SGB-II-Leistungen
Einstweiliger Rechtsschutz
Keine Kürzung berechtigter Leistungen
Gründe
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf) begehrt vom Antragsgegner und Beschwerdegegner (Bg) im Wege des Eilverfahrens
höhere Leistungen nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 22.09.2016 bewilligte der Bg dem Bf Arbeitslosengeld II für die Zeit von Oktober 2016 bis einschließlich
September 2017. Dabei berücksichtigte der Bf als Kosten der Unterkunft und für Heizung, dass der Bf gemeinsam mit seiner Mutter
eine Doppelhaushälfte bewohnte.
Nachdem der Bf dem Bg mitgeteilt hatte, dass der Vermieter die Räumung der Doppelhaushälfte betreibe und am 14.02.2017 die
zwangsweise Räumung erfolge, änderte der Bg den Bescheid vom 22.09.2016 mit Änderungsbescheid vom 30.01.2017 dahingehend,
dass Leistungen ab März 2017 nur noch in Höhe des Regelbedarfs ohne Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und für Heizung
erbracht würden. Insofern forderte der Bg den Bf mit weiterem Schreiben vom 30.01.2017 auf nachzuweisen, wo er seit 14.02.2017
wohnhaft sei. Im Bescheid vom 30.01.2017 berücksichtigte der Bg in den Monaten März und April 2017 gleichzeitig Sanktionen
gegen den Bf, so dass für März 2017 ein Betrag von 317,20 EUR, für April 2017 ein Betrag von 368,10 EUR, ab Mai bis September
2017 der Regelbedarf in voller Höhe mit 409 EUR bewilligt wurde.
Der Bescheid vom 30.01.2017 wurde bestandskräftig.
Nachdem der Bf trotz Aufforderung vom 30.01.2017 nicht mitgeteilt hatte, wo er ab der Räumung wohnhaft war, kündigte der Bg
mit Schreiben vom 22.02.2017 die vorläufige Zahlungseinstellung aus dem Bescheid vom 30.01.2017 für die Zeit ab 01.03.2017
an.
Am 24.04.2017 beantragte der Bf vorläufigen Rechtsschutz beim Sozialgericht München. Bei einer vorläufigen Zahlungseinstellung
könne er seine Kosten der Lebensführung nicht bestreiten. Im Übrigen wohne er nach wie vor bei seiner Mutter, so dass ihm
Kosten für Unterkunft und Heizung (KdUH) wie bisher entstünden. Vom Vermieter sei eine Räumungsfrist bis 31.07.2017 eingeräumt
worden.
Mit Beschluss vom 12. Mai 2017 bewilligte das Sozialgericht München dem Bf vorläufig monatlich Leistungen in Höhe von 327,20
EUR für die Zeit vom 01.06.2017 bis 31.08.2017 und wies den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Übrigen ab.
Was das Begehren höherer KdUH anbetreffe, sei dieses mangels offener Hauptsache unzulässig. Ein offenes Hauptsacheverfahren
sei nicht mehr gegeben, da der Bescheid vom 30.01.2017, mit dem keine KdUH mehr gewährt wurden, bestandskräftig sei.
Was den Eilantrag betreffend die vorläufige Zahlungseinstellung zum 01.04.2017 anbetreffe, habe sich dies zwischenzeitlich
erledigt, nachdem der Bg dem Bf die Schecks für April und Mai 2017 mit Einlösedatum vom 27.04.2017 vorgelegt habe.
Da jedoch unklar sei, ob der Bg auch künftig Leistungen aus dem Änderungsbescheid vom 30.01.2017 erbringe, ordne dies das
Sozialgericht ausdrücklich an. Hierbei werde aber ein Abschlag von 20 % berücksichtigt, nachdem ein solcher Abschlag es dem
Bg ermögliche, Meldetermine durchzusetzen. Angesichts der Ungewissheit der künftigen Entwicklung werde die Anordnung zeitlich
bis zum 31.08.2018 beschränkt. Dann habe der Bf genügend Zeit, seinen Mitwirkungspflichten nachzukommen.
Hiergegen hat der Bf Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Vorläufige Leistungen seien in Höhe des Regelbedarfs
zuzusprechen und darüber hinaus Leistungen auf KdUH weiter zu bewilligen. Mit Schreiben vom 20.06.2017 legt der Bf unter Vorlage
des Mietvertrages dar, dass er weiter zusammen mit seiner Mutter wohne und ihm deshalb KdUH iHv 432,80 Euro entstünden. Hierzu
hat er im Beschwerdeverfahren eine eidesstattliche Versicherung seiner Mutter vom 20.06.2017 vorgelegt. Gegen die Sanktionen,
die zu einer Leistungsabsenkung geführt haben, habe er Widerspruch eingelegt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.
Anlass für das Eilverfahren war offensichtlich die vorläufige Zahlungseinstellung vom 22.02.2017 für die Monate März und April
2017. Insoweit hat das Sozialgericht zutreffend darauf verwiesen, dass sich aufgrund der inzwischen erfolgten Weiterzahlung
für die Monate März und April 2017 (auf der Grundlage des bestandskräftigen Bescheides vom 30.01.2017) die Hauptsache erledigt
hat. Eine vorläufige Regelung der - faktisch erledigten - Hauptsache im Wege einer gerichtlichen Eilentscheidung ist nicht
mehr veranlasst und die Beschwerde insoweit zurückzuweisen.
Was die KdUH anbetrifft, hat das Sozialgericht zutreffend darauf abgestellt, dass ein bestandskräftiger Bescheid vom 30.01.2017
vorliegt, der die Bewilligung von KdUH nicht vorsieht. Insoweit ist ebenfalls kein offenes Hauptsacheverfahren ersichtlich
und damit der Antrag unzulässig. Insbesondere hat der erstinstanzlich anwaltlich vertretene Bf beim Bg keinen Neuantrag in
Bezug auf KdUH gestellt, um eine Änderung des Bescheids vom 30.01.2017 insoweit zu erwirken.
Soweit nunmehr aufgrund der im Beschwerdeverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Mutter Anlass für den Bg
besteht, den bestandskräftigen Bescheid im Hinblick auf die KdUH ggf. abzuändern, hat dies für das Beschwerdeverfahren keine
Auswirkung. Denn eine Gefährdung der Unterkunft des Bf bei seiner Mutter ist weder dargetan noch ersichtlich. Seine Mutter
lässt ihn offenbar - solange sie selbst noch über die Wohnung verfügen kann - auch ohne Zahlungen wohnen.
Was den Regelbedarf anbetrifft, ist ebenfalls auf den bestandskräftigen Bescheid vom 30.01.2017 abzustellen.
Soweit darin für März und April 2017 die mit Widerspruch angefochtenen Sanktionsbescheide umgesetzt wurden, spielt dies zum
einem für März 2017 schon deshalb keine Rolle, weil der Eilantrag bei Sozialgericht erst am 24.04.2017 gestellt wurde und
Leistungen im Wege des gerichtlichen Eilverfahrens regelmäßig erst ab diesem Zeitpunkt möglich sind. Die Absenkung für April
2017 liegt unter 30% des Regelbedarfs; insoweit kann der Bf auf die Entscheidung in der Hauptsache verwiesen werden, nachdem
weder der Bf eine fortwirkende Notlage aufgrund dieser einmonatigen, geringen Absenkung dargelegt hat noch eine solche auch
nur ansatzweise ersichtlich wäre.
Was allerdings die Anordnung eines reduzierten Regelbedarfs für die Zeit vom 01.06.2017 bis 31.08.2017 durch das Sozialgericht
anbetrifft, ist der Beschluss des Sozialgerichts aufzuheben. Der Bg ist verpflichtet, auch in dieser Zeit Leistungen zu erbringen,
wie sie sich aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 30.01.2017 ergeben. Der Bf kann aus diesem bestandskräftigen Bescheid
Leistungen wie bewilligt jederzeit vollstrecken. Insoweit ist es einem Gericht verwehrt, diese dem Bf zustehenden und auch
vollsteckbaren Leistungen ohne eigene Rechtsgrundlage zu Lasten des Berechtigten zu reduzieren. Nachdem dies geschehen ist,
ist es ausnahmsweise notwendig festzustellen (vgl zur Möglichkeit einer solchen Feststellung in Zweifelsfällen etwa BayLSG
Beschluss vom 21.04.2016, L 7 AS 160/16 B ER Rz 21), dass Leistungen aus dem bestandskräftigen Bescheid ungekürzt erbracht werden müssen. Sollte der Bg die Leistungen
nicht wie bewilligt erbringen, müsste der Bf anschließend seine Rechte im Wege der Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid durchsetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) und der Erwägung, dass der Bf mit seinem Begehren im Beschwerdeverfahren nur zu einem kleinen Teil, nämlich den Absenkungen
von 20% des Regelbedarfs für drei Monate erfolgreich war, jedoch insbesondere im Hinblick auf die KdUH gescheitert ist.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, §
177 SGG.