Tatbestand:
Die Parteien streiten um die rückwirkende Aufhebung eines Rentenbescheides und die Rückforderung der Überzahlung.
Der Kläger ist 1938 geboren und stellte am 08.03.2001 unter Vorlage von Arztberichten einen Antrag auf Rente wegen Berufs-
oder Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte erbat vom Kläger einen Formblattantrag, den dieser am 14.03.2001 ausfüllte. Dabei beantragte
er eine Altersrente für Versicherte, die berufs- oder erwerbsunfähig sind.
Die Beklagte kam mit ihren medizinischen Ermittlungen zu dem Ergebnis, der Kläger könne in seiner letzten beruflichen Tätigkeit
nur noch bis unter halbschichtig und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch unter vollschichtig tätig sein. Sie gewährte
ihm mit Bescheid vom 21.06.2001 (und Folgebescheiden mit Änderung der Rentenberechnung) Altersrente für Schwerbehinderte ab
01.02.2001, wegen Anrechnung von Einkommen als Teilrente in Höhe der Hälfte der Vollrente.
Im Juli 2001 schrieb der Kläger an die Beklagte, er benötige von ihr noch das Merkzeichen "G", um Leistungen für Schwerbehinderte
nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in Anspruch nehmen zu können. Die Beklagte klärte ihn auf, dass er, wie sich aus dem Bescheid ergebe, Altersrente für Schwerbehinderte,
aber nicht wegen einer Schwerbehinderung - die beim Kläger nicht vorgelegen hatte -, sondern wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit
beziehe. Ebenfalls im Juli 2001 erklärte der Kläger, er erkenne den Bescheid vorbehaltlich der Prüfung weiterer Versicherungszeiten
an.
Im August 2001 teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe Probleme mit seiner privaten Krankenversicherung. Sie versage
ihm Krankentagegeld, weil sie davon ausgehe, dass er seine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit erhalte. Er erbat sich
einen Bescheid, aus dem sich die Gewährung einer Rente für Schwerbehinderte ohne die Angabe einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit
ergebe. Es entspann sich ein Streit zwischen den Parteien, bei dem der Kläger zunächst eine Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit
für die richtige hielt und die Beklagte ihm einen Rentenanspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zuerkannte, aber
wegen der höheren Altersrente nicht gewährte (Bescheid vom 19.10.2001). Auf weitere Einwendungen des Klägers sprach sie ihm
dann mit Bescheiden vom 11.02. und 21.02.2002, mit denen sie zugleich die vorhergehenden Bescheide aufhob, Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung zu.
Auch damit war der Kläger nicht einverstanden und bat um Bestätigung, dass er am 01.02.2001 keinen Anspruch auf irgendeine
Art von Alters- oder Berufsunfähigkeitsrente gehabt habe. Er brauche dies dringend zur Vorlage am Landgericht, damit der private
Krankenversicherer seine Krankentagegeldverpflichtung erfülle. Die Krankenversicherung spare sonst über 15.000,00 EUR Tagegeld
ein.
Im anschließenden Klageverfahren beim Sozialgericht München (S 17 RA 54/02) begehrte der Kläger zunächst die Rücknahme der Altersrentenbewilligung für die Vergangenheit und Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung. Als die Beklagte dem nachkommen wollte, indem sie das Vorbringen des Klägers als Verzicht auf eine Altersrente
wertete, erklärte der Kläger, er sei damit nicht einverstanden, er habe nie auf Altersrente verzichtet, er sei vielmehr der
Meinung, dass ihm gar keine Rente wegen Alters oder Berufsunfähigkeit zustehe. Auf Vorschlag des Gerichts schlossen die Parteien
am 27.06.2002 einen Vergleich, bei dem die Beklagte ihre Aufhebungsbescheide aufhob und weitere Ermittlungen bezüglich der
gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers und einen Widerspruchsbescheid zusagte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2002 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Rentengewährung als unbegründet zurück.
Dies führte wiederum zu einem Klageverfahren (S 31 RA 1452/02), nachdem der Kläger schon am 16.10.2002 von der Beklagten die rückwirkende Aufhebung der Rentengewährung begehrt hatte.
Hier machte der Kläger geltend, es habe bei ihm zu keinem Zeitpunkt eine Leistungseinschränkung bestanden, nur eine kurzfristige
Arbeitsunfähigkeit und beantragte zunächst die Feststellung, dass zum 08.03.2001 keine Altersrente wegen Berufsunfähigkeit
noch sonst eine Altersrente zu bewilligen gewesen sei und später die Aufhebung der Bescheide vom 21.06. und 19.10.2001 und
des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2002.
Das Sozialgericht hörte den Neurologen und Psychiater Dr.K. als Sachverständigen, der für keinen Zeitpunkt zu einer relevanten
Leistungseinschränkung des Klägers kam. Wiewohl auch nach dessen Gutachten der Schwerpunkt der Gesundheitsstörungen des Klägers
auf internistischem Gebiet lag und daneben Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet bestanden, äußerten sowohl das
Gericht als auch der Bevollmächtigte des Klägers, ein Rentenberater, gegenüber der Beklagten nachdrücklich, die Rentengewährung
sei zu Unrecht erfolgt und die Bescheide seien rechtswidrig gewesen. Die Beklagte blieb zunächst nach Anhörung ihrer Ärzte
bei ihrer Einschätzung.
Im Erörterungstermin vom 12.06.2003 wiederholte das Gericht seine Einschätzung und wies den Kläger darauf hin, dass er mit
einer Rückforderung der bislang bezahlten Rentenbeträge rechnen müsse. Der Kläger erklärte daraufhin, dass er dennoch die
Aufhebung der Bewilligungsbescheide wünsche, da er in diesem Fall von der privaten Krankenversicherung Krankentagegeld erhalten
werde. Daraufhin erklärte der Vertreter der Beklagten: "Die Rentenbewilligungsbescheide vom 21.06.2001, 02.10.2001 und 19.10.2001
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides werden aufgehoben." Der Klägervertreter erklärte im Einvernehmen mit dem Kläger:
"Das Anerkenntnis wird angenommen, der Rechtsstreit ist erledigt."
Mit Bescheid vom 24.07.2003 verfügte die Beklagte, die Bescheide vom 21.06.2001, 02.10.2001 und 19.10.2001 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 07.11.2002 würden ab Beginn zurückgenommen. Die Überzahlung sei zu erstatten. Der Bescheid ergehe
aufgrund des Anerkenntnisses vom 12.06.2003.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.11.2003 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München erhoben und geltend gemacht, die Rücknahme für die Vergangenheit
sei rechtswidrig. Es habe keine Anhörung stattgefunden und die Fristen für eine rückwirkende Aufhebung seien abgelaufen.
Mit Urteil vom 25.08.2005 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die angegriffenen Bescheide aufgehoben. Der Bescheid
gehe über die im Anerkenntnis ausgesprochene Aufhebung hinaus, da sie nicht auch für die Vergangenheit erklärt worden sei.
Bei der Rücknahme sei kein Ermessen ausgeübt worden, deshalb sei sie rechtswidrig. Die Voraussetzungen für eine Rückforderung
seien damit nicht erfüllt.
Hiergegen hat die Beklagte im Oktober 2005 mit einem handschriftlich unterzeichneten Schriftsatz innerhalb der Berufungsfrist
Berufung eingelegt und diese im Juli 2006 begründet.
Der Kläger ist der Meinung, damit habe die Beklagte nicht mehr form- und fristgerecht Berufung eingelegt, die Berufung sei
unzulässig.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.08.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zum Verfahren beigezogen waren die Akten der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts München in dem vorangegangenen Klageverfahren.
Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
Die Beklagte hat innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils mit einem handschriftlich unterzeichneten Schriftsatz
Berufung beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Damit ist dem Erfordernis des §
151 Abs.1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) Genüge getan. Weiterer Erfordernisse bedarf es nicht, insbesondere nicht gegenüber dem Kläger, da die formalen Erfordernisse
nur gegenüber dem Gericht einzuhalten sind. Ob und wann die Beklagte eine Berufungsbegründung abgibt und die zur Begründung
dienenden Tatsachen und Beweismittel nach §
151 Abs.3
SGG angibt, ist für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung. Die Nichteinhaltung dieser Soll-Vorschriften hat keine rechtlichen
Folgen (Meyer-Ladewig, Kommentar zum
SGG, 8. Auflage §
151 Rdnr.11e mit weiteren Nachweisen). Eine Beschränkung der Berufung nach §
144 SGG besteht nicht.
Die Beklagte hat die Rentenbewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit am 12.06.2003 aufgehoben. Der Bescheid vom 24.07.2003
ist in Ausführung des angenommenen Anerkenntnisses ergangen und hat insoweit nur noch deklaratorische Bedeutung. An den Inhalt
der Entscheidung vom 12.06.2003 ist der Kläger mit der Annahme des Anerkenntnisses gebunden. Eine Prüfung der Rücknahme nach
§ 45 Sozialgesetzbuch (SGB) X findet nicht mehr statt.
Die Rückforderung richtet sich in diesem Fall nach § 50 Abs.1 SGB X, eine Ermessenserwägung hat hier nicht mehr stattzufinden. Eine Anhörung war nicht mehr erforderlich, denn auf sie hat der
Kläger mit seiner Äußerung im Termin vom 12.06.2003 mindestens konkludent verzichtet. Im Übrigen gilt sie mit der Durchführung
des Widerspruchsverfahrens als nachgeholt.
Die Beklagte hat ihre Rentengewährungsbescheide nicht erst mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.07.2003 aufgehoben, sondern
schon mit der Aufhebungserklärung zur Niederschrift des Sozialgerichts am 12.06.2003. Dem Kläger gegenüber ist der Verwaltungsakt
damit durch mündliche Bekanntgabe wirksam geworden, §§ 33, 37 SGB X. Es trifft nicht zu, dass die Aufhebung nicht für die Vergangenheit geschehen wäre. Weder objektiv noch aus der Sicht des
Klägers als des Empfängers der in dem Verwaltungsakt enthaltenen Entscheidung konnte der Aufhebung entnommen werden, sie gelte
nicht für die Vergangenheit. Die Aufhebung war ohne jede Einschränkung, damit vollständig und umfassend, also von Anbeginn
(vgl. zum Urteilstenor bei Aufhebung von Verwaltungsakten ex tunc Meyer-Ladewig aaO. § 131 Rdnr.3a). Nichts Anderes ergibt
sich objektiv aus der Sicht des Klägers als des Adressaten der in dem Verwaltungsakt enthaltenen Entscheidung. Der Kläger
konnte der Aufhebung nicht entnehmen, sie gelte nicht für die Vergangenheit. Aus seiner Sicht war es vielmehr so, dass er
die rückwirkende Aufhebung ausdrücklich und immer begehrt hatte und eine nur auf die Zukunft gerichtete, noch dazu vom Zeitpunkt
der Entscheidung der Beklagten abhängige Aufhebung im Hinblick auf sein gegenüber der privaten Krankenversicherung gerichtetes
Begehren gar keinen Sinn ergeben hätte. Der Kläger ist auch auf die anstehende Rückforderung hingewiesen worden, von der nicht
die Rede hätte sein können, wenn die Aufhebung nicht rückwirkend geschehen sollte. Schließlich hätte aus Sicht des Klägerbegehrens
auch nicht von einem Anerkenntnis gesprochen werden können, wenn die Parteien die Aufhebung so verstanden hätten, wie das
Sozialgericht es nunmehr getan hat.
Der Bescheid vom 24.07.2003 hat damit hinsichtlich der Aufhebung der Rentengewährung keinen eigenständigen Entscheidungsinhalt
mehr, er ist nur noch deklaratorisch. Die Anfechtung richtete sich damit richtigerweise gegen die Entscheidung der Beklagten
im Termin vom 12.06.2003. Diese Entscheidung ist jedoch für die Parteien bindend, eine rechtliche Prüfung auf die Erfordernisse
des § 45 SGB X findet nicht mehr statt. Das angenommene Anerkenntnis hatte neben der prozessbeendigenden Wirkung auch die Wirkung eines
verwaltungsrechtlichen Vertrages, an dessen Regelung die Beteiligten gebunden sind (BSG Urteil vom 26.10.2004 Az.: B 4 RA 40/03 R). Der Kläger kann damit nicht mehr die Rechtswidrigkeit der in dem Anerkenntnis getroffenen Regelung geltend machen.
Die Erstattung der bereits gezahlten Rentenbeträge richtet sich nach § 50 SGB X. Nach dessen Abs.1 Satz 1 sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist.
Die Vorschrift setzt voraus, dass die zurückgeforderten Beträge aufgrund eines Verwaltungsaktes erbracht worden sind und der
zugrunde liegende Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Eine rechtmäßige Aufhebung des Verwaltungsaktes zieht damit zwingend
die Rückforderung der aufgrund des aufgehobenen Verwaltungsakts erbrachten Leistungen nach sich (BSG SozR 1500 § 146 Nrn.18
und 19). Die Beklagte hat demnach zu Recht die auf der Grundlage der aufgehobenen Bescheide gezahlten Rentenbeträge zurückgefordert.
Einer Anhörung nach § 24 SGB X bedurfte es nicht mehr. Nach § 24 Abs.1 SGB X ist vor Erlass eines Verwaltungsaktes, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den
für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Die Vorschrift soll das Verfahrensverhältnis zwischen dem Bürger und
der Sozialverwaltung stärken und die Stellung des Bürgers insbesondere durch den Schutz vor Überraschungsentscheidungen verbessern
(vgl. BSG SozR 1200 § 34 Nr.1). Der Betroffene soll Gelegenheit erhalten, durch sein Vorbringen zum entscheidungserheblichen
Sachverhalt die vorgesehene Entschließung der Verwaltung zu beeinflussen (BSG SozR 1300 § 24 Nr.10). Auf eine solche Rechtsposition
kann, wie auf alle nicht unveräußerlichen Rechtspositionen, verzichtet werden (vgl. von Wulffen, SGB X § 24 Rdnr.10). Der Kläger hat auf eine Anhörung zumindest konkludent verzichtet. Er ist auf die vorstehende Rückforderung hingewiesen
worden und hat dargelegt, warum er hiergegen nichts einzuwenden habe, nämlich, weil sie im Ergebnis zu seinem Vorteil sein
würde. Es ist nicht ersichtlich, zu welchem Zweck die Beklagte unter diesen Umständen noch eine Anhörung hätte vornehmen sollen.
Im Übrigen wäre der Mangel der Anhörung dadurch geheilt, dass der Kläger noch im Widerspruchsverfahren Gelegenheit hatte,
seine Einwendungen nachzuholen und von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht hat (s. BSG SozR 3-1300 § 24 Nr.4).
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf §
193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger im Ergebnis mit seinem Begehren auch nicht teilweise obsiegt hat.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.2 Nrn.1 und 2
SGG sind nicht ersichtlich.