Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II; Rechtsweg bei der Rückübertragung von Leistungsansprüchen
Gründe
I.
Streitig ist die Rückübertragung nach § 33 Abs. 4 Satz 1 SGB II von auf den Beklagten durch Gesetz übergangenen Ansprüchen.
Der Beklagte gewährte dem Kläger und Beschwerdeführer (Bf) und den Mitgliedern seiner Bedarfsgemeinschaft ab April 2010 Leistungen
nach dem SGB II, nachdem der Arbeitgeber des Bf das Arbeitsentgelt aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis schuldig geblieben war. Die Lohnansprüche
des Bf gegen seinen Arbeitgeber gingen gemäß
§ 115 SGB X für den Monat April 2010 in Höhe von 1.165,50 Euro brutto und für den Monat Mai 2010 in Höhe von 1.339,90 Euro brutto auf
den Beklagten über.
Mehrere Begehren des Bf, die gesetzlich auf den Beklagten übergangenen Forderungen gegenüber dem Arbeitgeber auf den Bf gemäß
§ 33 Abs. 4 Satz 1 SGB II zurück zu übertragen, lehnte der Beklagte ab (Schreiben vom 05.08.2010, 03.06.2010 und 31.08.2010). Nachdem der Beklagte
mit weiterem Schreiben vom 20.09.2010 ein erneutes Begehren auf Rückübertragung des Bf abgelehnt hatte, legte der Bf gegen
dieses Schreiben Widerspruch ein. Den Widerspruch verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2010 als unzulässig
mit der Begründung, bei dem Schreiben, mit dem die Rückübertragung abgelehnt wurde, handle es sich um keinen Verwaltungsakt.
Hiergegen erhob der Bf Klage zum Sozialgericht Regensburg und beantragte,
den Beklagten zu verurteilen, die auf ihn übergegangenen Gehaltsansprüche an den Kläger zur gerichtlichen Geltendmachung Zug
um Zug gegen Abtretung der Ansprüche zurück zu übertragen sowie den Bescheid des Beklagten vom 20.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 10.11.2010 aufzuheben.
Der Beklagte habe seinen in § 33 Abs. 4 Satz 1 SGB II zugebilligten Ermessensspielraum bezüglich der Rückübertragung nicht erkannt. Insbesondere sei nicht berücksichtigt worden,
dass dem Kläger bei dem Bezug von Lohnleistungen Freibeträge zustünden; deshalb habe der Bf auch ein Rechtschutzinteresse
an der Geltendmachung der ihm ursprünglich zustehenden Lohnansprüche. Zudem würde der Bf keine Anstalten machen, die übergangenen
Ansprüche gerichtlich beim ehemaligen Arbeitgeber einzuklagen.
Gleichzeitig stellte der Bf beim Sozialgericht Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung von Rechtsanwalt B, A-Stadt.
Mit Beschluss vom 13.06.2010 lehnte das Sozialgericht Regensburg den Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung von Rechtsanwalt
B ab. Die Klage biete keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Aus der Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Regelung
des § 33 Abs. 4 SGB II ergebe sich lediglich die Möglichkeit für den Träger öffentlicher Leistungen, übergegangene Ansprüche durch einen Dritten
(den ehemaligen Anspruchsinhaber) einklagen bzw. durchsetzen lassen. Ein Anspruch der Leistungsempfänger auf Rückübertragung
sollte dagegen nicht begründet werden. Wegen der Nähe zur zivilrechtlichen Geltendmachung der Ansprüche handle es sich nicht
um eine klassische Ermessensentscheidung bzw. Leistungen im Ermessen des Grundsicherungsträgers nach §
39 SGB I, sondern um eine einvernehmliche Regelung, die nicht in einem Überunterordnungsverhältnis getroffen werde. Deshalb könne
letztlich offenbleiben, ob über ein Begehren auf Rückübertragung überhaupt mittels Verwaltungsakt zu entscheiden wäre, oder
dies eine privat-rechtliche Streitigkeit darstelle. Jedenfalls habe der Bf keinen Anspruch auf Rückübertragung der gesetzlichen
übergegangenen Ansprüche nach § 33 Abs. 4 Satz 1 SGB II und damit auch nicht auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Hiergegen hat der Bf Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Der Bf habe Anspruch auf eine ordnungsgemäße Ermessensentscheidung.
Selbst die Bundesagentur für Arbeit führe in den fachlichen Hinweisen zu § 33 SGB II unter Rn. 33.38 aus, dass die Entscheidung im Ermessen der Leistungsträger stehe. § 33 Abs. 4 Satz 1 SGB II sei im Übrigen der Vorschrift des § 94 Abs. 5 Satz 1 SGB XII nachempfunden und aus der Kommentarliteratur zu § 94 SGB II ergebe sich, dass der Träger der Sozialhilfe im Rahmen einer Ermessensentscheidung abwägen müsse, ob er die übergangenen
Ansprüche selbst geltend mache oder von der Möglichkeit der Rückübertragung auf den Leistungsempfänger Gebrauch mache.
Auf richterlichen Hinweis mit Schreiben vom 18.07.2012, dass eine Rückübertragung nur im Wege eines Vertrages möglich sei
und der Abschluss eines solchen Vertrages nicht einklagbar sei und auf weiteres gerichtliches Schreiben vom 03.09.2012, dass
das Gesetz lediglich den Behörden Handlungsmöglichkeiten eröffnet werden sollen, und insoweit der Begriff Ermessen in den
Kommentarstellen zu § 94 SGB XII missverständlich seien, aber Link in Eicher/Spellbrink, § 33 SGB II, 2. Auflage 2008 Rz. 40 c dies ausdrücklich klarstelle, dass es sich um kein Ermessen sondern um eine Option handle, räumte
der Prozessbevollmächtigte des Bf ein, dass der Klageantrag auf Verurteilung des Beklagten zur Rückübertragung der Gehaltsansprüche
wohl unzulässig und unbegründet sei. Der Klageantrag auf Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 20.09.2010 in Form der
Widerspruchsentscheidung vom 10.11.2010 sei jedoch zulässig und begründet, da der Beklagte das ihn zustehende Ermessen nicht
erkannt habe. Daher sei Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Der Beklagte verweist auf den seiner Meinung nach zutreffenden Beschluss des Sozialgerichts.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Aus Sicht des Senats spricht zwar Vieles dafür, dass die vom Sozialgericht geäußerte Rechtsmeinung zutreffend ist.
Bei einem Rückübertragungsvertrag nach § 33 Abs. 4 Satz 1 SGB II handelt es sich auch nach Auffassung des Senats um einen rein zivilrechtlichen Vertrag (so die überwiegende Meinung in der
Rechtsprechung und Literatur, vgl. statt aller OLG Frankfurt vom 01.04.1999, 5 WF 123/98 Rz. 16 m.w.N.).
Die Rückübertragungsmöglichkeit nach § 33 Abs. 4 Satz 1 SGB II wurde vom Gesetzgeber nachträglich in das SGB II eingefügt, um der Behörde eine solche Rückübertragung - abweichend von früheren Rechtslage (vgl. dazu BGH NJW 2002, 1950) - zu ermöglichen. Die Vorschrift ist ausgestaltet als reine Befugnisnorm für entsprechendes privatrechtliches Handeln der
Behörde. Hierin erschöpft sich der Zweck der gesetzlichen Regelung (Cantzler in Münz/Herold-Tews SGB II 3. Auflage 2011, § 33 Rz. 33). Demgemäß handelt es sich trotz des Wortlautes "kann" um kein echtes Verwaltunsgsermessen (vgl. Link in Eicher/Spellbrink
SGB II 2. Auflage 2008, § 33 Rz. 40 c) und es ist von der Behörde keine Ermessensentscheidung im eigentlichen Sinn zu treffen. § 33 Abs. 4 Satz 1 macht
die Rückübertragung lediglich zulässig oder stellt insoweit eine Option dar (Link a.a.O.) für zivilrechtliches Handeln der
Behörde.
Folgt das Sozialgericht dieser Rechtsauffassung, so ist der Rechtstreit bezüglich des Antrags auf Rückübertragung als rein
zivilrechtlicher Rechtsstreit an die Zivilgerichte zu verweisen, ggf. bei entsprechender Rüge durch den Beklagten vorab der
Rechtsweg im Beschlusswege nach §
17a Abs.
3 GVG zu klären.
Für den Klageantrag auf Aufhebung des Bescheids vom 20.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2010 wäre zwar
der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Die Klage ist aber aus Sicht des Senats ohne Erfolgsaussichten. Zutreffend
ist der Beklagte davon ausgegangen, dass er bei Ablehnung des Begehrens des Bf bei Rückübertragung der Ansprüche gegen den
Arbeitgeber nicht durch Verwaltungsakt tätig werden kann, sondern allenfalls im Wege eines einvernehmlichen geschlossenen
privatrechtlichen Vertrages. Ausgehend von dieser Rechtsauffassung hat der Beklagte zutreffend auf das Rückübertragungsbegehren
des Bf lediglich mit einfachen Schreiben und nicht mit Verwaltungsakt reagiert. Ebenso zutreffend hat der Beklagte den Widerspruch
des Bf mangels Vorliegen eines Verwaltungsaktes als unzulässig verworfen. Weder das Schreiben noch der Widerspruch sind im
Ergebnis aufzuheben.
Nach dem großzügigen Maßstab, den das BVerfG für die Prüfung hinreichender Erfolgsaussichten vorgibt, sind allerdings hinreichende
Erfolgsaussichten nicht von vorneherein zu verneinen. Bislang ist durch die Rechtsprechung noch nicht geklärt, ob sich die
Rechtslage so darstellt, wie vom Senat angenommen. In der Literatur werden durchaus andere Ansätze verfolgt, die nicht völlig
abwegig erscheinen und deshalb die Rechtslage derzeit als ungeklärt erscheinen lassen. Z.B wird die Meinung vertreten, beim
Rückübertragungsvertrag nach § 33 Abs. 4 Satz 1 SGB II handle es sich um einen gemischten Vertrag, der sowohl öffentlich-rechtliche Elemente als privat-rechtliche Elemente enthält
(vgl. Link in Eicher/Spellbrink, § 33 SGB II, 2. Auflage 2008 Rz. 40 c m.w.N.). Ein gemischter Vertrag wäre dann möglicherweise wie ein öffentlich-rechtlicher Vertrag
zu behandeln (vgl. Engelmann in: von Wulffen SGB X § 53 Rz 9), auf dessen Abschluss nach der Rechtsprechung des BSG unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch bestehen könnte (vgl. etwa BSG Beschluss vom 22.04.2009, B 13 SF 1/08 R, BSG Urteil vom 29.05.1996, 3 RK 23/95).
Im Ergebnis ist dem Bf PKH zu bewilligen und antragsgemäß Rechtsanwalt B, A-Stadt, beizuordnen, da der vermögenslose Bf als
Leistungsberechtigter nach dem SGB II auch die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfüllt.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar, §
177 SGG.