars zur Rentenversicherung.
Mit Bescheid vom 21.02.2005 lehnte die Beklagte die Vollanrechnung der beantragten rumänischen Beitragszeiten im Wege einer
Zugunstenentscheidung nach § 44 des Zehnten Sozialgesetzbuches (SGB X) ab, weil die nochmalige Überprüfung keine neuen Gesichtspunkte ergeben habe. Eine ungekürzte Anrechnung der Zeiten von 1971
bis 1977 sei nicht möglich, da für das jeweilige Jahr eine über den 5/6- Umfang hinausgehende Arbeitsleistung nicht nachgewiesen
sei.
Der dagegen erhobene Widerspruch, mit dem das Vorbringen des Rücknahmeantrags wiederholt worden ist, wurde mit Widerspruchsbescheid
vom 12.04.2005 als unbegründet zurückgewiesen, weil in der rumänischen Adeverinta Nr. 55 vom 01.03.1995 für die streitige
Zeit nicht mehr als 300 Tage bzw. erfüllte Normen bescheinigt worden seien und die Adeverinta keine Angaben zu Fehlzeiten
und Arbeitsunterbrechungen enthalte. Ein vollständiger Nachweis sei daher nicht erbracht. Aus dem bloßen Bestehen eines Mitgliedschaftsverhältnisses
zu einer LPG in Rumänien könne nicht auf ein ganzjähriges und ununterbrochenes Beschäftigungsverhältnis geschlossen werden. Es sei für
den Nachweis von Beschäftigungszeiten eine am Einzelfall ausgerichtete konkrete Betrachtungsweise notwendig; verwiesen wird
insoweit auf die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 08.09.2004, Az. L 2 RJ 1664/02. Die Anerkennung der Beitragszeiten im Jahr 1971 zu 6/6 sei nicht mehr nachvollziehbar.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht München verfolgte die Klägerin ihr Ziel der ungekürzten Berücksichtigung
der rumänischen Beitragszeiten von 1972 bis 1977 weiter. Zur Begründung trug sie unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom
08.09.2005, Az. B 13 RJ 44/04 R, auf das Urteil des BayLSG vom 21.07.1999, Az. L 20 RJ 620/93 sowie auf mehrere Entscheidungen der Sozialgerichte Nürnberg und München vor, dass in Rumänien die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften
nach den gesetzlichen Bestimmungen in der Zeit vom 1966 bis 1977 für ihre Mitglieder allein auf Grund deren Mitgliedschaft
für jeden Monat Beiträge entrichtet hätten. Es habe keine Rolle gespielt, ob jemand gearbeitet habe oder nicht, und ob die
Arbeit durch Schwangerschaft, Krankheit etc. unterbrochen worden sei. Für jedes Mitglied sei der gleiche Beitrag aus den Gesamteinnahmen
der LPG entrichtet worden; die Höhe der Entgelte sei ohne Bedeutung für die Versicherungspflicht und Beitragshöhe gewesen. Nur die
Auszahlungen an die einzelnen Mitglieder seien gestaffelt nach den erwirtschafteten Normen erfolgt. Erst ab der Rechtsänderung
mit Wirkung vom 01.01.1978 seien Beiträge nur noch für Arbeitsleistungen gezahlt worden. § 15 FRG spreche nicht von Arbeit oder Beschäftigung, sondern allein von Beitragszahlung. Wenn die Beitragszahlung nachgewiesen sei,
sei der Zeitraum der Beitragszahlung voll zu bewerten. Die Klägerin sei bei der LPG auch beschäftigt gewesen.
Die Beklagte vertrat unter Bezugnahme auf das o.g. Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 08.09.2004 die Auffassung, dass eine
ungekürzte Anrechnung nur möglich sei, wenn mehr als 300 Arbeitstage bescheinigt seien. Dabei werde nicht verkannt, dass die
LPG während der gesamten Mitgliedschaft ein Weisungsrecht gegenüber ihren Mitgliedern gehabt habe, und dass ein leistungsabhängiges
Grundgehalt gezahlt worden sei. Es stehe aber nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass eine Unterbrechung
des Arbeitsverhältnisses und damit Fehlzeiten nicht vorlägen. Dem Urteil des BSG vom 08.09.2005 werde nicht gefolgt. Denn
das Gleichstellungserfordernis nach § 15 Abs. 1 Satz 2 FRG mit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit im Geltungsbereich des Gesetzes setze voraus, dass die Ausübung
einer abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit die unmittelbare Ursache für die Beitragsentrichtung im Herkunftsland
gewesen sei. Es komme daher unverzichtbar auf das Arbeitsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinne an, und dieses
sei wiederum von der tatsächlichen Arbeitsleistung geprägt.
Das Sozialgericht hob in seinem Urteil vom 27.03.2006 den Bescheid vom 21.02.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 12.04.2005 voll sowie den Bescheid vom 13.11.2002 teilweise auf und verurteilte die Beklagte, die Zeit vom 01.01.1972
bis 31.12.1977 als Beitragszeit gemäß § 15 FRG zu 6/6 zu berücksichtigen. Denn es seien für den gesamten streitigen Zeitraum von der LPG Beiträge für die Klägerin als Mitglied dieser LPG, bei der sie auch beschäftigt gewesen sei, entrichtet worden, so dass die Entrichtung dieser Beiträge als nachgewiesen anzusehen
sei. Unerheblich sei, dass die Klägerin keine 300 Tage im Jahr gearbeitet habe. Denn in § 15 Abs. 1 FRG komme es gerade auf die Beitragsleistung zu einem ausländischen System der Rentenversicherung und nicht auf die tatsächliche
Arbeitsleistung, wie in § 19 FRG, an. Auf die Entscheidung des BSG vom 08.09.2005, Az. B 13 RJ 44/04 R wurde Bezug genommen.
Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt mit der Begründung, dass der für eine 6/6 - Anrechnung erforderliche Nachweis
eines ganzjährigen und ununterbrochenen Beschäftigungsverhältnisses nicht erbracht sei, weil keine Angaben zu Fehlzeiten vorlägen.
Dem oben genannten Urteil des BSG vom 08.09.2005 könne nicht gefolgt werden, weil dessen Beurteilung zu einer unberechtigten
Besserstellung der LPG-Mitglieder gegenüber sonstigen Arbeitnehmern führen würde, und ein bloßes Abstellen auf die LPG-Mitgliedschaft dem Eingliederungsprinzip des FRG widersprechen würde.
Da die Beiträge für rumänische Arbeitnehmer aus der Gesamtlohnsumme der Betriebe abgeführt worden seien und die Beitragszahlung
für die einzelnen Beschäftigten nicht aufgeschlüsselt worden sei, reiche die durchgehende Beitragszahlung des Betriebs für
die Gesamtheit aller Arbeitnehmer nicht für die Anerkennung einer durchgehenden nachgewiesenen Beitragszeit für den einzelnen
Beschäftigten aus. Denn auch bei einer Unterbrechung der Beschäftigung und so der Lohnzahlung sei der Beitrag unvermindert
entrichtet worden. Diese Beitragszeiten seien im Rahmen des FRG nicht als Beitragszeiten angerechnet worden, weil keine lückenlose Ausübung der Beschäftigung nachgewiesen gewesen sei. Da
die LPG- und Kolchosmitglieder auf Grund ihrer besonderen Rentensysteme als Arbeitnehmer zu sehen seien, müsse auf Grund der erforderlichen
Gleichbehandlung auf deren individuellen Anteil am Betriebsergebnis, der durch die tatsächliche Arbeitsleistung bestimmt werde,
abgestellt werden. Diese Ansicht werde durch die BSG-Rechtsprechung zu den Kolchosmitgliedern in der ehemaligen UdSSR vom
30.10.1997 (Az. B 13 RJ 19/97) gestützt; neben der Beitragsentrichtung sei danach das Bestehen eines Arbeits- bzw. Mitgliedschaftsverhältnisses zur Kolchose
eine weitere Voraussetzung zur Anerkennung einer Beitragszeit. Auch nach der Entscheidung des BSG vom 27.02.1986 (Az. B 1 RA 57/84) würden fortgesetzt entrichtete Beiträge angesichts eines lediglich pauschal bestätigten Beitragsaufkommens noch nichts über
eine lückenlose Beitragsentrichtung besagen.
Nach den Entscheidungen des Großen Senats des BSG vom 04.06.1986 - GS 1/85 - und vom 25.11.1987 -GS 2/85 - sei der Eingliederung von im Herkunftsgebiet erworbenen Rentenansprüchen und Rentenanwartschaften eine rechtliche Grenze
dort gesetzt, wo ihre Anrechnung mit der Struktur des deutschen Rechts schlechthin und offenkundig unvereinbar werde. Nach
dem das FRG beherrschenden Eingliederungsgrundsatz sollen die Berechtigten so gestellt werden, als ob sie ihr Versicherungsleben in Deutschland
zurückgelegt hätten. Deshalb könnten Fremdbeitragszeiten grundsätzlich nicht in einem größeren Ausmaß anerkennungsfähig sein
als Beitragszeiten nach deutschem Recht. Die Fremdbeitragszeiten müssten in den wesentlichen Kriterien soweit mit deutschen
Beitragszeiten vergleichbar sein, dass eine Entschädigung im Wege der Gleichstellung gerechtfertigt erscheine. Nach dem Eingliederungsgrundsatz
müsse daher eine sachliche Beziehung zwischen der abhängigen Beschäftigung und der Beitragsleistung bestehen. Diese Voraussetzung
sei dann erfüllt, wenn eine beitragspflichtige Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt werde oder eine beitragspflichtige Entgeltfortzahlung
durch den Arbeitgeber erfolge. Eine Beitragspflicht zur Rentenversicherung allein auf Grund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten
Einrichtung (wie einer LPG) - unabhängig von einer Arbeitsleistung oder Lohnfortzahlung - kenne das deutsche Recht nicht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.03.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Denn sie sei in der streitigen Zeit Mitglied der LPG und dort auch beschäftigt gewesen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG genüge die durchgehende Entrichtung von Beiträgen im Herkunftsland; auf eine Arbeitsleistung komme es nicht an. Auch hätten
die Arbeitgeber in Rumänien bei Vorliegen von Unterbrechungstatbeständen keine Beiträge für ihre Arbeitnehmer entrichtet.
Verwiesen wird ferner auf das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 06.04.2006, Az. L 6 R 305/05.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten
sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die von der Beklagten form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§
143,
151 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig. Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Die Beklagte ist verpflichtet, den bestandskräftigen Rentenbescheid vom 13.11.2002 teilweise zurückzunehmen, weil dieser Bescheid
insoweit rechtswidrig ist, als die Beitragszeiten vom 01.01.1972 bis 31.12.1977 nur zu 5/6 statt 6/6 der Rentenberechnung
zu Grunde gelegt worden sind. Die Klägerin hat Anspruch auf eine rentensteigernde Berücksichtigung dieser Beitragszeiten ab
01.01.2003 zu 6/6.
Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist auf Grund des bestandskräftigen Rentenbescheides vom 13.11.2002 die Vorschrift
des § 44 SGB X. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem
Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht
worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Die Voraussetzungen für eine teilweise Rücknahme des Bescheides vom 13.11.2002 sind erfüllt, weil die streitigen rumänischen
Beitragszeiten der Klägerin als nachgewiesene Beitragszeiten anzuerkennen sind und entsprechend höhere Altersrente zu gewähren
ist.
Anzuwenden sind die Vorschriften des § 22 Abs. 3 FRG in der ab Januar 1992 geltenden Fassung und des § 15 FRG in der ab Januar 1998 geltenden Fassung, weil der Leistungsfall der Vollendung des 60. Lebensjahres im Dezember 2002 eingetreten
ist.
Als anerkannte Vertriebene im Sinn des § 1 Bundesvertriebenengesetz gehört die Klägerin gemäß § 1 a FRG zum berechtigten Personenkreis nach dem FRG. Gemäß § 15 Abs. 1 FRG stehen Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen zurückgelegt sind, den nach
Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Sind die Beiträge auf Grund einer abhängigen Beschäftigung oder einer selbstständigen
Tätigkeit entrichtet, so steht die ihnen zu Grunde liegende Beschäftigung oder Tätigkeit einer rentenversicherungspflichtigen
Beschäftigung oder Tätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich (§ 15 Abs. 1 Satz 2 FRG). Nach Absatz 2 dieser Vorschrift ist als gesetzliche Rentenversicherung im Sinn des Absatz 1 jedes System der sozialen Sicherheit anzusehen,
in das in abhängiger Beschäftigung stehende Personen durch öffentlich-rechtlichen Zwang einbezogen sind, um sie und ihre Hinterbliebenen
für den Fall der Minderung der Erwerbsfähigkeit, des Alters und des Todes oder für einen oder mehrere dieser Fälle durch die
Gewährung regelmäßig wiederkehrender Geldleistungen (Renten) zu sichern. Wird durch die Zugehörigkeit zu einer Einrichtung
dem Erfordernis, einem der in Satz 1 genannten Systeme anzugehören, Genüge geleistet, so ist auch die betreffende Einrichtung
als gesetzliche Rentenversicherung anzusehen.
Die Klägerin war nach ihren Angaben und den o.g. Adeverintas der LPG "Romgera" sowie der LPG "Viata Noua", deren Name sich wohl infolge eines späteren Zusammenschlusses mit anderen LPG`s änderte, von 1971 bis 1977
unstreitig Mitglied dieser Genossenschaft und im Pflanzenanbau bei ihr beschäftigt. Unstreitig führte die LPG für diesen Zeitraum ununterbrochen für die Klägerin Beiträge an eine rumänische gesetzliche Sozialversicherung ab.
In Rumänien war für Mitglieder der LPG durch Dekret Nr. 535/1966 mit Wirkung ab 01.01.1967 ein Rentensystem für Angehörige der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften
errichtet worden, bei dem es sich um ein "System der sozialen Sicherheit" im Sinn des § 15 Abs. 2 FRG handelte (so BSG, Urteil vom 27.02.1986, Az. 1 RA 57/84). Soweit in § 15 Abs. 2 FRG gefordert wird, dass in das System der sozialen Sicherheit "in abhängiger Beschäftigung stehende Personen" einbezogen sein
müssen, bedeutet dies nach vorgenannter Rechtsprechung des BSG vornehmlich den Ausschluss solcher Systeme, in die nur freiwillig
Versicherte oder Selbstständige einbezogen sind. Es genügt ein Rentensystem für Personenkreise, die mindestens in einem beschäftigungsähnlichen
Verhältnis stehen.
Auch wenn die Sozialversicherungsbeiträge von den LPG`s - nach dem Vorbild des staatlichen Sozialversicherungssystems - nicht
etwa für einzelne, namentlich genannte Mitglieder bemessen und abgeführt, sondern für die Gesamtheit der Mitglieder im abstrakten
Sinn des Wortes nach der erzielten Jahresproduktion geleistet worden sind, und die Beitragsleistungen und deren Höhe keinen
Einfluss auf die Rentenansprüche hatten, so sind sie dennoch - auch nach Ansicht der Beklagten - als Beitragszeiten im Sinn
des § 15 FRG zu qualifizieren. Denn eine enge Verbindung von Beitrag und Rentenanspruch bzw. Rentenhöhe ist nicht zwingend erforderlich
(vgl. BSGE 6,263).
Nicht erforderlich ist dagegen - anders als bei § 16 FRG - der Nachweis einer ununterbrochenen oder mehr als 300 Arbeitstage andauernden Beschäftigung der Klägerin in dem streitigen
Zeitraum. Denn die Beitragszeit gemäß § 15 FRG ist bereits allein auf Grund der an die Mitgliedschaft bei der LPG anknüpfenden Entrichtung rumänischer Beiträge durch die LPG, bei der die Klägerin beschäftigt war, anzuerkennen. Maßgeblich ist allein die ununterbrochene Beitragsentrichtung durch
die LPG auf Grund einer ununterbrochenen LPG-Mitgliedschaft (so BSG, Urteil vom 08.09.2005, aaO.).
Diese Anerkennung der rumänischen Beitragszeiten von LPG-Mitgliedern als nachgewiesene Zeiten ist nach der Überzeugung des Senats mit Art.
3 Abs.
1 und Abs.
3 Grundgesetz (
GG) vereinbar. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt im Hinblick auf die in Rumänien abhängig Beschäftigten, bei denen eine
6/6 - Anrechnung nur beim Nachweis einer ununterbrochenen Arbeitsleistung erfolgt, nicht, dass eine volle Anrechnung der Beitragszeiten
der LPG-Mitglieder nur bei deren ununterbrochener Beschäftigung erfolgt.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten
anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass
sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (so etwa BVerfGE 55, 72, 88). Es muss ein sachlicher Differenzierungsgrund vorliegen, der sich nach Natur und Eigenart des in Frage stehenden Sachverhalts
und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der betreffenden Regelung beurteilt (vgl. BVerfGE 71, 39, 58).
Die rechtliche Sonderstellung der LPG-Mitglieder und die besonderen Arbeitsbedingungen bei landwirtschaftlichen Arbeiten, die sich erheblich von dem Arbeitsverhältnis
sonst in Rumänien abhängig Beschäftigter unterscheiden, stehen der von der Beklagten geforderten weiteren Voraussetzung einer
ununterbrochenen Beschäftigung entgegen.
Zunächst geht die Beklagte fälschlicherweise davon aus, dass die Betriebe für die in Rumänien abhängig Beschäftigten auch
für Zeiten der Unterbrechung ihres Beschäftigungsverhältnisses durch Arbeitsunfähigkeit etc. Beiträge abgeführt hätten. Nach
dem damals geltenden rumänischen Recht wurden die Beiträge aus der Gesamtlohnsumme des Betriebs abgeführt. War die Beschäftigung
unterbrochen, wurde kein Lohn gezahlt, die Gesamtlohnsumme wurde entsprechend reduziert, und Beiträge wurden insoweit nicht
abgeführt (vgl. etwa BSGE SozR 5050 § 15 Nr. 23).
Die LPG-Mitglieder waren keine Arbeitnehmer wie die in den übrigen Wirtschaftsbereichen Beschäftigten. Denn deren Arbeitsleistung
beruhte auf Mitgliedschaftsverhältnissen und nicht auf arbeitsvertraglichen Verhältnissen. Die Mitglieder erhielten keine
Löhne und unterlagen nicht den Regelungen des Arbeitsrechts; sie erfüllten ihre Arbeitspflichten nach eigenständigen Regelungen
auf der Grundlage von Arbeitsnormen (so das im Auftrag des LSG Baden-Württemberg in dem Verfahren L 9 RJ 2551/98 erholte Rechtsgutachten des Instituts für Ostrecht München e.V. vom 15.12.1999, S. 104, 106).
Die Besonderheiten der landwirtschaftlichen Arbeiten auf Grund ihrer Abhängigkeit von äußeren (naturgegebenen) Faktoren wie
Pflanz- und Erntezeiten, Witterungsverhältnisse etc. und somit die besonderen Bedingungen dieses Berufszweiges erforderten
Abweichungen von dem in den übrigen Bereichen geltenden allgemeinen Arbeitsrecht. So existierten keine regelmäßigen täglichen
Arbeitspflichten und -zeiten. Das Arbeitsprogramm hing vielmehr von der Art der anfallenden Arbeiten, der Jahreszeit und der
Witterung ab. Dies konnte dazu führen, dass in vielen Fällen die übliche tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden überschritten
werden musste, dafür aber zu anderen Zeiten weniger Arbeit zu verrichten war. Jedes LPG-Mitglied konnte aufgrund eigener, persönlicher Entscheidung jede Art von Fehlzeiten durch verstärkten Arbeitseinsatz, d.h.
deutlich gesteigerte Erfüllung der Arbeitsnormen, ausgleichen; Krankheitszeiten konnten durch Überstunden ausgeglichen werden.
Es lag in der Hand der LPG-Mitglieder, Tagewerke oder Arbeitsnormen plangerecht oder auch mehrfach zu erfüllen (näher hierzu: Rechtsgutachten des Instituts
für Ostrecht aaO. S. 105, 119). Diese Eigenart der zu verrichtenden landwirtschaftlichen Arbeiten, die in Abhängigkeit naturgegebener
Verhältnisse einen Mehr- oder Mindereinsatz forderte, gebietet eine jährliche - und nicht nur tägliche oder monatliche, wie
bei den sonstigen abhängig Beschäftigten in Rumänien üblich, - Betrachtungsweise.
Auch bemisst sich der einem Mitglied zuzuordnende Anteil am Produktionsergebnis des Betriebes nicht allein nach seinem individuellen
tatsächlichen Arbeitsanteil. Das Produktionsergebnis der LPG wurde von weiteren Faktoren der Natur (s.o.), der Qualität, der Organisation etc. bestimmt. Bei den abhängig Beschäftigten
der sonstigen Wirtschaftsbereiche bestimmte sich dagegen der zuzuordnende Beitragsanteil allein nach dem jeweils erzielten
Lohn; die Individualisierung erfolgte ausschließlich nach dem zeitlichen Beschäftigungsumfang in Abhängigkeit von der Lohnhöhe.
Der Anerkennung einer ununterbrochenen Beitragsentrichtung stehen auch nicht die Ausführungen des BSG in seinem Urteil vom
30.10.1997, Az. 13 RJ 19/97 entgegen, wonach für die Anerkennung einer Beitragszeit nach § 15 FRG neben der Beitragsentrichtung das Bestehen eines Arbeits- bzw. Mitgliedschaftsverhältnisses im Sinn eines durchgängigen Beschäftigungsverhältnisses,
d.h. einer durchgängigen Verpflichtung zur Arbeitsleistung, gefordert wird. Denn nach den o.g. Adeverintas war die Klägerin
durchgehend von 1972 bis 1977 bei der LPG im Pflanzenanbau beschäftigt und hatte die geplanten Normen deutlich übererfüllt. Bei der Erfüllung und erst recht bei Überbietung
der geplanten Normen ist von einer durchgehenden Arbeitsleistung für das gesamte Kalenderjahr auszugehen (vgl. Gutachten des
Instituts für Ostrecht aaO. S. 110 f.). Das BSG verlangt in dieser Entscheidung jedoch nicht die begrifflich davon zu unterscheidende
ununterbrochene Beschäftigung eines Mitglieds.
Auch die von der Beklagten genannte Entscheidung des BSG vom 27.02.1986, Az. 1 RA 57/84 vermag zu keiner anderen Bewertung der rumänischen Beitragszeiten zu führen, weil bei dieser Entscheidung Zweifel an einer
durchgehenden Beitragsentrichtung bestanden. Hier geht jedoch auch die Beklagte von einer lückenlosen, ununterbrochenen Beitragsentrichtung
in dem streitigen Zeitraum aus.
Die volle Anerkennung der streitigen rumänischen Beitragszeiten ohne Berücksichtigung eventueller Unterbrechungszeiten der
Beschäftigung verstößt auch nicht gegen das mit dem FRG verfolgte Eingliederungsprinzip. Denn nach dem damals geltenden sowohl deutschen als auch rumänischen Recht waren Tätigkeiten
in der Landwirtschaft als Beitragszeit - je nach den unterschiedlichen Verhältnissen - ausgestaltet.
Nach der Entscheidung des Großen Senats des BSG vom 04.06.1986, SozR 5050 § 15 Nr. 32, in der die in der DDR erfolgte Ableistung
des Grundwehrdienstes als beitragslose Zeit einer Beitragszeit nach deutschem Recht gleichgestellt worden ist, ist der Entschädigung
von im Herkunftsland erworbenen Rentenansprüchen und Rentenanwartschaften eine rechtliche Grenze dort gesetzt, "wo deren Anrechnung
mit der Struktur des innerstaatlichen Rentenrechts schlechthin und offenkundig unvereinbar wäre". Das Eingliederungsprinzip
setzt aber dort keine Schranke, "wo derselbe oder doch ein vergleichbarer Tatbestand sowohl nach dem Recht der Bundesrepublik
wie nach dem fremden Recht als Beitragszeit ausgestaltet ist; auf die in dem anderen Staat vorliegenden unterschiedlichen
Verhältnisse ist dabei immer Bedacht zu nehmen".
In Rumänien waren mit Abschluss der Kollektivierung der Landwirtschaft die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften
organisatorisch und wirtschaftlich konsolidiert worden; ab 01.01.1967 war ein Rentensystem für Mitglieder der landwirtschaftlichen
Produktionsgenossenschaften mit Beitragspflicht errichtet worden (s. hierzu oben). In der Bundesrepublik Deutschland war in
dem streitigen Zeitraum für landwirtschaftliche Unternehmer ebenfalls ein eigenständiges Sozialversicherungssystem errichtet
und eine Zwangsmitgliedschaft zur Landwirtschaftlichen Alterskasse nach dem GAL begründet worden. Auf Grund der Besonderheiten
der landwirtschaftlichen Arbeiten sowie ihres Personenkreises wurden die Beitragsleistung und die Rentenberechnung gesondert
- anders als bei den (übrigen) abhängig Beschäftigte - geregelt. Weit über die Hälfte der landwirtschaftlichen Unternehmer
erhielt etwa einen aus Steuermitteln finanzierten Beitragszuschuss. Die Tätigkeit in der Landwirtschaft wurde entsprechend
den unterschiedlichen staatlichen und wirtschaftlichen Systemen sowohl in Rumänien - im allgemeinen als Mitglied in einer
LPG - als auch in der Bundesrepublik Deutschland - grundsätzlich als landwirtschaftlicher Unternehmer - als Beitragszeit zu einem
System der sozialen Sicherheit ausgestaltet.
Es erfolgt also keine Gleichstellung einer beitragslosen Zeit mit einer Beitragszeit, bei der ein strengerer Maßstab anzulegen
ist, sondern eine Gleichstellung von Beitragszeiten. Die rumänischen und die deutschen Beitragszeiten im landwirtschaftlichen
Bereich sind trotz aller systembedingter Unterschiede vergleichbar, weil sie jeweils auf einer Zwangsmitgliedschaft zu einem
sozialen Sicherungssystem beruhen, an einen persönlichen Bezug zum landwirtschaftlichen Unternehmen anknüpfen, und die Höhe
der Beiträge sich auf Grund der Besonderheit der landwirtschaftlichen Arbeiten nicht nach dem Umfang der Beschäftigungszeit
bzw. verrichteten Tätigkeit (d.h. Arbeits- bzw. Unternehmerlohn) bemisst. Der Einwand der Beklagten, dass das deutsche Rentenrecht
keine Beitragspflicht allein auf Grund einer Mitgliedschaft zu einer bestimmten Einrichtung kenne, beruht daher auf einer
verkürzten Betrachtungsweise und berücksichtigt nicht - wie vom BSG (s.o.) gefordert - die unterschiedlichen Verhältnisse
in der Bundesrepublik Deutschland und in Rumänien; ein Systemvergleich ist insoweit vorzunehmen.
Offen kann dagegen die Frage bleiben, wie die ununterbrochene Beitragsleistung bei einer gänzlich fehlenden Arbeitsleistung
- wie z.B. in dem der Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 06.04.2006, Az. L 6 R 3053/05 zu Grunde liegenden Sachverhalt, anhängig beim BSG, Az. B 4 R 39/06 R) - zu beurteilen ist.
Die Kostenentscheidung gemäß §
193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung keinen Erfolg hatte.
Gründe, gemäß §
160 Abs.
2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.