Gründe:
I. Am 17.01.2008 hat das Sozialgericht Würzburg (SG) die Beklagte verurteilt, ab 01.07.2007 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und ab 01.01.2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung
- letztere befristet bis Dezember 2010 - zu zahlen. Die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Der Teilzeitarbeitsmarkt sei verschlossen.
Dagegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Das vom SG eingeholte Gutachten sei insbesondere hinsichtlich einer möglicherweise bestehenden Aggravationstendenz nicht überzeugend.
Zudem hat die Beklagte beantragt, die Vollstreckung aus dem Urteil des SG auszusetzen. Von der Rechtsprechung werde eine Rückforderung in Fällen einer "besonderen Härte" ausgeschlossen. Der Rentenanspruch
der Klägerin betrage zurzeit lediglich ca. 547,98 EUR brutto. Bei einem späteren Rentenbezug sei eine Verrechnung der Urteilsrente
nicht möglich. Die Versichertengemeinschaft erleide ggf. einen Schaden.
II. Der statthafte Aussetzungsantrag ist zulässig.
Gemäß §
199 Abs
2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann, wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu
entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen. Ein vollstreckbarer Titel im Sinne des §
199 Abs
1 SGG liegt vor.
Die Berufung der Beklagten hat hinsichtlich der Beträge, die für die Zeit nach Erlass des angefochtenen Urteils nachbezahlt
werden sollen, keine aufschiebende Wirkung (§
154 Abs
2 SGG). Die Beklagte ist daher verpflichtet, die sogenannte Urteilsrente anzuweisen, die aber wieder zu erstatten ist, wenn das
Urteil des Erstgerichts auf die Berufung hin oder in einem eventuellen Revisionsverfahren aufgehoben wird.
Der Aussetzungsantrag ist jedoch nicht begründet.
Bei der Entscheidung über die Aussetzung ist eine Interessen- und Folgenabwägung vorzunehmen (BSG, Beschluss vom 05.09.2001
- B 3 KR 47/01 R -; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9.Auflage §
199 Rdnr 8), wobei der in §
154 Abs
2 SGG zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers zu beachten ist, dass Berufungen in der Regel keine aufschiebende Wirkung hinsichtlich
der für die Zeit nach Erlass des Urteils zu zahlenden Beträge haben sollen. Eine Aussetzung kommt daher nur in Ausnahmefällen
in Betracht (Leitherer aaO. Rdnr 8a; BSG, Beschluss vom 28.10.2008 - B 2 U 189/08 B -).
Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist im Rahmen einer Interessen- und Folgenabwägung zu prüfen. Dabei können die Erfolgsaussichten
der Berufung ausnahmsweise dann eine Rolle spielen, wenn diese offensichtlich fehlen (vgl. auch BSG, Beschluss vom 05.09.2001
- B 3 KR 47/01 R -) oder offensichtlich bestehen (BSGE 12, 138). Sind die Erfolgsaussichten jedoch nicht in dieser Weise eindeutig abschätzbar, ist im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung
insbesondere zu berücksichtigen, ob der Beklagten - über den Nachteil hinaus, der mit jeder Zwangsvollstreckung als solcher
verbunden ist - ein im nachhinein nicht mehr zu ersetzender Schaden entstehen würde (BSG, Beschluss vom 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R -). Maßgeblich sind dabei die Umstände des Einzelfalles, die vom Vollstreckungsschuldner glaubhaft vorzutragen sind (BSG
SozR 3-1500 § 199 Nr 1). Der Hinweis auf Sonderfälle, unter denen eine im Ergebnis rechtswidrig gezahlte Urteilsrente vom
Begünstigten nicht zurückgefordert werden dürfe, genügt hierzu nicht, wenn nicht Anhaltspunkte dafür benannt werden, beim
Begünstigten könne ein solcher "Härtefall" bestehen (vgl. BSG, Beschluss vom 28.08.2007 - B 4 R 25/07 R -). Zudem darf ein überwiegendes Interesse des Vollstreckungsgläubigers nicht entgegenstehen (BSG, Beschluss vom 28.08.2007
- B 4 R 25/07 R -; vgl. hierzu auch die §
86b SGG zu entnehmenden Rechtsgedanken) ...
Vorliegend können die Erfolgsaussichten der Berufung nicht eindeutig abgeschätzt werden. Hierzu sind zumindest weitere Überlegungen
erforderlich, die dem Senat im Rahmen des Hauptsacheverfahrens vorbehalten bleiben müssen.
Es ist daher zunächst zu prüfen, ob ein Nachteil im o.g. Sinne von der Beklagten glaubhaft dargelegt worden ist. Dies ist
nicht der Fall. Die Beklagte hat lediglich allgemein auf eine evtl. fehlende Rückforderungsmöglichkeit bei Vorliegen eines
Härtefalles hingewiesen. Sie hat den derzeit vorhandenen Rentenanspruch genannt. Dieser ist jedoch nur von untergeordneter
Bedeutung, denn die Klägerin wird diese Rente beziehen, wenn die Berufung erfolglos wäre. Eine Rückzahlung kommt dann aber
nicht in Betracht. Die Beklagte hält die Berufung hingegen gerade für begründet.
Sollte die Berufung der Beklagten jedoch erfolgreich sein, so hätte die Klägerin keinen Rentenanspruch, sondern wäre - voll
- erwerbsfähig. Eine Rückforderungsmöglichkeit hinge somit, da dann die Ausübung einer Erwerbstätigkeit in Betracht käme -
dies kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden -, davon ab, welches Einkommen die Klägerin erzielen würde. Hierzu sind
jedoch keinerlei Erkenntnisse vorhanden bzw. Angaben möglich. Zudem erlangt die Höhe des derzeitigen Rentenanspruchs keine
Bedeutung, denn zur Prüfung der Möglichkeit zur Rückzahlung sind die gesamten Einkommens- und Vermögensverhältnisse darzutun.
Daran fehlt es vorliegend ebenfalls.
Mangels Darlegung eines Nachteiles im o.g. Sinn ist das Vorliegen eines überwiegenden Interesses des Vollstreckungsgläubigers
nicht weiter zu prüfen.
Von einem Ausnahmefall ist damit nicht auszugehen, der Antrag ist abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG), er kann jederzeit aufgehoben werden (§
199 Abs
2 Satz 3
SGG).