Änderungsbescheid als Gegenstand des sozialgerichtlichen Klageverfahrens
Gründe:
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Bf) wendete sich mit dem Ziel, höhere Leistungen zu erhalten, gegen den Bewilligungsbescheid
der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Bg) vom 15.07.2009; den Widerspruch hiergegen lehnte die Bg mit Widerspruchsbescheid
vom 07.10.2009 wegen Verfristung als unzulässig ab.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid erhob die Bf mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 20.10.2009, eingegangen bei Gericht
am 21.10.2009, Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG). Gleichzeitig stellte der Bevollmächtigte der Bf Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH).
Mit Änderungsbescheid vom 15.10.2009 für den streitgegenständlichen Zeitraum, der der Bf spätestens am 19.10.2009 zugegangen
war, hatte die Bg inzwischen die beantragten höheren Leistungen bewilligt, da sie den verfristeten Widerspruch als Antrag
nach § 44 SGB X gewertet hatte, allerdings nur vorläufig nach §
40 SGB II iVm §
328 SGB III, weil die Bf noch Unterlagen zur Berechnung ihres Einkommens nachreichen musste. Die Unterlagen reichte die Bf per E-Mail
am 19.9.2009 nach.
Mit Schreiben vom 01.12.2009 erklärte der Bevollmächtigte der Bf die Hauptsache "nach erfolgter Abhilfe" unter Bezugnahme
auf drei Änderungsbescheide vom 15.10.2009 für erledigt; die Bg habe die Leistungen inzwischen zutreffend nachgezahlt.
Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Erstattung der außergerichtlichen Kosten lehnte das SG mit Beschluss vom 27.01.2010 ab; dieser Beschluss wurde, nachdem er nicht anfechtbar ist, auch von der Bf nicht angefochten.
Mit weiterem Beschluss vom 27.01.2010 lehnte das SG die Bewilligung von PKH mit der Begründung ab, die Klage habe von Anfang an keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt.
Die Klage hätte bereits mangels Rechtsschutzbedürfnis als unzulässig abgewiesen werden müssen, nachdem die Bf aufgrund des
Änderungsbescheids vom 15.10.2009 die vollständigen von ihr beantragten Leistungen bekommen hätte. Außerdem wäre die Klage
unbegründet gewesen, nachdem die Bg den Widerspruch der Bf zutreffend als verfristet abgelehnt hätte.
Hiergegen hat die Bf Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Entgegen der Auffassung des SG habe die Klage hinreichende Erfolgsaussichten gehabt. Erledigung sei frühestens durch Auszahlung der ungekürzten Leistungen
am 21.10.2009, also nach Klageerhebung, eingetreten. Zudem seien die Änderungsbescheide vom 15.10.2009 nur vorläufig gewesen.
Auch seien die Erfolgsaussichten nicht wegen des verfristeten Widerspruchs zu verneinen gewesen; nach § 44 Abs. 1 SGB X hätten auch die Gerichte zu prüfen, ob ein Verwaltungsakt zu unrecht ergangen ist.
II. Die Beschwerde ist zulässig, nachdem der streitgegenständliche Betrag über 750,- EUR liegt; für Juli bis Dezember 2009
stehen anstelle der gewährten 526,82 EUR monatlich 820,82 EUR bzw. 881,82 EUR monatlich im Streit, also für sechs Monate jeweils
ca 300,- Euro mtl mehr.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob hinreichende Erfolgsaussichten der am 21.10.2009 erhobenen Klage schon deshalb von Anfang
an nicht gegeben waren, weil der Prozessbevollmächtigte bei Klageerhebung beantragte, "die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin
einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen". Ein solcher Antrag geht - wenn ein unbedingter
Zahlungsanspruch in Frage steht - ins Leere.
Die Beschwerde hat jedenfalls schon deshalb keinen Erfolg, weil die Klage zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife (vgl. BayLSG,
Beschluss vom 19.03.2009, Az.: L 7 AS 52/09 B PKH) keine hinreichenden Erfolgsaussichten hatte. Bereits bei Einreichung der Klage am 21.10.2009 war die Rechtssache entscheidungsreif
und es bestanden keinerlei Erfolgsaussichten.
Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass die Klage gegen den Bescheid vom 15.7.2009 sowie den Widerspruchsbescheid vom 07.10.2009 zum Zeitpunkt der
Klageerhebung deshalb keine hinreichenden Erfolgsaussichten hatte, weil insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis bestand. Der den
streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum betreffende einschlägige Änderungsbescheid vom 15.10.2009, der der Bf spätestens
am 19.9.2009 zugegangen war, ersetzte inhaltlich den Bescheid vom 15.7.2009, so dass der Bescheid vom 15.7.2009 (und der hierzu
ergangene Widerspruchsbescheid vom 07.10.2009) gemäß § 39 Abs. 2 SGB X zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 21.9.2009 bereits erledigt, d.h. wegen des ersetzenden Änderungsbescheides vom 15.10.2009
nicht mehr existent waren.
Eine Klage hätte sich am 21.10.2009 nur noch gegen den Änderungsbescheid vom 15.10.2009 richten können, wobei entsprechend
der zutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung ohnehin erst Widerspruch eingelegt hätte werden müssen, damit eine Klage zulässig
hätte erhoben werden können.
Eine Klage gegen den Änderungsbescheid vom 15.1.0.2009 ist jedoch nach dem Antrag des Bevollmächtigten der Bf nicht ausdrücklich
erhoben worden.
Der Änderungsbescheid vom 15.10.2009 ist auch nicht ohne ausdrückliche Bezeichnung im Klageantrag wegen §
96 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden.
Zwar ist grundsätzlich anerkannt, dass ein Änderungsbescheid, der nach Abschluss eines Widerspruchsverfahrens und vor Klageerhebung
gegen den Widerspruchsbescheid erlassen wird, nach §
96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens werden kann (vgl Breitkreuz
SGG, §
96 Rz 7; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG 9.Aufl §
96 Rz 2 zur älteren Rechtsprechung). Dies kann jedoch nur dann gelten, wenn der Ausgangsbescheid, der durch den Änderungsbescheid
ersetze wurde, durchgängig angefochten und noch nicht bestandskräftig wurde bzw Rechtskraft eingetreten ist (vgl Leitherer
aaO. Rz 3). Hier war der Widerspruch gegen den Ausgangsbescheid vom 15.07.2009 verfristet und dieser demgemäß bereits bestandskräftig.
Der Änderungsbescheid wurde im Ergebnis nicht Gegenstand des Klageverfahrens.
Abzustellen war bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten letztlich alleine auf den Bescheid vom 15.07.2009 und den hierzu
ergangenen Widerspruchsbescheid, nicht auf den Änderungsbescheid vom 15.10.2009.
Daher kommt es - anders als die Bf in ihrer Beschwerdebegründung meint -nicht darauf an, dass in den Änderungsbescheiden die
Leistung nur "vorläufig" gewährt wurde. Im Übrigen bestanden auch im Hinblick auf den Änderungsbescheid keine Erfolgsaussichten,
da die Bg zutreffend von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht hat und nur einen vorläufigen Bescheid nach §
40 SGB II iVm §
328 SGB III erlassen hat, nachdem die Bf noch keine Unterlagen vorgelegt hatte. Erst die endgültige Festsetzung der Leistungen hätte
die Bf, falls sie mit der Höhe der Leistungen nicht einverstanden gewesen wäre, mit Rechtsbehelfen angreifen müssen. Auch
hier hätten sich keine Erfolgsaussichten ergeben, da die Bg die Leistungen bereits im vorläufigen Bescheid zutreffend berechnet
hatte.
Im Ergebnis war der Bf mangels hinreichender Erfolgsaussichten PKH nicht zu gewähren; das SG hat zutreffend die Gewährung von PKH abgelehnt. Die Beschwerde ist unbegründet.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, §
177 SGG.