Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses einer Regelaltersrente nach erfolgter Beitragserstattung
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger trotz erfolgter Beitragserstattung einen Anspruch auf Altersrente gegen
die Beklagte hat.
Der 1938 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Türkei. Er war von 1969 bis 1975 in Deutschland
sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Auf Antrag des Klägers erstattete die Beklagte im Jahre 1978 die von dem Kläger
geleisteten Beiträge zur deutschen Rentenversicherung.
Am 23.05.2003 beantragte der Kläger die Gewährung von Altersrente. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 25.06.2003 ab.
Dem Kläger seien die zur deutschen Rentenversicherung entrichteten Beiträge erstattet worden. Damit seien keine auf die Wartezeit
anrechnungsfähigen Zeiten mehr vorhanden, sodass ein Anspruch auf Versichertenrente nicht bestehe. Der hiergegen eingelegte
Widerspruch wurde sodann mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2003 als unbegründet zurückgewiesen.
Die dagegen zum Sozialgericht Bayreuth am 02.12.2003 erhobene Klage ist durch Urteil vom 21.03.2007 ohne mündliche Verhandlung
als unbegründet abgewiesen worden.
Zur Begründung der dagegen beim Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung hat der Kläger vorgetragen, er habe einen
Anspruch auf Rente aus den von den Arbeitgebern geleisteten Beiträgen. Diese seien ihm nicht erstattet worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 21.03.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 24.10.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Antragstellung Altersrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und
zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgerichtsgesetz -
SGG -), aber unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht mit Bescheid vom 25.06.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2003
einen Anspruch des Klägers auf Altersrente abgelehnt.
Ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von Altersrente setzt gemäß §
35 SGB VI voraus, dass er die Regelaltersgrenze erreicht hat und die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt ist (§
50 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGB VI). Der Kläger kann aber keine auf die Wartezeit anrechenbaren Versicherungszeiten mehr nachweisen, denn die von ihm aufgrund
der versicherungspflichtigen Tätigkeit geleisteten Beiträge für die Zeit von 1969 bis 1975 wurden von der Beklagten auf seinen
Antrag im Jahre 1978 erstattet. Durch die Erstattung sind die vom Kläger zurückgelegten Beitragszeiten verfallen, das Versicherungsverhältnis
ist aufgelöst worden. Auch aus den nicht erstatteten Arbeitgeberbeiträgen zur Rentenversicherung kann ein Anspruch auf Regelaltersrente
nicht hergeleitet werden.
Da dem Kläger die Beiträge vor dem 01.01.1992 erstattet wurden, ist § 1303
Reichsversicherungsordnung (
RVO) anzuwenden, denn §
210 SGB VI ist erst auf Beitragserstattungen ab dem 01.01.1992 anzuwenden (Art 85 Abs 1 Rentenreformgesetz 1992 - RRG 1992 - vom 18.12.1989, BGBl I 2261 iVm Art 42 Rentenüberleitungsgesetz - RÜG - vom 25.07.1991, BGBl I 16 6, vgl. Kassler Kommentar - Gürtner §
210 SGB VI Rdnr 28 mwN). Gemäß § 1303 Abs 1 Satz 1
RVO sind dem Kläger auf Antrag die Hälfte der für die Zeit nach dem 20.06.1948 im Bundesgebiet entrichteten Beiträge zu erstatten.
Dies ist hier im Jahre 1978 erfolgt. Gründe, die für eine Unwirksamkeit der Erstattung sprechen sind nicht erkennbar und werden
vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Unstreitig steht somit fest, dass die vom Kläger während seiner versicherungspflichtigen
Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland geleisteten Beiträge erstattet worden sind.
Gemäß § 1303 Abs 7
RVO schließen diese Beitragserstattungen weitere Ansprüche aus den zurückliegenden Versicherungszeiten aus. Weitere - spätere
- rentenrechtliche Zeiten hat der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland nicht zurückgelegt. Die durchgeführten Beitragserstattungen
führen dabei nicht nur zur Auflösung des beim Rentenversicherungsträger aufgelaufenen Guthabens der erstattungsfähigen Beiträge,
sondern zur rückwirkenden Löschung des Versicherungsverhältnisses als solchem in seiner Gesamtheit bzw. in leistungsrechtlicher
Hinsicht zum Verfall der bis dahin zurückgelegten Versicherungszeiten (BSG vom 18.02.1981 - 1 RJ 134/79 - SozR 2200 § 1303 Nr 18 bezüglich der Heiratserstattung nach § 1304 Abs 1
RVO a.F.). Die Beitragserstattung nach § 1303
RVO hat die Auflösung des Versicherungsverhältnisses als Rechtsfolge, ohne dass dies in dieser Vorschrift ausdrücklich bestimmt
war (vgl. dazu BSG vom 16.01.1968 - 11 RA 290/66 - SozR Nr 66 zu § 1246). Auch der Fortfall der Ansprüche aus den "bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten"
(§
54 SGB VI) entspricht weitgehend dem bisherigen Recht. Zwischen dem Kläger und der Beklagten besteht somit kein Versicherungsverhältnis
mehr, aus dem Ansprüche hergeleitet werden könnten. Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und der Beklagten sind mit der
Beitragserstattung endgültig beseitigt. Mangels Versicherungsverhältnis kann sich auch kein Anspruch auf eine Rente allein
aus den nicht erstatteten Arbeitgeberbeiträgen zur Rentenversicherung ergeben. Der Kläger kann sich insoweit nicht auf eine
Verletzung von Grundrechten berufen. Das Bundesverfassungsgericht und das Bundessozialgericht haben bereits wiederholt entschieden,
dass der Kläger aus den nicht erstatteten Beitragsanteilen des Arbeitgebers allein keine eigentumsrechtlichen Anwaltschaften
erlangt, die über Art
14 des Grundgesetzes (
GG) geschützt wären (vgl. BVerfG - 1 BVR 772/85 - SozR 2200 § 1303 Nr 34; BSG vom 18.02.1981 - 1 RJ 134/79 - SozR 2200 § 1303 Nr 18, BSG vom 04.10.1979 - 1 RA 83/78 - SozR 2200 § 1303 Nr 14). Ein Verstoß gegen andere Grundrechte des Klägers, insbesondere den Gleichheitssatz nach Art
3 GG ist ebenfalls nicht zu erkennen. Die Beitragserstattung führt bei allen Versicherten zu einer Auflösung des Versicherungsverhältnisses
und damit in leistungsrechtlicher Hinsicht zu einem Verfall der bis dahin zurückgelegten Versicherungszeiten, sodass ein verfassungsrechtlich
relevanter Tatbestand der Ungleichbehandlung nicht gegeben ist (vgl. auch BVerfG Beschluss vom 16.06.1981 - 1 BVR 445/81 -
SozR 2200 § 1303 Nr 19).
Das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 21.03.2007, das die Klage gegen den Bescheid vom 25.06.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 24.10.2003 als unbegründet abgewiesen hat, ist somit rechtlich nicht zu beanstanden. Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.