Rente wegen Erwerbsminderung
Adipositas III. Grades
Medizinische Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Der 1967 geborene Kläger erlernte den Beruf eines Kfz-Mechanikers. Zuletzt war er in den Jahren 2007 bis 2009 versicherungspflichtig
auf einem Zeitarbeitsplatz als Einrichter in einer Kunststofffabrik beschäftigt.
Wegen des Vorliegens von Adipositas beantragte der Kläger im August 2009 die vorzeitige Bewilligung einer Rehabilitationsmaßnahme,
die ihm mit Urteil des Sozialgerichts Würzburg zugesprochen wurde (Az. S 14 R 4465/09). Vom 10.02.2011 bis 17.03.2011 befand sich der Kläger zur medizinischen Rehabilitation in der Klinik S. in Bad K ... Im
dortigen Entlassungsbericht vom 24.03.2011 wurden als Diagnosen aufgeführt: 1. Adipositas permagna III. Grades (BMI 62,8).
2. Arterielle Hypertonie. 3. Gemischte Fettstoffwechselstörung. 4. Akutes Erysipel rechter Unterschenkel. 5. Nikotinabusus.
6. Hyperurikämie. Beim Kläger konnte während der Rehabilitation das Gewicht zwar um 14 kg reduziert werden, es lag aber trotzdem
noch weit über allen Normalbereichen. Der Kläger sei als mehr als sechsstündig einsatzfähig für leichte bis mittelschwere
Tätigkeiten anzusehen, wobei keine Überkopfarbeiten rechts, keine Zwangshaltungen, kein Heben und Bewegen schwerer Lasten
sowie kein häufiges Bücken, Hocken oder Knien zumutbar seien. Die Einsatzfähigkeit als Kfz-Mechaniker sei zu bejahen. Aktuell
liege Arbeitsunfähigkeit vor. Eine weitere deutliche Gewichtsreduktion könne nach ärztlicher Ansicht das Leistungsbild erheblich
verbessern.
Am 08.03.2012 stellte der Kläger bei der Beklagten den streitgegenständlichen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Auf Veranlassung der Beklagten wurde er am 30.05.2012 durch den Internisten Dr. L. untersucht, der die Gesundheitsstörungen
des Klägers folgendermaßen beschrieb: 1. Übergewichtigkeit (BMI 56). 2. Essentielle Hypertonie Stadium I. 3. Hyperlipoproteinämie,
Hyperurikämie. 4. Beginnende Coxarthrose rechts. Aus internistischer Sicht bestehe eine vollschichtige Einsatzfähigkeit. Eine
Einsatzfähigkeit im früheren Beruf als Einrichter oder Kfz-Mechaniker sei ebenfalls gegeben. Die Einholung eines ergänzenden
psychiatrischen Gutachtens werde empfohlen.
Ein solches holte die Beklagte am 10.07.2012 beim Neurologen und Psychiater Dr. S. ein. Als Diagnosen wurden dort festgestellt:
1. Generalisierte Angststörung. 2. Panikattacken. 3. Soziale Phobie. 4. Adipositas III. Grades. 5. Arterielle Hypertonie,
medikamentös kompensiert. Die bisher durchgeführte Psychotherapie durch einen psychologischen Psychotherapeuten sei wirkungslos
geblieben und es gelte jetzt eine anxiolytisch-antidepressive Behandlung unter Federführung eines Arztes für Psychiatrie vorzunehmen.
Aktuell liege Arbeitsunfähigkeit vor und es sei eine stationäre oder mindestens teilstationäre Behandlung angezeigt, zu der
der Kläger sich jedoch nicht habe entschließen können. An sich sei der Kläger als Maschineneinrichter und auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt täglich sechs Stunden und mehr einsatzfähig, wobei körperliche Anstrengungen nicht möglich seien. Das sozialmedizinische
Leistungsbild wurde durch Dr. E. bestätigt und um Einschränkungen hinsichtlich Klettern oder Steigen, Zwangshaltungen und
überdurchschnittlichem Zeitdruck ergänzt.
Mit Bescheid vom 26.07.2012 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Nach der vorliegenden medizinischen Beurteilung sei der
Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, auf den er verweisbar sei, noch mindestens sechs Stunden täglich einsatzfähig.
Der Widerspruch des Klägers vom 08.08.2012 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2012 zurückgewiesen. Gründe, warum der
Bescheid nicht zutreffen sollte, seien nicht genannt worden und im Übrigen auch nicht erkennbar.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 06.11.2012 Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Das Sozialgericht
hat Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. F. und Dr. U. sowie des Dipl.-Psych. E. beigezogen. Sodann hat es den Internisten
und Sozialmediziner Dr. G. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt, das dieser am 24.09.2013 erstellt
hat. Die Gesundheitsstörungen des Klägers hat Dr. G. wie folgt beschrieben: 1. Adipositas III. Grades. 2. Angststörung und
soziale Phobie. 3. Adipositasbedingte Funktionseinschränkung in den großen Körpergelenken. 4. Beinödeme. 5. Bluthochdruck.
6. Diabetes mellitus Typ II. Dr. G. hat beim Kläger eine multimodale Behandlung als noch nicht ausgeschöpft angesehen. Beim
Kläger bestehe ein Einsatzvermögen von sechs Stunden und mehr für leichte Tätigkeiten; in qualitativer Hinsicht seien Tätigkeiten
mit längerem Stehen und Gehen, Zwangshaltungen, häufiges Bücken, erhöhte Unfallgefährdung und übermäßige nervliche Belastung
auszuschließen. Durch die beim Kläger vorliegende Übergewichtigkeit bestehe eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit.
Eine erneute Rehabilitationsmaßnahme sei nur im Rahmen eines multimodalen Therapiekonzeptes als sinnvoll und erfolgversprechend
anzusehen.
In einem gerichtlichen Verhandlungstermin vom 31.10.2013 hat der Kläger beantragt, ihm ambulante oder stationäre Maßnahmen
zur medizinischen Rehabilitation mit dem Ziel der Gewichtsreduktion zu bewilligen.
Anschließend hat der Kläger die Einholung eines Gutachtens nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beantragt. Die zunächst vorgesehene Gutachterin Dr. K. hat am 27.02.2014 mitgeteilt, dass die Fragestellung nicht im Gebiet
ihrer Spezialexpertise als Allgemein- und Adipositaschirurgin gelegen sei. Der Gutachtensauftrag ist auf Wunsch des Klägers
ersatzweise dem Facharzt für Arbeitsmedizin und Ernährungsmedizin S. A. erteilt worden. Dieser hat den Kläger am 30.08.2014
untersucht und in seinem Gutachten vom 05.09.2014 folgende Gesundheitsstörungen aufgezählt: 1. Metabolisches Syndrom (Adipositas
permagna, Diabetes mellitus IIb, arterielle Hypertonie, Dyslipidämie). 2. Hyperurikämie. 3. Cervikales und lumbales Wirbelsäulensyndrom,
Z. n. Morbus Scheuermann. 4. Periarthropathia humeroscapularis rechts mit Impingement, leichte Coxarthrose rechts, Hüftdysplasie
links, bilaterale Gonalgie. 5. Insomnie mit umfangreich gestörtem Schlaf-Wach-Rhythmus. 6. Soziale Phobie mit Depression,
Ess- und Panikattacken. 7. Nikotinabusus. 8. Erythrasma. Der Kläger könne keine körperlich mittelschweren Tätigkeiten mehr
verrichten. Eine Außendienststätigkeit sei nicht zumutbar; Arbeiten oberhalb der Brusthöhe und regelmäßige Wirbelsäulenzwangshaltungen
seien ebenfalls nicht zumutbar. Die Tätigkeit müsse ohne Publikumsverkehr erfolgen und Probleme mit Führungspersonen würden
eine ungünstige Rahmenbedingung darstellen. Zugluft, besondere Temperaturbedingungen und hohe Luftfeuchtigkeit sowie beengte
Raumverhältnisse seien nicht zumutbar. Der Kläger sei noch in der Lage, regelmäßig körperlich leichte Tätigkeiten bei gleichmäßigem
Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen oder bei moderat überwiegendem Sitzen sechs Stunden und mehr im Innendienst zu verrichten.
Der Kläger könne übliche Anmarschwege zu einem Arbeitsplatz mittels Pkw zurücklegen. Er sei auch noch in der Lage, eine Entfernung
von 500 m innerhalb von 20 Minuten inklusive Pausen zu Fuß zurückzulegen und dies viermal täglich zu bewältigen. Die Nutzung
des öffentlichen Nahverkehrs sei aber nur begrenzt zumutbar.
Die Klägerseite hat hierzu vorgetragen, dass beim Kläger ein Fall der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen und
einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung vorliege, so dass er trotz eines Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden
täglich keine Möglichkeit habe, am Erwerbsleben teilzunehmen. Wegen der Einschränkung der Arbeitsbedingungen sei eine konkrete
Verweisungstätigkeit zu benennen.
Die Beklagte hat in einer berufskundlichen Stellungnahme vom 31.10.2014 ausgeführt, dass das arbeitsmedizinische Sachverständigengutachten
die sozialmedizinische Einschätzung der Beklagten bestätigt habe und es im vorliegenden Fall keiner Benennung einer Verweisungstätigkeit
bedürfe. Solange Arbeiten zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichtet werden könnten,
gelte der Arbeitsmarkt als offen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht am 20.11.2014 durch Gerichtsbescheid entschieden. Es hat die Klage abgewiesen.
Beim Kläger sei das Vorliegen von voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht nachgewiesen. Die Sachverständigen seien zu
dem Ergebnis gekommen, dass eine quantitative Leistungseinschränkung beim Kläger nicht vorliege. Entgegen der Auffassung des
Klägers seien die in den Gutachten genannten qualitativen Leistungseinschränkungen auch nicht derart ausgeprägt, dass es schlichtweg
ausgeschlossen erscheine, den Kläger auf dem Arbeitsmarkt wieder einzugliedern. Es liege noch keine Summierung ungewöhnlicher
Leistungseinschränkungen vor.
Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 15.12.2014 am 16.12.2014 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Er
hat geltend gemacht, dass das Sozialgericht die beim Kläger vorliegenden Einschränkungen qualitativer Art nicht entsprechend
der Prüfreihenfolge des Bundessozialgerichtes gewürdigt habe.
In einem Erörterungstermin vom 05.08.2015 hat der Kläger angegeben, dass eine Psychotherapie ihm nur in gewissen zeitlichen
Abständen bewilligt werde. Eine nervenärztliche Behandlung habe er seit der Begutachtung durch Dr. S. im Juli 2012 nicht in
Anspruch genommen. Der Senat hat erneute Befundberichte bei der Hausärztin Dr. F. und beim Dipl.-Psych. E. eingeholt.
Auf Antrag des Klägers nach §
109 SGG ist ein Gutachten durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. unter Mitarbeit der Fachärztin für Neurologie
Dr. J. in Auftrag gegeben worden. Diese haben den Kläger am 07.04.2016 untersucht und in ihrem Gutachten vom 07.06.2016 die
Gesundheitsstörungen des Klägers folgendermaßen beschrieben: 1. Soziale Phobie. 2. Episodisch paroxysmale Angst. 3. Leichte
depressive Episode. 4. Multimodale Gangstörung bei - polyneuropathischem Syndrom, diabetogen, - Adipositas permagna, - Gonalgie,
Knieschmerz rechts. 5. Episodischer Spannungskopfschmerz. 6. LWS-Syndrom ohne Nachweis einer Radikulopathie. 7. Verdacht auf
Schlafapnoe-Syndrom ohne Nachweis einer Vigilanzminderung. Im Rahmen der testpsychologischen Untersuchungen und der psychiatrischen
Untersuchung sei die Beschwerdevalidierung als auffällig einzuordnen im Sinne einer negativen Antwortverzerrung und eines
suboptimalen Leistungsverhaltens. Es bestehe beim Kläger zwar ein sozialer Rückzug, aber eine willentliche Überwindung von
vorhandenen Symptomen sei möglich. Auch habe sich kein sehr hoher Leidensdruck feststellen lassen. Beim Kläger sei ein Einsatzvermögen
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes von täglich sechs Stunden mindestens vorhanden. Verrichten könne
der Kläger leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel überwiegend in geschlossenen
Räumen. Der Kläger sei in der Lage, eine Wegstrecke von täglich vier mal mehr als 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand zurückzulegen.
Er sei auch in der Lage, einen privaten Pkw zu benutzen. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei ihm nicht zumutbar.
Es bestünde eine leicht eingeschränkte Leistungsmotivation und eine leicht eingeschränkte Umstellungsfähigkeit. Tätigkeiten
mit besonderer nervlicher Belastung wie Akkordarbeit, Fließbandarbeit, Wechselschicht, Nachtschicht, Arbeiten an laufenden
Maschinen und Lärm seien nicht zumutbar. Gleiches gelte für Tätigkeiten mit besonderer Belastung des Bewegungs- und Stützsystems
wie überwiegendes Stehen oder Gehen, häufiges Heben oder Tragen von mittelschweren und schweren Lasten, häufiges Bücken oder
Überkopfarbeit, Arbeiten in Zwangshaltungen und häufiges Steigen. Der Kläger könne auch nicht an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen
wie auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr oder unter ungünstigen äußeren Bedingungen überwiegend im Freien mit Einflüssen
von Kälte, Hitze, Zugluft, starken Temperaturschwankungen, Nässe eingesetzt werden. Ein hohes Maß an Publikumsverkehr sei
nicht möglich.
Der Kläger hat gegen das Gutachten vorgebracht, dass ihm nicht vorgehalten werden dürfe, dass er mit dem Pkw zur Begutachtung
gefahren sei, da er sonst keine andere Möglichkeit gehabt habe, dorthin zu gelangen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 20.11.2014 und den Bescheid der Beklagten vom 26.07.2012 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab Antragstellung eine Rente
wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 20.11.2014 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der Vorprozessakte S 14 R 4465/09 und der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§
143,
144,
151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Gemäß §
43 Abs.
2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie 1.
voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine
versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, die in gleicher Weise für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gelten,
hat der Kläger für alle in Frage kommenden Leistungszeitpunkte wohl erfüllt, da er nach seinen Angaben nach der letzten Beschäftigung
fortlaufend arbeitslos gemeldet war und Leistungen nach dem SGB II bezieht.
Voll erwerbsgemindert sind gemäß §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die medizinischen Anspruchsvoraussetzungen
für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach §
43 Abs.
1 SGB VI erfordern, dass ein Versicherter nicht mindestens 6 Stunden täglich einsatzfähig ist. Ergänzend führt §
43 Abs.
3 SGB VI aus, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden
täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen ist der Kläger zur Überzeugung des Senats in der Lage, wenigstens 6 Stunden
täglich Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten, wobei es sich um leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen
mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel handeln muss. Ausgeschlossen sind Zwangshaltungen, Überkopfarbeit, Heben und Tragen
von schweren Lasten, häufiges Bücken, häufiges Klettern oder Steigen, erhöhte Unfallgefährdung und übermäßige nervliche Belastung
wie besonderer Zeitdruck, Nacht- und Wechselschicht und Lärm aber auch mehr als gelegentlicher Publikumsverkehr. Die Arbeit
soll überwiegend in geschlossenen Räumen ohne Einflüsse von Kälte, Hitze, Zugluft, starken Temperaturschwankungen und Nässe
zu erbringen sein.
Der Senat stützt sich wesentlich auf die Feststellungen des gerichtsärztlichen Sachverständigen Dr. G., aber auch auf die
Darlegungen des Dr. L. und des Dr. S., die sich mit den Ausführungen des Dr. K. und des S. A. zu den erforderlichen Arbeitsbedingungen
in weiten Teilen decken.
Eine volle Erwerbsminderung nach der Vorschrift des §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI und ebenso eine teilweise Erwerbsminderung nach §
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI liegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen bei dem Kläger eindeutig nicht vor. Sämtliche im Verfahren gehörten Ärzte sind
sich darin einig, dass der Kläger bei Beachtung der Einschränkungen der Arbeitsbedingungen ohne gesundheitliche Gefährdung
mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann.
Damit scheidet auch die in der Rechtsprechung des BSG (Beschl. v. 11.12.1969 - Az. GS 4/69; Beschl. v. 10.12.1976 - Az. GS 2/75, GS 3/75, GS 4/75, GS 3/76 - jew. zit. nach [...]) begründete sog. arbeitsmarktbedingte Rente wegen voller Erwerbsminderung aus, weil sie als Grundlage
wenigstens eine teilweise Erwerbsminderung (§
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI) voraussetzt (s.a. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand August 2012, §
43 SGB VI Rn 30 mwN).
Selbst wenn wie im Fall des Klägers eine relevante quantitative Einschränkung seines Leistungsvermögens an geeigneten Arbeitsplätzen
nicht besteht, kann in bestimmten Ausnahmefällen eine Rentengewährung wegen voller Erwerbsminderung erfolgen. Dazu müssten
allerdings die Voraussetzungen für einen von der Rechtsprechung des BSG entwickelten sog. Katalogfall erfüllt sein, was entgegen den Ausführungen der Klägerseite aus Sicht des Senates nicht der
Fall ist.
Zutreffend hat die Bevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 09.05.2012, B 5 R 68/11 R - zitiert nach [...]) bei der Prüfung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, mehrschrittig vorzugehen ist. Zunächst ist festzustellen,
ob mit dem Restleistungsvermögen Verrichtungen erfolgen können, die bei ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden,
wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Maschinenbedienung, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen.
Wenn sich solche abstrakten Handlungsfelder nicht oder nur unzureichend beschreiben lassen und ernste Zweifel bestehen, ob
der Leistungsgeminderte auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen tatsächlich einsatzfähig ist, stellt
sich im zweiten Schritt die Frage nach dem Vorliegen einer besonderen spezifischen Leistungsbehinderung oder einer Summierung
ungewöhnlicher Einschränkungen und, falls eine solche Kategorie als vorliegend angesehen wird, wäre im dritten Schritt von
der Beklagten eine Verweisungstätigkeit konkret zu benennen und die Einsatzfähigkeit dann hinsichtlich dieser Tätigkeit abzuklären
(vgl. Gürtner a.a.O. Rn 37 mwN).
Für den Senat ergeben sich bereits keine ernsthaften Zweifel an der Einsatzfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt,
da die Arbeitsfelder Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen als grundsätzlich geeignet anzuführen
wären. Zwar sind auch hierbei noch Anforderungen an die Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu beachten. Es ist jedoch nicht
belegt, dass der Kläger keinerlei Publikumsverkehr ausgesetzt sein darf. Ebenso sind besondere zusätzliche Einschränkung hinsichtlich
weiterer Mitarbeiter (möglichst wenige), Führungspersonal (eher lockerer Führungsstil) und Arbeitsräumen (eher geräumig) nicht
aus der gesundheitlichen Situation des Klägers zwingend abzuleiten, sondern nur als günstig anzusehen.
Aber selbst wenn man das Vorliegen von ernstlichen Zweifeln annehmen wollte, so stellen die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen
sich nicht als schwere spezifische Behinderung wie etwa eine - ggf. funktionale - Einarmigkeit und auch nicht als Summierung
von ungewöhnlichen Einschränkungen dar. Es liegen Einschränkungen der Arbeitsbedingungen vor, wie sie vielfach bei körperlich
und psychisch beeinträchtigten Erwerbstätigen anzutreffen sind. Es ist ein hinreichendes körperliches Restleistungsvermögen,
eine ungestörte Sinneswahrnehmung und eine zwar geschwächte, aber noch nicht aufgehobene psychische Stabilität vorhanden.
Ein Ausschluss jeglichen Publikumsverkehrs oder weitere ungewöhnliche Einschränkungen der Arbeitsbedingungen - etwa beim Führungsstil
oder hinsichtlich Kollegen - sind nicht nachgewiesen.
Der Kläger ist auch nicht gehindert, einen eventuellen Arbeitsplatz zu erreichen. Die Gehfähigkeit des Klägers ist zwar durch
die Gesundheitsstörungen des Klägers limitiert, aber noch in dem geforderten Umfang 4-mal täglich mehr als 500 Meter in jeweils
weniger als 20 Minuten) vorhanden. Auch die Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel erscheint nicht völlig
ausgeschlossen, wenn auch zu den Hauptverkehrszeiten durchaus fraglich. Dies kann aber dahingestellt werden, da der Kläger
nach den Feststellungen im Verfahren in der Lage wäre, mit einem PKW zur Arbeit zu fahren.
Das Nichtvorliegen von teilweiser Erwerbsminderung schließt auch den Anspruch auf die hilfsweise beantragte Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung aus (§
43 Abs.
1 SGB VI).
Dementsprechend sind die Entscheidungen der Beklagten, die einen Rentenanspruch des Klägers nicht als belegt ansehen, nicht
zu beanstanden.
Ein Antrag auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§
240 SGB VI) ist nicht gestellt worden; er hätte auch keinen Erfolg gehabt, weil der Kläger aufgrund seines Geburtsdatums eindeutig nicht
zu dem von dieser Vorschrift erfassten Personenkreis gehört.
Nach alledem war die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 20.11.2014 als unbegründet
zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.