Gründe:
I. Streitig ist, ob einer Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch
(SGB II) eine eheähnliche Gemeinschaft entgegensteht.
Der im Jahre 1965 geborene Antragsteller bezieht seit Anfang 2005 durchgängig Arbeitslosengeld II vom Antragsgegner. Der Antragsteller
bewohnt seit 01.09.1999 einen Teil der Zwei-Zimmer-Wohnung der 1954 geborenen Frau N. Der Antragsteller trägt die Hälfte der
monatlichen Mietkosten der Wohnung. Davon wurden monatlich 150,- Euro als Bedarf anerkannt. Zuletzt wurden dem Antragsteller
Leistungen bis 30.11.2010 von monatlich 509,- Euro bewilligt (Bescheid vom 31.05.2010)
Am 18.06.2010 kam es zu einem Hausbesuch. Dabei wurde festgestellt, dass das Wohnzimmer gemeinsam genutzt wird, nur ein Bett
von 140 mal 200 cm in der Wohnung vorhanden ist und der Kleiderschrank im Schlafzimmer gemeinsam genutzt wird. In Küche und
Bad erfolge keine Trennung. Der Antragsteller und Frau N. bestritten das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft.
Mit Bescheid vom 24.11.2010 wurde die Gewährung von Leistungen ab Dezember 2010 abgelehnt. Es sei von einer Verantwortungs-
und Einstehensgemeinschaft auszugehen, zumal bereits länger als ein Jahr gemeinsam in einer Wohnung gelebt werde. Der Ablehnungsbescheid
wurde jedoch aufgehoben und mit Schreiben vom 02.12.2010 ein erfolgloses Auskunftsverlangen an Frau N. gestellt. Wegen Verweigerung
der Auskunft erging später ein Bußgeldbescheid. Mit Bescheid vom 22.12.2010 wurden die Leistungen erneut abgelehnt. Der dagegen
erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.03.2011 zurückgewiesen. Dagegen wurde Klage erhoben (S 13 AS 303/11).
Am 07.01.2011 stellte der Antragsteller einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Landshut. Es bestehe
lediglich eine Zweckgemeinschaft und ein Untermietverhältnis. Die Miete werde jeweils in bar entrichtet. Es wurde ein handschriftliches
Schreiben vom 07.04.2011 zur Kündigung der Untermiete durch Frau N. vorgelegt. Der Antragsteller habe vom 01.12.2010 bis April
2011 keine Mietzahlungen erbracht. Die Krankenkasse habe die Krankenversichertenkarte eingezogen, weil der Antragsteller keine
Beiträge mehr zahlen könne. Es wurde ermittelt, dass Frau N. etwa 1300,- Euro brutto monatlich verdient. Das Sozialgericht
schlug vor, dass unter Anrechnung des bereinigten Einkommens von Frau N. ein monatliches Arbeitslosengeld II in Höhe von 90,-
Euro gezahlt werden solle, damit auch der Versicherungsschutz gewährleistet sei. Der Antragsteller stimmte diesem Vorschlag
zu. Der Antragsgegner lehnte den Vorschlag ab.
Mit Beschluss vom 18.08.2011 verpflichtete das Sozialgericht den Antragsgegner, dem Antragsteller vorläufig ab 07.01.2011
Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Höhe zu gewähren, ohne Einkommen oder Vermögen von Frau N. zu berücksichtigen. Leistungsrelevante
Änderungen, zum Beispiel ein Wohnungswechsel oder die Aufnahme einer Tätigkeit seien zu berücksichtigen. Das Auskunftsverlangen
nach § 60 Abs. 4 Nr. 1 SGB II und das Bußgeldverfahren nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 SGB II hätten zur Voraussetzung, dass zuvor
die Partnerschaft bestandskräftig festgestellt wurde. Das durchgeführte Bußgeldverfahren könne die notwendige Amtsermittlung
nicht ersetzen.
Am 05.09.2011 hat der Antragsgegner Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 18.08.2011 eingelegt. Der Sachverhalt
sei vollständig ermittelt worden. Der Bußgeldbescheid sei vom Amtsgericht gehalten worden. Nach der Rechtsprechung des BSG
(Urteil vom 24.02.2011, B 14 AS 87/09 R, Rn. 18) genüge die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft um das Auskunftsverlangen auszulösen. Hierfür genüge auch die
vermutete Partnerschaft nach § 7 Abs. 3a SGB II, die andernfalls ohne Bedeutung wäre.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 18.08.2011 aufzuheben und den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsteller trägt vor, dass er seit 16.04.2011 berufstätig sei und wieder bei Frau N. wohnen könne, weil er in der Lage
sei, die Miete zu bezahlen. Vorgelegt wurde eine Gehaltsabrechnung, wonach der Antragsteller einer sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigung nachgeht und einen Nettoverdienst von 500,- Euro monatlich erzielt. Der Antragsteller und Frau N. würden nur
deshalb in einem Haushalt leben, weil beide wirtschaftliche und finanzielle Vorteile für sich selber sähen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akte des Antragsgegners, die Akte des Sozialgerichts und die Akte des
Beschwerdegerichts verwiesen.
II. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG). Die Beschwerde ist auch begründet, weil das Sozialgericht zumindest ab 01.05.2011 zu Unrecht eine einstweilige Anordnung
verfügt hat.
Für die begehrte Begründung einer Rechtsposition im einstweiligen Rechtsschutz ist ein Antrag auf eine Regelungsanordnung
nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG statthaft. Der Antrag muss zulässig sein und die Anordnung muss zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Es
muss glaubhaft sein, dass ein materielles Recht besteht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird (Anordnungsanspruch),
und es muss glaubhaft sein, dass eine vorläufige Regelung notwendig ist, weil ein Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren
nicht zumutbar ist (Anordnungsgrund).
Mit dem Nettoeinkommen von 500,- Euro ist der Antragsteller in der Lage, seinen Bedarf (Regelbedarf und 150,- Euro für Kosten
der Unterkunft) weitestgehend abzudecken. Da er auch eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausübt, ist auch sein Versicherungsschutz
gewährleistet. Spätestens seit Mai 2011 besteht daher kein Anordnungsgrund mehr.
Das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft ist inzident als Vorfrage der Prüfung der Hilfebedürftigkeit im Rahmen der Amtsermittlung
zu klären. Dies gilt für einen Leistungsbescheid und auch für das Auskunftsverlangen nach § 60 Abs. 4 Nr. 1 SGB II. Das Beschwerdegericht
teilt nicht die Auffassung des Sozialgerichts, dass ein Auskunftsverlangen nach § 60 Abs. 4 Nr. 1 SGB II voraussetzt, dass
das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft zuvor bestandskräftig festgestellt wurde (ebenso LSG Schleswig-Holstein, Urteil
vom 29.04.2011, L 3 AS 39/10). Wie das BSG im Urteil vom 24.02.2011, B 14 AS 87/09 R, Rn. 18, ausführt, beruht dieses Auskunftsverlangen auf einer "Annahme" einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft.
Eine vorherige bestandskräftige Feststellung forderte das BSG gerade nicht. Ob ein derartiger feststellender Verwaltungsakt
überhaupt möglich ist, kann offen bleiben (als Vorabentscheidung vgl. von Wulffen, SGB X, 7. Auflage 2010, § 31 Rn. 29). Eine Pflicht hierzu ist jedenfalls nicht erkennbar. Die vorgenannte "Annahme" darf allerdings keine bloße Vermutung
der Behörde sein, sie muss vielmehr auf äußeren Hinweistatsachen beruhen. Lediglich für den Einstandswillen steht der Behörde
die Vermutungsregelung nach § 7 Abs. 3a SGB II zur Seite, wenn denn die Anknüpfungstatsachen für die Vermutung belegt sind.
Im vorliegenden Fall bestehen erhebliche Hinweistatsachen für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft: Der Hausbesuch
belegt ein enges Zusammenleben ohne jegliche Trennung eines privaten Bereichs und ein gemeinsames Wirtschaften. Der Antragsteller
und Frau N. wohnen nun 12 Jahre zusammen. Frau N. hat auch den Mietrückstand monatelang klaglos hingenommen. Die im April
2011 ausgesprochene Kündigung war nicht mit einem Räumungs- oder Auszugsverlangen verknüpft und erweckt den Anschein, dass
der Hauptzweck dieser Erklärung deren Vorlage beim Sozialgericht war. Hinzu kommt das Einverständnis des Antragstellers mit
dem Vergleichsvorschlag des Sozialgerichts (90,- Euro monatlich), wobei sich aus der Formulierung des Vergleichsvorschlags
klar ergab, dass die neue Teilzeittätigkeit dabei nicht berücksichtigt worden war. Gegen einen Unterstützungswillen spricht
der Beitragsrückstand bei der Krankenkasse, wobei aber zu berücksichtigen ist, dass auch Frau N. nur über begrenzte Mittel
verfügte.
Weil der Antragsgegner gemäß §
175 SGG grundsätzlich zum Vollzug der einstweiligen Anordnung des Sozialgerichts verpflichtet war, beschränkt das Beschwerdegericht
die Aufhebung des Beschlusses auf die Zeit ab 01.05.2011. Dabei geht es davon aus, dass der Antragsteller sein neues Beschäftigungsverhältnis
pflichtgemäß dem Antragsgegner gemeldet hat, so dass dieser das neue Einkommen entsprechend dem Beschluss des Sozialgerichts
anrechnen konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG. Dabei war auch die Kostenentscheidung des Sozialgerichts abzuändern. Der Beschluss vom 18.08.2011 war nicht zutreffend,
weil ab Mai 2011 definitiv kein Anordnungsgrund mehr bestand. Für die Zeit davor wäre nach Auffassung des Beschwerdegerichts
der im Vergleichsvorschlag unterbreitete geringe Leistungsbetrag ausreichend gewesen.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.