SGB-II-Leistungen
Einstweiliger Rechtsschutz
Keine Übernahme von Altschulden
Gründe
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf) begehrt vom Antragsgegner und Beschwerdegegner (Bg) im Wege des einstweiligen
Rechtsschutzes laufende Leistungen nach dem SGB II sowie die Übernahme von Stromschulden in Höhe von derzeit ca. 5.500,00 EUR.
Der Bf betrieb bis Ende Oktober 2016 als Zahnarzt eine eigene Praxis. Am 10.02.2017 beantragte der Bf beim Bg Leistungen nach
dem SGB II sowie die Gewährung eines Darlehens im Hinblick auf seine hohen Stromschulden. Über diesen Antrag hat der Bg bislang nicht
entschieden. Die angeforderten Unterlagen zur Klärung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse wurden vom Bf noch nicht
vollständig vorgelegt. Am 24.02.2017 stellte der Bf beim Sozialgericht München Antrag auf einstweilige Anordnung. Er habe
im Oktober 2016 seine Praxis verloren und verfüge über keinerlei Einkommen. Er wohne in einem Eigenheim (ca 128 qm Wohnfläche
auf 275 qm Grund und dazu eine Garage mit 15 qm Fläche), für das monatlich 150,00 EUR an Nebenkosten entstünden und ein Bedarf
an Heizöl von monatlich 250,00 EUR vorhanden sei. An dem Haus habe seine Mutter ein unentgeltliches Wohnrecht. Das Haus sei
mit Hypotheken von insgesamt 252.602,00 EUR belastet. Zudem habe er 130.000,00 EUR Schulden. Sein Geschäftskonto als Zahnarzt
sei blockiert. Die Stromschulden betrügen zwischenzeitlich ca. 5.000,00 EUR.
Mit Beschluss vom 17.03.2017 bewilligte das Sozialgericht München dem Bf vorläufig Leistungen in Höhe von 300,00 EUR monatlich
für die Zeit vom 16.03.2017 bis 31.05.2017 und lehnte im Übrigen den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab.
Der Bf sei seinen Mitwirkungspflichten zur Klärung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse bislang nur unzureichend nachgekommen.
Nachdem insbesondere nicht feststellbar sei, ob der Bf. durch das unangemessen große Eigenheim aktuell verwertbares Vermögen
habe, werde dem Bf. unter Anwendung der Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts im Wege einer Folgenabwägung für zehn Wochen
70 % des Regelbedarfs zugesprochen, wobei diese Leistung im Eilverfahren nur als Darlehen und damit grundsätzlich rückzahlbar
bewilligt werde. Bei seiner Folgenabwägung ging das Sozialgericht u.a von folgenden Gesichtspunkten aus:
* "Der Antragsteller liefert überhaupt keine notwendigen Unterlagen. Die angeforderten Unterlagen kann er größtenteils sofort
liefern. Selbst für die Kontoauszüge seines Girokontos ist kaum vorstellbar, dass er als Kontoinhaber nicht einmal Kontoauszüge
als Doppel bekommt. Das spräche für eine vollständige Ablehnung des Eilantrags.
* Die Stromschulden datieren aus einer Zeit, als er noch als Zahnarzt selbständig erwerbstätig war - das bedarf einer nachvollziehbaren
Erklärung und Nachweisen.
* Der Antragsteller ist nach seinen Angaben den ganzen Winter ohne Heizung ausgekommen. Was sich Mitte März nun geändert hat,
erschließt sich nicht. Außerdem hat er eine Ölheizung, die zwar von Betriebsstrom abhängig ist, der aber ggf. auch über einen
Stromgenerator erzeugt werden könnte. Das wäre bei Schulden von nunmehr 5.500,00 EUR preiswerter.
* Für einen Verlust der Unterkunft hat der Antragsteller nichts vorgetragen.
* Die medizinische Versorgung ist auch bei Beitragsrückständen gesichert, § 16 Abs. 3a SGBB V. Eine Übernahme von Beiträgen
zur GKV ist wegen der Darlehensform nicht angezeigt, §
5 Abs.
1 Nr.
2a SGB V.
* Im Eilverfahren ist auch bei existenzsichernden Leistungen ein Abschlag von der vollen Leistung möglich (Bundesverfassungsgericht,
Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, Rn. 26)." Hiergegen hat der Bf. Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.
Er sei hilfebedürftig. Das Sozialgericht habe insoweit die eidesstattliche Erklärung des Bf. vom 15. Februar 2017 nicht ausreichend
gewürdigt. Die Übernahme der Stromschulden sei schon deshalb notwendig, weil der Bf. ohne Strom sei. Eine Stelle als Zahnarzt
habe er nicht. Seine Mutter nehme ihr Wohnrecht nicht wahr.
Mit Schreiben vom 24.05.2017 an den Bf hat der Bg während des Beschwerdeverfahrens nochmals darauf hingewiesen hat, dass die
Unterlagen, welche zur Prüfung der Hilfebedürftigkeit unentbehrlich seien, vom Bf. immer noch nicht vollständig vorgelegt
seien. Mit weiterem Schreiben vom 24.05.2017 hat der Bg den Bf erneut zur Mitwirkung im Antragsverfahren aufgefordert. Das
vom Bf. selbst genutzte Eigenheim sei von unangemessener Größe. Auch nach Abzug aller hierauf Verbindlichkeiten würden die
Vermögensfreibeträge wohl überschritten.
Mit Schreiben vom 06.06.2017 nahm der Bf. dahingegen Stellung, dass - auch wenn der Bf. über verwertbares Vermögen verfügen
sollte - dies nicht zwangsläufig dazu führe, dass er aktuell nicht hilfebedürftig sei. Bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen
Verwertung und damit Zugänglichkeit dieses Vermögens sei der Bf. hilfebedürftig.
II.
Die zulässige Beschwerde ist zum Teil begründet.
Zutreffend hat das Sozialgericht im Wege der Folgenabwägung dem Bf. vorläufige Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 300,00 EUR bewilligt. Insoweit wird auf die Entscheidung des Sozialgerichts Bezug genommen und gemäß §
142 Abs.
3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen.
Anzumerken ist insoweit lediglich, dass der Bf. sein Eigenheim selbst nutzt und er derzeit seine Unterkunft offenbar nicht
gefährdet ist. Nebenkosten und Heizkosten wurden nicht wie erforderlich nachgewiesen. Insbesondere ist nicht ersichtlich,
dass im laufenden Zeitraum Heizöl angeschafft wurde; insoweit verbietet sich eine monatliche Bewilligung von Geldbeträgen
ohnehin. Bezüglich der Kosten für Unterkunft und Heizung ist im Ergebnis kein Anordnungsgrund ersichtlich. Was die Stromschulden
anbetrifft, ist weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Schulden vor einem Leistungsbezug
sind ohnehin nicht zu übernehmen. Soweit nach Antragstellung weitere Schulden entstanden sind, sind die Voraussetzungen des
§ 22 Abs 8 SGB II nicht glaubhaft gemacht. Der Bf hat nicht dargelegt, was er zwischenzeitlich unternommen hat, um mit dem Stromerzeuger eine
Einigung zu erzielen noch einen Wechsel des Stromanbieters versucht (vgl. zur Notwendigkeit entsprechender Selbsthilfeversuche
LSG NRW Beschluss vom 23.12.2015, L 2 AS 2028/15 B ER).
Was laufende Leistungen nach dem SGB II anbetrifft, hat das Sozialgericht dem Bf. bereits alles gewährt, was unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung der Vorwegnahme
der Hauptsache möglich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es möglich, dem Bf. vorläufig lediglich
70 % des Regelbedarfs zuzusprechen, bis die Hauptsache endgültig geklärt ist. Dies hat das Sozialgericht mit der Bewilligung
von 300,00 EUR monatlich getan, indem es sogar etwas mehr als 70 % des Regelbedarfs monatlich zugesprochen hat. Nachdem der
Bg. bislang jedoch über den Antrag des Bf. vom Februar noch nicht entschieden hat und nunmehr erst mit Schreiben vom 24.05.2017
offensichltich ein Versagensverfahren wegen mangelnder Mitwirkung eingeleitet hat, erscheint es sachgerecht, über die vom
Sozialgericht bis Ende Mai erfolgte Befristung hinaus die vorläufige Bewilligung von Leistungen zu verlängern und zwar bis
zur Entscheidung des Bg. über den Antrag des Bf - sei es im Wege eines Versagungsbescheides oder auch eines Bescheides in
der Sache selbst.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG unter Erwägung, dass die zeitliche Verzögerung über die Entscheidung des Antrags durch den Bf. mitverschuldet ist, da er
die aus Sicht des Bg. notwendigen Unterlagen bislang nicht vorgelegt hat und nur deshalb eine Verlängerung der Anordnung des
Sozialgerichts erfolgt ist.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war gemäß §§ 73a
SGG i.V.m. §
114 Zivilprozessornung aus den gleichen Gründen abzulehnen wie der PKH-Antrag in erster Instanz. Denn der anwaltlich vertretene
Bf. hat bis zum Abschluss der Instanz die angekündigte PKH-Erklärung nicht vorgelegt. Wenn ein Antragsteller in einem Eilverfahren
anwaltlich vertreten ist und die Vorlage der PKH-Erklärung von ihm angekündigt, aber bis zum Abschluss der Instanz nicht vorgelegt
wird, kann das Gericht Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erklärung auch ohne Setzung einer Nachfrist ablehnen (BayLSG Beschluss
vom 12.01.2011 L 7 AS 686/10 B PKH). Für eine Abweichung von diesem Grundsatz spricht auch im Beschwerdeverfahren nichts, zumal auch in erster Instanz
ausdrücklich hierauf hingewiesen wurde.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar §
177 SGG.