Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
Unerheblicher Arbeitgeberwechsel
Fortgeltung früher ergangener Befreiungsbescheide
Tatbestand
Streitig ist die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Beschäftigung
ab dem 17.03.1997 bei der A. GmbH, nachfolgend B. GmbH und inzwischen C. GmbH (Beigeladene zu 2).
Der 1954 geborene Kläger, österreichischer Staatsangehöriger, ist Bauingenieur und war seit dem 01.02.1980 bei der R. AG in
B-Stadt beschäftigt. Seit dem 21.12.1995 war er kraft Gesetzes Mitglied der Bayerischen Ingenieursversorgung-Bau (Beigeladene
zu 1) und freiwilliges Mitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau.
Auf den Befreiungsantrag vom 13.12.1995 wurde der Kläger mit Bescheid vom 27.02.1996 unter Bezug auf die Mitgliedschaft bei
der Beigeladenen zu 1) von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Im Bescheid heißt es unter
anderem:
"Die Befreiung gilt für die Dauer der Pflichtmitgliedschaft und einer daran anschließenden freiwilligen Mitgliedschaft in
der Versorgungseinrichtung unter Beibehaltung der Mitgliedschaft in der jeweiligen Berufskammer, soweit Versorgungsabgaben
in gleicher Höhe geleistet werden, wie ohne die Befreiung Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten zu zahlen wären.
Sie ist grundsätzlich auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt.
Die Befreiung erstreckt sich auch auf andere versicherungspflichtige Tätigkeiten, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich
im Voraus vertraglich begrenzt wird und insoweit satzungsgemäß einkommensbezogene Beiträge zur Versorgungseinrichtung gezahlt
werden".
Am 18.03.2014 beantragte der Kläger die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die vom 17.03.1997 bis zum 31.03.2006
ausgeübte Beschäftigung als Projektleiter bei der A. GmbH und die anschließende seit 01.04.2006 ausgeübte Tätigkeit als Geschäftsführer
der B. GmbH, inzwischen C. GmbH.
Mit Bescheid vom 29.09.2014 lehnte die Beklagte den Befreiungsantrag auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen ab, da der
Kläger seit dem 21.12.1995 lediglich freiwilliges Mitglied in der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau sei. Nach §
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) in der weiterhin gültigen Fassung ab 01.01.1996 könne die beantragte Befreiung nur erfolgen, wenn der Versicherte nicht
nur aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhender Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen
Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung seiner Berufsgruppe, sondern kraft gesetzlicher Verpflichtung auch Mitglied einer
berufsständischen Kammer sei. Die mit Bescheid vom 27.02.1996 ausgesprochene Befreiung von der Versicherungspflicht in der
gesetzlichen Rentenversicherung habe gemäß zwar §
231 Abs.
2 SGB VI über den 01.01.1996 hinaus weiter gegolten, allerdings nur für die damals ausgesprochene Befreiung für die Beschäftigung
bei der damaligen Arbeitgeberin, der R. AG B-Stadt.
Mit seinem Widerspruch vom 30.10.2014 führte der Kläger unter Hinweis auf Rechtsprechungsnachweise aus, dass sowohl nach der
Rechtsprechung des BSG (u.a. Urteile vom 09.05.2012 - B 5 RS 7/11 R und vom 20.03.2013 - B 5 RS 3/12 R -) als auch den Gesetzesmaterialen (BT-Drs. 11/4124, S. 151) lediglich berufsfremde Tätigkeiten von der Befreiung ausgenommen
seien. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2015 zurückgewiesen.
Am 27.07.2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München erhoben und an seiner Auffassung festgehalten, dass die Befreiung
sich auch auf die ab dem 17.03.1997 aufgenommene Tätigkeit erstrecke und er im Übrigen hinsichtlich des Befreiungsbescheids
vom 27.02.1996 Vertrauensschutz genieße.
In der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2015 hat der Kläger erklärt, dass er sich im Gleichbehandlungsgrundsatz sowie dem
Recht auf freie Berufswahl verletzt sehe. Mit Urteil vom 20.11.2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger
sei in seiner Beschäftigung als Bauingenieur bzw. Geschäftsführer ab dem 17.03.1997 gemäß §
1 Satz 1 Nr. 1
SGB VI versicherungspflichtig zur gesetzlichen Rentenversicherung und erfülle nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch
auf Befreiung von dieser Versicherungspflicht, da der Kläger zwar seit 21.12.1995 kraft Gesetzes Mitglied der Bayerischen
Ingenieurversorgung-Bau sei, allerdings nur freiwilliges Mitglied in der Bayerischen Ingenieurkammer-Bau. Es könne daher ungeprüft
bleiben, ob der Kläger seit 17.03.1997 weiterhin überwiegend als Bauingenieur tätig sei. Die mit Bescheid vom 27.02.1996 mit
Wirkung ab 21.12.1995 bezüglich der Tätigkeit bei der R. AG ausgesprochenen Befreiung sei aufgrund der damals geltenden Fassung
des §
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.1
SGB VI ausgesprochen worden, als die Befreiungsmöglichkeit noch nicht an das Tatbestandsmerkmal der Pflichtmitgliedschaft in einer
berufsständischen Kammer geknüpft gewesen sei. Diese Befreiung dauere nicht über den 16.03.1997 hinaus fort. Auch die Voraussetzungen
der zum 01.01.1996 eingeführte Übergangsregelung, die nur für die jeweilige Beschäftigung oder Tätigkeit gelte, seien nicht
erfüllt. Darauf sei der Kläger im Befreiungsbescheid vom 27.02.1996 auch hingewiesen worden. Aufgrund der beschränkten Befreiung
bezogen auf das konkrete Arbeitsverhältnis habe die ursprüngliche Befreiung auch nicht aus Gründen der Rechtssicherheit oder
Rechtsklarheit widerrufen werden müssen. Da auch ein zeitnah gestellter Befreiungsantrag bzgl. der am 17.03.1997 begonnenen
Beschäftigung bei der A. GmbH hätte abgelehnt werden müssen, müssten auch Gesichtspunkte wie Treu und Glauben ausscheiden.
Dass der Kläger bei einem Arbeitergeberwechsel in unterschiedliche Altersversorgungssysteme einzuzahlen habe, mache einen
Wechsel weder faktisch noch in rechtlicher Hinsicht unmöglich und stelle auch keinen unzulässigen, verfassungswidrigen Eingriff
in die Rechtsposition aus Art.
12 Grundgesetz (
GG) dar.
Mit seiner Berufung, die am 15.01.2016 beim Sozialgericht eingegangen ist, hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und
insbesondere eine Verletzung von Art.
12 GG gerügt, da er zwar weiterhin als Bauingenieur tätig sein könne, aber nicht frei in seiner Arbeitsplatzwahl sei, wenn er mit
einem Arbeitgeberwechsel mit einer Änderung des Altersversorgungssystems rechnen müsse. So würde dies auch bei Firmenaufkäufen
etc. gelten. Allerdings werde hinsichtlich der Fortwirkung der mit Bescheid vom 27.02.1996 erteilten Befreiung weiterhin die
Auffassung vertreten, dass es danach gerade nicht auf den jeweiligen Arbeitgeber, sondern ausschließlich auf die Art der Beschäftigung
ankomme. Jedenfalls genieße der Kläger insoweit Vertrauensschutz.
Im Erörterungstermin am 08.08.2017 hat die Berichterstatterin u.a. darauf hingewiesen, dass ausgehend von der Argumentation
einer fortdauernden Befreiung als Hauptantrag ein Feststellungsantrag gestellt werden müsste. Das Verfahren ist anschließend
im Hinblick auf verschiedene beim BSG anhängige Revisionen ruhend gestellt worden. Nach der Veröffentlichung der Entscheidungsgründe des Urteils vom 05.12.2017
(Az.: B 12 KR 11/15 R) hat der Bevollmächtigte des Klägers beantragt, das Verfahren weiter zu betreiben und Terminantrag gestellt. Er hat mit Schreiben
vom 06.02.2019 erklärt, dass Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung besteht und die Zulassung der
Revision beantragt. Die Beklagte hat Schreiben vom 19.02.2019 ebenfalls ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche
Verhandlung erklärt.
Da der Kläger die Auffassung vertritt, es würde weiterhin der Befreiungsbescheid vom 27.02.1996 gelten, legt der Senat unter
Berücksichtigung des im Termin vom 08.08.2017 erteilten Hinweises folgenden Antrag zugrunde:
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.11.2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 24.06.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für die Beschäftigung bei der A. GmbH, nachfolgend B.
GmbH und inzwischen C. GmbH ab dem 17.03.1997 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien,
hilfsweise das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.11.2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29.09.2014 in Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 24.06.2015 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger in seiner Beschäftigung bei der A.
GmbH, nachfolgend B. GmbH und inzwischen C. GmbH ab dem 17.03.1997 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
befreit ist,
hilfsweise:
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Leistungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten
beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat kann mit Einverständnis des Klägers und der Beklagten gemäß §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Berufung ist gemäß §§
143,151
SGG zulässig, insbesondere statthaft und form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist aber unbegründet. Der Bescheid vom 29.09.2014
in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.06.2015 ist gegenüber dem Kläger rechtmäßig ergangen und verletzt ihn nicht in
seinen Rechten.
1. Der Kläger wendet sich mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig gegen die Ablehnung des Befreiungsantrags
vom 18.03.2014 mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 29.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.06.2015
und beantragt die Verpflichtung der Beklagten zur Befreiung von der Versicherungspflicht für die ab dem 17.03.1997 ausgeübten
Beschäftigungen bei der A. GmbH, nachfolgend B. GmbH und inzwischen C. GmbH. Hilfsweise begehrt er unter Aufhebung der angefochtenen
Bescheide die Feststellung, dass er weiterhin aufgrund der mit Bescheid vom 27.02.1996 erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht
befreit ist.
2. Die Berufung ist sowohl im Hauptantrag als auch im Hilfsantrag unbegründet. Der Kläger ist in seiner Beschäftigung ab dem
17.03.1997 bei der A. GmbH, nachfolgend B. GmbH und inzwischen C. GmbH nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung zu befreien. Auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung rückwirkend überhaupt möglich
wäre, kommt es dabei nicht entscheidend an, weil die Voraussetzungen für die Befreiung bereits seit dem 17.03.1997 nicht mehr
vorliegen und auch nachträglich nicht neu entstanden sind. Auch aus dem Bescheid vom 27.02.1996 hat der Kläger keinen Anspruch
auf fortdauernde Befreiung.
2.1. Der Kläger hat ab dem 17.03.1997 keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung,
weil die Voraussetzungen für die Befreiung seit diesem Zeitpunkt nicht mehr gegeben sind.
Gemäß §
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI i.d. Fassung vom 15.12.1995 (und nachfolgend) werden von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
befreit:
Angestellte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz
angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder
Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung
Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine
gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze
zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene
erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen
ist.
Diese Voraussetzungen sind beim Kläger schon deshalb nicht erfüllt, weil er zwar seit 21.12.1995 kraft Gesetzes Mitglied der
berufsständischen Versorgungseinrichtung, der Bayerischen Ingenieurversorgung Bau ist, nicht aber zugleich kraft gesetzlicher
Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer. Denn er ist, was die zuständige Kammer, die Bayer. Ingenieurekammer-Bau
mit Schreiben vom 31.03.2014 bestätigt hat, bis heute nur freiwilliges Mitglied dieser Kammer.
Auf die Frage einer Rückwirkung einer möglichen Befreiung kommt es daher unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr entscheidend
an.
2.2. Die Klage ist auch als Feststellungsklage unbegründet, weil die Befreiungsentscheidung vom 27.02.1996 auf die vom Kläger
damals ausgeübte Beschäftigung für die Firma R. AG beschränkt war und sich nicht auch auf die vom Kläger anschließend ab dem
17.03.1997 ausgeübten Tätigkeiten als Projektleiter bei der A. GmbH und später als Geschäftsführer für deren Nachfolgerinnen
erstreckt. Die Übergangsregelung des §
231 Abs.
2 SGB VI, ebenfalls in der Fassung vom 15.12.1996 ist auf den Kläger nicht anwendbar, weil es sich bei der zum 17.03.1997 aufgenommenen
Beschäftigung um ein neues Beschäftigungsverhältnis gehandelt hat. Einer Aufhebung des Befreiungsbescheids vom 27.02.1996
gemäß § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) bedurfte es daher nicht (so schon BSG, Urteil vom 22.10.1998 - B 5/4 RA 80/97 R -, BSGE 83, 74-82 sowie zuletzt Urteile vom 05.12.2017 - B 12 KR 11/15 R - juris und vom 13.12.2018 - B 5 RE 1/18 R -). Nichts anderes ergibt sich vorliegend aus der konkreten Gestaltung des Bescheids
vom 27.02.1996 (vgl. BSG, Beschluss vom 01.03.2018 - B 5 RE 3/17 R -). Auch ein möglicher Anspruch des Klägers auf Befreiung unter dem Aspekt eines
sozialrechtlichen Herstellungsanspruches oder unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben, wie im Urteil des
12. Senats des BSG vom 31.10.2012 angedeutet (Az. B 12 R 3/11 R, Rn. 33f. nach juris), scheidet aus.
2.2.1.
Der Befreiungsbescheid vom 27.02.1996 war auf die Dauer der Beschäftigung des Klägers bei der R. AG beschränkt und hat mit
dem Wechsel des Klägers zur A. GmbH zum 17.03.1997 seine Wirkung verloren. Als Rechtsgrundlage für die begehrte Feststellung
zur Fortdauer der erteilten Befreiung von der Rentenversicherungspflicht kommt ausschließlich §
231 Abs.
2 Satz 1
SGB VI in der Fassung vom 15.12.1995 in Betracht. Nach dieser Bestimmung bleiben Personen, die aufgrund eines bis zum 31.12.1995
gestellten Antrags spätestens mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an nach §
6 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung von der Versicherungspflicht befreit waren, in der jeweiligen Beschäftigung
oder selbstständigen Tätigkeit von der Versicherungspflicht befreit. Die Voraussetzungen dieser Norm sind jedoch nicht erfüllt,
weil die darin geforderte "Identität" zwischen der Beschäftigung des Klägers bei der R. AG, die der mit Bescheid vom 27.02.1996
erteilten Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zugrunde lag, und der Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2) und
ihrer Rechtsvorgängerinnen, der A. GmbH und der B. GmbH, nicht gegeben ist. Auf die Frage, ob der Kläger aufgrund der dort
ausgeübten Tätigkeit und der Zugehörigkeit zu einem der in §
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI genannten Versorgungswerke und bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen befreit werden könnte, weil es sich um eine vergleichbare
Tätigkeit gehandelt hat, kommt es dabei nicht entscheidend an. Denn es hat sich anschließend nicht mehr - wie von §
231 Abs.
2 Satz 1
SGB VI gefordert - um dieselbe Beschäftigung gehandelt, die der ursprünglichen Befreiung von der Versicherungspflicht zugrunde lag.
Sowohl §
231 Abs.
1 als auch Abs.
2 SGB VI knüpfen für die fortdauernde Wirkung einer früheren Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
an die konkrete Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit an und fordern eine "Identität" der Beschäftigung oder selbstständigen
Tätigkeit, die während der ursprünglichen Befreiung von der Versicherungspflicht verrichtet wurde, mit der aktuellen Beschäftigung
oder selbstständigen Tätigkeit. Diese Fokussierung auf die konkrete Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit entspricht
der durch §
6 Abs.
5 Satz 1
SGB VI oder nach §
231 Abs.
2 SGB VI auf die "jeweilige" Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkten Wirkung einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht
(vgl. hierzu bereits BSG, Urteil vom 22.10.1998 - B 5/4 RA 80/97 R - BSGE 83, 74; BSG, Urteil vom 07.12.2000 - B 12 KR 11/00 R -). Auch der Gesetzeswortlaut definiert die Fortwirkung einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nicht über materielle
Merkmale der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit, wie etwa Berufsbezeichnung, berufliche Qualifikation oder beruflicher
Status. "Beschäftigung" wiederum wird in §
7 Abs.
1 Satz 1
SGB IV als "nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" definiert und in Abs. 1 Satz 2 der Regelung gekennzeichnet
als Eingliederung in die Arbeitsorganisation eines (konkreten) Weisungsgebers. Eine andere Beschäftigung liegt damit schon
dann vor, wenn eine Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber aufgenommen wird. Auch nach §
231 Abs.
2 SGB VI waren Personen, die aufgrund eines bis zum 31. Dezember 1995 gestellten Antrags spätestens mit Wirkung von diesem Zeitpunkt
an nach §
6 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung von der Versicherungspflicht befreit sind, nur in der jeweiligen Beschäftigung
oder selbständigen Tätigkeit weiterhin befreit (vgl. insbesondere BSG, Urteil vom 05.12.2017, a.a.O.). Bei den Firmen R. AG und A. GmbH hat es sich um unterschiedliche Rechtspersönlichkeiten
und Arbeitgeber gehandelt und bei den vom Kläger mit diesen abgeschlossenen Beschäftigungsverhältnissen um unterschiedliche
Beschäftigungsverhältnisse. Etwas anderes ist weder vom Kläger vorgetragen worden, noch ergibt es sich aus den vorgelegten
Unterlagen. Auf die Frage, in welchem rechtlichen Verhältnis die A. GmbH, die B. GmbH und die Beigeladene zu 2) zueinander
stehen, kommt es ebenfalls nicht entscheidend an.
Die Argumentation des Klägers setzt sich insoweit nicht mit den Voraussetzungen des §
231 Abs.
2 SGB VI und dem Tatbestandsmerkmal der "jeweiligen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit" auseinander, sondern ausschließlich
mit der Frage, ob der Kläger auch in seinen nachfolgend ausgeübten Tätigkeiten als Projektleiter und Geschäftsführer befreit
werden könnte, sofern auch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen, insbesondere eine Pflichtmitgliedschaft auch in der zuständigen
Kammer weiterhin erfüllt wären. Nur hierauf bezieht sich auch das Zitat aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 11/4124, S. 151,
wonach zu dem von der Regel in §
6 Abs.
1 SGB VI begünstigten Personenkreis auch Personen gehören, die aufgrund berufsspezifischer Vorbildung in den Standesorganisationen
oder berufsständischen Versorgungseinrichtungen beschäftigt sind. Darauf kommt es vorliegend aber mangels Vorliegen einer
weiteren Voraussetzung, nämlich der Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer überhaupt nicht an. Entsprechend
hat auch das BSG im Urteil vom 31.10.2012 (Az. B 12 R 5/10 R) ausgeführt: "Die von den Beteiligten in den Mittelpunkt ihres Vorbringens im Revisionsverfahren gerückte und vom LSG vertieft
erörterte Frage, inwieweit es sich bei der Tätigkeit eines Pharmaberaters um eine (tier-)ärztliche Tätigkeit handelt bzw.
handeln kann, ist für die vorliegend allein zu entscheidende Frage der Reichweite einer früher anlässlich einer konkreten
Beschäftigung erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß §
231 Abs.
1 Satz 1
SGB VI ohne Belang."
Liegen die Voraussetzungen für die Befreiung durch den Wechsel der Tätigkeiten nicht mehr vor, so ist Rentenversicherungspflicht
in den anschließend ausgeübten Beschäftigungen kraft Gesetzes eingetreten. Die Befreiungsbescheide brauchten insoweit auch
nicht aufgehoben zu werden (BSG, Urteil vom 05.12.2017, a.a.O.).
2.2.2.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der konkreten Gestaltung des Bescheids vom 27.02.1996. Nach ständiger Rechtsprechung
und herrschender Meinung in der Literatur ist ein Verwaltungsakt auch auf seine Bestimmtheit und seinen Regelungsgehalt hin
zu überprüfen. Nur wenn der Adressat des Verwaltungsakts in der Lage ist, das von ihm Geforderte zu erkennen, kann der Verwaltungsakt
eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bilden. Aus dem Verfügungssatz des Bescheids muss für die Beteiligten
vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will. Hierbei ist nicht auf den subjektiven Horizont des
Erklärungsempfängers abzustellen, sondern auf die Erkenntnismöglichkeit eines verständigen, objektiven Erklärungsempfängers.
Unschädlich ist dabei, wenn der Regelungsgehalt des Verfügungssatzes erst durch Auslegung ermittelt werden muss (vgl. Engelmann
in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl., 2014, § 33, Rn. 7ff m.w.N.).
Danach ist zunächst von einer hinreichenden Bestimmtheit des Befreiungsbescheids vom 27.02.1996 i.S. von § 33 SGB X auszugehen. Aus diesem ergibt sich, dass der Regelungsgehalt und die erteilte Befreiung auf die vom Kläger angegebene, dem
Antrag zugrundeliegende Beschäftigung bei der R. AG beschränkt ist. Nur hinsichtlich dieser Tätigkeit ist der Kläger mit dem
Bescheid vom 27.02.1996 von der Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit worden, nicht aber darüber
hinaus auch für seine Tätigkeit als Ingenieur oder nachfolgende Beschäftigungen bei anderen Arbeitgebern. Der Bescheid enthält
ausdrücklich den Hinweis, dass die Befreiung grundsätzlich auf die jeweilige Beschäftigung oder Tätigkeit beschränkt ist.
Die darüber hinausgehenden (erläuternden) Hinweise zur Fortdauer der Befreiung für die sich an eine Pflichtmitgliedschaft
anschließende freiwillige Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung weder eine rechtliche Regelung i.S. des § 31 Satz 1 SGB X noch eine Nebenbestimmung i.S. von § 32 SGB X dar (BSG, Urteil vom 05.12.2017, a.a.O. unter Hinweis auf BSG, Urteile vom 30.4.1997 - 12 RK 34/96 - BSGE 80, 215, 221 vom 22.10.1998 - B 5/4 RA 80/97 R - BSGE 83, 74, 77 und BSG, Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 5/10 R mwN zu einem identisch aufgebauten Bescheid). Das gilt auch für die Formulierung auf der Rückseite des Bescheids, wonach
die Befreiung "erst mit dem förmlichen Widerruf durch die BfA" endet. Die rechtliche Regelung i.S. des § 31 Satz 1 SGB X (Verfügungssatz), die der Befreiungsbescheid enthält, liegt allein in der Befreiung von der Versicherungspflicht und der
Bestimmung ihres Beginns. Im Terminbericht vom 13.12.2018 (a.a.O.) hat das BSG bezogen auf einen identisch aufgebauten Bescheid ausdrücklich an dieser Rechtsprechung festgehalten und klargestellt, dass
eine bundesweit einheitliche Auslegung jedenfalls bei Formularbescheiden eines bundesweit zuständigen Versicherungsträgers
geboten ist.
2.3. Auch ein möglicher Anspruch des Klägers auf Befreiung unter dem Aspekt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches
oder unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben, wie im Urteil des BSG vom 31.10.2012 angedeutet (a.a.O., Rn. 33f) kommt nicht in Betracht. Einen Vertrauensschutz aus dem Bescheid vom 27.02.1996
abzuleiten, würde bereits im Widerspruch zu den Grundprinzipien des Sozialversicherungsrechts stehen. Die gesetzliche Sozialversicherung
ordnet für alle Versicherungszweige kraft Gesetzes an, wer Pflichtmitglied in dem jeweiligen Versicherungszweig ist und wer
nicht. Die Versicherungspflicht tritt kraft Gesetzes unabhängig vom Willen der Arbeitsvertragsparteien ein, sie ist nicht
disponibel. Der damit verbundene Schutz des Versicherten greift unabhängig davon, ob eine rechtzeitige und vollständige Meldung
des Versicherten durch den Arbeitgeber (§
28 a Viertes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB IV -) erfolgt ist und ob rechtzeitig und vollständig die Beiträge für den Beschäftigten vom Arbeitgeber (Gesamtsozialversicherungsbeitrag
nach §
28 d SGB IV) abgeführt wurden. Gemäß §
2 Abs.
2 Nr.
1 SGB IV sind in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung - und damit auch in der gesetzlichen Rentenversicherung - stets
(u. a.) abhängig Beschäftigte kraft Gesetzes versicherungspflichtig. Dass der Kläger außerhalb des Bescheids fehlerhaft beraten
worden wäre oder ihm gegenüber in anderer Form ein Vertrauensschutztatbestand begründet worden wäre, wird von ihm nicht vorgetragen.
Dafür liegen auch keine Anhaltspunkte vor (vgl. auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 18. 07.2018 - L 19 R 671/15 -).
3. Die Beschränkung der Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung oder Tätigkeit ist ebenso verfassungsgemäß wie die Beschränkung
der Befreiungsmöglichkeit auf Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer (BSG, Urteil vom 09.03.2005 - B 12 RA 8/03 R -, SozR 4-2600 § 6 Nr. 3). Die Beschränkung der Möglichkeit des Wechsels aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu einem
berufsständischen Versorgungswerk auf Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer ist aus Sachgründen - langfristige
Sicherung der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung - gerechtfertigt. Der Gesetzgeber verstößt bei der unterschiedlichen
Behandlung zweier Personengruppen dann gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, wenn zwischen beiden Gruppen keine die unterschiedliche
Behandlung rechtfertigenden Unterschiede bestehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.12.2003 - 1 BvR 558/99 -). Die Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer, die bereits vor dem 01.01.1995 am jeweiligen Ort der Beschäftigung
oder selbständigen Tätigkeit für die Berufsgruppe bestanden haben muss, ist kein sachfremdes berufsrechtliches Kriterium.
Die Entscheidung über die Befreiungsmöglichkeit und damit letztlich die Zugehörigkeit zur gesetzlichen Rentenversicherung
wird dadurch auch nicht dem Landesgesetzgeber zugewiesen, der über die in Kammern organisierten Berufsgruppen bestimmt. Vielmehr
folgt §
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI der von den Gesetzgebern der Länder bereits vor dem 01.01.1995 geschaffenen Rechtsordnung (BVerfG, Nichtannahmebeschluss
vom 05.05.2008 - 1 BvR 1060/05 -, juris). Gerade für Personen, bei denen die Befreiung und Versicherung in einem Sondersystem nicht historisch gewachsen
der Fall ist, wie bis 31.12.1995 bei dem Personenkreis der angestellten Ingenieure, besteht keine Notwendigkeit, deren Zwangsversicherung
in Frage zu stellen. Seit der generellen Versicherungspflicht für Angestellte nach Beseitigung der Versicherungspflichtgrenze
im Jahre 1965 bestand keine Veranlassung, spezielle Berufsgruppen, soweit nicht auch deren Angestellte klassisch verklammert
waren (z. B. Rechtsanwälte und Ärzte), von der Versicherungspflicht auszunehmen. An diesem sozialen Befund hat sich auch bis
1995 nichts geändert, zumal der Trend eher zu einer Ausweitung der Versicherungspflicht auch bei Selbständigen geführt hat
(vgl. §
2 Abs.
1 Nr.
9 SGB VI - vgl. hierzu umfangreich Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 17.09.2003 - L 13 RA 109/01-).
Die Berufung war damit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. §
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor. Die Frage der Fortgeltung früher ergangener Befreiungsbescheide war inzwischen mehrfach Gegenstand höchstrichterlicher
Rechtsprechung.