Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II
Gründe
I.
Die 1994 geborene Antragstellerin polnischer Staatsangehörigkeit begehrt Arbeitslosengeld II vom Antragsgegner, der sich auf
einen Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II (allein zur Arbeitsuche) beruft.
Die Antragstellerin befand sich laut Verwaltungsakte bis 31.08.2010, also bis zur Vollendung ihres 16. Lebensjahrs, in polnischer
Schulausbildung. Anschließend war sie in Polen elf Monate als Friseurin (ohne Abschluss) und bis 31.07.2013 als Verkäuferin
(ohne Abschluss) tätig.
Am 03.08.2014 reiste die Antragstellerin nach Deutschland ein und wohnt seitdem bei ihrer Schwester, die zusammen mit ihren
Kindern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II bezieht. Am 05.08.2014 beantragte sie erstmals Arbeitslosengeld II. Sie gab an, im Rahmen geringfügiger Beschäftigung eine
Tageszeitung und ein Wochenblatt auszutragen. Leistungen wurden mit Bescheid vom 25.08.2014 abgelehnt.
Am 05.11.2014 beantragte die Antragstellerin erneut Arbeitslosengeld II. Dabei wurden Lohnnachweise vorgelegt. Die Antragstellerin
verdiente 13,20 Euro im August, 105,42 Euro im September, 135,90 Euro im Oktober und 80,48 Euro im November 2014. Ab 30.09.2014
besuchte die Antragstellerin eine Vorklasse zum Berufsintegrationsjahr für Asylbewerber und Flüchtlinge (Integrationsklasse).
Dort erfolgt eine allgemeine und sprachliche Ausbildung, die nicht auf einen Schul- oder Berufsschulabschluss hinführt und
von BAföG-Leistungen ausgeschlossen ist. Der Antrag auf Arbeitslosengeld II wurde mit Bescheid vom 24.11.2014 abgelehnt. Widerspruch
wurde nicht erhoben.
Am 30.01.2015 teilte die Antragstellerin mit, dass sie schwanger sei. Die Schule habe sie wegen der Schwangerschaft zum 19.01.2015
abgebrochen. Sie wolle ihre Arbeit auf drei oder vier Stunden aufstocken. Im Gerichtsverfahren teilte sie ferner mit, dass
der Vater des Kindes polnischer Staatsangehöriger sei, dieser seit Juni 2014 in Deutschland sei, nicht mit ihr zusammen leben
wolle und die Schwangerschaft sowie seine Vaterschaft bestreite. Errechneter Entbindungstermin sei der 02.09.2015.
Am 19.02.2015 wurde mit einem von der Antragstellerin unterschriebenen Antrag die Überprüfung des Bescheids vom 24.11.2014
beantragt.
Am 25.02.2015 wurde mit einem von der Antragstellerin unterschriebenen Antrag beim Sozialgericht Landshut einstweiliger Rechtsschutz
begehrt. Sie verfüge lediglich über 120,- Euro Einkommen im Monat.
Mit Beschluss vom 13.03.2015 verpflichtete das Sozialgericht den Antragsgegner der Antragstellerin vorläufig für die Zeit
vom 25.02.2015 bis 31.07.2015 Arbeitslosengeld II in Höhe von 80 % des Regelbedarfs und 80 % des Mehrbedarfs für werdende
Mütter zu gewähren. Dem Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung stehe die Bestandskraft des Ablehnungsbescheids vom 24.11.2014
nicht entgegen, weil bei der Behörde ein Überprüfungsantrag gestellt wurde, die Dinglichkeit dargelegt wurde und eine ausreichende
Bearbeitungsfrist bestanden hat. Ein Leistungsanspruch sei möglich, weil der Leistungsausschuss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II nach dem Recht der Europäischen Union einzuschränken sei. Der Fall tatsächlich arbeitsuchender Unionsbürger sei nicht abschließend
geklärt. Die Antragstellerin habe am 30.01.2015 erklärt, ihre Arbeitszeit aufstocken zu wollen. Sie besuche eine Berufsschule,
um ihre Deutschkenntnisse zu verbessern. Es sei derzeit nicht zwingend davon auszugehen, dass die Antragstellerin dauerhaft
und vollständig auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts angewiesen sein werde.
Selbst wenn man das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung zum Arbeitsmarkt in Zweifel ziehen wollte, sei ein Leistungsausschluss
nicht zwingend. Obergerichte hätten vielfach darauf hingewiesen, dass die Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II einer erweiternden Auslegung im Wege eines "erstrecht-Schlusses" auf Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht nicht
zugänglich sei.
Die Klärung der Rechtsfragen sei von der Entscheidung des EuGH zur Vorlage des BSG [EuGH, Alimaovic, C-67/14] abhängig. Aufgrund einer Folgenabwägung seien der Antragstellerin Leistungen mit Abschlag zusprechen.
Unterkunftskosten entstünden der Antragstellerin nicht.
Mit Bescheid vom 23.03.2015 wurde die Änderung des Bescheids vom 24.11.2014 abgelehnt. Es sei weder von einem unzutreffenden
Sachverhalt ausgegangen noch das Recht falsch angewendet worden. Dies wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.2015 bestätigt,
gegen den Klage erhoben wurde.
Der Antragsgegner hat bereits am 24.03.2015 Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt. Die Antragstellerin
sei von Leistungen nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen. Sie erfülle nicht den Arbeitnehmerbegriff. Das geringe Einkommen aus dem Austragen von Zeitungen gegen Stücklohn
neben dem Schulbesuch genüge nicht. Ein Zusammenleben mit dem Kindsvater zur Familiengründung erfolge nicht. Ein Aufenthaltsrecht
wegen Familienzusammenführung bestehe nicht, weil die Schwester nicht unter den Begriff der Familienangehörigen nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU falle. Das erwartete Kind werde die deutsche Staatsbürgerschaft nicht erhalten. Es bestehe allenfalls ein Aufenthaltsrecht
zur Arbeitsuche, der nach dem Urteil des EuGH vom 11.11.2014, C-333/13 [Dano] als europarechtskonform anzusehen sei.
Das örtliche Amt für Ausbildungsförderung hat auf Anforderung des Beschwerdegerichts mitgeteilt, dass der Schulbesuch der
Antragstellerin dem Grunde nach nicht mit BAföG-Leistungen förderbar ist. Für die Antragstellerin wurde ein nicht unterschriebener Schriftsatz mit Ausführungen zum Vater
des Kindes vorgelegt. Die Antragstellerin bemühe sich, eine zusätzliche Arbeitsstelle zu finden.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts vom 13.03.2015 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG). Die Beschwerde ist unbegründet, weil das Sozialgericht der Antragstellerin im Ergebnis zu Recht vorläufige Leistungen zugesprochen
hat.
Das Beschwerdegericht geht davon aus, dass die Antragstellerin die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erfüllt und dass lediglich der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II strittig sein kann. Weil die Grenzen dieses Leistungsausschlusses nach wie vor umstritten sind, ist die Leistungsgewährung
im Wege der einstweiligen Anordnung mit Abschlag im konkreten Fall nicht zu beanstanden.
Das Sozialgericht hat der Antragstellerin im Rahmen einer Folgenabwägung Leistungen zugesprochen. Nach der neueren Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts, insbes. dem Beschluss vom 06.07.2014, 1 BvR 1453/12, dürfen Entscheidungen im Eilverfahren sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten
der Hauptsache gestützt werden. Dies gilt auch, wenn existenzsichernde Leistungen zur Gänze im Streit stehen. Allerdings ist
zu beachten, dass die Sach- und Rechtslage vom Gericht umso intensiver zu prüfen ist, je gewichtiger und wahrscheinlicher
eine drohende Grundrechtsverletzung ist. Wenn eine endgültige Grundrechtsverhinderung droht, muss das Gericht die Anforderungen
an die Glaubhaftmachung verringern.
Nach Auffassung des Beschwerdegerichts ist die Antragstellerin gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II auch in europarechtskonformer Auslegung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II ausgeschlossen.
Lediglich weil der EuGH über die europarechtlichen Vorfragen des Leistungsausschlusses noch nicht entschieden hat, es an einer
einschlägigen Rechtsprechung des BSG fehlt und die erst- und zweitinstanzlichen Sozialgerichte sich über zahlreiche Einzelfragen uneins sind, befürwortet das
Beschwerdegericht die vorläufige Leistungsgewährung im konkreten Fall. Die Antragstellerin wird bereits an dieser Stelle darauf
hingewiesen, dass sie die Leistungen aus dem Eilverfahren zurückzahlen muss, wenn das Hauptsacheverfahren (Klage, ggf. Berufung
und Revision) den Leistungsausschluss bestätigt.
Wegen des laufenden Hauptsacheverfahrens weist das Beschwerdegericht auf Folgendes hin:
Die Antragstellerin hat kein Aufenthaltsrechts zum Zweck der Arbeitsuche (siehe a) und sie kann sich nicht auf ein anderes
Aufenthaltsrecht berufen (siehe b).
a) Aufenthaltsrecht nur zur Arbeitsuche
aa) Nach dem Urteil Brey (EuGH vom 19.09.2013, C-140/12), dem Urteil Dano (EuGH vom 11.11.2014, C-333/13) und den Schlussanträgen des Generalanwalts in der Sache Alimanovic (EuGH, C-67/14) vom 26.03.2015 ist davon auszugehen, dass Arbeitslosengeld II und Sozialgeld nach SGB II sowohl besondere beitragsunabhängige Geldleistungen nach der Verordnung Nr. 883/2004 (Verordnung) als auch Sozialhilfe nach
Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 (Richtlinie) sind.
bb) Ferner ist nach dem Urteil Dano und den vorgenannten Schlussanträgen davon auszugehen, dass die in Art. 18 AEUV, Art. 4 Verordnung und Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie geforderte Diskriminierungsverbote durch Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie eine Ausnahme erfahren (Urteil Dano,
Rn. 64; Schlussanträge Rn. 74).
cc) Ein Leistungsausschluss für Personen, die sich zum Zweck der Arbeitssuche in Deutschland aufhalten, ist grundsätzlich
europarechtskonform. (Schlussanträge, Rn. 78). Allerdings befürwortet der Generalanwalt eine differenzierte Handhabung der
Art und Weise des Leistungsausschlusses (Rn. 79). Er unterscheidet Personen, die zur Arbeitsuche einreisen (erste Arbeitsuche)
und Personen, die sich seit mehr als drei Monaten im anderen Staat aufhalten und dort eine Beschäftigung ausgeübt und verloren
haben (erneute Arbeitsuche).
(1) Bei Personen, die eine erste Arbeit suchen, geht der Generalanwalt wegen dem Wortlaut von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie
und der bisherigen Rechtsprechung des EuGH ohne weiteres von einem europarechtskonformen Leistungsausschluss aus (Rn. 97,
98)
(2) Bei Personen, die im anderen Staat erneut auf Arbeitsuche sind, erachtet der Generalanwalt einen automatischen Leistungsausschluss
als problematisch (Rn. 99). Erforderlich sei eine personenbezogene Prüfung des Antrags auf Sozialleistungen, nicht etwa eine
Prüfung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts (Rn. 105). Dem Betroffenen müsse nach dem früheren Eintritt in den Arbeitsmarkt
und dem Verlust der Arbeit während der neuen Arbeitsuche erlaubt werden, das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung zu diesem
Staat (insbes. familiäre Bindungen, effektive und tatsächliche Beschäftigungssuche während eines angemessenen Zeitraums) nachzuweisen
(Rn. 110, 111).
dd) Das Beschwerdegericht nimmt an, dass der EuGH - wie auch im Fall Dano - den Schlussanträgen des Generalanwalts folgen
wird. Dann ist § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II europarechtskonform auszulegen und in dieser Form anzuwenden. Nur so lässt sich die europarechtliche Differenzierung überhaupt
umsetzen.
Wenn die Antragstellerin als erstmalig Arbeitsuchende einzustufen ist, ist der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II und auch europarechtlich nicht zu beanstanden.
Eine erneute Arbeitsuche der Antragstellerin sieht das Beschwerdegericht hier nicht. Für eine Privilegierung des Arbeitsuchenden
durch eine personenbezogene Prüfung kann eine untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit (siehe oben) nicht genügen. Selbst
wenn man anderer Ansicht wäre, geht die individuelle Prüfung zulasten der Antragstellerin aus: Ihr gegenwärtiger Verdienst
ist minimal, eine nachhaltige Ausweitung ihrer geringfügigen Tätigkeiten ist nicht absehbar, ihre Kenntnisse der deutschen
Sprache sind gering, die Schule hat sie in den ersten Schwangerschaftswochen abgebrochen, über eine Berufsausbildung verfügt
sie nicht, der angebliche Kindsvater lehnt den Kontakt ab, die Schwester ist zu einer materiellen Unterstützung nicht in der
Lage.
b) Ein anderes Aufenthaltsrecht als zur Arbeitsuche ist nicht ersichtlich.
aa) Die Antragstellerin ist keine Arbeitnehmerin nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 FreizügG/EU. Die stundenweise Beschäftigung als Zeitungsausträgerin für einen Monatslohn zwischen 100,- und 135,- Euro hat den Charakter
einer Schülertätigkeit und übersteigt kaum den Umfang eines Taschengeldes für ältere Schüler. Es ist allenfalls im Umfang
weniger Euro auf die begehrte Leistung anrechenbar. Auch nach den Maßstäben des EuGH (vgl. Urteil vom 04.02.2010, C-14/09; Urteil vom 04.06.2009, C-22/08) ist diese Tätigkeit untergeordnet und unwesentlich. Es gibt auch keine fortwirkende Arbeitnehmereigenschaft nach § 2 Abs. 3 FreizügG/EU.
Die Schwester der Antragstellerin ist nicht Familienangehörige nach § 2 Abs. 2 Nr. 6, § 3 Abs. 2 FreizügG/EU, weil keine Verwandte in aufsteigender oder absteigender Linie.
Ein Zusammenleben mit dem angeblichen Vater des Kindes in Deutschland ist nicht vorgesehen. Die Konstruktion eines Aufenthaltsrechts
nach § 7 Abs. 1 S. 3 AufenthG (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.2013, B 4 AS 54/12 R) erübrigt sich.
Ein "Schülerfamilienaufenthaltsrecht" nach Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts in
der Rechtsache C-67/14 vom 26.03.2015, Rn. 119 ff) wegen des inzwischen abgebrochenen Schulbesuchs kommt nicht in Frage, weil dieses eine laufende
oder vorherige Beschäftigung eines Elternteils voraussetzt.
bb) Nicht erwerbstätige Personen
Auch wenn die Antragstellerin ihre Arbeitsuche betont, liegt nahe, dass sie bei fortschreitender Schwangerschaft diese aufgeben
wird. Das Beschwerdegericht weist deshalb bereits an dieser Stelle darauf hin, dass es von einem Leistungsausschluss ausgeht,
wenn keine Arbeitsuche (mehr) erfolgt und kein anderes Aufenthaltsrecht vorliegt (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss
vom 13.02.2015, L 25 AS 38/15 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18.03.2014, L 13 AS 363/13 B ER; LSG NRW, Beschluss vom 09.01.2015, L 12 AS 2209/14 B ER und LSG Hessen, Beschluss vom 11.12.2014, L 7 AS 528/14 B ER).
Der Ausschlusstatbestand ist so zu verstehen, dass ein Leistungsausschluss besteht, wenn sich mangels eines anderen Aufenthaltsrechts
ein Aufenthaltsrecht nur noch aus Arbeitsuche ergeben kann. Diese Auslegung passt auch zur Formulierung "Aufenthaltsrecht
allein aus dem Zweck der Arbeitsuche".
Eine andere Auslegung des Ausschlusstatbestands des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II (vgl. insbes. LSG Hessen, Urteil vom 27.11.2013, L 6 AS 378/12 - Revision anhängig unter B 14 AS 15/14; LSG Hessen, Beschluss vom 06.06.2014, L 6 AS 130/14 B ER, LSG NRW, Urteil vom 05.05.2014, L 19 AS 430/13) ist nicht angezeigt, weil das Ergebnis keinen Sinn ergäbe. Das Hilfesystem des SGB II fordert in den Grundsätzen (§§ 2, 3 SGB II) und den Sanktionstatbeständen (§§ 31 ff SGB II) energisch die Arbeitsuche. Es wäre nicht nachvollziehbar und ein unerklärbarer Widerspruch, wenn demjenigen Leistungen verweigert
werden, der dieser Grundforderung nachkommt, diesem aber ab dem Moment Leistungen gewährt werden, wenn er sich dieser Grundforderung
verweigert. Vor diesem Hintergrund bestand für den Gesetzgeber kein Anlass, für letzte Fallgruppe einen ausdrücklichen Leistungsausschluss
zu formulieren.
Eine Person, die nicht über ein anderes Aufenthaltsrecht und nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt, hat kein zu Sozialleistungsbezug
berechtigendes Aufenthaltsrecht. Nicht erwerbstätige Unionsbürger müssen nach dem Urteil des EuGH in der Sache Dano vom 11.11.2014,
C-333/13, über ausreichende eigene Existenzmittel verfügen, um das einschlägige Aufenthaltsrecht in Anspruch nehmen zu können (Rn.
75, 80). Gleiches gilt nach § 2 Abs. 2 Nr. 5, § 4 FreizügG/EU.
Die Sinnwidrigkeit eines anderen Verständnisses von § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II wird vertieft durch die Neufassung von § 2 Abs. 2 FreizügG/EU. § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU lautet ab 09.12.2014: [Freizügigkeitsberechtigt sind ...] "1a. Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis
zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht
haben, eingestellt zu werden," Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er Personen, die mit begründeter Erfolgsaussicht
Arbeit suchen, kein Arbeitslosengeld II geben will, wohl aber den Personen, die nach sechs Monaten mit wenig Erfolgsaussicht
Arbeit suchen.
Der Vorschlag, eine unerwünschte Leistungsgewährung an nicht Erwerbstätige, die auch keine Arbeit suchen, durch aufenthaltsbeendende
Maßnahmen zu verhindern, geht an der Wirklichkeit vorbei. Die Hürden und der Zeitbedarf für eine Aufenthaltsbeendigung bei
umgehender Wiedereinreise über offene Grenzen zeigen, dass dies von vornherein kaum möglich ist. Ein widerspruchsfreier gesetzgeberischer
Wille (so aber Schreiber in info also, 2015, S. 4 oben) lässt sich hier nicht ermitteln.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.