Kostenfestsetzung; Privilegierter Kläger; Streitwert; Verwaltungsverfahren; Statusverfahren; Kostenentscheidung; Versicherungspflicht;
einheitlich
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren für ein Verwaltungsverfahren über eine Statusfeststellung.
Dem bei der Beklagen durchgeführten Verwaltungsverfahren lag ein Antrag des Herrn A. M. auf versicherungsrechtliche Beurteilung
seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Klägerin ab dem 01.01.2013 zugrunde (§
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV). Ein weiterer Antrag des Herrn M. auf Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status ging bei der Beklagten am
24.06.2013 ein. Mit Bescheiden vom 27.06.2013 und 12.08.2013, die jeweils sowohl gegenüber Herrn M. als auch gegenüber der
Klägerin ergingen, stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Herrn M. nur in der Zeit vom 01.01.2013 bis zum 17.06.2013
im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde und daher ab dem 18.06.2013 keine Versicherungspflicht
in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung mehr bestehe.
Gegen den Bescheid vom 12.08.2013 (Versicherungspflicht vom 01.01.2013 bis 17.06.2013) legten die Bevollmächtigten für die
Klägerin und Herrn M. Widerspruch ein und trugen vor, dass auch für die Zeit vom 01.01.2013 bis 17.06.2013 keine Versicherungspflicht
bestanden habe. Dies folge nicht zuletzt aus einem Gesellschafterbeschluss vom 20.06.2013. Hierauf nahm die Beklagte am 06.02.2014
gegenüber Herrn M. und der Klägerin den Bescheid vom 12.08.2013 zurück und stellte fest, dass auf Antrag die durch das Widerspruchsverfahren
entstandenen Aufwendungen erstattet würden. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten sei erforderlich gewesen.
Am 12.02.2014 übermittelten die Bevollmächtigten ihre Kostenrechnung für das Verfahren der Klägerin und des Herrn M.. Dem
Rechnungsbetrag von 2.246,48 EUR lag ein angenommener Gegenstandswert von 14.526 EUR (6 Monate mal 6.000 EUR brutto - davon
40,35% Gesamtsozialversicherungsbeitrag), eine Geschäftsgebühr (1,8), eine Erledigungsgebühr (1,5) und ein Pauschalentgelt
für Post- und Telekommunikationsdienste zu Grunde. Die Beklagte setzte mit streitigem Bescheid vom 20.02.2014 die zu erstattenden
Kosten auf 492,54 EUR fest. Die Gebühren seien nach dem Gegenstandswert in Höhe von 5.000 EUR zu berechnen (§ 23 RVG i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG). Auch habe es sich um einen Fall mit durchschnittlicher Schwierigkeit gehandelt, so dass für die Geschäftsgebühr der 1,3-fache
Satz angemessen sei. Eine Erledigungsgebühr sei nicht angefallen. Für die Klägerin legten die Bevollmächtigten Widerspruch
ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2014 zurückgewiesen wurde.
Dagegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (S 15 R 1629/14) und trug ergänzend vor, dass eine Erledigungsgebühr deswegen gerechtfertigt sei, weil die Bevollmächtigten auf den Gesellschaftsbeschluss
vom 20.06.2013 hingewirkt hätten, der maßgeblich zur Beendigung des Verfahrens beigetragen habe. Mit Gerichtsbescheid vom
21.10.2014 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte zur Erstattung eines weiteren Betrages in Höhe von 681,27 EUR und wies
die Klage im Übrigen ab.
Am 10.11.2014 beantragte die Beklagte die mündliche Verhandlung nach §
105 Abs.
2 Satz 2
SGG, worauf ein neues Aktenzeichen vergeben wurde (S 15 R 2135/14). Die Beklagte trug vor, im vorliegenden Fall sei nicht nach dem Gegenstandswert (§
197a SGG), sondern nach Rahmengebühren abzurechnen, da es sich um den Rechtsstreit eines nach §
183 SGG Privilegierten (A. M.) zusammen mit der nicht privilegierten Klägerin gehandelt habe. Bei Abrechnung nach Rahmengebühren
ergäbe sich ein Gesamtbetrag in Höhe von 487,90 EUR (Geschäftsgebühr-Nr. 2302 VV + Erhöhung nach Nr. 1008 VV + Auslagenpauschale
-Nr. 7002 VV + Umsatzsteuer-Nr. 7008 VV). Da auf den Bescheid vom 20.02.2014 bereits der Betrag von 492,54 EUR erstattet worden
sei, ergebe sich kein weiterer Anspruch der Klägerin. Sollte die Kammer nicht der Berechnung nach Betragsrahmengebühren folgen,
werde hilfsweise beantragt, den Gegenstandswert von 5.000 EUR anzusetzen.
Mit streitigem Urteil vom 11.11.2014 verurteilte das SG die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide der Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 465,64 EUR zu erstatten. Im
Übrigen wurde die Klage abgewiesen, eine Kostenverteilung zwischen den Beteiligten vorgenommen und die Berufung wegen grundsätzlicher
Bedeutung zugelassen. In der Begründung führte das SG aus, dass bei einem Nebeneinander von zwei Widerspruchsführern, bei denen der eine kostenprivilegiert sei, der andere aber
nicht, grundsätzlich nach Betragsrahmengebühren abzurechnen sei. Die kumulative Vertretung werde durch die Erhöhung der angefallenen
Gebühr gemäß der Nummer 1008 VV berücksichtigt. Hieraus würde ein Erstattungsbetrag - wie zutreffend von der Beklagten berechnet
- in Höhe von 487,50 EUR resultieren. Da dieser Betrag jedoch geringer sei, als die Kosten einer Einzelvertretung eines nicht
privilegierten Mandanten, sei der Klägerin in Wege einer Günstigkeitsprüfung jedenfalls die Vergütung zuzuerkennen, die sich
bei einer nicht privilegierten Einzelvertretung ergeben würde (§
242 BGB). Der Gegenstandswert richte sich in diesem Fall nach § 52 Abs. 1 GKG. Die Kammer folge der Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts in seinem Beschluss vom 04.03.2011 (L 5 R 647/10 B). Es bestünden hinreichende Anhaltspunkte, um die wirtschaftliche Bedeutung der Sache zu bestimmen. Im Übrigen sei eine
Geschäftsgebühr lediglich in Höhe von 1,3 gerechtfertigt und eine Erledigungsgebühr nicht angefallen. Der Klägerin stünde
daher ein Erstattungsbetrag in Höhe von 958,19 EUR zu. Abzüglich des bereits geleisteten Betrages in Höhe von 492,54 EUR sei
die Klage daher erfolgreich. Die grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit folge aus der Divergenz des Urteils des 5. Senats
des BayLSG zu einschlägiger Rechtsprechung des BSG in Bezug auf die Kosten der Mehrfachvertretung von kostenprivilegierten und nicht kostenprivilegierten Widerspruchsführern
und der Festsetzung des Streitwerts von 5.000 EUR.
Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte am 29.01.2015 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen,
dass die Entscheidung des SG, wonach eine Erledigungsgebühr nicht angefallen sei und eine Geschäftsgebühr lediglich in Höhe der Schwellengebühr angemessen
sei, zugestimmt werde. Unzutreffend sei allerdings die Abrechnung nach dem Gegenstandswert. Der vom Sozialgericht angeführte
Nachteil der kostenrechtlichen Privilegierung entstehe auch bei einer entsprechenden Konstellation im sozialgerichtlichen
Verfahren, bei dem ein Günstigkeitsvergleich nicht angestellt werde. Hilfsweise müsse ein Gegenstandswert in Höhe von 5.000
EUR anzusetzen sein. Die Beitragsforderungen seien nicht Gegenstand des Bescheides bzw. Widerspruchsbescheides gewesen.
Die Klägerin hat durch ihren Bevollmächtigten mitgeteilt, dass das Urteil erster Instanz nicht zu beanstanden sei. Insbesondere
lägen mehr als ausreichende Anhaltspunkte dafür vor, den Gegenstandswert tatsächlich zu bestimmen.
Auf Anfrage des Senats haben sich beide Beteiligten mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach §
124 Abs.
2 SGG einverstanden erklärt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 11.10.2014 abzuändern und die Klage gegen den Bescheid vom 20.02.2014 in Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 28.07.2014 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten und gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, da das Sozialgericht die Berufung ausdrücklich zugelassen hat
und der Senat hieran gebunden ist (§
144 Abs.
1 Nr.
1, Abs.
3 SGG). Die Berufung erweist sich auch als begründet, da ein weiterer Kostenanspruch der Klägerin nicht besteht.
Für die hier streitigen Kosten des Widerspruchsverfahrens regelt § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X, dass der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben
hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten hat. Wie auch
im Gerichtsverfahren werden im Verwaltungsverfahren Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht
zu den in §
183 SGG genannten Personen gehört (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG). Ist der Auftraggeber dagegen im Sinne des §
183 SGG privilegiert, fallen Betragsrahmengebühren gemäß §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 14 RVG an. Im vorliegenden Fall betrifft die Rechnung der Bevollmächtigten die Vertretung sowohl der nicht privilegierten Klägerin
als auch des Herrn M. als Beteiligtem nach §
183 SGG (vgl. Urteil des BSG vom 05.10.2006, B 10 LW 5/05 R). Die Kostenentscheidung bei Verfahren mit privilegierten und nicht privilegierten Beteiligten ist gesetzlich nicht geregelt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist eine einheitliche Kostenentscheidung zu treffen, wenn es im Gerichtsverfahren nur um einen (gemeinsamen) Streitgegenstand
geht (vgl. Beschluss vom 26.07.2006 - B 3 KR 6/06 B, Beschluss vom 29.05.2006 - B 2 U 391/05 B). Es wäre nämlich bei nur einem Streitgegenstand sachlich nicht zu rechtfertigen, dass der beklagte Sozialleistungsträger
bei getrennter Kostenentscheidung im Falle des Unterliegens sowohl die Pauschgebühr nach §
184 SGG als auch Gerichtskosten nach § 197a i.V.m. der
VwGO zu tragen hat.
Einheitliche Kostenentscheidungen sind daher auch bei Statusentscheidungen zu treffen, bei denen sowohl der nach §
183 SGG privilegierte Mitarbeiter als auch der Betrieb wegen Feststellung der Versicherungspflicht klagt. Auch hier handelt es sich
um einen gemeinsamen Streitgegenstand, über den im Regelfall sogar identische Bescheide gegenüber den Beteiligten erlassen
worden sind (vgl. auch BayLSG vom 07.07.2015 - L 7 R 4/15 B).
Für die insoweit notwendige Kostenentscheidung bei Beteiligung privilegierter und nicht privilegierter Personen gelten die
Regelungen der §§
184 bis
195 SGG (Beschluss des BSG vom 29.05.2006 - B 2 U 391/05 B). Andernfalls würde im Fall des Unterliegens des kostenmäßig privilegierten Teils die vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehene
Freistellung von Kosten des Verfahrens ins Leere laufen. Demgegenüber ist es in Kauf zu nehmen, dass die Vergütung des Rechtsanwalts
nur nach Rahmengebühren berechnet wird und nicht nach dem Gegenstandswert.
Für die Kosten des Verwaltungsverfahrens sieht der Senat keinen Raum für Korrekturmöglichkeiten durch Anwendung einer Günstigkeitsprüfung.
Eine gesetzliche Regelung liegt nicht vor. Es ist auch kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb für das Verwaltungsverfahren
andere Abrechnungsmodalitäten gelten sollten als für das Gerichtsverfahren, vielmehr erscheint es im Sinne der Vereinfachung
geradezu kontraproduktiv, Verwaltungs- und Gerichtsverfahren unterschiedlich zu behandeln. Letztlich beinhaltet die Tätigkeit
des Rechtsanwalts auch keinen durch die Abrechnungsnummer 1008 nicht bereits berücksichtigten Mehraufwand, da die Bescheide
der Beklagten denselben Streitgegenstand umfassen und auch die entsprechende Entgegnung hierauf identisch ausfallen wird.
Für das vorliegende Verfahren ergibt sich demnach ein Vergütungsanspruch des Bevollmächtigten auf der Grundlage von Betragsrahmengebühren
(§ 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 RVG). Da eine Erstattung in Höhe von 492,50 EUR bereits erfolgt ist, ergibt sich kein weiterer Erstattungsbetrag. Im Übrigen
verbleibt es bei der nicht zu beanstandenden Entscheidung des SG zur Erledigungsgebühr und der Annahme des Schwellenwerts, weil Anschlussberufung durch die Klägerin nicht eingelegt wurde.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
197a Abs.
1 SGG i.V.m. §
154 Abs.
1 VwGO. Danach sind Kosten nach dem GKG zu erheben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zum Kreis der in § 183 genannten Personen gehört.
Hier hat ausschließlich die Klägerin als von vornherein nicht kostenprivilegierte Beteiligte Klage erhoben und Berufung eingelegt.
Darüber hinaus stand bereits vor Klageerhebung fest, dass eine Versicherteneigenschaft des Herrn M. nicht vorlag (vgl. Urteil
des BSG vom 05.10.2006 - B 10 LW 5/05 R - BSGE 97 S. 153 f.).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 SGG).