Rente wegen Erwerbsminderung
Psychische Erkrankungen
Fortbestehen trotz adäquater Behandlung
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Der 1961 geborene Kläger hat vom 16.08.1977 bis 23.02.1981 den Beruf eines Radio- und Fernsehtechnikers erlernt und in der
Folgezeit ausgeübt.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, die in der Zeit vom 06.06.2013 bis 27.06.2013
in den J. Reha-Kliniken in Bad F. durchgeführt wurden. Im dortigen Entlassungsbericht vom 19.07.2013 wurden als Diagnosen
benannt: 1. Cervicobrachialsyndrom bei degenerativen Veränderungen der HWS. 2. Tinnitus aurium seit 2005, verstärkt nach Autounfall
2007 mit HWS-Distorsion und ausgeprägter Schwindelsymptomatik. 3. Chronisch rezidivierendes LWS-Syndrom bei degenerativen
Veränderungen, rechts betont. 4. Initiale Coxarthrose rechts mehr als links. 5. Psychovegetatives Erschöpfungssyndrom, rezidivierende
Depression, Schlafstörung. Der Kläger könne im Beruf des Radio- und Fernsehtechnikers nur noch unter drei Stunden arbeiten.
Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei er für leichte Tätigkeiten in wechselnder Arbeitsposition vollschichtig einsatzfähig.
Zu vermeiden seien dabei häufiges Bücken, länger dauernde Zwangshaltungen des Achsenorgans, Arbeiten in Armvorhalte bzw. Überkopf,
häufiges Treppen- und Leiternsteigen, längeres Gehen auf unebenem Boden, kniebelastende Tätigkeiten in gehockter bzw. kniender
Position, Kälte-, Nässe- und Zuglufteinwirkungen sowie Tätigkeiten mit Absturzgefahr. Zusätzlich seien Funktionseinschränkungen
am rechten Handgelenk zu berücksichtigen. Der Kläger wurde als arbeitsunfähig entlassen. Seitens der Berufsgenossenschaft
wurden im Gefolge des beim Sozialgericht Nürnberg anhängig gewesenen Rechtsstreits S 2 U 41/09 beim Kläger die Einschränkungen durch Tinnitus als dauerhaft anerkannt.
Am 07.08.2013 stellte der Kläger zunächst fernmündlich einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente und reichte die Antragsformulare
am 12.09.2013 nach. Auf Veranlassung der Beklagten wurde der Kläger am 19.11.2013 durch die Fachärztin für Orthopädie Dr.
W. untersucht, die ein nervenärztliches Zusatzgutachten für erforderlich ansah. Auf ihrem Fachgebiet stellte sie folgende
Diagnosen: 1. Chronifiziertes Halswirbelsäulensyndrom mit gering- bis mittelgradiger Bewegungseinschränkung. 2. Chronifiziertes
Lumbalsyndrom mit mittelgradiger Bewegungseinschränkung. 3. Impingement-Syndrom beider Schultergelenke, rechts gesicherte
Schultereckgelenksarthrose ohne Anhalt für Rotatorenmanschettenruptur. 4. Initiale degenerative Veränderung beider Hüftgelenke.
5. Arthralgie der Kniegelenke ohne Bewegungseinschränkung und ohne Reizzustand. 6. Vorbeschriebenes Sulcus-ulnaris- und CTS-Syndrom
beidseits.
Am 17.03.2014 wurde der Kläger durch die Fachärztin für Psychiatrie Dr. H. untersucht. Hierbei gab er an, derzeit keine nervenärztliche
Behandlung zu haben; eine einmalige nervenärztliche Vorstellung bei Frau Dr. B. sei im November 2013 erfolgt. Im nervenärztlichen
Gutachten wurden folgende Gesundheitsstörungen zusätzlich zu den orthopädischen Diagnosen aufgeführt: 1. Dysthymie. 2. Somatisierungsstörung.
3. Tinnitus aurium. Zusammengefasst wurde folgendes sozialmedizinisches Leistungsbild beschrieben: Der Kläger sei auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt über sechs Stunden einsetzbar für leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus, ohne Schichtarbeit und
ohne Zeitdruck. Vermieden werden müssten häufige wirbelsäulenbelastende Zwangshaltungen, häufiges Bücken, monotone Dauerbelastungen
im Bereich des Schultergürtels beidseits, Überkopftätigkeiten, häufiges Gehen auf unebenem und schrägem Untergrund, häufiges
Treppensteigen, häufiges Knien und Hocken sowie Lärmbelastung.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 26.03.2014 den Rentenantrag ab und führte aus, dass der Kläger die medizinischen Voraussetzungen
für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfülle und auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei.
Mit Schreiben vom 07.04.2014 erhob der Kläger am 08.04.2014 Widerspruch gegen diesen Bescheid und machte geltend, dass zusätzlich
ein dauerhafter Tinnitus, starke Kopfschmerzen und Schwindel zu berücksichtigen seien. Dr. H. vom Ärztlichen Dienst der Beklagten
sah am 26.06.2014 in diesem Vorbringen keine Änderung der erfassten medizinischen Situation.
Die Beklage wies mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.2014 den Widerspruch zurück, da sich nach nochmaliger Überprüfung keine
Änderung der Sachlage ergeben habe. Im Nachgang äußerte der Kläger noch, er habe rechtlich abgeklärt, dass er keine Schmerztherapie
antreten dürfe, weil er davor seinen Rentenantrag zurückziehen müsse.
Am 11.08.2014 hat der Kläger per Telefax Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben. Zur Begründung hat er auf ein Gutachten
der Bundesagentur für Arbeit verwiesen, wonach bei ihm von einer mehr als 6 Monate andauernden Leistungsminderung auszugehen
sei, die eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich nicht zulasse. Weiter
hat er ein Attest der Allgemeinarztpraxis Dr. B. vom 17.06.2014 sowie umfangreiche ärztliche Unterlagen - auch älteren Datums
- und eine Zusammenstellung seiner verschiedenen Beschwerden vorgelegt.
In einem Versicherungsverlauf vom 04.09.2014 sind Pflichtbeitragszeiten aus abhängiger Beschäftigung bis 26.07.2012 enthalten,
im Anschluss daran Krankengeldbezug und Leistungen der Bundesagentur für Arbeit bis 13.08.2014.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte P. C. vom 01.12.2014 und Dr. B. vom 11.01.2015 beigezogen. In
den beigefügten Unterlagen befindet sich u.a. ein Arztbrief der Nervenärztin Dr. L. vom 09.01.2014, wonach der Kläger einer
medikamentösen Therapie nicht zugänglich gewesen sei.
Vor einem Erörterungstermin am 26.01.2015 ist ein Gutachten durch den Internisten und Sozialmediziner Dr. W. erstellt worden,
der die Gesundheitsstörungen des Klägers folgendermaßen beschrieben hat: 1. Chronisches Halswirbelsäulensyndrom und Lendenwirbelsäulensyndrom
bei degenerativen Veränderungen mit Bandscheibenschäden. 2. Beidseitige initiale Coxarthrose und Gonarthrose. 3. Impingementsyndrom
der rechten Schulter, Sulcus ulnaris- und Karpaltunnelsyndrom beidseits. 4. Chronisches Schmerzsyndrom, Depression, Tinnitus
nach Hörsturz. 5. Arterielle Hypertonie mit beginnender hypertensiver Herzerkrankung. 6. Adipositas. 7. Chronische Gastritis
und Refluxpanösophagitis. Der Kläger könne körperlich leichte Tätigkeiten im Umfang von täglich mindestens sechs Stunden ausüben.
Schweres Heben und Tragen sowie Bewegen von schweren Gegenständen ohne technische Hilfsmittel, Zwangshaltungen, ständiges
Bücken oder Knien, Überkopf- oder Überschulterarbeiten seien ausgeschlossen. Außerdem dürften keine übermäßigen nervlichen
Belastungen und keine unfallgefährdeten Tätigkeiten abverlangt werden. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt; der Kläger
verfüge zudem über einen Führerschein und entsprechende Fahrpraxis. Die beschriebenen Defizite würden eine drohende Minderung
der Erwerbsfähigkeit bedingen, so dass eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme - auch vorgezogen - sinnvoll erscheine.
Der Kläger hat darauf hingewiesen, dass Frau Dr. B. ihn in ihrem neuerlichen umfangreichen Attest vom 11.01.2015 wiederum
nur für leichte Tätigkeiten in wechselnder Arbeitsposition im Umfang von weniger als drei Stunden pro Tag arbeitsfähig angesehen
habe.
Auf Antrag des Klägers nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ist im Folgenden ein Gutachten durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. Dipl.-Psych. J. erstellt worden, der
den Kläger am 26.08.2015 untersucht hat. Der Kläger hat zur Untersuchung eine hausärztliche Stellungnahme des P. C. vom 18.08.2015
mitgebracht. Darin hat dieser mitgeteilt, dass der Kläger aktuell wieder in seiner Behandlung stehe. Auch habe der Kläger
angegeben, wieder seiner Arbeit nachzugehen, wobei die Arbeitsaufnahme aber aus rein wirtschaftlichen Gründen erfolgt sei,
da die Erwerbsunfähigkeit abgelehnt worden sei. Aus gesundheitlicher Sicht könne der Kläger dagegen nicht mehr vollschichtig
erwerbstätig sein. Infolge bestehender Taubheits- und Pelzigkeitsgefühle der Arme und Hände könne er die erforderlichen diffizilen
Arbeiten kaum bewerkstelligen. Durch die Halsrotation bei der Anforderung am Arbeitsplatz würden vermehrt sehr starke Kopfschmerzen
mit Schwindelattacken und Sehstörungen auftreten. In seinem Gutachten vom 26.10.2015 hat Dr. med. Dipl.-Psych. J. eine intrinsisch-motivationale
Ausrichtung des Klägers auf einen Versagenszustand und damit verbundene Versorgungswünsche beschrieben. Der Kläger habe die
zur Verfügung stehenden Therapiemaßnahmen nicht in ausreichendem Umfang wahrgenommen: Eine stationäre Schmerztherapie, eine
ambulante psychotherapeutische Behandlung und gegebenenfalls ein stationäres psychosomatisches Heilverfahren seien angezeigt.
Als Diagnosen seien zu benennen: 1. Anhaltende depressive Störung (Dysthymie). 2. Chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen
und psychischen Faktoren mit undifferenzierter Somatisierungsstörung bei chronifiziertem HWS-Syndrom, chronischem Lumbalsyndrom,
Schmerzen in beiden Schultergelenken und Veränderungen an Hüft- und Kniegelenken. 3. Karpaltunnelsyndrom beidseits. 4. Ausschluss
Sulcus-ulnaris-Syndrom beidseits. 5. Tinnitus aurium beidseits und Zustand nach Hörsturz. 6. Psychophysische Insomnie. 7.
Hypertonie. 8. Leichtgradige cervikale Spinalkanalstenose. 9. Refluxösophagitis I. Grades und rezidivierende Gastritis. 10.
Rezidivierende Schwindelzustände. 11. Hyperurikämie. 12. Hypertensive leichtgradige Kardiomyopathie. Der Kläger könne leichte
Tätigkeiten in wechselnden Arbeitshaltungen überwiegend im Sitzen verrichten. Zwangshaltungen, Tätigkeiten außerhalb geschlossener
Räume, besonderer Zeitdruck, besondere Witterungseinflüsse wie Nässe, Zugluft oder Kälte seien dem Kläger nicht möglich. Der
zeitliche Arbeitsumfang betrage noch mindestens sechs Stunden täglich.
Das Sozialgericht hat die für das Gutachten verwendeten Fragebögen vom Gutachter beigezogen. Der Kläger hat auf die vorliegende
hausärztliche Stellungnahme verwiesen und moniert, dass die umfangreichen testpsychologischen Untersuchungen nicht ausreichend
in das Gutachten eingeflossen seien.
In einem Erörterungstermin vom 14.03.2016 hat das Sozialgericht die Beteiligten dazu angehört, dass es beabsichtige durch
Gerichtsbescheid zu entscheiden. Der Kläger hat den Sachverhalt noch nicht für hinreichend geklärt angesehen.
Das Sozialgericht hat gleichwohl mit Gerichtsbescheid vom 30.03.2016 die Klage abgewiesen. Aufgrund der gutachterlichen Feststellungen
ergebe sich keine volle oder teilweise Erwerbsminderung beim Kläger. Außerdem seien die psychischen Störungen noch nicht austherapiert.
Der Kläger habe den geltend gemachten Rentenanspruch nicht nachgewiesen und die Klage sei abzuweisen.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger mit Telefax vom 29.04.2016 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.
Es sei unverständlich, wieso eine nicht näher definierte Untersuchungssituation höher bewertet werde, als die umfangreichen
testpsychologischen Fragebögen; im Ergebnis müsse festgestellt werden, dass durch die Ausführungen der behandelnden Hausärzte
belegt sei, dass der Kläger keineswegs in der Lage sei, überhaupt noch drei Stunden täglich zu arbeiten. Der Kläger hat weiter
u.a. auf ärztliche Unterlagen des Dr. Z. vom 04.03.2016 und der Dr. P. vom 02.09.2016 verwiesen.
Der Senat hat bei P. C. am 27.12.2016 einen neuerlichen Befundbericht eingeholt, wobei dieser angegeben hat, dass seit seinem
letzten Befundbericht beim Kläger keine stationären Aufenthalte stattgefunden hätten. Es seien beim Kläger zusätzliche Beschwerden
zu beobachten wie etwa epigastrische Beschwerden, eine Partialruptur der Supraspinatussehne und Ruptur der langen Bizepssehne.
Die Taubheitsgefühle in den Händen würden zunehmen. Eine ambulante Operation wegen Supraspinatussehnenruptur links sei in
Überlegung. Arbeitsunfähigkeit habe vom 22.08.2016 bis 26.08.2016 und dann erneut vom 31.08.2016 bis 07.10.2016 vorgelegen.
Mitvorgelegt worden sind zugehörige fachärztliche Unterlagen.
Zu den eingeholten medizinischen Unterlagen hat der Ärztliche Dienst der Beklagten durch Dr. H. am 09.01.2017 Stellung genommen:
Eine gravierende Verschlechterung bereits bekannter Gesundheitsstörungen könne ausgeschlossen werden. Neuerkrankungen mit
Auswirkung auf die sozialmedizinische Beurteilung seien nicht dokumentiert. Behandlungen hinsichtlich der psychischen Störungen
insbesondere der vorbekannten Dysthymie und des Schmerzsyndroms seien nicht ersichtlich.
Der Kläger hat vorgetragen, dass bei ihm weitere Erkrankungen hinzugekommen seien und er eine neuerliche Begutachtung für
erforderlich halte. Vorgelegt hat der Kläger u.a. noch einen Arztbrief der Neurologischen Gemeinschaftspraxis Dr. H. vom 06.05.2014,
wonach bei ihm eine Fülle von somatoformen psychovegetativen, vor allem depressiven Symptomen vorliege.
Der Senat hat mit Beschluss vom 09.05.2017 die Berufung dem Berichterstatter übertragen.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger angegeben, dass seit den Arbeitsunfähigkeitszeiten im vergangenen Herbst bei
ihm ein Bizepssehnenabriss vorliege. Er wäre von seinem Hausarzt weiter krankgeschrieben worden, sei aber trotzdem in die
Arbeit gegangen, um seinen Arbeitsplatz nicht zu verlieren. Er habe nur ein befristetes Arbeitsverhältnis bis zum Jahresende
gehabt. Der Kläger hat geschildert, dass das von ihm ausgeübte Arbeitsverhältnis ihn gesundheitlich überlaste. Es habe sich
bisher stets um befristete Arbeitsverträge gehandelt und aktuell laufe eine derartige Befristung bis November 2017. Nachdem
sein Arbeitgeber bei ihm eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit gesehen habe, sei er zeitweilig auch in der Fertigung eingesetzt
worden und es sei ihm zunächst ein weiterer befristeter Arbeitsvertrag mit erheblich geringeren Bezügen angeboten worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 30.03.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 26.03.2014 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung,
hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß Antrag vom 07.08.2013 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 30.03.2016 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§
143,
144,
151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch eine Rente
wegen Erwerbsminderung hat, und auch in der Folgezeit ist ein derartiger Anspruch nicht nachgewiesen.
Ein Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung setzt nach §
43 Abs.
2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) voraus, dass ein Versicherter voll erwerbsgemindert ist, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre
Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit aufzuweisen hat und vor Eintritt der Erwerbsminderung die
allgemeine Wartezeit erfüllt hat.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, die in gleicher Weise für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gelten,
hat der Kläger unproblematisch erfüllt, nachdem er im Anschluss an die Gewährung von Sozialleistungen erneut einer versicherungspflichtigen
Beschäftigung nachgegangen ist und nachgeht.
Nach §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI sind Versicherte voll erwerbsgemindert, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind,
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die medizinischen
Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach §
43 Abs.
1 SGB VI erfordern, dass ein Versicherter nicht mindestens 6 Stunden täglich einsatzfähig ist.
Sämtliche vorliegenden gutachterlichen Beurteilungen sind einhellig der Auffassung, dass der Kläger - unter Berücksichtigung
eingeschränkter Arbeitsbedingungen - auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch ohne zeitliche Einschränkung einsatzfähig ist.
Die gegenläufigen Äußerungen der behandelnden Hausärzte P. C. und Dr. B., die in mehreren Attesten über einen längeren Zeitraum
nahezu gleichlautend eine zeitliche Einschränkung der Einsatzfähigkeit des Klägers auf weniger als 3 Stunden täglich annehmen,
sind angesichts der eindeutigen gutachterlichen Darlegungen nicht nachvollziehbar; eine derartige zeitliche Einschränkung
ist zur Überzeugung des Senats auch durch die tatsächlich zu beobachtenden Fakten, nämlich die Betätigung des Klägers im Erwerbsleben,
widerlegt. Die momentan tendenziell zu beobachtende Überforderung würde an Arbeitsplätzen, die den ärztlicherseits geforderten
Arbeitsbedingungen entsprechen, nicht bestehen.
Für den Senat ergibt sich aus den Gutachten der Dr. W., der Dr. H. und des Dr. W., dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
leichte Tätigkeiten in geschlossenen Räumen im Wechselrhythmus verrichten kann, solange dies nicht mit Schichtarbeit, Zeitdruck,
sonstigen übermäßigen nervlichen Belastungen, besonderer Unfallgefährdung, besonderen Wirbelsäulenbelastungen etwa durch häufige
Zwangshaltungen, Bücken oder Überkopftätigkeiten verbunden ist. Auch monotone Dauerbelastungen des Schultergürtels, häufiges
Knien und Hocken, häufiges Gehen außerhalb eines ebenen Untergrunds, häufiges Treppensteigen sowie Lärmbelastung sind zu vermeiden.
Diese Einschränkungen der Arbeitsbedingungen werden in ähnlicher Weise auch von Dr. J. beschrieben.
Zusätzlich ist zu beachten, dass die vom Kläger geschilderten Erkrankungen auf nervenärztlichem und algesiologischem Fachgebiet
bisher nur ganz vereinzelte fachärztliche Kontakte ausgelöst haben und eine leitliniengerechte Behandlung in keiner Weise
ersichtlich ist. Aus den zugehörigen Arztbriefen wird erkennbar, dass der Kläger weitergehende Medikation und Behandlung abgelehnt
hat. Soweit der Kläger vorträgt, eine Schmerztherapie sei während des laufenden Rentenverfahrens ärztlicherseits nicht befürwortet
worden, mag dies durchaus zutreffen, ändert aber nichts daran, dass diese Gesundheitsstörung noch behandelbar ist und Chancen
vorliegen, sie zu überwinden. Psychische Erkrankungen werden nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erst dann
rentenrechtlich relevant, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant und stationär) davon auszugehen
ist, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwinden kann - weder aus eigener Kraft, noch
mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe (BSG Urteil vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89; BSG Urteil vom 29.02.2006 - B 13 RJ 31/05 R - jeweils zitiert nach [...]; BayLSG Urteil vom 24.05.2017 - L 19 R 1047/14 - zitiert nach [...]). Beim Kläger sind dagegen die Behandlungsmöglichkeiten auf psychiatrischem, psychotherapeutischem und
schmerztherapeutischem Fachgebiet bisher nur ansatzweise ergriffen und bei weitem nicht ausgeschöpft. Im Rahmen der sozialmedizinischen
Beurteilung sind sie daher als noch behandelbare Erkrankungen anzusehen und können eine dauerhaft vorliegende Leistungseinschränkung
nicht belegen.
Eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers an geeigneten Arbeitsplätzen des allgemeinen Arbeitsmarktes
auf weniger als 3 Stunden täglich - also volle Erwerbsminderung - oder weniger als 6 Stunden - also teilweise Erwerbsminderung
- bestand daher zur Überzeugung des Senats weder bei Antragstellung, noch besteht sie derzeit.
Weitere Ermittlungen des Senats waren nicht veranlasst. Soweit vom behandelnden Hausarzt P. C. Veränderungen ab Jahresbeginn
2016 angesprochen werden, sind die benannten Erkrankungen in dem vor der letzten gutachterlichen Untersuchung im August 2015
von P. C. erstellten Attest weit überwiegend ebenfalls schon in gleicher Weise benannt gewesen, also gutachterlich gewürdigt
worden. Arbeitsunfähigkeit hat im Sommer/Herbst 2016 offensichtlich im Zusammenhang mit einer Verschlechterung der Schulterbeschwerden
bzw. den damit zusammenhängenden Sehnenschädigungen vorgelegen; hierfür ist weitere Behandlung vorgesehen. Eine dauerhaft
verschlechterte gesundheitliche Situation ist derzeit nicht daraus nicht zu ersehen. Auch der ärztliche Dienst der Beklagten
konnte aktuell in den vorgelegten medizinischen Unterlagen keine richtungsweisende Verschlechterung erkennen.
Der Senat musste sich auch nicht damit auseinandersetzen, ob die vom Kläger wieder ausgeübte Tätigkeit als Elektrotechniker
mit seinem gesundheitlichen Leistungsbild vereinbar ist. Seitens der Ärzte der Beklagten und seitens der Gutachter ist nämlich
bereits bei Beginn des Rentenverfahrens davon ausgegangen worden, dass dies nicht der Fall sei. Daran hat sich erkennbar nichts
geändert, so dass viel dafür spricht, dass die vom Kläger derzeit ausgeübte Beschäftigung zumindest längerfristig zu Lasten
seiner Restgesundheit ausgeübt wird. Gleichwohl zeigt sich in der Tatsache, dass der Kläger nun schon über zwei Jahre dieser
- ihn jedenfalls perspektivisch überfordernden - Beschäftigung vollschichtig nachgeht und nur zeitweilig über einen kürzeren
Zeitraum Arbeitsunfähigkeit bescheinigt ist, dass von einem vollständig aufgehobenen Leistungsvermögen beim Kläger nicht die
Rede sein kann. Daran ändert auch der Einwand des Klägers nichts, dass er eine weitere vom Arzt befürwortete Krankschreibung
aus Sorge um seinen Arbeitsplatz abgelehnt habe; Maßstab für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit wäre hier nämlich die
Tätigkeit als Elektrotechniker, während für die Frage der Rentengewährung wegen Erwerbsminderung der Einsatz an Arbeitsplätzen
zu prüfen ist, bei denen die beim Kläger bestehenden Einschränkungen der Arbeitsbedingungen beachtet werden können. Die Frage
der Arbeitsmarktlage bleibt nach §
43 Abs.
3 SGB VI dabei unberücksichtigt, solange es überhaupt auf dem Arbeitsmarkt geeignete Arbeitsplätze gibt.
Ein Anspruch des Klägers auf eine volle Erwerbsminderungsrente kann auch nicht anderweitig begründet werden. Zwar könnte eine
Rente wegen voller Erwerbsminderung zusätzlich auch dann in Betracht kommen, wenn zwar keine quantitative Einschränkung besteht,
jedoch die Voraussetzungen für einen von der Rechtsprechung des BSG entwickelten Ausnahmefall (sog. Katalogfall) vorliegen würden. Dies ist jedoch nicht der Fall, da der Kläger zur Überzeugung
des Senats praktisch in allen im Urteil des BSG vom 09.05.2012 (Az. B 5 R 68/11 R - zitiert nach [...]) genannten Tätigkeitsfeldern des allgemeinen Arbeitsmarktes im Rahmen seines Restleistungsvermögens
eingesetzt werden könnte. Ernste Zweifel an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen
üblichen Bedingungen bestehen daher nicht. Auch ist die sogenannte Wegefähigkeit, d.h. die Möglichkeit zu einem Arbeitsplatz
zu gelangen, beim Kläger zu bejahen.
Dementsprechend lässt sich beim Kläger insgesamt weder das Vorliegen von voller, noch von teilweiser Erwerbsminderung - wie
hilfsweise geltend gemacht - überzeugend belegen und es besteht kein Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nach
§
43 SGB VI.
Ein Antrag auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §
240 SGB VI ist nicht gestellt worden. Der Kläger hätte auch keinen Anspruch darauf, da er auf Grund seines Geburtsjahrganges nicht zu
dem von der Übergangsvorschrift des §
240 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI erfassten Personenkreis gehört.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten und die hierzu ergangene erstinstanzliche Entscheidung sind somit nicht zu beanstanden
und die Berufung ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.