Zulässigkeit der Feststellungsklage im sozialgerichtlichen Verfahren auf das Nichtbestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft
Tatbestand:
Der im Jahr 1954 geborene Kläger und Berufungskläger beantragte erstmals im September 2005 Arbeitslosengeld II bei der Beklagten.
Dabei gab er an, im Haus seiner geschiedenen Ehefrau zur Untermiete zu wohnen. Die Untermiete betrage 255,65 EUR monatlich.
Die Scheidung erfolgte im Jahr 1996. Eine eheähnliche Gemeinschaft bestehe nicht. Die geschiedene Ehefrau bezieht zwei Renten.
In der Folge wurde dem Kläger Arbeitslosengeld II ohne Anrechnung von Einkommen der geschiedenen Ehefrau gewährt.
Nach einem Außendienstbesuch im April 2007 und Auskünften des Klägers ging die Beklagte davon aus, dass eine eheähnliche Gemeinschaft
bestehe. Der Kläger wurde aufgefordert, Nachweise zu Einkommen und Vermögen seiner geschiedenen Ehefrau vorzulegen. Nachdem
der Kläger dies verweigerte, wurden die Leistungen zum 01.01.2008 eingestellt. In der Folge kam es zu einem Gerichtsverfahren,
das mit einem Anerkenntnis der Beklagten endete, weil die Voraussetzungen einer Einstellung der Leistungen nach §
66 SGB I nicht vorgelegen hätten.
Mit Bescheid vom 26.06.2008 wurde dem Kläger Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.07.2008 bis 31.12.2008 in Höhe von monatlich
633,33 EUR (Regelleistung 347,- EUR, Mehrbedarf Diabetes 30,68 EUR und Kosten der Unterkunft 255,65 EUR) bewilligt. Dabei
wurde das Einkommen der geschiedenen Ehefrau nicht angerechnet.
Nach Aufforderung legte die geschiedene Ehefrau Unterlagen zu Einkommen und Vermögen vor. Mit Änderungsbescheid vom 26.08.2008
wurden die Leistungen für die Zeit vom 01.09.2008 bis 31.12.2008 auf monatlich 217,57 EUR vermindert. Eine eheähnliche Gemeinschaft
werde weiterhin vermutet. Das Einkommen der geschiedenen Ehefrau wurde angerechnet. Gegen diesen Bescheid wurde Widerspruch
erhoben.
Mit Schreiben vom 29.08.2008 wurde der Kläger zu einer beabsichtigten Aufhebung und Erstattung angehört. Der Kläger habe zu
Unrecht Leistungen bezogen, weil eine eheähnliche Gemeinschaft bestanden habe. Eine Überzahlung in Höhe von 4.420,32 EUR sei
zu erstatten. Auch gegen dieses Schreiben erhob der Kläger Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.2008 wurden die Widersprüche zurückgewiesen. Der Bescheid vom 26.08.2008 sei zutreffend,
weil eine eheähnliche Gemeinschaft bestehe. Der Widerspruch gegen das Anhörungsschreiben sei unzulässig.
Am 11.11.2008 wurde Klage erhoben. Im Klageverfahren gab die Beklagte ein Anerkenntnis ab, wonach der Änderungsbescheid von
26.08.2008 aufgehoben werde. Ein Anerkenntnis der Rechtsauffassung des Klägers hinsichtlich der eheähnlichen Gemeinschaft
sei damit nicht verbunden. Diese Frage sei daher für den Zeitraum ab 01.01.2009 noch zu klären. Der Kläger lehnte die Annahme
des Anerkenntnisses ab. Es sei die Gesamtlage hinsichtlich der eheähnlichen Gemeinschaft zu klären.
Nach Anhörung entschied das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 23.09.2009 dahingehend, dass entsprechend dem Anerkenntnis
der Beklagten der Bescheid vom 26.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.10.2008 aufgehoben werde. Im Übrigen
werde die Klage abgewiesen. Die Klage gegen das Anhörungsschreiben sei unzulässig. Eine Feststellungsklage für weitere Zeiträume
sei unzulässig, der Kläger könne sich stattdessen gegen den jeweiligen Leistungsbescheid wenden.
Am 20.10.2009 hat der Kläger Berufung gegen den Gerichtsbescheid eingelegt. Er bitte um eine endgültige Klärung des Einstehensparagrafen
zur eheähnlichen Gemeinschaft. Erst wenn dies endgültig geklärt sei, sei die Sache vorbei. Ferner bitte er ihm das volle Arbeitslosengeld
II für die Zeit ab 01.01.2009 zuzusprechen. Der Einstehensparagraf verstoße gegen die deutsche Verfassung und gegen europäisches
Recht. Außerdem sei die Beklagte vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter teilweiser Aufhebung des Gerichtsbescheids vom 23.09.2009
a) das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 29.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.10.2008 aufzuheben,
b) festzustellen, dass eine eheähnliche Gemeinschaft zwischen ihm und seiner geschiedenen Ehefrau nicht bestehe und
c) ihm für die Zeit ab 01.01.2009 ungekürzte Leistungen zuzusprechen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts wegen der Einzelheiten auf die Akten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts
und die Akte des Landessozialgerichts verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Nicht Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des ursprünglich strittigen Bescheids vom 26.08.2008. Dieser
Änderungsbescheid wurde bereits aufgehoben. Der Kläger ist insoweit nicht mehr beschwert und hat im Berufungsverfahren richtigerweise
keinen entsprechenden Antrag mehr gestellt.
Streitgegenstand des Verfahrens ist zum einen das Anhörungsschreiben vom 29.08.2008, mit dem der Kläger zu einer beabsichtigten
Aufhebung und Erstattung angehört wurde. Die Klage und die Berufung sind jedoch unbegründet, weil die Beklagte den Widerspruch
gegen das Anhörungsschreiben zu Recht als unzulässig zurückgewiesen hat. Ein Widerspruch ist gemäß §
78 SGG lediglich gegen einen Verwaltungsakt möglich. Ein Anhörungsschreiben ist mangels einer Regelung eines Einzelfalles kein Verwaltungsakt
im Sinne von § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist des Weiteren auch die vom Kläger begehrte Feststellung dass eine eheähnliche
Gemeinschaft zwischen ihm und seiner geschiedenen Ehefrau nicht bestehe sowie der vom Kläger erhobene Anspruch auf ungekürzte
Leistungen ab 01.01.2009.
Eine Klage auf ungekürzte Leistungen ab 01.01.2009 - gemeint ist ohne Anrechnung des Einkommens der ehemaligen Ehefrau - war
unzulässig, weil nach §
54 Abs.
4 SGG eine derartige Klage nur in Verbindung mit einer Anfechtung des Bescheids möglich ist, der über den Zeitraum ab 01.01.2009
entscheidet. Ein derartiger Bescheid war nicht Gegen-stand des Klageverfahrens oder des Berufungsverfahrens. Der Kläger wendet
sich trotz der entsprechenden Hinweise des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts nicht gegen einen konkreten Bescheid.
Er begehrt vielmehr eine allgemeine und endgültige Klärung, ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt.
Für dieses Begehren, der Klärung der eheähnlichen Gemeinschaft, kommt als Klageart lediglich eine Feststellungsklage nach
§
55 Abs.
1 SGG in Betracht. Für eine Klage, ob der Einstehensparagraf - gemeint ist §
7 Abs.
3a SGB II - gültig ist, gibt es im
Sozialgerichtsgesetz keine Klageart. Für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art.
100 Grundgesetz besteht keine Veranlassung.
Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 SGB unzulässig ist. Die Berufung
ist daher unbegründet. Zum einen fehlt es schon an einem vorhergehenden feststellenden Verwaltungsakt hierzu (vgl. Keller
in Meyer-Ladewig,
Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, §
55 Rn. 3b). Zum anderen ist die Feststellungsklage subsidiär, das heißt, dass Anfechtungs- und Leistungsklagen gegen den die
einzelnen Bescheide, in denen das Einkommen der geschiedenen Ehefrau angerechnet wird, vorrangig sind (Keller aaO. Rn. 3).
Außerdem betrifft die Frage, ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, lediglich ein Element des Leistungsanspruchs. Eine
Elementfeststellungsklage ist aber regelmäßig unzulässig (Keller aaO. Rn. 9).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil keine Zulassungsgründe ersichtlich sind.