Ordnungsgeldbeschluss im sozialgerichtlichen Verfahren; Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter
Gründe:
I. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen ihm auferlegtes Ordnungsgeld.
Im Hauptsacheverfahren zum Az.: S 3 R 972/08 begehrt der Beschwerdeführer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Eine solche Leistung hatte die Beklagte mit Bescheid
vom 25.07.2008 und Widerspruchsbescheid vom 27.08.2008 abgelehnt. Das Sozialgericht zog Befundberichte bei. Es lehnte den
Antrag auf Prozesskostenhilfe mit Bescheid vom 20.01.2009 ab. Am 26.03.2009 verfügte es die Ladung der Beteiligten und der
Sachverständigen Dres. W. und L. zum Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 15.05.2009. Hierzu ordnete es das persönliche
Erscheinen des Beschwerdeführers zum Zwecke seiner Untersuchung durch die Sachverständigen und Begutachtung zu seinem verbliebenen
Leistungsvermögen am Verhandlungstag an. Auf die Möglichkeit, es könne im Falle unentschuldigten Ausbleibens gegen ihn Ordnungsgeld
festgesetzt werden, wurde er hingewiesen. Ob die Ladung - wie angeordnet - mit Empfangsbekenntnis dem Beschwerdeführer zugestellt
wurde, lässt sich der Akte nicht entnehmen. Sie enthält lediglich ein Empfangsbekenntnis des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer erschien der Beschwerdeführer nicht, auch nicht sein Bevollmächtigter.
Es erging - ob mit oder ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter ist im Protokoll nicht festgehalten - Beschluss, mit dem
dem Beschwerdeführer Ordnungsgeld in Höhe von 250,00 EUR auferlegt wurde. Eine Begründung ist nicht angegeben. Die mündliche
Verhandlung wurde vertagt. Die Sitzungsniederschrift stellte das Sozialgericht den Bevollmächtigten des Klägers und der Beklagten
mit einfachem Brief zu.
Am 08.06.2009 legte der Beschwerdeführer dagegen Beschwerde ein. Er sei - wie das Attest des Dr. K. vom 05.06.2009 belege
- wegen erheblicher Störung der Kognition (Wahrnehmung) nicht in der Lage gewesen, den Termin am 15.05.2009 wahrzunehmen.
Die Säumnis sei somit entschuldbar. In dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Attest teilte der Facharzt für Allgemeinmedizin
Dr. K. mit, der letzte Sprechstundenkontakt habe am 08.05.2009 stattgefunden. Zu diesem Zeitpunkt habe eine ausgeprägte depressive
Phase bestanden. Aufgrund der aktuellen psychischen Situation sei von einer erheblichen Störung der Kognition auszugehen,
die die Säumnis am Gerichtstermin bei dem an sich zwanghaft korrekten Patienten erkläre.
Das Sozialgericht legte die Beschwerde dem Bayer. Landessozialgericht zur Entscheidung vor, da Dr. K. lediglich eine Behandlung
am 08.05.2009 bestätigt habe und bei einer Erkrankung ein Verlegungsantrag möglich gewesen wäre, um eine vergebliche Ladung
der Sachverständigen und der Beklagten zu verhindern.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Landshut vom 15.05.2009 aufzuheben.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß §
136 Abs.2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.
II. Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§
172,
173 SGG) führt zur Aufhebung des Beschlusses vom 15.05.2009, weil dieser an einem Verfahrensfehler leidet.
Aus §
12 Abs.1 Satz 2
SGG ergibt sich im Umkehrschluss, dass bei Beschlüssen innerhalb der mündlichen Verhandlung die ehrenamtlichen Richter mitwirken.
Auf einen Beschluss in der mündlichen Verhandlung ist u.a. §
61 Abs.2
SGG anzuwenden (Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer,
SGG, 9. Auflage, §
142 Rdnr.3a). Danach hat jeder Entscheidung eine äußerlich erkennbare Beratung und Abstimmung vorauszugehen. Der Zweck des Beratungsgeheimnisses
erfordert es, dass Beratung und Abstimmung geheim sind, also nur für die zur Teilnahme Berechtigten wahrnehmbar stattfinden.
Nach §
160 Abs.2
Zivilprozessordnung (
ZPO) in Verbindung mit §
202 SGG sind die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen.
Dem Protokoll vom 15.05.2009 ist lediglich zu entnehmen, dass der Vorsitzende den Ordnungsgeldbeschluss gefasst und in der
Sitzung verkündet hat. Hingegen ist nicht zu erkennen, ob diesem Beschluss eine geheime Beratung der Kammer, d.h. einschließlich
der ehrenamtlichen Richter, vorausgegangen ist. Da es eine Frage des Ermessens ist, ob überhaupt und in welcher Höhe Ordnungsgeld
gemäß §
202 SGG in Verbindung mit
§§
141 Abs.3, 380, 381 Abs.1
ZPO verhängt wird, bedarf es des Nachweises, dass eine Beratung stattgefunden hat, in der mit der zu treffenden Entscheidung
notwendigerweise verbundene Erwägungen erörtert wurden. Ein derartiger Nachweis fehlt im Protokoll vom 15.05.2009. Allein
deswegen, weil zumindest die Protokollierung nicht ersichtlich ist, dass der Beschluss unter Einschluss der ehrenamtlichen
Richter Zustande gekommen war, war er aufzuheben.
Das Verhalten und der Vortrag des Beschwerdeführers gibt jedoch Anlass darauf hinzuweisen, dass er der Anordnung seines persönlichen
Erscheinens hätte folgen müssen, auch wenn er im Rechtsstreit anwaltschaftlich vertreten ist. Dies ergibt sich allein schon
aus der angeordneten Untersuchung und Begutachtung im Termin zur mündlichen Verhandlung durch die geladenen Sachverständigen.
Erscheint ein so geladener Beteiligter nicht, verursacht dies erhebliche Kosten. Erkrankt ein mit der Anordnung zum persönlichen
Erscheinen geladener Beteiligter, so hat er rechtzeitig Verlegung des Termins zu beantragen. Das vom Beschwerdeführer vorgelegte
Attest ist weder geeignet darzulegen, dass der Beschwerdeführer kurzfristig und unerwartet erkrankt war und nicht rechtzeitig
vor dem Termin eine Verlegung hätte beantragen können, noch genügt es einer nachträglichen hinreichenden Entschuldigung. Zum
einen bestätigt Dr.K. nur einen Sprechstundenkontakt am 08.05.2009, also weit vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung. Zum
anderen ist nicht dargelegt, inwieweit die attestierte Wahrnehmungsstörung derart ausgeprägt ist, dass ein Erscheinen zu einer
ärztlichen Untersuchung nicht möglich gewesen wäre. Auf diese Umstände hinzuweisen, sieht sich der Senat gehalten, um dem
Beschwerdeführer zu verdeutlichen, dass sein Verhalten an sich nicht hinnehmbar ist und der Ordnungsgeldbeschluss lediglich
aus formalen Gründen aufzuheben war.
Da der Beschwerdeführer zum kostenprivilegierten Personenkreis des §
183 SGG gehört, fallen Gerichtskosten nicht an. Es bedurfte jedoch einer Kostenerstattungsentscheidung, da die Beschwerde erfolgreich
war. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH/NV 1994, 733) und nicht der entgegenstehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 12.06.2007 - IV ZB 4/07; BAG 20.08.2007 - 3 AZB 50/05) an. Er sieht sich insoweit in Übereinstimmung mit einer Reihe von Obergerichten (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss
vom 17.07.2009 - L 5 AS 1110/09 B mit weiteren Nachweisen). Danach sind im Falle einer erfolgreichen Beschwerde gegen einen Ordnungsgeldbeschluss im sozialgerichtlichen
Verfahren analog § 46 Abs.1 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten in Verbindung mit §
467 Abs.1
Strafprozessordnung die Kosten des Betroffenen der Staatskasse zur Last zu legen. Die Kostenentscheidung berücksichtigt diesen Analogschluss.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§
177 SGG).