Rente wegen Erwerbsminderung
Nachweis einer quantitativen Minderung der Erwerbsfähigkeit
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller,
hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung aufgrund eines umgedeuteten Reha-Antrages vom 25.03.2011 hat.
Die 1978 geborene Klägerin beantragte am 25.03.2011 bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV-Bund) die Gewährung einer
Leistung der stationären medizinischen Rehabilitation. Der Antrag wurde an die Beklagte als kontoführender Versicherungsträger
weitergeleitet und ist dort am 01.04.2011 eingegangen. Zur Begründung des Reha-Antrages war eine Angsterkrankung mit Panikattacken
und Verdacht auf eine Persönlichkeitsstörung angegeben. Nach Beiziehung von Befundberichten des behandelnden Hausarztes Dr.
H. und des Gynäkologen Dr. G. holte die Beklagte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. Sch. ein, die am 29.06.2011
zu der Diagnose einer schweren Persönlichkeitsstörung mit sozialen und kommunikativen Defiziten kam. Die Klägerin sei derzeit
nicht reha-fähig. Es bestehe ein Behandlungsbedarf. Das Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes liege
derzeit unter drei Stunden täglich.
Die Beklagte lehnte daraufhin wohl mit Bescheid vom 05.07.2011 den Reha-Antrag ab (der Bescheid findet sich nicht in der Akte).
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 25.07.2011 stellte die Beklagte fest, dass der Reha-Antrag vom 25.03.2011 nach §
116 Abs.
2 Nr.
1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB VI - in einen Rentenantrag umzudeuten gewesen sei. Zwar sei davon auszugehen, dass die Klägerin ab Antragstellung voll erwerbsgemindert
sei, weil sie nur noch ein unter 3-stündiges Leistungsvermögen habe. Zu diesem Zeitpunkt seien aber die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen nicht mehr gegeben. In der relevanten 5-Jahres-Frist lägen null Monate mit Pflichtbeitragszeiten vor.
Zur Begründung des hiergegen eingelegten Widerspruchs vom 10.08.2011 wies die Klägerin darauf hin, dass ihre psychische Erkrankung
bereits seit Jahren bestehe, Unterlagen würden noch nachgereicht. Vorgelegt wurde hierzu wohl nur ein Attest des Facharztes
für Allgemeinmedizin, Chirotherapie und Akupunktur Dr. M. vom 20.09.2011. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid
vom 12.10.2011 als unbegründet zurück. Die Klägerin würde die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen. Im
Rahmen einer prüfärztlichen Stellungnahme habe Frau Dr. Sch. darauf hingewiesen, dass es keinerlei Hinweise für einen Leistungsfall
am 31.05.2007 gebe (letzter denkbarer Leistungsfall). Die Klägerin habe selbst angegeben, dass sich mit der Endometriose-Operation
im Jahr 2008 die psychischen Probleme verschlimmert hätten und der soziale Rückzug begonnen habe. Es habe zu keiner Zeit eine
leitliniengerechte Therapie stattgefunden.
Zur Begründung der hiergegen am 11.11.2011 zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ein Attest des Hausarztes Dr. M. vorgelegt, wonach die Klägerin
von 2005 bis 2007 bei der Dipl.-Psych. W. in C-Stadt in Behandlung gewesen sei. Die Klägerin habe sich mit Ausnahme des Jahres
2007 seit 2005 durchgehend in psychotherapeutischer Behandlung befunden.
In einem vom SG beigezogenen Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin und Psychotherapie Dr. R. ist festgehalten, dass seit 2009 offenbar
eine zunehmende Verschlechterung eingetreten sei, Aufgabe bzw. Verlust des Arbeitsplatzes. Arbeitsunfähigkeit sei durchgehend
vom 19.06.2011 bis jetzt bestätigt.
Mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 04.07.2012 wurde eine Bestätigung der Dipl.-Psych. W. vom 24.04.2012
übersandt, wonach sich die Klägerin im Zeitraum 05/2005 bis 03/2007 bei ihr in psychotherapeutischer Behandlung befunden habe,
im Umfang der von der zuständigen Krankenkasse bewilligten 60 Stunden. Als Diagnose sei eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung
(F 60.6) und eine generalisierte Sozialphobie als Dauerdiagnose gestellt. Dies belege, dass die von der Beklagten ebenfalls
diagnostizierte Persönlichkeitsstörung schon weitaus früher aufgetreten und auch im behandlungsbedürftigen Umfang vorhanden
gewesen sei. Mit weiterem Schriftsatz vom 06.08.2012 wurde der Erstantrag der Psychotherapeutin W. übersandt mit der Bitte,
die darin enthaltenen Informationen streng vertraulich zu behandeln.
Das SG hat sodann ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. B. eingeholt, die am 07.09.2012 zu der Diagnose mittelgradige
Depression mit Angststörung und Sozialphobie bei schwerer Persönlichkeitsstörung (ängstlich-vermeidend, abhängig) gelangt
ist. Unter Berücksichtigung der Gesundheitsstörungen sei der Klägerin unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
nur noch eine weniger als 3-stündige Tätigkeit zumutbar. Durch die mittelgradige depressive Verstimmung, die Angststörung
und die Sozialphobie bei schwerer Persönlichkeitsstörung seien zentrale Anteile der Persönlichkeit, d. h. Willens- und Motivationsstruktur,
die Auffassungsfähigkeit, die Stressresistenz so erheblich beeinträchtigt, dass nur eine unter 3-stündige Tätigkeit möglich
sei. Es könnten leichte bis mittelschwere Arbeiten im Sitzen, im Stehen, in wechselnder Stellung im Freien und in geschlossenen
Räumen durchgeführt werden. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung, wie Akkord-, Fließbandarbeit,
Nachtschicht, Tätigkeiten mit Publikumsverkehr, Tätigkeiten mit Verantwortung für Menschen. Gegenüber den Untersuchungsergebnissen
des Rentengutachtens vom 29.06.2011 sei es zu keiner Verschlechterung oder Besserung gekommen. Aus der Aktenlage gehe hervor,
dass die Klägerin seit 2009 nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähig sei, da sich ihr Befinden in diesem
Jahr verschlechtert habe. Die geminderte Erwerbsfähigkeit bestehe seit 2009, genauere Angaben seien nicht möglich. Die volle
Erwerbsminderung sei ab 2009 nachgewiesen. Der Facharzt für Psychotherapie Dr. R. schildere in seinem Bericht vom 19.06.2012,
dass sich das Befinden ab 2009 zunehmend verschlechtert habe. Es sei ab 2009 zu schwerer Depression, massiven Ängsten sowie
sozialer Phobie bei schwerer Persönlichkeitsstörung gekommen. Ein früherer Zeitpunkt der Erwerbsminderung lasse sich aus dem
Bericht der Dipl.-Psych. W. vom 28.08.2006 nicht ableiten. Die diagnostizierte ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung
ohne deutliche Depression und Angststörung führe nicht zur vollen Erwerbsminderung. Frau W. habe eine gedrückte Stimmung geschildert,
was einer leichten depressiven Verstimmung entspreche. Während der Zeit der psychotherapeutischen Behandlung durch Frau W.
von 2005 bis 28.08.2006 sei die Persönlichkeitsstörung selbstverständlich vorhanden gewesen, sie sei jedoch noch kompensiert
gewesen. Unter adäquater Therapie sei mit einer Besserung innerhalb von zwei Jahren zu rechnen. Notwendig seien eine Fortführung
der Psychotherapie, eine nervenärztliche Behandlung mit Einnahme von Psychopharmaka sowie eine stationäre Behandlung in einer
psychosomatischen Klinik. Eine stationäre Behandlung in der Psychosomatischen Klinik Bad N., wie sie geplant gewesen, jedoch
nicht durchgeführt worden sei, werde für notwendig gehalten.
In einer prüfärztlichen Stellungnahme von Frau Dr. Sch. vom 25.09.2012 hat diese darauf hingewiesen, dass aus den vorliegenden
Unterlagen ein Leistungsfall bereits im Jahr 2009 nicht nachweisbar sei. Dem Gutachten von Dr. B. sei insoweit nicht zu folgen.
Eine am 13.11.2012 durchgeführte mündliche Verhandlung vor dem SG wurde zum Zwecke der Einholung eines Gutachtens nach §
109 Sozial erichts esetz -
SGG - verta t
Auf Antrag der Klägerin hat das SG sodann ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. R. eingeholt, der am 09.04.2013 zu der Diagnose chronifizierte
depressive Anpassungsstörung vor dem Hintergrund einer asthenischen Persönlichkeitsstörung und einer Intelligenzminderung
gelangt ist. Unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsstörungen sei zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
nur eine weniger als 3-stündige Tätigkeit zumutbar. Der Leistungsfall sei jedoch früher anzusetzen. Es liege in der Natur
der bei der Klägerin vorhandenen Störung, dass es sich nicht um ein akutes Geschehen, sondern um einen chronischen, über Jahre
bestehenden Zustand handle. Insofern sei seines Erachtens evident, dass ein Leistungsvermögen von drei Stunden werktäglich
mit hoher Wahrscheinlichkeit bei der Klägerin nie bestanden habe. Er gehe davon aus, dass sowohl die Ausbildung zur Kinderpflegerin
als auch die einjährige Berufstätigkeit für alle Beteiligten eine große Quälerei gewesen sei, mit dem Ergebnis, dass der Arbeitgeber
der Klägerin mitgeteilt habe, sie sei für die Tätigkeit ungeeignet. In der Folgezeit sei sie nie wieder in ein längeres Arbeitsverhältnis
von nennenswertem Zeitumfang eingetreten, obwohl die Klägerin hierzu sicherlich stark motiviert gewesen sei. Insofern sei
seiner Ansicht nach auch davon auszugehen, dass auch bei aller zumutbarer Willensanstrengung die Klägerin aufgrund ihrer schweren
Persönlichkeitsstörung und ihrer Intelligenzminderung nicht in der Lage gewesen sei, eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
von nennenswertem Zeitumfang auszuführen. Das Leistungsvermögen der Klägerin sei sicherlich seit dem Jahr 2000 aufgehoben
gewesen. Angesichts der bestehenden Gesundheitsstörungen sei die Leistungsminderung seines Erachtens auch von dauerhafter
Natur.
Mit Schriftsatz vom 29.04.2013 hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass unter Annahme der Prämissen von Dr. R., dass ein
Leistungsvermögen der Klägerin von drei Stunden werktäglich mit hoher Wahrscheinlichkeit nie bestanden habe, es sich um einen
Zustand handeln würde, der bereits vor dem Eintritt in die Versicherung bestanden hätte. Damit müsste die Klägerin die Wartezeit
von 240 Monaten erfüllen, um eine Rente wegen Erwerbsminderung erhalten zu können ( §
43 Abs.
6 SGB VI ). Diese Wartezeit sei nicht erfüllt. Bei Annahme eines Leistungsfalles am 09.11.2000 (wohl Aufgabe des Arbeitsverhältnisses)
wäre die Wartezeit von 60 Monaten nicht erfüllt. Es wäre dann die Fiktion des §
53 Abs.
2 SGB VI zu prüfen, d. h. die Erwerbsminderung müsste innerhalb von sechs Jahren nach Beendigung der Ausbildung eingetreten sein.
Hierfür wäre der Nachweis über die Beendigung der Ausbildung noch vorzulegen. Die zweite Voraussetzung, ein Jahr Pflichtbeiträge
für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit im Zeitraum von zwei Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung, wäre erfüllt.
Das SG hat sodann auf die mündliche Verhandlung vom 17.06.2013 die Klage gegen den Bescheid vom 25.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 12.10.2011 durch Urteil als unbegründet abgewiesen. Das Gericht sei aufgrund des Gutachtens von Dr. B. vom 07.09.2012
unter Hinweis auf den Bericht des behandelnden Arztes Dr. R. zu der Überzeugung gelangt, dass die geminderte Erwerbsfähigkeit
der Klägerin seit ca. 2009 bestehe. Das Gutachten von Dr. R. liefere keine nachvollziehbare Begründung für ein fehlendes Leistungsvermögen
der Klägerin generell. So sprächen gerade die von der Klägerin absolvierte Ausbildung zur Kinderpflegerin und die anschließende
Berufstätigkeit gegen diese Annahme. Möge zwar das damalige Arbeitsverhältnis aus Sicht der Klägerin nicht glücklich gewesen
sein, lasse sich daraus jedoch noch keine so weit gehende Schlussfolgerung ziehen, dass die Klägerin damals bereits erwerbsgemindert
im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung gewesen sein könnte. Auch sei zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin nach
ihrer Tätigkeit als Kinderpflegerin arbeitslos gemeldet gehabt hätte und dem Arbeitsmarkt offensichtlich zur Verfügung gestanden
habe. Auch wenn kein weiteres versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zustande gekommen sei, so habe sie jedoch
die entsprechenden Leistungen der Arbeitsverwaltung erhalten. Schließlich seien der Klägerin über einen langen Zeitraum hinweg
auch geringfügige Beschäftigungen möglich gewesen.
Zur Begründung der hiergegen am 26.07.2013 zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung trägt der Prozessbevollmächtigte
der Klägerin vor, dass der Versicherungsfall des unter 3-stündigen Leistungsvermögens jedenfalls in der Aufnahme der psychotherapeutischen
Behandlung bei Dipl.-Psychologin W. im Jahr 2005 zu sehen sei. Das selbständige Herantreten der Klägerin an eine Psychotherapie
müsse als Ansatzpunkt für die Annahme eines Versicherungsfalles dienen. Die von der Dipl.-Psych. W. geschilderte Anpassungsstörung
sei eine erste Diagnose gewesen, sei aber überlagert worden von einer deutlichen Intelligenzminderung und der asthenischen
Persönlichkeitsstörung.
Auf den Hinweis des Senats auf ein möglicherweise in das Versicherungsleben eingebrachtes Leiden hat der Prozessbevollmächtigte
der Klägerin darauf hingewiesen, dass die Intelligenzminderung nicht der maßgebliche Auslöser für die Erwerbsminderung gewesen
sei, sondern lediglich der Hintergrund, auf dem sich die psychische Entwicklung ereignet habe. Dr. R. beachte jedenfalls die
Zeiträume der Pflichtbeiträge ab 21.08.1995 nicht. Hier ergebe sich z.B. eine durchgehende Beitragszeit von September 1996
bis 30.01.2000, also für insgesamt 41 Monate. Dies sei mit dem Bild, das Dr. R. zeichne, nicht vereinbar. Mit weiterem Schriftsatz
vom 14.10.2014 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hingewiesen, dass die Klägerin im Zeitraum bis 2007 schwere
familiäre Schicksalsschläge habe hinnehmen müssen, in Form von dem Versterben beider Großeltern, um die sich vorwiegend die
Mutter gekümmert habe, in die sie aber miteingebunden gewesen sei. Es habe weder für die Mutter noch insbesondere für die
Klägerin irgendein weiteres familiäres Umfeld gegeben. Ferner habe es in der fraglichen Zeit auch mehrere sehr negativ verlaufende
Beziehungen gegeben. Auch heute sei es so, dass die Klägerin an ihrem jetzigen Wohnort keinerlei Freundschaften pflege, sie
kenne kaum jemanden im näheren Bereich und habe keinerlei Kontakte. Ihre Erkrankung präge sie dahin, dass es extreme Schwierigkeiten
mache, irgendwelche tragfähigen Kontakte aufzubauen. Sie erinnere sich in der fraglichen Zeit, dass sie manchmal nachts im
Regen herumgelaufen sei. Schlafstörungen habe sie ständig gehabt. Panikattacken hätten bereits seit 10 Jahren bestanden, in
dem Sinne, dass sie plötzlich umkippen würde. Der damalige Hausarzt Dr. H. habe sie vor etwa 10 Jahren bereits aus diesem
Grund einmal zu einem cranialen MRT geschickt, wo sich allerdings keine besonderen Auffälligkeiten gezeigt hätten. Die Klägerin
habe auch Doppelbilder erlebt. Die Verdachtsdiagnose eines Tumors habe sich glücklicherweise ebenfalls nicht bestätigt. Das
MRT sei bei Prof. F. in S-Stadt angefertigt worden. Es könnte dieser Befund noch vorhanden sein. "Er besagt zwar nichts, aber
es besagt, dass diese Problematik bereits zu dieser Zeit bestand". Die Klägerin habe das Gefühl gehabt, dass der Boden sich
wellen würde und sie den Boden unter den Füßen verliere. Das Gefühl einfach umzukippen sei relativ häufig gewesen. Zeitweise
habe sie ohne die Mutter gar nicht mehr aus dem Haus gekonnt. Dies sei bereits 2006/Anfang 2007 so gewesen. Die Panikattacken
würden weiter zurückreichen. Die Klägerin erinnere sich, dass sie das erste Mal mit 17 aus der Berufsschulklasse hinaus gerannt
sei und niemand gewusst habe, was los sei. Auch damals habe sie einfach raus gemusst wegen dieser Panikattacken. Vermutlich
seien damals massive Probleme eines Mobbings in dieser Schule im Gange gewesen. Sie habe dann noch an eine andere Berufsschule
wechseln können, wo sie in Ruhe gelassen worden sei. Sie habe die Berufsschule abschließen können, sie habe hierzu in eine
andere Stadt fahren müssen (zuvor in M-Stadt, dann in S-Stadt).
Mit Schriftsatz vom 19.01.2015 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hingewiesen, dass die Belastung durch eine
Ausbildung und den Schulbesuch noch nicht mit der Belastung am Arbeitsplatz vergleichbar sei. Eine echte Verschlechterung
sei erst mit Aufgabe des Berufs als Kinderpflegerin eingetreten. Die Klägerin sei in der Folgezeit auch relativ viel krank
gewesen. Weil die Klägerin aber arbeitslos gewesen sei, seien diese Krankheitszeiten nicht dokumentiert oder zumindest nicht
greifbar. Die Klägerin "beschreibe aber, dass sie auf die geringfügigen Arbeitsverhältnisse nur eingeschränkt in der Lage"
gewesen sei.
Die Beklagte hat anschließend angeregt, Ausbildungs- und Schulzeugnisse sowie ärztliche Unterlagen der C. beizuziehen. Mit
weiterem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 11.02.2015 wurde darauf hingewiesen, dass die Fehlgeburt
im Jahr 2006 eine erhebliche Rolle gespielt habe. Diese habe die Leistungseinschränkung deutlich verschärft. Dies werde im
Gutachten von Dr. R. ebenfalls angesprochen. Mit Schriftsatz vom 28.04.2015 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf
hingewiesen, dass die Klägerin ihren Hauptschulabschluss mit der Note 2 und die Berufsschule mit der Abschlussbewertung 2,1
absolviert habe. Sie möge gewisse Probleme gehabt haben sich durchzusetzen. Dies spreche aber grundlegend für eine Erwerbsfähigkeit.
Überlegungen hinsichtlich einer Erwerbsunfähigkeit von Geburt an hätten jedenfalls mit der Realität der Klägerin nichts zu
tun. Die Mobbingsituation in der Hauptschule, über die der Gutachter Dr. R. berichte, sei mit dem Schulwechsel beendet gewesen.
Die C. B-Stadt hat mit Datum 10.08.2015 mitgeteilt, dass Unterlagen über die Klägerin nicht mehr vorhanden seien.
In der mündlichen Verhandlung vom 08.09.2015 hat der Vorsitzende nach Erörterung des Sach- und Streitstandes darauf hingewiesen,
dass der Senat im Hinblick auf die Behandlung der Klägerin bei Frau W. im Jahr 2005 davon ausgehe, dass in der Zeit zuvor,
und zwar in 2004, eine Verschlechterung des psychischen Zustandes der Klägerin eingetreten sei.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
die bei Dr. H. vorhandenen Unterlagen über die Behandlung der Klägerin in den Jahren 2000 - 2009 einzuholen,
zum Maße der Verschlimmerung die anwesende Mutter der Klägerin, Frau S. K. zu hören,
und aufgrund der vorgelegten Zeugnisse zur Schulausbildung und Berufsausbildung einerseits und andererseits der Aussage der
Zeugin K. eine ergänzende gutachterliche Äußerung von Dr. R. einzuholen, und zwar hinsichtlich einer genaueren Feststellung
des Versicherungsfalles, insbesondere unter Berücksichtigung der vom Senat unterstellten Verschlimmerung des Gesundheitszustandes
der Klägerin für 2004.
Des Weiteren beantragt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.06.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 12.10.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin auf ihren Antrag vom 25.03.2011 hin Rente wegen voller,
hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.06.2013 zurückzuweisen.
Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster
und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und frist erecht ein ele te Berufun ist zulässi (§§
143 144 151
SGG).
Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Erwerbsminderungsrente
aufgrund ihres Antrages vom 25.03.2011 (umgedeuteter Reha-Antrag nach §
116 Abs.
2 SGB VI ) abgelehnt. Der Bescheid der Beklagten vom 25.07.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.10.2011 ist rechtlich
nicht zu beanstanden.
Gemäß §
43 Abs.
1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für
eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt
haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß §
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass ein Nachweis einer quantitativen Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin jedenfalls
zum Zeitpunkt des letztmaligen Vorliegens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderung am 31.05.2007
im Sinne des §
43 Abs.
1 Nr.
2 SGB VI bzw. §
43 Abs.
2 Nr.
2 SGB VI nicht geglückt ist.
Aufgrund des von der Beklagten eingeholten Gutachtens von Dr. Sch. vom 29.06.2011 ist davon auszugehen, dass zumindest im
Untersuchungszeitpunkt ein unter dreistündiges Leistungsvermögen der Klägerin vorgelegen hat. Aufgrund der festgestellten
Erkrankung einer schweren Persönlichkeitsstörung mit sozialen und kommunikativen Defiziten sah Dr. Sch. eine Leistungsfähigkeit
von unter 3 Stunden. Die Klägerin habe einen gewissen Leidensdruck und suche nach Behandlung. Der Verlauf sei offen und eine
Nachuntersuchung in einem Jahr gerechtfertigt.
Auch Dr. B. bestätigt in ihrem Gutachten vom 07.09.2012 die Einschätzung von Dr. Sch. hinsichtlich der getroffenen Diagnose
und der Leistungseinschätzung von unter 3 Stunden im Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. Sch. und auch im Zeitpunkt ihrer
Untersuchung, verlagert einen möglichen Leistungsfall jedoch bereits "in das Jahr 2009", ohne dies näher eingrenzen zu können,
anhand des Befundberichtes von Dr. R. vom 19.06.2012. Ein früherer Leistungsfall wird von der Sachverständigen Dr. B. nicht
gesehen, insbesondere nicht unter Berücksichtigung des Behandlungsberichts von Dipl.-Psych. W. vom 28.08.2006.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin im Jahr 2011 einen Antrag auf Gewährung einer stationären medizinischen
Rehabilitationsmaßnahme gestellt hatte, der dann aufgrund des Gutachtens von Dr. Sch., die eine Reha-Fähigkeit der Klägerin
zum aktuellen Zeitpunkt verneint hatte, in einen Rentenantrag auf der Grundlage des §
116 SGB VI umgedeutet wurde. Begründet wurde dieser Reha-Antrag mit einer Angsterkrankung der Klägerin mit Panikattacken und einem Verdacht
auf eine Persönlichkeitsstörung. Schwerwiegende, andauernde, nicht behandelbare Depressionen waren damals weder von der Klägerin
vorgetragen, noch von ihren behandelnden Ärzten festgehalten.
Der Hausarzt Dr. H. bestätigte in seinem Bericht vom 16.03.2011, dass zahlreiche Therapien der Klägerin gescheitert seien,
auch wegen der Angst der Patientin von zu Hause (=Mutter) eventuell weg zu müssen. Es bestehe ein Abhängigkeitsverhältnis
Mutter/Tochter mit "Schrei" nach Bestätigung und Fürsorge. Eine Eigeninitiative sei nicht machbar bzw. erkennbar. Nur mit
Mutter fühle sich die Patientin stark (Abhängigkeit? Pseudoautonomie?) In Rückschau der jahrelangen "Angstkarriere" sei eine
psychosomatische stationäre Reha-maßnahme dringend notwendig.
Aus diesem Hinweis des behandelnden Hausarztes ergibt sich, dass insoweit eine akute Behandlungsbedürftigkeit der Klägerin
bestanden hat. Dr. Sch. analysierte diese notwendige zwingende stationäre Behandlungsbedürftigkeit dahingehend, dass diese
zumindest zu einem mehr als sechs Monate andauernden, unter dreistündigen Leistungsvermögen der Klägerin führt, wenn auch
nur vorübergehend bis die Behandlung abgeschlossen ist.
Der Gynäkologe Dr. G. hat in seinem Befundbericht vom 25.05.2010 angeführt, dass es sich weniger um körperliche Einschränkungen
handelt, sondern eher um die Suche eines ängstlich-anstrengenden Kindes nach elterliche Bestätigung und Fürsorge. Ein Spiel
um Abhängigkeit und (Pseudo-) Autonomie. Die Klägerin erschöpfe ihre Familie mit ihrer Ängstlichkeit und verhindere eine altersgemäße
Verselbständigung.
Im Rahmen des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. Sch. vom 29.06.2011 waren wesentliche Daten des Lebenslaufes
der Klägerin festgehalten. So hat die Klägerin im Jahr 2005 geheiratet, hat im Jahr 2006 eine Fehlgeburt erlitten (eine weitere
offenbar im Jahr 2009). Sie hat keine Kinder. Sie hat die Hauptschule absolviert und Kinderpflegerin gelernt. Sie hat die
Ausbildung abgeschlossen, war anschließend in einer Behinderteneinrichtung versicherungspflichtig beschäftigt. Sie hat bei
Dr. Sch. angegeben, gelegentlich Cymbalta als Medikation erhalten zu haben und sporadisch Termine zur Psychotherapie. Sie
übe verschiedene Mini-Jobs aus, derzeit wohl als Verkäuferin, sei Mobbingopfer, sei aber auf das Geld angewiesen, weil sie
mit ihrem Ehemann ein Haus bauen würde.
Aus dem im Widerspruchsverfahren von der Klägerin vorgelegten Attest von Dr. M. vom 20.09.2011 geht hervor, dass dieser die
Klägerin seit 1998 hausärztlich betreue und dass die Klägerin seit dieser Zeit unter psychosomatischen und psychosozialen
Störungen im Sinne von Angstzuständen und einer sozialen Phobie leide. Es sei häufiger zu abklärungs- und behandlungspflichtigen
Symptomen gekommen. Es sei der Klägerin aufgrund ihrer psychischen Konstellation zunehmend schwerer gefallen, regelmäßige
Erwerbstätigkeiten auszuüben, trotz vorhandener Leistungsbereitschaft und Durchhaltewillens. Ab 2002 hätten die genannten
Beschwerden nach Häufigkeit und Intensität zugenommen und hätten psychotherapeutische Sitzungen erfordert.
Frau Dr. Sch. hat in ihrer prüfärztlichen Stellungnahme im Rahmen des Widerspruchsverfahrens darauf hingewiesen, dass die
Klägerin bei ihr selbst angegeben habe, dass sich ihre psychische Erkrankung mit der Endometriose-OP im Jahr 2008 verschlimmert
und der soziale Rückzug begonnen habe. Es habe aber niemals eine leitliniengerechte Therapie stattgefunden.
Ausgehend von diesen eigenen Angaben der Klägerin würde sich zunächst ein Behandlungsbedarf im Jahr 2008 manifestieren und
die Einleitung entsprechender leitliniengerechter Therapien erfordern, was aber nicht automatisch zur Gewährung einer Rente
wegen Erwerbsminderung führen würde. Das von Dr. Sch. zunächst festgestellte Leistungsbild von unter 3 Stunden täglich hat
eine mehr als 6monatige Behandlung erfordert, so dass das Leistungsbild der Klägerin nach Ablauf eines Jahres hätte überprüft
werden müssen. Eine solche leitliniengerechte Behandlung hat weder bis zur Reha-Antragsstellung im Jahr 2011 noch bis heute
stattgefunden.
Im Versicherungsverlauf der Klägerin ist des Weiteren dokumentiert, dass die Klägerin seit 2005 mit geringen Unterbrechungen
auch geringfügig beschäftigt war, teils als Putzhilfe in Privathaushalten (auch mehrere parallel), aber auch als Verkäuferin,
was gegen einen massiven sozialen Rückzug sprechen würde. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen
Verhandlung vom 08.09.2015 darauf hingewiesen, dass die Klägerin sich ausgesprochen gequält habe, wenn sie im Rahmen der geringfügigen
Beschäftigungen habe zur Arbeit gehen müssen. Sie sei hier auch immer wieder ein Opfer von Mobbing geworden. Im Versicherungsverlauf
der Klägerin zeigt sich aber eine längere Unterbrechung der geringfügigen Tätigkeiten erst nach dem 15.05.2009, was mit der
Einschätzung von Frau Dr. B. und dem Befundbericht von Dr. R. übereinstimmen würde.
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hinweist, dass das Herantreten der Klägerin an eine psychotherapeutische
Behandlung als Anknüpfungspunkt für einen Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung dienen müsse, ist festzuhalten, dass zum
einen eine erstmalige Behandlungsaufnahme für sich allein nicht geeignet ist, eine dauerhafte, d. h. mindestens 6 Monate andauernde,
quantitative Leistungsminderung nachzuweisen. Zum anderen ist in dem Bericht der Dipl.-Psych. W. vom 28.08.2006 ausgeführt,
dass bereits nach relativ kurzer Behandlung Behandlungserfolge erzielt werden konnten. Kontaktaufnahme der Klägerin mit Dipl.
Psych. W. war im September 2005 gewesen, die Indikation für eine Langzeittherapie wurde von der Dipl.-Psych. gesehen, weil
die Klägerin bereits erste Fortschritte erzielen konnte und schwerpunktmäßig diese beginnenden Erfolge vertieft werden sollten,
also weitergehender Behandlungsbedarf von (lediglich) 20 Stunden gesehen wurde.
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf das Gutachten Dr. R. vom 09.04.2013 abstellt, hat das Sozialgericht bereits
zutreffend darauf hingewiesen, dass Anhaltspunkte für eine leistungsbeeinträchtigende Intelligenzminderung der Klägerin nicht
bestehen. Diese Diagnose wurde weder von den behandelnden Ärzten der Klägerin noch von den Sachverständigen im Verwaltungsverfahren
oder SG-Verfahren gestellt. Auch Dipl. Psych. W. hatte in ihrem Bericht festgehalten, dass die Intelligenz der Klägerin grob geschätzt
in Normbereich liege. Im Zentrum standen jeweils andere Erkrankungen, die massiv durch die psychische Situation in Form der
Angst- und Persönlichkeitsstörung überlagert wurden. Frau Dr. B. setzt sich ausdrücklich damit auseinander, dass die Persönlichkeitsstörung
der Klägerin selbstverständlich schon längere Zeit vorhanden gewesen sei, dass diese aber noch nicht depressiv überlagert
war. Erst im Jahr 2009 sei erstmals bei Dr. R. eine schwere Depression festgehalten. Das Zusammenspiel dieser Angst- und Persönlichkeitsstörung
mit der Depression führten letztlich nach Auffassung von Dr. B. zu einer Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens.
Ob dies bereits 2009 der Fall war oder ob durch Ergreifen von leitliniengerechten Therapiemaßnahmen lediglich ein behandlungsbedürftiger
Krankheitszustand vorgelegen haben könnte, kann aufgrund der zu diesem Zeitpunkt jedenfalls definitiv fehlenden versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen dahingestellt bleiben.
Die Argumentation von Dr. R. im Hinblick auf die Intelligenzminderung der Klägerin wird aber auch vom Prozessbevollmächtigten
der Klägerin selbst nicht für schlüssig erachtet. In seinen Schriftsätzen vom 29.04.2014, 19.01.2015, 11.02.2015 und 28.04.2015
hat er selbst darauf hingewiesen, dass die Klägerin durchaus in der Lage gewesen ist, ihre Schulausbildung und ihre Ausbildung
zur Kinderpflegerin zu absolvieren, und zwar mit gutem Erfolg. Sie hat anschließend über ein Jahr die erlernte Tätigkeit in
einer Behinderteneinrichtung in einer Vollzeitbeschäftigung und damit auch sozialversicherungspflichtig ausüben können und
sie hat über viele Jahre auch geringfügige Tätigkeiten über längere Zeiträume verrichtet. Die Klägerin hat im Jahr 2005 geheiratet,
es bestand die Absicht, zusammen mit ihrem Ehemann eine Familie zu gründen. Es bestand die Absicht, ein Haus zu bauen, was
auch umgesetzt wurde. Weil hierfür Geld benötigt wurde, war die Klägerin immer wieder geringfügig beschäftigt gewesen. Der
Hinweis des Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf den Umstand, dass die Klägerin ohne ihre Mutter nicht habe aus dem Haus
gehen können und dass die Klägerin alles nur im Beisein der Mutter habe erledigen können, dürfte wohl im Hinblick auf die
Ausübung der geringfügigen Tätigkeiten, insbesondere soweit diese in Privathaushalten ausgeübt wurden, nicht zutreffend sein.
Es ist kaum anzunehmen, dass die Mutter der Klägerin mit zum Putzen in die Privathaushalte gegangen sein könnte.
Dr. R. hat darüber hinaus in seinem Gutachten keinerlei Erhebungen über den Tagesablauf der Klägerin gemacht, sondern seine
Feststellungen ausschließlich auf die eigenen Angaben der Klägerin gestützt, ohne diese etwa durch Erhebung einer Fremdanamnese
oder durch entsprechend ausführliche Testungen zu verifizieren. Durchgeführt wurden von ihm lediglich ein Mehrfachwahl-Wortschatz-Intelligenztest
(MWT-B) sowie ein Beck´sches Depressions-Inventar (BDI), das (trotz ausführlicher Erläuterung) nicht verwertbar war, weil
fast alle Aussagen angekreuzt wurden Dem Gutachten kann bereits aus diesem Grund nicht gefolgt werden.
Dem gegenüber hat Frau Dr. B. in ihrem Gutachten vom 07.09.2012 den Tagesablauf der Klägerin festgehalten. Danach stehe die
Klägerin erstmals gegen Mittag auf und sei froh, dass der halbe Tag schon um sei. Am Nachmittag verrichte sie ihre Hausarbeit.
Sie koche zu Abend. Sei brauche zwischendurch viel Zeit um sich auszuruhen. Einkaufen gehe sie alleine, meist benütze sie
das Auto. In unbekannte Gegenden traue sie sich nicht alleine. Sie wohne jetzt ein Jahr in A-Stadt, sei in dieser Zeit einmal
zusammen mit ihrem Ehemann in B-Stadt gewesen. Den Abend verbringe sie vor dem Fernseher. Gegenüber Frau Dr. B. hat die Klägerin
auch angegeben, ab dem 01.05.2011 in psychotherapeutischer Behandlung bei Herrn Dr. B. vom Sozialpsychiatrischen Dienst der
Diakonie in C-Stadt zu sein. Sie fahre gelegentlich selbst mit dem Pkw, häufig werde sie auch von ihrem Mann gefahren. Sie
übernachte bei ihren Eltern, wenn sie einmal wöchentlich nach C-Stadt fahre. Sie sei aber noch nie in nervenärztlicher Behandlung
gewesen und werde auch nicht antidepressiv behandelt. Die für den 15.08.2012 geplante Klinikbehandlung in der Psychosomatischen
Klinik in Bad N. habe sie wegen Panik vor einem Klinikaufenthalt abgesagt. Damit ist aber auch dokumentiert, dass auch noch
im Jahr 2012, der Begutachtung durch Dr. B., keine adäquate psychiatrische, psychotherapeutische und medikamentöse Behandlung
der psychischen Erkrankung der Klägerin stattgefunden hat. Das einmalige oder erstmalige Auftreten einer schweren Depression
im Jahr 2009 vermag sicherlich zu einem erheblichen Behandlungsbedarf geführt haben, ist aber noch kein Nachweise einer unüberwindbaren
Störung, die zu einer dauerhaften quantitativen Leistungsminderung vorübergehend oder auf Dauer führt oder geführt haben könnte.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Senates können aber psychische Erkrankungen erst dann rentenrechtlich relevant werden, wenn trotz adäquater Behandlung
(medikamentös, therapeutisch, ambulant oder stationär) davon auszugehen ist, dass der Versicherte die psychischen Einschränkungen
weder aus eigener Kraft noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe dauerhaft nicht mehr überwinden kann ( BSG Urteil vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89 ; BSG Urteil vom 29.03.2006 - B 13 RJ 31/05 R - jeweils zitiert nach juris; BayLSG Urteil vom 12.10.2011 - L 19 R 738/08 ; BayLSG Urteil vom 30.11.2011 - L 20 R 229/08; BayLSG Urteil vom 18.01.2012 - L 20 R 979/09 ; BayLSG Urteil vom 15.02.2012 - L 19 R 774/06 ; BayLSG Urteil vom 21.03.2012 - L 19 R 35/08 ; BayLSG, Urteil vom 22.10.2014 - L 19 R 1075/11 ; BayLSG Urteil vom 26.03.2015 - L 19 R 1043/11 ). Deshalb kann auch das erstmalige Herantreten an eine Psychotherapeutin im Jahr 2005 nicht als Eintritt eines Leistungsfalls
gewertet werden. Insoweit kommt auch dem Hinweis des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung, dass der Senat durchaus von
einer Leidensverschlimmerung der psychischen Situation im Jahr 2004 ausgehe, keine weiterreichende Bedeutung zu. Das Erkennen
einer Behandlungsbedürftigkeit ist noch kein Leistungsfall im Sinne des §
43 SGB VI .
Die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Verfahren vorgetragenen unterschiedlichen Anknüpfungsversuche an Ereignisse
oder Daten im Leben der Klägerin zur Begründung eines früheren Leistungsfalles, insbesondere vor dem 31.05.2007, stehen entweder
im Widerspruch zu den eigenen Angaben der Klägerin im Verfahren oder im Widerspruch zu den vorliegenden Befundberichten und
Sachverständigengutachten. Das Gutachten nach §
109 SGG von Dr. R. hält der Prozessbevollmächtigte der Klägerin insoweit selbst nicht für hilfreich. Von einer relevanten Intelligenzminderung
der Klägerin kann sicherlich nicht ausgegangen werden, wovon sich der Senat auch in der mündlichen Verhandlung vom 08.09.2015
selbst überzeugen konnte. Die objektive Beweislast für einen früheren Eintritt der Erwerbsminderung im Sinne der dauerhaften
quantitativen Leistungsminderung und das gleichzeitige Vorliegen der notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
trägt jedoch die Klägerin.
Den vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 08.09.2015 gestellten Beweisanträgen musste
der Senat nicht Folge leisten:
Die von Dr. H. beizuziehenden Unterlagen wurden erstmals in der mündlichen Verhandlung angesprochen. Dr. H. hat aber den Reha-Antrag
der Klägerin im Jahr 2011 unterstützt und hier einen Befundbericht erstellt, obwohl er angeblich bereits im Jahr 2009 seine
Praxis aufgegeben haben soll. Der Befundbericht datiert vom 16.03.2011. Ein substantiierter Vortrag, was möglicherweise aus
früheren Behandlungsunterlagen von Dr. H. für dieses Verfahren folgen soll, ist vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht
dargelegt worden.
Einer Einvernahme der Mutter der Klägerin musste nicht entsprochen werden, weil dieser Beweisantrag nicht formgerecht gestellt
wurde. Einer Einvernahme "zum Maß der Verschlimmerung" bedurfte es nicht, da das subjektive Erleben - noch dazu mit einem
Zeitabstand von 8 Jahren - die zeitnahen Feststellungen der Ärzte und medizinischen Sachverständigen nicht überlagern kann
und es auch als wahr unterstellt werden kann, dass die Mutter das Zusammenleben mit der Klägerin als äußerst belastend empfunden
haben kann. Dies geht bereits aus den ärztlichen Befundberichten aus dem Jahr 2011 unzweifelhaft hervor.
Auch die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme von Dr. R. unter Berücksichtigung von Schulzeugnissen und der Erklärung
des Senatsvorsitzenden hält der Senat für nicht erforderlich. Dr. R. war über die Schul- und Berufsausbildung der Klägerin
informiert und hat diesen Umstand auch in seinem Gutachten verwertet. Er hatte sich in seinem Gutachten ausdrücklich der Diagnosestellung
von Dr. B. angeschlossen, sich aber entscheidend auf die von den anderen Gutachtern "übersehene" Intelligenzminderung der
Klägerin gestützt, obwohl er vom Ausbildungsgang der Klägerin Kenntnis hatte. Neue Umstände, zu denen der Sachverständige
Dr. R. ergänzend Stellung nehmen müsste, sind nicht eingetreten.
Nach alledem war die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.06.2013 als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG .
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nrn. 1 u. 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.