Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz
Voraussetzungen für eine volle Anrechnung von Beitragszeiten
Qualifizierte Beschäftigungsbescheinigung
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Anerkennung von Zeiten als nachgewiesene, anstatt
glaubhaft gemachte Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) und im Gefolge auf eine höhere Altersrente hat.
Die 1950 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und am 23.07.1990 ins Bundesgebiet zugezogen. Sie verfügt über einen
Vertriebenenausweis A Nr. 0 ...
Die Klägerin füllte im Januar 1991 einen Fragebogen über zurückgelegte Beschäftigungs-, Versicherungs-, Ausfall- und Militärdienstzeiten
in der (ehemaligen) UdSSR aus. Danach habe sie von September 1967 bis Juni 1971 die Pädagogische Hochschule in O. besucht
und sei anschließend von August 1971 bis Juli 1977 als Mathematiklehrerin in N., O. und von August 1977 bis Juni 1990 als
Mathematiklehrerin in A.-N., C., beschäftigt gewesen. Sie sei dort an einer Mittelschule tätig gewesen. Vom 30.08.1976 bis
12.09.1976 und vom 13.11.1985 bis 10.12.1985 sei sie unter Weiterzahlung der Bezüge zur Fortbildung gewesen. Sie habe drei
Kinder geboren und zwar am 09.11.1973, 26.02.1976 und am 10.10.1982.
Die Klägerin legte außerdem ihr Arbeitsbuch vor, das am 20.08.1971 ausgestellt worden war. Dieses enthielt im Wesentlichen
vier Eintragungen über Einstellungen und Entlassung.
Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 06.08.1999 die rentenrechtlichen Zeiten bei der Klägerin fest, wobei die Zeiten
nach dem FRG als glaubhaft gemachten Zeiten berücksichtigt wurden. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin damals zunächst Widerspruch
ein und machte geltend, dass sie ab 11.01.1974 sowie ab 20.06.1976 als Vollzeitbeschäftigte mit voller Bezahlung unterrichtet
habe; in den Zeiten vom 30.08.1976 bis 12.09.1976 und vom 13.11.1985 bis 10.12.1985 seien Fernfortbildungskurse zur Vertiefung
fachlicher Qualifikationen erfolgt; sie habe in dieser Zeit ganz normal gearbeitet mit voller Beitragszahlung. Im Folgenden
erklärte die Klägerin den Widerspruch für erledigt und führte dabei aus, dass ihr Erziehungsurlaub nur jeweils zwei Monate
vor und zwei Monate nach der Geburt der Kinder gedauert habe.
Nachdem die Beklagte der Klägerin im Frühjahr 2011 einen Versicherungsverlauf zur Überprüfung übermittelt hatte, teilte die
Klägerin der Beklagten am 16.03.2011 mit, dass sie bei ihrem ersten Kind sechs Wochen vor und sechs Wochen nach der Geburt
zu Hause gewesen sei und ihr normales Gehalt bekommen habe. Sie sei nie krankgeschrieben gewesen und habe eine Tagesmutter
gehabt. Dies habe die Zeit vom 14.09.1973 bis 04.01.1974 und vom 01.01.1976 bis 22.04.1976 betroffen. Auch sei es um die Zeit
des Studiums vom 01.09.1967 bis 16.08.1971 gegangen und dasselbe vom 01.11.1982 bis 31.12.1983, was nicht vollständig berechnet
worden sei. Außerdem sei sie nie krankgeschrieben gewesen, es habe immer die Lohnfortzahlung gegeben.
Auf Antrag der Klägerin vom 15.06.2015 erhielt die Klägerin ab 01.10.2015 Regelaltersrente in Höhe eines Zahlbetrags von monatlich
1.127,57 Euro. Bestandteil des Bewilligungsbescheides vom 09.09.2015 waren mehrere Anlagen, u.a. ein Versicherungsverlauf
und eine Anlage über glaubhaft gemachte Zeiten nach dem FRG in der Zeit vom 17.08.1971 bis 20.06.1990. Lücken finden sich dort vom 14.09.1973 bis 04.01.1974, vom 01.01.1976 bis 22.04.1976,
vom 26.07.1977 bis 18.08.1977 und vom 15.08.1982 bis 05.12.1982.
Gegen diesen Rentenbescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 14.10.2015 Widerspruch ein und machte zunächst eine höhere
rentenrechtliche Bewertung von Kindererziehungszeiten geltend. Sie fügte einen vorgefertigten Text bei, den sie für ihre Daten
ausgefüllt hatte.
Die Beklagte verwies mit Schreiben vom 30.10.2015 darauf, dass für jedes Kind 24 Monate Kindererziehungszeiten berücksichtigt
worden seien und alle belegten Zeiten bei der Rentenberechnung miteinbezogen worden seien. Hinsichtlich einer fraglichen Fristversäumung
machte die Klägerin geltend, dass ihr Widerspruch rechtzeitig gewesen sei, da sie den Bescheid erst zehn Tage nach dem Datum
der Bescheiderstellung erhalten habe. Inhaltlich gehe es ihr auch gar nicht so sehr um die Zeiten der Kindererziehung, da
sie bei jedem Kind nur sechs Wochen vor der Geburt und sechs Wochen nach der Geburt zu Hause gewesen sei. Vielmehr sei sie
nie krank gewesen und habe einen Nachweis mit den Unterlagen zugesendet gehabt. Laut Anruf habe sie gesagt bekommen, dass
dies erhalten worden sei. Deswegen sei es ihr unklar, warum nur fünf Sechstel (5/6) anstatt sechs Sechstel (6/6) der Auslandsrente
angerechnet worden seien.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 07.01.2016 den Widerspruch dahingehend zurück, dass im Fall der Klägerin die
Berücksichtigung eines Zuschlages von einem Entgeltpunkt je Kind statt der Vormerkung weiterer 12 Monate Kindererziehungszeiten
nicht möglich sei.
Am folgenden Tag telefonierte die Klägerin mit der Beklagten und gab an, dass sie den Widerspruchsbescheid erhalten habe und
nicht klagen wolle. Es solle jedoch geprüft werden, ob Unterlagen für eine 6/6-Anrechnung vorliegen würden, da sie sich erinnern
könne, solche bereits vor langer Zeit eingereicht zu haben. Mit Schreiben vom 12.01.2016 teilte die Beklagte der Klägerin
mit, dass der bisherigen Anerkenntnis das russische Arbeitsbuch zugrunde gelegen habe, das im Normalfall zur Anerkennung der
bescheinigten Zeiten in einem Umfang von 5/6 führe; so sei es auch bei der Klägerin erfolgt. Versicherte, die eine Vollanrechnung
begehrten, müssten belegen, dass keine oder welche - gemeint sind geringe - Fehlzeiten vorgelegen haben würden. Derartige
Bescheinigungen müssten auch angeben, aufgrund welcher Unterlagen die Aussage zu den Fehlzeiten möglich gewesen sei. Da bislang
kein Sozialversicherungsabkommen mit der ehemaligen UdSSR bestehe, könnten die Betroffenen entsprechende Unterlagen nur selbst
anfordern. Sollte die Klägerin sich entscheiden, die Vollanrechnung weiter zu betreiben, so solle sie dies mitteilen.
Am 04.02.2016 brachte die Klägerin vor, dass sie Unterlagen für einen Nachweis von Beitragszeiten eingereicht habe, ohne dass
sie hierzu nähere Angaben machte. Sie könne die Unterlagen auch nicht erneut beibringen. Sie erwarte eine Entscheidung. Die
Beklagte stellte hierzu fest, dass das Schreiben der Klägerin vom 10.11.2015 in einer anderen Abteilung eingegangen gewesen
sei; Anlagen seien dabei aber nicht beigefügt gewesen.
Mit streitgegenständlichem Überprüfungsbescheid vom 08.02.2016 lehnte die Beklagte die Berücksichtigung von Zeiten der Beschäftigung
in vollem Umfang (6/6 statt 5/6) ab. Das vorliegende Arbeitsbuch enthalte lediglich Angaben über Beginn und Ende von Beschäftigungen,
ohne zweifelsfrei erkennen zu lassen, ob und in welchem Umfang die Beitragszeit durch Fehlzeiten unterbrochen gewesen sei.
Es sei daher - nur - als Mittel der Glaubhaftmachung zu werten.
Den am 24.02.2016 erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass sie in der Schule N., Gebiet O. vom 17.08.1971
bis 25.07.1977 und in der Schule A.-N. in der Ukraine vom 19.08.1977 bis 20.06.1990 ohne Fehlzeiten gearbeitet und immer ihr
Gehalt bekommen habe. Die Schwangerschaftszeiten vom 14.09.1973 bis 04.01.1974, 01.01.1976 bis 23.04.1976, 15.08.1982 bis
05.12.1983 seien gesetzlich als Arbeitstage und als volles Gehalt gezahlt worden. Im aktuellen Bescheid seien diese Zeiten
als unbezahlte Kindererziehungszeiten bewertet. Ansonsten habe sie keine Unterbrechungen und keine Fehlzeiten gehabt, sei
nie krankgeschrieben gewesen. Im Jahr 1999 habe sie eine Reise unternommen, um schriftliche Nachweise zu bekommen, und habe
diese nach Berlin gesandt. Sie habe eine neue Berechnung bekommen, aber die Unterlagen seien verlorengegangen. Außerdem wären
Unterbrechungen oder unbezahlte Zeiten ins Arbeitsbuch eingetragen worden, besonders bei Lehrern.
Der Klägerin wurde nahegelegt, erreichbare Unterlagen vorzulegen und zwar Bescheinigungen der ehemaligen Beschäftigungsstellen.
Es werde ihr auch anheimgestellt, sich um Zeugenerklärungen zu bemühen.
Die Klägerin legte eine Bescheinigung (Nr. Z-128 vom 10.03.2016) der Kreisverwaltung Sch. der Russischen Föderation vor, wonach
in den Archivunterlagen der mittleren allgemeinbildenden Schule N. in den Personalunterlagen der Lehrkräfte für den Zeitraum
von 1971 bis 1977 keine Einträge über unbezahlten Urlaub für die Klägerin vorhanden seien. Aufgrund dessen bestehe keine Möglichkeit,
eine Bestätigung über oben genannte Einträge auszustellen.
Weiter legte die Klägerin zwei Zeugenerklärungen vor. Die Zeugin B. gab an, dass die Klägerin von August 1977 bis Juni 1990
in der Schule unterrichtet habe, in der sie auch unterrichtet habe. Sie könne deshalb bestätigen, dass die Klägerin in dieser
Zeit nicht krankgeschrieben gewesen sei. Sie kenne die Klägerin seit Kindheit.
Die Zeugin C. gab an, dass die Klägerin von Juli 1977 bis Juli 1990 in A.-N. gewohnt habe, wo sie selbst als Hausärztin gearbeitet
habe und jene ihre Patientin gewesen sei. Die Klägerin sei nie krankgeschrieben gewesen und nur sechs Wochen vor Geburt des
Sohnes 1982 und sechs Wochen danach sei sie vom Unterricht befreit gewesen, habe aber normales Gehalt bekommen. Sie habe alle
Daten im Gedächtnis gespeichert.
Bei einem Abgleich mit den Unterlagen der Zeuginnen stellte die Beklagte fest, dass bei der Zeugin C. ebenfalls eine Berücksichtigung
im Regelumfang von 5/6 erfolgt war, während bei der Zeugin B. Nachweisunterlagen vorgelegen hätten.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 19.08.2016 den Widerspruch zurück. Weitere Unterlagen, die ein ununterbrochenes
Beschäftigungsverhältnis belegen würden, könnten ausweislich der Bescheinigung Nr. Z-128 vom 10.03.2016 offenbar nicht mehr
beigebracht werden. Zum Beweis habe die Klägerin zwei Zeugenerklärungen vorgelegt, die sich auf die Zeit vom 19.08.1977 bis
20.06.1990 bezogen hätten. Für die Beschäftigung vom 17.08.1971 bis 25.07.1977 seien keinerlei Unterlagen vorgebracht worden.
Es verbleibe insgesamt bei der Berücksichtigung zu 5/6. Die Bestätigung der Zeugin B. enthalte keine Hinweise auf Arbeitsunterbrechungen
durch Mutterschutz oder Erziehungsurlaub. Die Zeugenerklärung sei daher nicht geeignet, ein ununterbrochenes Beschäftigungsverhältnis
zu belegen. Da bereits die Arbeitsunterbrechung durch Geburt des Kindes im Jahr 1982 nicht erwähnt werde, sei nicht auszuschließen,
dass sich die Zeugin an andere und weitere Unterbrechungen möglicherweise nicht erinnert habe. Die Zeugenerklärung der C.
könne nicht überzeugen: Während der Mutterschutzfristen seien in der ehemaligen Sowjetunion Sozialleistungen für Mutterschutz
bezogen worden und nicht das normale Gehalt. Erziehungsurlaub sei in der Regel eine Beurlaubung ohne Gehaltsfortzahlung gewesen.
Die Zeugin verfüge selbst nur über glaubhaft gemachte Beitragszeiten, so dass Fehlzeiten nicht auszuschließen seien. Für diese
möglichen Fehlzeiten könne die Zeugin keine Aussage zu Fehlzeiten der Klägerin treffen. Außerdem widerspreche es der Lebenserfahrung,
dass für einen Zeitraum, dessen Beginn fast 40 Jahre zurückliege und der 13 Jahre umfasse, umfängliche und vollständige Aussagen
über Fehlzeiten gemacht werden könnten. Die Zeugin selbst mache geltend, Aussagen nur aus dem Gedächtnis machen zu können.
Außerdem sei sie nach dem Akteninhalt nicht Hausärztin, sondern Krankenschwester mit Feldscherausbildung im örtlichen Krankenhaus
gewesen. Bei der Beweiswürdigung gebe es keine Regel, wonach im Zweifel zu Gunsten der Klägerin entschieden werden dürfe.
Der Widerspruch habe daher keinen Erfolg.
Mit Schreiben vom 28.08.2016 hat die Klägerin am 02.09.2016 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Die Klägerin hat geltend gemacht, dass sie die Bescheinigung so verstehe, dass eine Bescheinigung über Fehlzeiten
deswegen nicht ausgestellt werde, weil solche nicht vorhanden gewesen seien. Außerdem sei es eine Unterstellung, die Aussagen
der Zeugin anzuzweifeln. Ihre Kinder seien durch die Oma betreut worden.
In einem Erörterungstermin vom 01.12.2016 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid
erteilt. Das SG hat sodann mit Gerichtsbescheid vom 19.12.2016 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass im russischen
Arbeitsbuch keine Spalten für Eintragungen zu Fehlzeiten vorgesehen seien. Es reiche grundsätzlich nicht aus, wenn nur Anfang
und Ende der jeweiligen Zeiten feststehen würden. Die Bescheinigung Z-128 vom 10.03.2016 sei so zu verstehen, dass in den
Personalunterlagen für die Zeit von 1971 bis 1977 keine Einträge über unbezahlten Urlaub vorhanden seien und daher keine Bestätigung
erfolgen könne. Eine neuerliche Zeugeneinvernahme sei entbehrlich gewesen, da die Zeuginnen schriftliche Erklärungen vorgelegt
hätten. Die allgemeinen Angaben der Zeugin B. seien nicht aufgrund von Lohnlisten oder ähnlichen Unterlagen der Personalabteilung
gemacht worden. Es widerspreche der Lebenserfahrung, dass nach so vielen Jahren eine Kollegin über einen so langen Zeitraum
genaue Einzelheiten wisse. Sie selbst habe Unterlagen vorgelegt, aus denen sich gearbeitete Tage, bezahlter Urlaub, Krankentage
und Unterbrechung der Beschäftigungszeit ergeben hätten. Die Angaben der Zeugin C. seien ebenfalls nicht als Nachweis geeignet
gewesen. Die Zeugin C. sei nur eine Hilfsärztin gewesen und in ihrem eigenen Versicherungsverlauf bestünden nur glaubhaft
gemachte Zeiten nach dem FRG. Der Nachweis sei somit nicht geführt und die Klägerin, die die Beweislast zu tragen habe, könne nur glaubhaft gemachte Zeiten,
aber nicht voll nachgewiesene Zeiten in Anspruch nehmen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien nicht zu beanstanden.
Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 11.01.2017 am 13.01.2017 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Sie
hat moniert, dass die Entscheidung des Sozialgerichts ohne Zeugenbefragung ergangen sei. Sie hat erneut behauptet, dass Unterbrechungen
bei Lehrern ins Arbeitsbuch eingetragen worden wären. Frau C., die ihre Schwester sei, sei mit hausärztlichen Aufgaben betraut
gewesen und sei sich sicher, dass bei der Klägerin keine Fehlzeiten vorgelegen hätten. Sie könne jetzt auch nicht dort hinfahren,
wo sie beschäftigt gewesen sei, weil sie einen Mann mit 100 % Behinderung pflege und keine Verwandte oder nähere Bekannte
dort habe. Auch sei es teuer und gefährlich dahin zu reisen.
Im Erörterungstermin vom 18.04.2018 hat der Senat die Zeugin C. gehört. Diese hat angegeben, sie sei die Schwester der Klägerin,
aber aussagebereit. Sie sei Arzthelferin, Assistentin und Krankenschwester gewesen. Seit ihre Schwester 1977 aus Russland
wieder in das Dorf gekommen sei, hätten sie gemeinsam in dem Dorf gewohnt. Im Dorf sei eine Außenstelle des Krankenhauses
gewesen, in der die Zeugin ambulante Behandlungen habe durchführen dürfen. Mit Erkältungen oder so etwas seien sie sowieso
immer zur Arbeit gegangen. Wenn mit den Kindern etwas gewesen sei, habe sich die Oma darum gekümmert. Ihre Schwester, die
Klägerin, sei nie schwerer erkrankt gewesen; sie habe sie nie ins Krankenhaus schicken müssen. Bei der Geburt des dritten
Kindes sei die Klägerin für sechs oder sieben Tage im Krankenhaus gewesen. Auf Nachfrage zu auswärtigen Kursen gab die Zeugin
an, keine Ahnung dazu zu haben; sie glaube aber nicht, dass die Klägerin dort gewesen sei. Sie selbst sei einmal wegen einer
Nierenerkrankung im Krankenhaus gewesen, das sei aber noch zu der Zeit gewesen, als sie noch nicht die Krankenstation in dem
Dorf übernommen gehabt habe. Die Krankenstation habe sie im Oktober 1978 übernommen. Später habe sie nie vertreten werden
müssen.
In der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2018 hat der Senat die Zeugin B. angehört. Diese hat angegeben, sie sei eine Cousine
der Klägerin. Sie habe schon vor der Klägerin und auch länger als die Klägerin an derselben Mittelschule in A.-N. gearbeitet
und zwar als Lehrerin für Physik und Astronomie sowie in Vertretung auch für Mathematik. Sie habe die Klägerin nie vertreten
müssen; bei der Schwangerschaft 1982 sei diese von einem anderen Lehrer vertreten worden. Die Klägerin sei niemals krank gewesen,
mit Ausnahme der Schwangerschaft, wobei die Unterbrechung von der Entbindung am 10.10.1982 bis 15.08.1983 gedauert habe. Die
Klägerin habe ununterbrochen gearbeitet bis auf zwei Fortbildungen in M ... Die Kinder der Klägerin seien von deren Mutter
und Großmutter versorgt worden. Sie sei Mitglied des Betriebsrates gewesen und habe insbesondere den Lohn den kranken Beschäftigten
nach Hause gebracht, weshalb sie wisse, wann die Leute gearbeitet hätten oder nicht. Im Übrigen seien Unterbrechungen in den
Arbeitsbüchern eingetragen worden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.12.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 08.02.2016 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2016 aufzuheben und die Beklagte dazu zu verurteilen, der Klägerin unter Abänderung des
Rentenbescheides vom 09.09.2015 eine höhere Altersrente ab Rentenbeginn zu gewähren und hierbei die Zeiten vom 17.08.1971
bis 25.07.1977 sowie vom 19.08.1977 bis 20.06.1990 als nachgewiesene Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz zu sechs Sechsteln (6/6) zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.12.2016 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG), aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Klägerin den Nachweis einer ununterbrochenen
Beitragszahlung in den geltend gemachten Zeiträumen nicht erbracht hat.
Nachdem keine Begrenzung durch § 44 Abs. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erfolgt, kann es dahingestellt bleiben, ob die Beklagte ihre Entscheidung durch Bescheid vom 08.02.2016 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 19.08.2016 formal zu Recht im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens getroffen hatte, obwohl die Klägerin
ihren Widerspruch gegen den Rentenbescheid vom 09.09.2015 noch während des laufenden Widerspruchsverfahrens erweitert gehabt
hatte.
Beim Rentenbescheid vom 09.09.2015 ist die Beklagte weder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen, noch hat sie das
Recht falsch angewandt. Die gegenteiligen Behauptungen der Klägerin haben sich nicht mit der für einen vollen Nachweis erforderlichen
Sicherheit nachweisen lassen. Beim Senat sind Restzweifel verblieben.
Die Rentenhöhe ergibt sich nach §
64 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) aus der Vervielfältigung der unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte mit dem Rentenartfaktor
und dem aktuellen Rentenwert. Zu den Beitragszeiten, die für die Summe der Entgeltpunkte aufsummiert werden und die zu den
persönlichen Entgeltpunkten führen (§
66 SGB VI), zählen auch die in den sog. Vertreibungsgebieten zurückgelegten Beitragszeiten nach § 15 FRG. Bei der Klägerin betrifft dies die beiden von ihr benannten Zeiträume vom 17.08.1971 bis 25.07.1977 sowie vom 19.08.1977
bis 20.06.1990.
Für die Feststellung einer derartigen Beitragszeit als Grundlage der Rentenberechnung genügt es nach § 4 Abs. 1 FRG, dass sie glaubhaft gemacht ist, d.h. nach dem Ergebnis der Ermittlungen überwiegend wahrscheinlich ist. Dabei werden nach
§ 22 Abs. 3 FRG für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, solange sie nicht nachgewiesen sind, regelhaft die ermittelten Entgeltpunkte um
1/6 gekürzt, weil dies dem statistischen Regelfall der damals in Deutschland zurückgelegten Beitragszeiten entspricht und
der Gesetzgeber insoweit Vergleichbarkeit erreichen wollte. Nur wenn ausnahmsweise im Einzelfall die tatsächliche Belegungsdichte
höher ist, d.h. insbesondere keine oder zumindest deutlich weniger nicht mit Beiträgen belegte Tage bzw. Zeiträume vorliegen,
werden je nach den genauen Daten die Tabellenwerte für die gesamte Zeit oder Teilzeiträume zu 6/6 angerechnet. Der Nachweis
ist im Sinne eines Vollbeweises zu führen, was erfordert, dass kein vernünftiger, in den Umständen des Einzelfalles begründeter
Zweifel mehr bestehen darf (vgl. Urteil des Senats vom 15.02.2012, Az. L 19 R 8/10 m.w.N.).
Für die Frage, ob Beitragszeiten zu 6/6 anzurechnen sind, kommt es damit auf den Nachweis an, dass die geltend gemachten Zeiten
nicht etwa durch Krankheitszeiten, unbezahlten Urlaub o.ä. unterbrochen worden sind. Offensichtlich kann mit Unterlagen, aus
denen lediglich das Beschäftigungsverhältnis als solches und sein Beginn und Ende zu ersehen sind, dieser Nachweis nicht geführt
werden.
Mit dem von der Klägerin vorgelegten Arbeitsbuch aus der ehemaligen Sowjetunion ist dieser Nachweis nicht geführt. Unterlagen,
die nur Beginn und Ende der jeweiligen Beschäftigungszeiträume bescheinigen, aber keine Angaben zu etwaigen Ausfalltatbeständen
während des Beschäftigungszeitraumes enthalten, werden von der Rechtsprechung regelmäßig nur als Mittel der Glaubhaftmachung,
nicht aber als geeigneter Nachweis für eine lückenlose Beitragszahlung in den entsprechenden Zeiträumen anerkannt (z.B. BSG, Urt. v. 21.08.2008, Az. B 13/4 R 25/07 R; LSG Bayern, Urt. v. 17.01.2007, Az. L 19 R 584/05 - jeweils nach juris). Für den Vortrag der Klägerin, dass bei der Berufsgruppe der Lehrer eine andere Handhabung gegolten
habe und in ihrem Arbeitsbuch Ausfallzeiten eingetragen worden wären, wenn sie angefallen wären, gibt es keinerlei Anhaltspunkte.
Daran ändert auch die bestätigende Aussage der Zeugin B. nichts. Insbesondere hätten auch bei Beschäftigten, die im Einzelfall
keine Ausfallzeiten gehabt haben, im Arbeitsbuch entsprechende Eintragsmöglichkeiten vorgesehen sein müssen, da im Vorhinein
ja nicht bekannt gewesen sein konnte, dass keine Ausfallzeiten anfallen würden. Die aktenkundigen Inhalte des Arbeitsbuches
der Klägerin lassen eine derartige Eintragungsmöglichkeit nicht erkennen.
Entscheidend für die Anerkennung von Zeiten nach § 15 FRG sind die in der ehemaligen Sowjetunion von der Beschäftigungsstelle abgeführten Beiträge zur Rentenversicherung. Eine Liste
der tatsächlich gearbeiteten Arbeitstage kann, wenn sie als übereinstimmend mit den Originalunterlagen angesehen wird und
auch sonst keine Zweifel an der Abführung der Beiträge bestehen, als Nachweismittel ausreichen. Hinsichtlich der von der Klägerin
für die Zeit vom 17.08.1971 bis 25.07.1977 vorgelegten Bescheinigung Z 128 ergibt sich aus Sicht des Senats - wie schon des
Sozialgerichts - dass diese Bescheinigung darlegt, dass dem Aussteller keine Angaben zu Ausfallzeiten möglich sind. Die von
der Klägerin vertretene Lesart, dass damit bescheinigt werde, dass sie keinerlei Ausfallzeiten gehabt habe, überzeugt nicht.
Einzig die Formulierung, dass "für die Klägerin" keine Einträge vorhanden seien, anstatt der pauschalen Aussage, dass derartige
Einträge nicht vorhanden seien, lässt diese Deutung zu, wobei aber die im nächsten Satz verweigerte Bescheinigung dann nicht
nachzuvollziehen wäre. Aber allein die Tatsache, dass es bei dieser Bescheinigung zwei Lesarten geben mag, führt dazu, dass
sie keine ausreichende Nachweisqualität hat. Andere Beweismittel für diesen Zeitraum existieren nicht. Es bleiben somit die
Zweifel bestehen, ob in diesem Zeitraum tatsächlich keine Ausfallzeiten vorgelegen haben oder ob Ausfalltage nicht eingetragen
und von den Arbeitstagen nicht in Abzug gebracht worden sind.
Die Klägerin hat zur Überzeugung des Senats den Nachweis einer Beschäftigung mit durchgehender Beitragszahlung, d.h. ohne
bedeutsame Ausfallzeiten wie längere Krankheitszeiten oder unbezahlte Arbeitsunterbrechungen auch für die Zeit vom 19.08.1977
bis 20.06.1990 nicht geführt. Die in der Vergangenheit geltende Beweiserleichterung für eine Beschäftigung von mehr als 10
Jahren bei einem Arbeitgeber ist aufgehoben (§ 19 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. FRG a.F.). Unterlagen für diesen Zeitraum sind nicht aktenkundig.
Allerdings ist es nicht so, dass die Vorlage derartiger Unterlagen nicht von vornherein allgemein ausgeschlossen ist, wie
sich daraus ableiten lässt, dass die Zeugin B. solche Unterlagen nach den Angaben der Beklagten beigebracht hat. Auch die
Behauptung der Klägerin, dass sie schon einmal über solche Unterlagen verfügt gehabt habe, deutet in diese Richtung. Allerdings
lässt sich der entsprechende Vortrag der Klägerin mit den aktenkundigen Abläufen der Klärung des Versicherungskontos in der
Vergangenheit nicht zur Deckung bringen, so dass man wohl von Erinnerungsungenauigkeiten ausgehen muss. Den von der Klägerin
angesprochenen Schwierigkeiten bei der Beschaffung derartiger Unterlagen in den Gebieten des früheren Aufenthalts hat der
Gesetzgeber im Übrigen bereits gerade damit Rechnung getragen, dass er Beweiserleichterungen in Form von Glaubhaftmachung
zugelassen hat und somit für den Regelfall die Beschaffung solcher Unterlagen entbehrlich ist.
Dass auf einen Zeugenbeweis ausschließlich zurückgegriffen werden dürfte, wenn schriftliche Beweismittel nicht zu erlangen
sind, ist aus Sicht des Senats nicht zwingend so geregelt. Dass Zeugen für lange Zeiträume in der Vergangenheit, die noch
dazu Jahrzehnte zurückliegen, taggenaue Angaben machen können, ist wohl nur im Ausnahmefall, insbesondere bei der Möglichkeit
des Rückgriffs auf Aufzeichnungen, möglich. Im Fall der Klägerin liegen nur generalisierte Aussagen vor. Immerhin haben die
Zeuginnen vermitteln können, dass sie in der Lage sein könnten, Aussagen zu Fehlzeiten der Klägerin zu machen, weil sie mit
der gesundheitlichen Versorgung der Klägerin im Krankheitsfall, mit der Vertretung der Klägerin an der Arbeitsstelle und mit
der Entlohnung von erkrankten Arbeitnehmern zu tun gehabt hatten. Die Zeugenaussage der Zeugin C. machte trotz des bestehenden
Verwandtschaftsverhältnisses den Eindruck einer ausreichenden Distanz und des Bemühens um ein erinnerungsgetragenes Bezeugen
der damaligen Geschehnisse, wie sich an dem Einräumen der fehlenden Kenntnis zu auswärtigen Fortbildungen ersehen lässt. Die
Zeugin B. zeigte sich stärker von den Vorgängen betroffen, aber auch ihr war das Bemühen um eine aus ihrer Sicht zutreffende
Darstellung nicht abzusprechen.
Gleichwohl sieht der Senat keine so präzisen Angaben in den Zeugenaussagen, die es ihm erlauben würden, ohne verbleibende
Restzweifel davon auszugehen, dass die Klägerin in den Jahren 1977 bis 1990 keine - oder zumindest keine bedeutsamen - Ausfallzeiten
gehabt hatte. Die Ausführungen der Zeuginnen stellen sich weniger als Erinnerungsberichte als eindrucksgetragene Wertungen
dar, wonach sie die Klägerin als Beschäftigte mit wenig bis sehr wenig Ausfallanlässen einschätzen. Auch nach Nachfragen bestehen
beim Senat Zweifel, welche Ausfalltatbestände in welchem Umfang vorgelegen haben. So war die Rede davon, dass man bei Erkältungskrankheiten
ohnehin auf die Arbeit gegangen sei, aber auch, dass so ein kurzer Ausfall ja keine Bedeutung haben könne. Die Angaben rund
um die Schwangerschaft der Klägerin variieren deutlich und erst im Verlauf des Verfahrens hat sich gezeigt, dass bei dem Kind,
das während des von den Zeugenaussagen angesprochenen Zeitraums geboren worden war, längere Zeiten der Kindererziehung ohne
Beschäftigung rechtlich möglich waren und auch von der Klägerin in Anspruch genommen worden waren. Zu auswärtigen Fortbildungen
der Klägerin existieren ebenfalls nur - wenn überhaupt - vage Erinnerungen. Die Zeugin B. vertritt wie die Klägerin die nach
Kenntnis des Senats unzutreffende Auffassung, dass in Arbeitsbüchern in Russland bei Lehrkräften - ausnahmsweise und exklusiv
- Fehlzeiten eingetragen worden wären, wenn solche vorgelegen hätten.
Für den Senat verbleibt es somit dabei, dass die strittigen Zeiten nach dem FRG - nur - als glaubhaft gemacht anzusehen sind. Die Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung sind im Ergebnis nicht
zu beanstanden und die Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.