Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung der vom Kläger zur deutschen Rentenversicherung erbrachten Beiträge streitig.
Der 1963 geborene Kläger besitzt die Staatsangehörigkeit Bosnien-Herzegowinas und hat dort seit September 1993 seinen ständigen
Wohnsitz. Er besitzt zusätzlich die kroatische Staatsangehörigkeit. Am 11.11.2009 bat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten
um eine Aufstellung der eingezahlten Rentenversicherungsbeiträge sowie um Information, ob diese Beiträge erstattet werden
könnten. In dem daraufhin von der Beklagten angeforderten Antragsformular gab der Kläger selbst an, keine Versicherungszeiten
in Deutschland zurückgelegt zu haben. Dem Antrag lag weiter eine amtliche Bestätigung der Republik Bosnien-Herzegowina bei,
dass sich der Kläger ständig dort aufhält und auch die Staatsangehörigkeit der Republik Bosnien-Herzegowina besitzt. Weiter
legte der Kläger seinen kroatischen Reisepass vor, in welchem auch die kroatische Staatsangehörigkeit bestätigt wurde.
Mit Bescheid vom 11.03.2010 und Widerspruchsbescheid vom 13.04.2010 lehnte die Beklagte den Antrag auf Beitragserstattung
mit der Begründung ab, der Kläger sei nach Art.3 Abs.1 des im Verhältnis zur Republik Bosnien und Herzegowina fort geltenden
Sozialversicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik
Jugoslawien vom 12.10.1968 berechtigt, sich in der deutschen Rentenversicherung freiwillig zu versichern. Damit seien die
gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beitragserstattung nach §
210 SGB VI nicht erfüllt.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 11.05.2010 Klage zum Sozialgericht Landshut (SG). Zur Begründung wurde vorgetragen, er sei auf das Geld zur Regulierung erheblicher Schulden für die Behandlung seines inzwischen
verstorbenen Sohnes dringend angewiesen. Nicht aus Rechts- sondern aus humanitären Gründen bitte er daher um Beitragserstattung.
Mit Urteil vom 15.10.2010 wies das SG die Klage als unbegründet ab. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Beitragserstattung zu, da er nach dem deutsch-jugoslawischen
Sozialversicherungsabkommen und der daraus resultierenden Personengleichstellung zur freiwilligen Versicherung in der deutschen
Rentenversicherung berechtigt sei. Ob Beiträge tatsächlich entrichtet werden, sei insoweit unerheblich.
Gegen diese Entscheidung legte der Kläger am 17.12.2010 Berufung ein. Zur Begründung wurde der bereits im Klageverfahren gemachte
Vortrag wiederholt und insbesondere aus menschlichen Gründen um Beitragserstattung gebeten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgericht Landshut vom 15.10.2010 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom
11.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2010 zu verurteilen, ihm zur deutschen Rentenversicherung geleisteten
Beiträge zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Schreiben vom 02.05.2011 teilte der Senat seine Absicht mit, die Berufung gem. §
153 Abs.
4 SGG durch Beschluss zurückzuweisen und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. Im Übrigen wird auf die Akten des Sozialgerichts sowie
beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht haben die Beklagte
und das SG den in der Hauptsache erhobenen Anspruch auf Erstattung der Arbeitnehmeranteile verneint.
Gemäß §
210 Abs.1 Nrn.1 und 2, Abs.2 und Abs.3 Satz 1
SGB VI in der zum Antragszeitpunkt maßgebenden Fassung werden Versicherten Beiträge in der Höhe erstattet, in der sie diese getragen
haben (d.h. die Arbeitnehmeranteile), wenn seit dem endgültigen Ausscheiden aus der Versicherungspflicht 24 Kalendermonate
abgelaufen sind und die Versicherten nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben oder die Regelaltersgrenze erreicht,
aber die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben.
Es kann insoweit offen bleiben, ob der Kläger - der die Regelaltersgrenze nicht erreicht und die allgemeine Wartezeit zudem
erfüllt hat - tatsächlich erstattungsfähige Beiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet hat, da er in jedem Falle
zur freiwilligen Versicherung berechtigt ist und dementsprechend die Voraussetzungen nach §
210 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI nicht erfüllt.
Die in §§
7,
232 SGB VI geregelte Berechtigung zur freiwilligen Versicherung wird für ausländische Versicherte durch die Regelungen in den einschlägigen
Sozialversicherungsabkommen ergänzt. Vorliegend ist das deutsch-jugoslawische Sozialversicherungsabkommen von 1968 maßgebend,
da dieses Abkommen laut der Vereinbarung, die Deutschland mit Bosnien-Herzegowina getroffen hat, weiterhin Anwendung findet.
Dass der Kläger seinen ständigen Aufenthalt in Bosnien-Herzegowina hat und auch die dortige Staatsangehörigkeit besitzt, wurde
behördlicherseits bestätigt. Die daneben bestehende kroatische Staatsangehörigkeit ist für das Recht zur freiwilligen Beitragsentrichtung
unschädlich. Aufgrund der in Art. 3 Abs. 1 des deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens geregelten Gleichstellung
mit deutschen Staatsangehörigen ist der Kläger zur freiwilligen Beitragsentrichtung nach wie vor berechtigt. Auf eine tatsächliche
Entrichtung solcher Beiträge kommt es hierbei nicht an.
Der Senat hat keine verfassungsrechtlich, respektive völkerrechtlich begründeten Bedenken, eine entsprechende Fortgeltung
des Abkommens anzunehmen. Die Fortgeltung des deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens für die Republik Bosnien-Herzegowina
wird insbesondere nicht etwa dadurch ausgeschlossen, dass ein verbindlicher völkerrechtlicher Vertrag laut Vorlagebeschluss
des 13. Senats des BSG vom 23.05.2006 (B 13 RJ 17/05 R) noch nicht vorliegt, solange die zwischenstaatliche Vereinbarung nicht in einem Verfahren nach Art.
59 Abs. Satz 1
GG in innerstaatliches Recht transformiert worden ist. Dies gilt auch unter Beachtung des verfassungsrechtlich geregelten Gesetzesvorbehaltes
gem. Art.20 Abs.3
GG in seiner konkreten Ausgestaltung durch §
31 SGB I. Denn für alle abgespaltenen Nachfolgestaaten der ehemaligen Föderativen Republik Jugoslawien hat sich ein entsprechendes
Völkergewohnheitsrecht (vgl. hierzu Vorlagebeschluss des 13. Senats des BSG vom 23.05.2006, aaO.) herausgebildet, wonach jedenfalls
das hier entscheidungserhebliche Sozialversicherungsabkommen - gegebenenfalls bis zum Abschluss eines neuen Sozialversicherungsabkommens
(wie z.B. mit Slowenien, Kroatien und Mazedonien) - Fortgeltung finden soll.
Der Senat vertritt hierzu die Auffassung, dass die Grundsätze der Rechtssicherheit, Rechtsklarheit und Berechenbarkeit die
sozialrechtliche Kontinuität auch nach erfolgter Separation bzw. Dismembration erfordern. Sowohl im Interesse der Vertragsstaaten
als auch ihrer Angehörigen ist die Fortgeltung der Vertragsbeziehungen und der entsprechenden innerstaatlichen Sozialgesetze
geboten; sie ist für die Funktionsfähigkeit der neuen Teilstaaten unerlässlich und liegt darüber hinaus auch im Interesse
der betroffenen Versicherten. Das deutsch-jugoslawische Sozialversicherungsabkommen begründet insoweit regelmäßig rechtliche
und wirtschaftliche Vorteile für die Anspruchsberechtigten. Dies gilt sogar im Hinblick auf die vorliegend durch die Fortgeltung
in Verbindung mit §
210 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI bedingte Ablehnung der Beitragserstattung. Zum einen ist Ausgangspunkt für die Ablehnung insoweit wiederum ein Recht des
Versicherten, nämlich die Berechtigung zur freiwilligen Weiterversicherung, welche sich im Sinne einer Erhaltung der Versicherungsanwartschaften
primär positiv auswirkt. Zum anderen ist zu beachten, dass eine Erstattung der Arbeitnehmerbeiträge zum Erlöschen sämtlicher
Rentenansprüche - also auch der Anwartschaft aus den Arbeitgeberanteilen, vgl. §
210 Abs.
6 Sätze 2 und 3
SGB VI - führt, was für den Versicherten mittel- bis langfristig massive Nachteile zeitigen kann. Unter diesem Gesichtspunkt können
auch die abgespaltenen Staaten der ehemaligen Förderativen Republik Jugoslawien nicht daran interessiert sein, dass ihre Angehörigen
sich im Ausland erworbene Rentenanwartschaften abgelten lassen. Denn die Ansprüche ihrer Bürger (aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen)
gegenüber dem ausländischen Versicherungsträger entlasten die Sozialkassen der neu gegründeten Staaten. Eine zum gänzlichen
Verlust der Rentenanwartschaft führende Erstattung nur des halben Beitragswertes ist letztendlich sowohl für den Staat als
auch für den Einzelnen nachteilig.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.2 Nrn.1 und 2
SGG sind nicht ersichtlich.