Anhörungsrüge im sozialgerichtlichen Verfahren; Aufhebung einer gerügten nicht richtigen Entscheidung
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich mit der Anhörungsrüge gegen einen Beschluss, mit dem seine Beschwerde gegen die sozialgerichtliche
Ablehnung eines Eilantrags wegen höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II zurückgewiesen wurde.
Zunächst wurde dem Antragsteller mit Bescheid des Antragsgegners vom 25.02.2014 Arbeitslosengeld II für die Zeit von 01.03.2014
bis 31.08.2014 in Höhe von monatlich 899,35 Euro bewilligt. Dabei wurde die tatsächliche Wohnungsmiete von 588,35 Euro als
Bedarf berücksichtigt. Mit Änderungsbescheid vom 10.04.2014 wurde die Bewilligung für die Zeit vom 01.05.2014 bis 31.08.2014
auf monatlich 567,17 Euro herabgesetzt. Dabei wurden nur mehr 90 % des vollen Regelbedarfs und die halbe Miete berücksichtigt.
Der Bescheid vom 25.02.2014 werde insoweit aufgehoben. Es werde weiterhin davon ausgegangen, dass Frau C. beim Antragsteller
wohne. Dieser Änderungsbescheid enthält keine Rechtsbehelfsbelehrung.
Den am 11.06.2014 gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz lehnte das Sozialgericht München mit Beschluss vom 25.06.2014
ab. Gegen den Bescheid vom 10.04.2014 sei kein Widerspruch eingelegt worden. Der Eilantrag sei für Leistungen für die Zeit
von Mai bis August 2014 unzulässig.
Am 16.07.2014 hat der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt und zugleich Prozesskostenhilfe
beantragt. Eine Begründung werde nachgereicht. Mit Schreiben vom 11.08.2014 hat das Beschwerdegericht dem Antragsteller ein
Schreiben des Antragsgegners zur Stellungnahme bis 27.08.2014 übermittelt. Nachdem der Antragsgegner am 20.08.2014 bestätigte,
dass gegen den Bescheid vom 10.04.2014 kein Widerspruch eingereicht worden ist, hat das Landessozialgericht die Beschwerde
mit Beschluss vom 22.08.2014 zurückgewiesen und Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht der Beschwerde abgelehnt.
Am 25.08.2014 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers Widerspruch gegen den Bescheid vom 10.04.2014 eingelegt. Es seien
höhere Leistungen zu gewähren. Frau C. sei im August 2013 ausgezogen und habe zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses nicht beim
Antragsteller gewohnt.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat am 25.08.2014 Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 22.08.2014 erhoben. Durch die
Entscheidung vor Ablauf der gesetzten Frist sei der Antragsteller gehindert worden, den wegen fehlender Rechtsbehelfsbelehrung
rechtzeitigen Widerspruch gegen den Bescheid vom 10.04.2014 geltend zu machen. Nach dem Vortrag des Antragstellers sei Frau
C. bereits am 18.01.2014 oder 19.01.2014 ausgereist. Der Antragsgegner hat kurzfristig Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen.
II.
Die Anhörungsrüge ist zulässig und begründet. Das Beschwerdeverfahren L 7 AS 552/14 B ER ist fortzuführen. Der gerügte Beschluss vom 22.08.2014 wird gemäß §
178a Abs.
5 Satz 4
SGG i. V. m. §
343 Satz 2
Zivilprozessordnung (
ZPO) aufgehoben.
Die Anhörungsrüge ist gemäß §
178a Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthaft, weil gegen den Beschluss vom 22.08.2014 wegen §
177 SGG kein anderer Rechtsbehelf gegeben ist. Sie wurde gemäß §
178a Abs.
2 SGG schriftlich und innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Beschlusses vom 22.08.2014 erhoben. Die angegriffene Entscheidung
wurde bezeichnet und das Vorliegen der in §
178a Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG genannten Voraussetzungen dargelegt.
Die Anhörungsrüge ist auch begründet, weil das Gericht den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher
Weise verletzt hat. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs besagt, dass der Beteiligte zum jeweiligen Verfahren herangezogen
werden und Gelegenheit haben muss, sich vor Erlass der Entscheidung zum Prozessstoff zu äußern und gehört zu werden (vgl.
Keller in Meyer-Ladewig,
Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, §
62 Rn. 2). Für die Entscheidungserheblichkeit genügt, dass die Möglichkeit bestanden hat, dass die gerügte Entscheidung für
den betroffenen Beteiligten günstiger ausgefallen wäre.
Der Antragsteller konnte aufgrund der gerichtlichen Terminvorgabe davon ausgehen, dass er bis zum 27.08.2014 Gelegenheit hat,
zum Beschwerdeverfahren vorzutragen und dass bis dahin keine abschließende Entscheidung ergehen wird. Durch den Beschluss
vom 22.08.2014 wurde dem Antragsteller die Möglichkeit genommen, Widerspruch gegen den mangels Rechtsbehelfsbelehrung noch
nicht bestandskräftigen Bescheid vom 10.04.2014 Widerspruch einzulegen und diesen Sachverhalt beim Beschwerdegericht geltend
zu machen. Dies ist insoweit entscheidungserheblich, als der Widerspruch gegen den nicht bestandskräftigen Bescheid zu einer
für den Antragsteller günstigeren Entscheidung führen könnte. Bis zum 25.08.2014 gab es keinen Widerspruch, der die Anordnung
der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht nach §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG hätte tragen können.
Dem Antragsteller ist gemäß §
73a SGG i.V.m. §
114 ff
Zivilprozessordnung (
ZPO) Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu gewähren. Er verfügt nicht über ausreichendes Einkommen oder einzusetzendes Vermögen
nach §
115 ZPO. Die Rechtsverfolgung hat auch hinreichende Aussicht auf Erfolg und ist nicht mutwillig. Wegen der Schwierigkeiten der Rechtsfragen
und der Bedeutung der Angelegenheit war antragsgemäß Rechtsanwalt Dr. P. nach §
121 Abs.
2 ZPO beizuordnen.
Die Entscheidung über die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 25.06.2014 ist einem weiteren Beschluss vorbehalten.
Dieser Beschluss ist bezüglich der Anhörungsrüge gemäß §
178a Abs.
4 Satz 3
SGG, bezüglich der Gewährung von Prozesskostenhilfe gemäß §
177 SGG unanfechtbar.