Kontenklärung; Subingenieur; DDR; Rumänien; Hochschulstudium; Äquivalenzabkommen; Entgeltpunkt; Qualifikationsgruppe; Spätaussiedler;
Pflichtbeitragszeit
Tatbestand
Der Kläger begehrt höhere Altersrente unter Zuordnung der Zeiten vom 15.07.1976 bis 02.04.1979 und vom 24.09.1979 bis 02.03.1996
zur Qualifikationsgruppe I der Anlage 13 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) anstelle der Qualifikationsgruppe II wegen einer Tätigkeit als Subingenieur in Rumänien.
Der 1949 geborene, aus Rumänien stammende Kläger absolvierte nach einer Fachhochschulreife zunächst eine Ausbildung an einer
Technikerschule für zwei Jahre. Vom 01.10.1972 bis 30.06.1976 erfolgte eine Ausbildung zum Subingenieur im Rahmen eines Abendunterrichtes
an einer Hochschule. Gleichzeitig war der Kläger als Fachschulabsolventbautechniker angestellt und von 1972 bis 1976 in Vollzeit
tätig ohne Unterbrechungen. Nach dem Abschluss der Ausbildung zum Subingenieur war der Kläger in dieser Funktion weiterhin
im gleichen Unternehmen in Vollzeit beschäftigt bis März 1990. Nach einer Bescheinigung des Arbeitgebers des Klägers, E. AG,
vom 15.10.2003 war der Kläger dort vom 04.07.1972 bis 15.07.1976 als Entwurfstechniker und vom 15.07.1976 bis 02.03.1990 als
Unteringenieur, Hauptentwerfer tätig. Seit 04.04.1990 hat der Kläger seinen Wohnsitz in Deutschland. Er ist im Besitz des
Vertriebenenausweises "A" und ist seit Juli 1991 deutscher Staatsangehöriger. Ab 1992 war der Kläger bei der Stadt A. im Baureferat
als Diplom-Ingenieur (FH) beschäftigt.
Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens ordnete die Beklagte mit Bescheid vom 17.10.2005 die streitigen Zeiten als Beitragszeiten
nach dem Fremdrentengesetz (FRG) der Qualifikationsgruppe II, Bereich 12, sonstige produzierende Bereiche, gemäß Anlage 13 und 14 zum
SGB VI zu. Der dagegen erhobene Widerspruch des Klägers, wonach die Zeit zwischen Juli 1976 und März 1990 der Qualifikationsgruppe
I der Anlage 13 zum
SGB VI zuzuordnen sei, blieb erfolglos. Mit Widerspruchsbescheid vom 03.04.2006 wies die Beklagte den Widerspruch insoweit als unbegründet
zurück. Die Zuordnung der Qualifikationsgruppe II für die Zeit vom 15.07.1976 bis 02.04.1979 und vom 24.09.1979 bis 02.03.1990
sei aufgrund der vom Kläger abgeschlossenen Ausbildung als Subingenieur nicht zu beanstanden. Diese Ausbildung sei eine verkürzte
Hochschulausbildung von dreijähriger Dauer bzw. vierjähriger Dauer im Abendstudium. Die berufliche Qualifikation eines Subingenieurs
entspreche nach dem Äquivalenzabkommen vom 10.04.1986 zwischen der Regierung der DDR und der Regierung der Sozialistischen
Republik Rumänien über die Äquivalenz der Dokumente der verschiedenen Bildungsstufen und der akademischen Grade einer abgeschlossenen
Ausbildung im Sinne der Qualifikationsgruppe II. Das erworbene Diplom eines Subingenieurs stehe dem eines Ingenieurs nach
voller Studiendauer nicht gleich, so dass die Einordnung in die Qualifikationsgruppe I nicht möglich sei.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, die Arbeitszeit des Klägers vom 15.07.1976 bis 02.03.1990 in die Qualifikationsgruppe
I der Anlage 13 zum
SGB VI einzuordnen und einen Bescheid über die Feststellung zu erlassen. Auf Antrag des Klägers wurde das Verfahren mit Einverständnis
der Beklagten zunächst ruhend gestellt, da der Kläger weitere Beweismittel beschaffen wollte, die bestätigen sollten, dass
er eine reine ingenieurstechnische Tätigkeit ausgeübt habe.
Am 12.06.2013 hat die Beklagte die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Der Kläger hat darauf hingewiesen, dass die Entscheidungen
des Bundessozialgerichts (BSG) in den zwischenzeitlich ergangenen Urteilen vom 30.07.2008 (B 5a R 114/07 R und B 5a/4 R 45/07 R) und vom 17.04.2008 (B 13 R 99/07 R) widersprüchlich seien. Es werde übersehen, dass ein mit Diplom regulär abgeschlossenes Hochschulstudium schon unmittelbar
unter Ziffer 1 der Ausführung zur Qualifikationsgruppe I der Anlage 13 zum
SGB VI falle. Es handele sich bei dem vom Kläger zurückgelegten Studium gerade nicht um ein verkürztes Sonder- oder Teilstudium.
Allein der Abschluss einer solchen Hochschulausbildung im Herkunftsgebiet sowie die Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit
seien maßgeblich für die Anerkennung der Qualifikationsgruppe I, wie auch das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Urteil
vom 07.10.2003, L 13 RA 4254/00, entschieden habe.
Mit Urteil vom 17.09.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe im Juni 1976 eine Ausbildung zum Subingenieur erfolgreich abgeschlossen bei einer verkürzten
Hochschulausbildung. Mit einer dreijährigen bzw. im Abendstudium vierjährigen Ausbildung an einer Universität bzw. Hochschule
liege im Vergleich zu der sonst längeren Studiendauer für den Erwerb eines Abschlusses als Ingenieur lediglich ein verkürztes
Sonderstudium bzw. Teilstudium vor. Dies erfülle nach der Rechtsprechung des BSG nicht die Voraussetzungen für die Qualifikationsgruppe I.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Er hat erneut darauf abgestellt, dass den Urteilen des Bundessozialgerichts nicht
zu folgen sei. Die Urteile würden bestehende Auslegungsräume unzulässig überschreiten. Auch das am 03.10.1990 außer Kraft
getretene Äquivalenzabkommen zwischen Rumänien und der DDR könne nicht als Grund für eine abweichende Bewertung herangezogen
werden. Weder §
256b SGB VI noch die Anlage 13 zum
SGB VI nähmen auf diese nicht mehr gültige Verordnung Bezug. Es sei auf das qualitative Selbstverständnis im Herkunftsgebiet abzustellen.
Im Amtsblatt Rumäniens Nr. 1832 vom 06.07.2011 sei die Einstufungs- und Gleichwertigkeitsverordnung der Berufsgruppen in Rumänien
veröffentlicht. Unter Nr. 2142 02 werde ausdrücklich der vom Kläger erworbene Diplomabschluss Subingenieur gleichwertig mit
anderen Ingenieursdiplomen genannt. Damit sei eindeutig nachgewiesen, dass der Kläger ein vollständiges Hochschulstudium abgeschlossen
habe. Es bestehe daher ein Anspruch auf Einstufung in die Qualifikationsgruppe I. Es lägen zu dieser Problematik unterschiedliche
Entscheidungen der Senate des BSG und abweichende Entscheidungen der Landessozialgerichte vor.
Mit Bescheid vom 08.07.2014 hat die Beklagte dem Kläger Altersrente unter Bestätigung der mit Bescheid vom 17.10.2005 getroffenen
Feststellungen bewilligt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.09.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 08.07.2014
zu verurteilen, die Rente des Klägers unter Zuordnung der Zeit vom 15.07.1976 bis 02.04.1979 und vom 24.09.1979 bis 02.03.1990
zur Qualifikationsgruppe 1 der Anlage 13 zum
SGB VI neu zu berechnen und eine entsprechende Nachzahlung zu erbringen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.09.2015 als unbegründet zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen
Akten der Beklagten, der Gerichtsakten sowie der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.09.2015 ist nicht zu
beanstanden. Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen der Qualifikationsgruppe I der Anlage 13 zum
SGB VI. Der Rentenbescheid vom 08.07.2014, der den auf §
149 Abs.
5 Satz 1
SGB VI beruhenden Vormerkungsbescheid der Beklagten vom 17.10.2005 ersetzt, ist nicht zu beanstanden. Nach Erlass des Rentenbescheides
gilt dieser kraft Gesetzes als angegriffen, soweit er auf den ursprünglich streitigen Feststellungen beruht (vgl. BSG, B 13 R 23/14 R). Vorliegend hat der Altersrentenbescheid vom 08.07.2014 die Feststellungen des Vormerkungsbescheides vom 17.10.2005 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2006 in Bezug auf die Zuordnung der streitigen Zeiten ersetzt.
Der Kläger ist Spätaussiedler im Sinne von § 4 Bundesvertriebenengesetz (BVG). Für die von ihm in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten finden daher die Vorschriften des FRG Anwendung (§ 1 Buchst. a FRG). Die Beklagte hat die hier streitigen Zeiten vom 15.07.1976 bis 02.04.1979 und vom 24.09.1979 bis 02.03.1990 als nachgewiesene
bzw. glaubhaft gemachte Pflichtbeitragszeiten nach dem FRG berücksichtigt. Für diese Zeiten werden Entgeltpunkte (EP) gemäß §
256b Abs.
1 Satz 1 Halbsatz 1, Sätze 2 und 9
SGB VI ermittelt (§ 22 Abs. 1 Satz 1 FRG). Danach werden für ein Kalenderjahr einer Vollzeitbeschäftigung die Durchschnittswerte berücksichtigt, die sich u.a. nach
Einstufung der Beschäftigung in eine der im
SGB VI, Anlage 13 genannten Qualifikationsgruppen ergeben.
Versicherte sind in eine dieser Qualifikationsgruppen einzustufen, wenn sie deren Qualifikationsmerkmale erfüllen und wenn
sie eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben (Anlage 13 Definition der Qualifikationsgruppen Satz 1). Zur Qualifikationsgruppe
I der Anlage 13 gehören Hochschulabsolventen, die in Form eines Studiums u.a. an einer Universität ein Diplom erworben oder
ein Staatsexamen abgelegt haben (Satz 1 Nr. 1).
Der Kläger, der das Diplom eines Subingenieurs erworben hat, fällt nicht unter die Hochschulabsolventen im Sinne des Satzes
1. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 17.04.2008, B 13 R 99/07 R; BSG, Urteil vom 30.07.2008, B 5a/4 R 45/07 R und B 5a R 114/07 R) ist mit dieser Prüfung kein Hochschulstudium im Sinne der Qualifikationsgruppe I Satz 1 Nr. 1 der
Anlage 13 zum
SGB VI abgeschlossen. Die Einstufung von Versicherten in die Qualifikationsgruppen der Anlage 13 richtet sich nach folgendem Maßstab:
Ausgehend von der im Herkunftsgebiet erworbenen beruflichen Ausbildung und Qualifikation ist unter Beachtung des dort geltenden
beruflichen, schulischen und universitären Bildungssystems zu ermitteln, welcher Qualifikationsgruppe diese berufliche Ausbildung
und Qualifikation - übertragen auf die Verhältnisse der DDR - materiell entspricht. Denn die Tatbestandsmerkmale der Qualifikationsgruppen
in der Anlage 13 zum
SGB VI sind dem System der beruflichen Bildung der DDR entnommen. Der Gesetzgeber hat insoweit die vor der Wiedervereinigung maßgebende
Orientierung an den Erwerbsverhältnissen der alten Bundesländer aufgegeben und stellt auf diejenigen der DDR ab. Dies vermeidet
Ungleichbehandlungen der Aus- und Übersiedler mit Bewohnern des Beitrittsgebiets. Unter Berücksichtigung dieses Gedankens
kann es nicht darauf ankommen, welche Bedeutung das Herkunftsgebiet der fraglichen Ausbildung beimisst. Soweit der Kläger
daher vorbringt, der Subingenieur sei im Amtsblatt Rumäniens Nr. 1832 den Bauingenieuren gleichgestellt, ist dies für die
vorliegende Beurteilung nicht maßgebend. Das Bundessozialgericht hat dargelegt, dass eine Orientierung an den Erwerbsverhältnissen
der DDR auch deshalb sachgerecht ist, weil die Wirtschafts- und Sozialverhältnisse der Herkunftsländer in Osteuropa eher mit
denen der DDR übereinstimmten als mit denen der alten Bundesländer (BSG, B 5a/4 R 45/07 R m.w.N.).
Für die Einstufung in die Qualifikationsgruppe I Satz 1 Nr. 1 ist daher maßgeblich, ob das Niveau des beruflichen Bildungsabschlusses
im Herkunftsgebiet materiell dem eines Hochschulabschlusses in der DDR entspricht (BSG, Urteil vom 17.04.2008, B 13 R 99/07 R). Handelt es sich um eine in Rumänien absolvierte Ausbildung, lässt sich dies unter Zugrundelegung des Abkommens der Regierung
der DDR und der Regierung der Sozialistischen Republik Rumänien über die Äquivalenz der Dokumente der verschiedenen Bildungsstufen
und der akademischen Grade (Äquivalenzabkommen) vom 10.04.1986 beurteilen. Das BSG hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das Abkommen als Quelle für die Beurteilung herangezogen werden kann, welche rumänischen
Bildungsabschlüsse im Niveau mit welchen Bildungsabschlüssen in der DDR vergleichbar sind. Denn den damaligen Regierungen
dieser Staaten waren die Qualität und der Standard ihrer jeweiligen Ausbildungsgänge bekannt, so dass sie am besten deren
Vergleichbarkeit beurteilen konnten.
Nach Art. 4 Abs. 1 des Äquivalenzabkommens werden der akademische Grad "Diplom" eines Wirtschaftszweiges, der von den Universitäten
und Hochschulen der DDR nach mindestens vierjährigem Studium verliehen wird und das Diplom über den Hochschulabschluss, das
von den Universitäten und Hochschulen der Sozialistischen Republik Rumänien nach mindestens vierjährigem Studium verliehen
wird, gegenseitig als gleichwertig anerkannt. Art. 3 des Abkommens bestimmt hingegen, dass das Abschlusszeugnis der Ingenieurschulen
und ökonomischen Fachschulen der DDR, das nach mindestens dreijährigem Studium vergeben wird und das Abschlusszeugnis als
Subingenieur sowie die Zeugnisse anderer Studienrichtungen der Universitäten und Hochschulen der Sozialistischen Republik
Rumänien, die nach mindestens dreijährigem Studium erworben werden, gegenseitig als gleichwertig anerkannt werden. Ausweislich
dieser Normen steht das Abschlusszeugnis als Subingenieur gerade nicht einem Hochschulabschluss der DDR gleich, sondern ist
vielmehr ausdrücklich einem Abschlusszeugnis an Schulen der DDR gleichgestellt, die kein Universitäts- oder Hochschulniveau
erreichen.
Das BSG hat auch überzeugend dargelegt, dass eine Einstufung der Tätigkeit als Subingenieur in die Qualifikationsgruppe I sich auch
nicht unter Berücksichtigung des Satzes 2 der Bestimmungen zur Qualifikationsgruppe I rechtfertigt. Danach zählen nicht zu
den Hochschulabsolventen im Sinne von Satz 1 Teilnehmer an einem verkürzten Sonderstudium, das nicht mit dem Erwerb eines
Diploms oder Staatsexamens abschloss. Daraus ist nichts zugunsten des Klägers abzuleiten, weil lediglich geregelt wird, wer
nicht zum Personenkreis der Qualifikationsgruppe gehört. Die Vorschrift trifft keine (positive) Aussage dazu, wer außer den
in Satz 1 genannten Versicherten ebenfalls als Hochschulabsolvent anzuerkennen ist. Auch die Tatsache, dass der Kläger in
der Bundesrepublik den Titel eines Diplom-Ingenieurs mit Fachhochschulausbildung führen darf, führt zu keiner anderen Beurteilung,
weil diese Genehmigung ohne Bezug zu den Verhältnissen in der DDR ist (BSG, Urteil vom 17.04.2008, a.a.O.).
Soweit der Kläger auf ein Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 07.10.2003, L 13 RA 4254/00, verweist, betrifft diese Entscheidung nicht die Einstufung eines Subingenieurs. Zu dieser Problematik bestätigt das LSG
vielmehr ebenfalls die Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27.02.2007, L 13 R 2185/03).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
1, Abs.
2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.