Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung von Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung.
Die 1943 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Türkei. Im Jahr 1972 ist sie nach Deutschland
zugezogen. Beitragszeiten legte sie mit Unterbrechungen vom 12.08.1974 bis 31.10.1985 zurück. Zuletzt war sie gemeldet in
der Stadt K. ab dem 04.04.1981 und ist am 17.09.1987 in die Türkei verzogen. Im Kontospiegel über die Versicherung der Klägerin
bei der Beklagten ist eine Beitragserstattung mit Bescheid vom 14.03.1990 vermerkt. Angegeben ist weiter, dass auf Antrag
der Klägerin vom 14.12.1989 für die Zeit vom 12.08.1974 bis 31.10.1985 eine Erstattung in Höhe von 17.071,88 DM erfolgte.
Die Klägerin ist seit dem 22.11.1963 verheiratet mit ihrem Ehemann A., geb. 1941 (Beigeladener). Der Ehemann war vom 15.10.1970
bis 30.11.1987 in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Nach einer Auskunft der Stadt K. vom 09.01.2017 war A. bis
zum 17.09.1987 unter der gemeinsamen Anschrift mit der Klägerin gemeldet.
Für die Klägerin beantragte die Nichte der Klägerin unter dem 27.04.2016 (Eingang am 21.08.2016) die Klärung des Versicherungskontos
der Klägerin und die Feststellung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung. Sie gab im
Antragsformular an, mit Bescheid vom 14.03.1990 sei von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Baden-Württemberg eine Beitragserstattung
durchgeführt worden. Für das Kind D., geb. 1984, seien Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung
anzuerkennen. Nach Angaben der Nichte im Antragsformular habe die Klägerin von der Geburt des Kindes bis zu dessen vollendetem
10. Lebensjahr das Kind gemeinsam und durchgehend zu gleichen Teilen mit dem anderen Elternteil oder überwiegend erzogen,
allerdings von Oktober 1987 bis 13.08.1994 in der Türkei. Die im Antragsformular vorgesehene Bestätigung des anderen Elternteils
( A.), dass diese Angaben zur Erziehung den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen, war mit einem Schriftzug sehr ähnlich
der Unterschrift der Nichte der Klägerin unterzeichnet.
Mit Bescheid vom 23.03.2017 (bekanntgegeben mit einem einfachen Brief) stellte die Beklagte die in dem beigefügten Versicherungsverlauf
bis 31.12.2010 enthaltenen Daten nach §
149 Abs.
5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) verbindlich fest. Aufgrund der mit Bescheid vom 14.03.1990 durchgeführten Beitragserstattung seien alle Ansprüche aus bis
zu diesem Zeitpunkt zurückgelegten Versicherungszeiten ausgeschlossen. Die Verfallswirkung der Beitragserstattung erfasse
die im Zeitpunkt der Erstattung versicherungsrechtlich erheblichen Beitragszeiten. Auch Kindererziehungszeiten (die ersten
12 Kalendermonate nach der Geburt) würden unabhängig davon, ob diese bereits festgestellt worden seien, von der Verfallswirkung
erfasst. Hinsichtlich der Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für das Kind D. stellte
die Beklagte wie folgt fest:
"Die Zeit vom 01.09.1985 bis 31.08.1986 werde als Kindererziehungszeit vorgemerkt. Der andere Elternteil, A., habe am 27.04.2016
bestätigt, dass er das Kind nicht überwiegend erzogen habe. Daher sei eine Anerkennung von Kindererziehungszeiten für diesen
Zeitraum bei ihm ausgeschlossen.
Die Zeit vom 14.08.1984 bis 17.09.1987 werde als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vorgemerkt. Der andere Elternteil,
A., habe am 27.04.2016 bestätigt, dass er das Kind nicht überwiegend erzogen habe. Daher sei eine Anerkennung von Kindererziehungszeiten
für diesen Zeitraum bei ihm ausgeschlossen.
Die Zeit vom 18.09.1987 bis 13.08.1994 könne nicht als Berücksichtigungszeit vorgemerkt werden, weil das Kind in dieser Zeit
im Ausland erzogen wurde."
Mit Schreiben vom 06.07.2017 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.03.2017. Dieses Schreiben ging am 21.07.2017
bei der Beklagten ein. Den Bescheid habe sie im April erhalten. A. habe keine Bestätigung abgegeben, dass er das Kind D. nicht
erzogen habe. A. habe sich zu dem im (angefochtenen) Bescheid angegebenen Zeitpunkt (gemeint: Datum "27.04.2016") nicht in
Deutschland aufgehalten. Die Rentenversicherung in der Türkei habe ihr versichert, dass auch die Erziehung des Kindes in der
Türkei ab September 1987 angerechnet werde, da diesbezüglich eine Vereinbarung bestehen würde.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2017 als unzulässig zurück. Die Widerspruchsfrist sei
versäumt worden. Die Widerspruchsfrist betrage bei Bekanntgabe außerhalb der Bundesrepublik Deutschland drei Monate. Der Widerspruch
gegen diesen Bescheid vom 23.03.2017 sei jedoch erst am 21.07.2017 eingegangen.
Die Klägerin hat durch ihre bevollmächtigte Nichte am 15.12.2017 Klage zum Sozialgericht Bayreuth erheben lassen. Die Bevollmächtigte
hat das Vorbringen der Klägerin im Widerspruchsverfahren wiederholt.
Nach Hinweis an die Beteiligten hat das Sozialgericht Bayreuth durch Gerichtsbescheid vom 04.10.2018 die Klage abgewiesen.
Der Widerspruch sei nicht verfristet gewesen, denn die Beklagte könne aufgrund der Bekanntgabe durch einfachen Brief nicht
nachweisen, dass die Klägerin den Bescheid 23.03.2017 bereits vor dem 21.04.2017, also mehr als drei Monate vor dem Eingang
des Widerspruches, erhalten habe.
Die Klägerin sei durch die Aussage, A. habe das Kind nicht erzogen, nicht beschwert. Hier fehle es am Rechtsschutzbedürfnis.
Die Beklagte habe gerade wegen der Aussage von A., er habe das Kind D. nicht erzogen, die Zeit vom 01.09.1985 bis 31.08.1986
im Versicherungskonto der Klägerin vorgemerkt.
Die im Ausland zurückgelegten Zeiten der Kindererziehung bzw. entsprechende Berücksichtigungszeiten seien im Rahmen der deutschen
gesetzlichen Rentenversicherung nicht nach dem Deutsch-Türkischen Abkommen über soziale Sicherheit anrechenbar. Aus Art. 27
des Deutsch-Türkischen Sozialversicherungsabkommens ergebe sich lediglich, dass für die Erfüllung der Wartezeit aus der deutschen
gesetzlichen Rentenversicherung auch diejenigen Zeiten berücksichtigt werden, die der türkische Rentenversicherungsträger
festgestellt hat. Dies bedeute nicht, dass der Träger der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung die türkischen Versicherungszeiten
- seien es Beitragszeiten für eine Beschäftigung, seien es rentenrechtliche Zeiten wegen einer Kindererziehung - selbstständig
festzustellen habe.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Bevollmächtigten der Klägerin vom 11.10.2018. Die Klägerin habe sich nicht die Beiträge
erstatten lassen. Es sei einfach nach ein paar Jahren automatisch von Deutschland ausbezahlt worden. Der andere Elternteil,
A., habe das Kind mit seiner Ehefrau, der Klägerin, selber erzogen und zwar die ganze Zeit.
Mit Beschluss vom 28.01.2019 hat der Senat den Ehemann der Klägerin ( A.) notwendig beigeladen. Der Beigeladene hat mit Eingang
bei Gericht am 29.03.2019 mitgeteilt, dass er das Kind D. gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Klägerin, erzogen habe.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 04.10.2018 und den Bescheid der Beklagten vom 23.03.2017 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für das am 14.08.1984 geborene Kind
D. auch die Zeiten vom 01.09.1984 bis 31.08.1985 sowie über den 31.08.1986 hinaus als Kindererziehungszeit und auch die Zeit
ab dem 18.09.1987 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vorzumerken.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 04.10.2018 zurückzuweisen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.
Zur Ergänzung wird auf die beigezogene Akte der Beklagten und auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§
153 Abs.
1 i.V.m. 124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Zutreffend hat das Sozialgericht entschieden, dass der Bescheid
der Beklagten vom 23.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2017, mit dem die Beklagte die Vormerkung
der Zeit vom 01.09.1984 bis 31.08.1985 und über den 31.08.1986 hinaus als Kindererziehungszeit und die Zeit vom 18.09.1987
bis 13.08.1994 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung abgelehnt hat, nicht zu beanstanden ist.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Vormerkung ist §
149 Abs.
5 Satz 1
SGB VI. Nach dieser Vorschrift stellt der Versicherungsträger, nachdem er das Versicherungskonto geklärt hat, die im Versicherungsverlauf
enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest.
Zu den vorzumerkenden, rentenrechtlichen Zeiten zählen auch Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung
(§§
54 Abs.
1,
56, 57
SGB VI).
Nach §
56 Abs.
1 SGB VI sind Kindererziehungszeiten Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil wird
eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn
1. die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist,
2. die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und
3. der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.
Absatz 2 dieser Vorschrift bestimmt, dass eine Erziehungszeit dem Elternteil zuzuordnen ist, der sein Kind erzogen hat (Satz
1). Haben mehrere Elternteile das Kind gemeinsam erzogen, wird die Erziehungszeit einem Elternteil zugeordnet (Satz 2). Haben
die Eltern ihr Kind gemeinsam erzogen, können sie durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen, welchem Elternteil sie
zuzuordnen ist (Satz 3). Haben die Eltern eine übereinstimmende Erklärung nicht abgegeben, ist die Erziehungszeit der Mutter
zuzuordnen (Satz 8 idF vom 01.07.2014 bis 31.12.2018). Haben mehrere Elternteile das Kind erzogen, ist die Erziehungszeit
demjenigen zuzuordnen, der das Kind überwiegend erzogen hat, soweit sich aus Satz 3 nicht etwas anderes ergibt (Satz 9 idF
vom 01.07.2014 bis 31.12.2018).
Demnach hat die Beklagte die Kindererziehungszeit zutreffend der Klägerin zugeordnet. Eine andere Zuordnung kommt nicht in
Betracht. Aufgrund der Angaben der Bevollmächtigten im Antrag vom 21.08.2016, die Klägerin habe das Kind gemeinsam und durchgehend
zu gleichen Teilen mit dem anderen Elternteil oder überwiegend erzogen, der Angaben im Berufungsverfahren, der Beigeladene
A. habe das Kind gemeinsam mit der Klägerin erzogen und der eigenen Angaben des Beigeladenen, er habe das Kind gemeinsam erzogen,
ist zunächst davon auszugehen, dass die Klägerin tatsächlich auch erzogen hat. Falls die Klägerin das Kind allein ohne die
Mitwirkung des anderen Elternteils erzogen haben sollte, wäre ihr die Erziehungszeit zuzuordnen (§
56 Abs.
2 Satz 1
SGB VI).
Soweit - wie hier vorgebracht - beide Elternteile das Kind "gemeinsam" erzogen haben, wird die Erziehungszeit nur einem von
ihnen zugeordnet (Satz 2). Eine übereinstimmende Erklärung, welchem Elternteil die Erziehungszeit zuzuordnen ist, liegt nicht
vor. In diesem Fall regelt §
56 Abs.
2 Satz 9
SGB VI (in der vom 01.07.2014 bis zum 31.12.2018 gültigen Fassung), dass sich die Zuordnung der Erziehungszeit danach bestimmt,
welcher Elternteil das Kind überwiegend erzogen hat. Dass der andere Elternteil A. das Kind überwiegend erzogen hat, lässt
sich nicht feststellen. Es greift daher die Regelung des §
56 Abs.
2 Satz 8
SGB VI (in der vom 01.07.2014 bis zum 31.12.2018 gültigen Fassung) ein, nach der die Erziehungszeit der Mutter, also der Klägerin,
zuzuordnen ist.
Zu Recht erfolgte die Vormerkung der Kindererziehungszeiten für das am 14.08.1984 geborene Kind D. nur für die Zeit vom 01.09.1985
bis zum 31.08.1986.
Nicht vorzumerken sind die Kindererziehungszeiten vom 01.09.1984 bis 31.08.1985, da diese von der Verfallswirkung der durchgeführten
Beitragserstattung erfasst sind. Der Senat geht mit der Bevollmächtigten im Antrag vom 21.08.2016 und den Angaben im Rentenkonto
bei der Beklagten davon aus, dass mit Bescheid vom 14.03.1990 eine wirksame Beitragserstattung durchgeführt wurde. Mit der
Beitragserstattung wird das bis dahin bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst (§ 1303 Abs. 7
Reichsversicherungsordnung idF bis 31.12.1991). Die Verfallswirkung erfasste bis zur Erstattung zurückgelegte Versicherungszeiten, also Beitragszeiten,
Ersatzzeiten und vorliegend auch Kindererziehungszeiten.
Dies gilt auch unabhängig davon, ob die Zeiten der Kindererziehung bei Bekanntgabe des Beitragserstattungsbescheides bereits
vorgemerkt waren oder (wie hier) nicht. Soweit angenommen wird, dass einem bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 15.07.2009
erlassenen Erstattungsbescheid keine Verfallswirkung hinsichtlich derjenigen Kindererziehungszeiten zukommt, die bei Bekanntgabe
des Bescheides noch nicht vorgemerkt waren (s. Verbindliche Entscheidung der DRV Bund vom 01.11.2009, RVaktuell 2010, 82),
gilt dies nicht für den Fall der Klägerin, sondern nur für die an versicherungsfreie oder von der Versicherungspflicht befreite
Versicherte erteilte Erstattungsbescheide. Nach §
56 Abs.
4 Nr.
2 SGB VI idF bis zum 21.07.2009 waren Elternteile, die versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit waren, von der
Anrechnung von Erziehungszeiten ausgeschlossen. Die Rechtsprechung hat diesen Ausschluss dagegen auf Fälle beschränkt, in
denen die Zeit der Kindererziehung in einem Versorgungssystem des Versicherten gleichwertig berücksichtigt wird (s. BSG, Urteil vom 31.01.2008 - B 13 R 64/06 R - juris). Durch das Gesetz vom 15.07.2009 (BGBl. I 1939) wurde mit Wirkung vom 22.07.2009 der §
56 Abs.
4 SGB VI dahin geändert, dass ein Ausschluss für diejenigen Erziehungszeiten besteht, die in einem anderen Versorgungssystem annähernd
gleichwertig berücksichtigt werden. Da zuvor Anträge auf Anerkennung der Kindererziehungszeiten ggf. zu Unrecht abgelehnt
oder bei einem Antrag auf Beitragserstattung erst gar nicht geltend gemacht wurden, haben die Rentenversicherungsträger beschlossen,
dass vor dem 22.07.2009 (an versicherungsfreie oder von der Versicherungspflicht befreite Versicherte) erteilte Bescheide
über eine Beitragserstattung keine Verfallswirkung hinsichtlich der bis zur Erstattung zurückgelegten Zeiten der Kindererziehung
entfalten, die bei Bekanntgabe des Erstattungsbescheides noch nicht vorgemerkt waren.
Die Beklagte hat zutreffend eine Kindererziehungszeit dem Grunde nach von 24 Monaten berücksichtigt (§
249 Abs.
1 SGB VI in der vom 01.07.2014 bis 31.12.2018 geltenden Fassung). Sie hat auch beachtet, dass die Verfallswirkung bei einer Beitragserstattung
vor dem 01.07.2014 durch die ab diesem Zeitpunkt eingeführte Regelung des §
249 Abs.
1 SGB VI eingeschränkt ist. Die Verfallswirkung gilt für die vor dem 01.01.1992 geborenen Kinder nur hinsichtlich der vor dem 13.
Monat zurückgelegten Kindererziehungszeiten.
Nicht zu berücksichtigen hat der Senat die Änderung des §
249 Abs.
1 SGB VI zum 01.01.2019 durch das Gesetz über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung vom
28.11.2018 (BGBl. I 2016). Die Kindererziehungszeit für ein vor dem 01.01.1992 geborenes Kind endet nunmehr nicht mehr nach
24 Kalendermonaten nach Ablauf des Monats der Geburt (§
249 Abs.
1 SGB VI in der vom 01.07.2014 bis 31.12.2018 geltenden Fassung), sondern erst nach 30 Kalendermonaten nach Ablauf des Monats der
Geburt (§
249 Abs.
1 SGB VI in der ab 01.01.2019 geltenden Fassung), also vorliegend über den 31.08.1986 hinaus vom 01.09.1986 bis zum 28.02.1987. Für
das Vormerkungsbegehren der Klägerin ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage die statthafte Klageart (§§
54 Abs.
1 Satz 1,
56 SGG). Für die Entscheidung über eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist regelmäßig auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung abzustellen und daher grundsätzlich auch im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens in Kraft getretenes Recht zu
berücksichtigen. Voraussetzung ist allerdings, dass das neue Recht nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis
erfassen will (BSG Urteil vom 14.07.1993 - 6 RKa 71/91 - nach juris). Das ist hier nicht der Fall. Zwar handelt es sich bei einem Vormerkungsbescheid um einen Verwaltungsakt mit
Dauerwirkung. Denn die Feststellungen eines Vormerkungsbescheides erschöpfen sich nicht in einer einmaligen abstrakten Feststellung
von rentenrechtlichen Zeiten und deren zeitlichen Umfang, sondern entfalten wegen ihrer beweissichernden Funktion für den
späteren Leistungsfall Verbindlichkeit für die Zukunft. Demnach wäre aufgrund der Dauerwirkung des Vormerkungsbescheides auch
neues Recht im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen. Allerdings wurde mit der Änderung des §
249 Abs.
1 SGB VI die Dauer der Kindererziehungszeiten nicht rückwirkend, sondern zum 01.01.2019 erhöht. Diesem Zeitpunkt - wie hier - vorhergehende
Feststellungen von Kindererziehungszeiten werden hiervon nicht erfasst, zumal sich die Feststellungen in einem Vormerkungsbescheid
darauf beziehen, ob die Voraussetzungen der rentenrechtlichen Zeiten und deren zeitlichen Umfang nach dem zum Zeitpunkt des
Erlasses des Vormerkungsbescheides (hier am 23.03.2017) geltenden materiellen Recht erfüllt sind.
Die Beklagte hat demnach zu Recht eine Vormerkung der Zeit über den 31.08.1986 hinaus als Kindererziehungszeit abgelehnt.
Nicht in Betracht kommt die Vormerkung der Zeit vom 18.09.1987 bis 13.08.1994 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung.
Nach §
57 Satz 1
SGB VI ist die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem 10. Lebensjahr bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit,
soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit nach §
56 SGB VI auch in dieser Zeit vorliegen.
Die Klägerin ist am 17.09.1987 auf Dauer in die Türkei zurückgekehrt. Die Anerkennung der Zeit nach der Rückkehr in die Türkei
ist demnach ausgeschlossen, da nach den §§
56 Abs.
1 Satz 2 Nr.
2,
57 Satz 1
SGB VI nur die Erziehung zu berücksichtigen ist, die im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt oder einer solchen gleichsteht.
Die Zeit der Erziehung nach dem 17.09.1987 steht einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht nach §
56 Abs.
3 Satz 2
SGB VI gleich. Zwar hat sich die Klägerin als erziehender Elternteil mit dem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten, sie hat aber
nicht während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort (in der Türkei) ausgeübten Beschäftigung
oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten zur deutschen Rentenversicherung entrichtet.
Die beantragte Vormerkung der Kindererziehungszeit oder der Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung ergibt sich auch nicht
aus dem Deutsch-Türkischen Abkommen über soziale Sicherheit vom 30.04.1964 idF des Abkommens vom 28.05.1969, des Zwischenabkommens
vom 25.10.1974 und des Zusatzabkommens vom 02.11.1984 sowie der Vereinbarung vom 02.11.1984 zur Durchführung des Abkommens
vom 30.04.1964. Eine Regelung über die Geltung von Zeiten der Kindererziehung in der Türkei als in der deutschen gesetzlichen
Rentenversicherung anzurechnende Kindererziehungszeiten (Beitragszeiten) oder Berücksichtigungszeiten findet sich in dem Abkommen
nicht. Art. 27 des Abkommens idF des Zusatzabkommens vom 02.11.1984 bestimmt: Sind nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsparteien
anrechnungsfähige Versicherungszeiten vorhanden, so werden für den Erwerb des Leistungsanspruchs nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften
auch die Versicherungszeiten berücksichtigt, die nach den Rechtsvorschriften der anderen Vertragspartei anrechnungsfähig sind
und nicht auf dieselbe Zeit entfallen (Satz 1). In welchem Ausmaß Versicherungszeiten anrechnungsfähig sind, richtet sich
nach den Rechtsvorschriften, die die Anrechnungsfähigkeit bestimmen (Satz 2). Danach werden zur Erfüllung der für einen Rentenanspruch
notwendigen Wartezeit sowie der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen der einzelnen Rentenarten die zur deutschen und türkischen
Rentenversicherung geleisteten Beiträge bzw. die ihnen gleichstehenden Zeiten zusammengerechnet. Ob und inwieweit Versicherungszeiten
anzurechnen sind, bestimmt der jeweilige Träger. Demnach ist es nicht Aufgabe der Beklagten, über die Vormerkung der von der
Klägerin in der Türkei zurückgelegten Zeiten der Kindererziehung oder über die Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung
zu entscheiden, zumal eine etwaige Zusammenrechnung nur im Falle einer Leistungsfeststellung erfolgt.
Nach alledem ergibt sich, dass die Berufung unbegründet ist.
Die Kostenentscheidung ergeht nach §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.