Statthaftigkeit der Beschwerde nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG seit dem 1.4.2008
Gründe:
I. Der 1959 geborene Antragsteller, ledig und allein lebend, erhält seit 01.04.2005 Arbeitslosengeld II von der Antragsgegnerin.
Er ist gelernter Instandhaltungsmechaniker und seit Mai 2004 arbeitslos.
Mit Bescheid vom 13.03.2009 wurden diese Leistungen für die Zeit vom 01.04.2009 bis zum 30.09.2009 in Höhe von 831,14 EUR
monatlich festgestellt und mit Bescheid vom 07.06.2009 für die Zeit ab 01.07.2009 auf 839,14 EUR monatlich abgeändert (Anpassung
der monatlichen Regelleistung auf 359,00 EUR).
In einer am 05.02.2009 geschlossenen Eingliederungsvereinbarung, gültig bis (längstens) 04.08.2009, verpflichtete sich der
Antragsteller unter anderem, mindestens vier Bewerbungen pro Monat nachzuweisen. Am 28.04.2009 forderte die Antragsgegnerin
den Antragsteller wiederholt (erstmalige Aufforderung vom 05.03.2009) zum Nachweis seiner Bemühungen in den letzten drei Monaten
auf. Mit Fristsetzung bis spätestens 15.05.2009 sei beabsichtigt, die bewilligten Leistungen zu versagen oder zu entziehen.
Die Antragsgegnerin fühlte sich deswegen zu dieser Verfahrensweise gedrängt, weil ihr mehrfach von potentiellen Arbeitgebern
unzureichende Bewerbungsschreiben des Antragstellers vorgelegt worden waren, zum Beispiel vom 15.10.2007 und vom 29.09.2008,
welche folgende Standardformulierung enthielten: "Als gelernter Instandhaltungsmechaniker mit ... langjähriger Berufserfahrung
... bin ich ... davon überzeugt, bei Bereitstellung und Finanzierung aller notwendigen Arbeitsmittel durch Ihre Firma und
nach ausreichend guter Einweisung diese Arbeit, bei seriöser Einarbeitungsmöglichkeit, in einem vertraglich vereinbarten Arbeitsverhältnis
mit persönlichem Stundenlohn von 13,57 EUR (bzw. 13,81 EUR) plus Inflationsausgleich und mit üblichen 30 Tagen Urlaub pro
Jahr, erfüllen zu können. Dies sind meine bewährten Vorstellungen und Fakten für einen Arbeitsvertrag, die in Ihrem Angebot
fehlten ..."
Auf das Schreiben vom 28.04.2009 erwiderte der Antragsteller am 06.05.2009, er sei weder bereit noch in der Lage, dieser schikanösen
und unüblichen Forderung nachzukommen. Ein Schreiben vom 05.03.2009 habe er nicht erhalten.
Am 02.07.2009 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller erneut zur Vorlage von Bewerbungsschreiben auf und präzisierte,
bis zum 20. jedes Monats, erstmals also bis zum 20.07.2009, seien "drei komplette, ordentliche und ernsthafte Bewerbungen
in Kopie vorzulegen". Falls der Antragsteller dem nicht nachkomme, werde dies als Weigerung gewertet, sich um eine Arbeit
zu bemühen, und mit einer entsprechenden Sanktion belegt.
Mit Bescheid vom 21.07.2009 senkte die Antragsgegnerin die dem Antragsteller zustehenden Leistungen für die Zeit vom 01.08.2009
bis 31.10.2009 um 30 % der maßgebenden Regelleistung ab, weil der Antragsteller keine ausreichenden Eigenbemühungen nachgewiesen
und somit seine in der Eingliederungsvereinbarung vom 05.02.2009 festgelegten Pflichten nicht umfassend erfüllt habe. Dieser
Entscheidung widersprach der Antragsteller mit Schreiben vom 06.08.2009. Ausweislich eines von ihm unterzeichneten Aktenvermerks
vom 12.08.2009 teilte der Antragsteller Mitarbeitern der Antragsgegnerin an diesem Tage in einem persönlichen Gespräch mit,
infolge der "psychischen Misshandlungen" durch die Antragsgegnerin sei seine Bewerbungs- und Arbeitsfähigkeit seit dem 10.08.2009
nicht mehr gewährleistet. In dem Aktenvermerk wird dem Antragsteller bestätigt, dass aufgrund dieser Aussage keine Sanktionen
erfolgen würden.
Mit Schreiben vom 19.08.2009 unterbreitete die Antragsgegnerin dem Antragsteller das Angebot einer Maßnahme nach § 16 d Zweites
Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) als Helfer in einer Metall- und Fahrradwerkstatt. Damit werde dem Antragsteller, weil er derzeit
nur eingeschränkt psychisch belastbar sei, die Gelegenheit gegeben, im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit seine Belastbarkeit
zu erproben und sich mit einem geregelten Arbeitsalltag vertraut zu machen. Das Angebot war mit dem Hinweis versehen, dass
eine Weigerung, weitere Sanktionen nach sich ziehen könne.
Der Antragsteller beschuldigte die Antragsgegnerin daraufhin am 24.08.2008, sie betreibe kein rechtsstaatliches Verfahren,
sondern benutze eine erpresserische Bedrohung zur Durchsetzung einer verfassungswidrigen Zwangsarbeit und Verletzung der Menschenwürde.
Dazu legte er eine an einen potentiellen Arbeitgeber gerichtete Bewerbung mit einer Gehaltsvorstellung von 15,27 EUR Stundenlohn
vor sowie mit dem Zusatz versehen, die Bewerbung gelte nur unter Vorbehalt, weil er von der Antragsgegnerin in erpresserischer
Art zu dieser Bewerbung genötigt worden sei. Auf die Einladung zu einem Bewerbungsgespräch am 07.09.2009 (mit Formschreiben
des Arbeitgebers vom 28.08.2009 ohne individuelle Anrede und ohne Unterschrift) teilte der Antragsteller mit Schreiben vom
02.09.2009 mit, er sei seelisch nicht in der Lage, ein Vorstellungsgespräch zu führen und müsse deshalb absagen.
Mit Bescheid vom 18.09.2009 verfügte die Antragsgegnerin daraufhin eine weitere Ab-senkung des Arbeitslosengeldes II für den
Zeitraum 01.11.2009 bis 31.01.2010 in Höhe von jeweils 60 % der für den Antragsteller maßgebenden Regelleistung. Mit einem
weiteren Bescheid vom gleichen Tage setzte sie diese Entscheidung um und setzte die Leistungen für den neuen Bewilligungszeitraum
vom 01.10.2009 bis zum 31.03.2010 fest.
Am 24.09.2009 erhob der Antragsteller auch hiergegen Widerspruch.
Am 25.09.2009 hat der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht München (SG) beantragt. Er werde in rechts- und verfassungswidriger Weise bestraft und seines Existenzminimums beraubt.
Mit Beschluss vom 16.10.2009 hat das SG folgendes entschieden:
I.) Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 21.07.2009 wird angeordnet. Die Antragsgegnerin
wird verpflichtet, die dem Antragsteller mit Bescheid vom 07.06.2009 für die Zeit vom 01.08.2009 bis zum 30.09.2009 bewilligten
Leistungen vorläufig ungekürzt auszuzahlen.
II.) Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die dem Antragsteller für den Monat Oktober
2009 zustehenden Leistungen vorläufig in voller Höhe (ungekürzt) auszuzahlen.
III.) Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Absenkungsbescheid vom 18.09.2009 wird angeordnet, soweit darin
eine Absenkung der Leistungen für die Zeit vom 01.11.2009 bis zum 31.12.2009 in Höhe von mehr als 30 % der für den Antragsteller
maßgebenden Regelleistung vorgenommen wird. Hinsichtlich des Zeitraums 01.01.2010 bis 31.01.2010 wird die aufschiebende Wirkung
des Widerspruchs in vollem Umfang angeordnet.
IV.) Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass hinsichtlich des Bewilligungszeitraums 01.08.2009 bis 30.09.2009 (aufgrund bestandskräftigen Bewilligung
mit Bescheid vom 07.06.2009) die Situation der "reinen" Anfechtungsklage vorliege, womit nur Antrag auf Anordnung der aufschiebenden
Wirkung (Anordnungssache, §
86 b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthaft sei. Denn ein Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid vom 21.07.2009 habe gem. § 39 Nr. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch
(SGB II) keine aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 06.08.2009 sei hier anzuordnen, da ernsthafte
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 21.07.2009 bestehen würden und es dem Antragsteller somit nicht zugemutet
werden könne, die Kürzung seiner Leistungen bis zu einer endgültigen Entscheidung über seinen Widerspruch und eine sich ggf.
anschließende Klage hinzunehmen.
Hinsichtlich des Zeitraums ab Oktober 2009 sei der Antrag zusätzlich als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Regelungsanordnung)
gem. §
86 b Abs.
2 Satz 2
SGG auszulegen. Auch dessen Voraussetzungen würden hinsichtlich des Zeitraums 01.10.2009 bis 31.10.2009 vorliegen. Soweit existenzsichernde
Leistungen in Frage stehen würden, seien die Anforderungen an den Anordnungsgrund und -anspruch weniger streng zu beurteilen.
In diesem Fall sei ggf. anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers
zu entscheiden. Nach diesen Grundsätzen sei im Hinblick auf die hohe Erfolgsaussicht in der Hauptsache und den existenzsichernden
Charakter der im Streit stehenden Leistungen auch hinsichtlich des Anspruchs für den Monat Oktober 2009 (vorläufig) zugunsten
des Antragstellers zu entscheiden.
Hinsichtlich des Zeitraums 01.11.2009 bis 31.12.2009 habe der Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung allerdings
keinen Erfolg, weil der Bescheid vom 18.09.2009 insoweit - bei summarischer Prüfung - rechtlich nicht zu beanstanden ist.
Der Antragsteller hat sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen geweigert, eine zumutbare Arbeitsgelegenheit im Sinne von
§ 16 d SGB II aufzunehmen. Die mit Bescheid vom 18.09.2009 verhängte Sanktion sei somit (vorläufig) in Höhe von 30 % der maßgebenden
Regelleistung zu bestätigen, weil in der (angenommenen) wiederholten Pflichtverletzung eine (tatsächlich) "erstmalige" Pflichtverletzung
im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c SGB II enthalten ist.
Aufgrund der Rechtswidrigkeit der mit Bescheid vom 21.07.2009 verhängten Sanktion sei der im Bescheid vom 18.09.2009 festgesetzte
Sanktionszeitraum nicht korrekt. Hätte es sich tatsächlich um eine wiederholte Pflichtverletzung gehandelt, so wäre es allerdings
vertretbar gewesen, den Sanktionszeitraum abweichend von § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB II mit dem Monat November 2009 beginnen zu
lassen. Würden nämlich mehrere Obliegenheitsverletzungen in kurzer Folge begangen, liegt es nach dem Gesetzeszweck nahe, dass
der neue Absenkungszeitraum nach dem Ende des früheren liegen müsse. Da vorliegend aber - bei summarischer Prüfung - lediglich
eine erstmalige Pflichtverletzung gegeben sei, sei hinsichtlich des Zeitraums 01.01.2010 bis 31.01.2010 die aufschiebende
Wirkung des Widerspruchs vom 24.09.2009 in vollem Umfang anzuordnen. Der Erlass einer Regelungsanordnung bezüglich dieses
Zeitraums sei hingegen nicht angezeigt, da insoweit noch keine Eilbedürftigkeit bestehe und zudem die Antragsgegnerin angekündigt
habe, hinsichtlich dieses Monats von einer Sanktion Abstand zu nehmen.
Hiergegen hat der Antragsteller am 21.10.2009 in dem Punkt IV Beschwerde bei dem Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt.
Neben einigen Beanstandungen in der Formulierung des Beschlusses hat der Kläger gebeten, den Punkt IV des Beschlusses folgendermaßen
zu ändern: "im Übrigen wird der Antrag angenommen (01.11. - 31.12.09)".
Das SG hat seinen Beschluss unter Ziffern IV insoweit geändert, als es die Ag im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,
dem Ast für die Zeit vom 01.11.2009 bis 31.12.2009 vorläufige Leistungen in Höhe von 731,14 EUR monatlich auszuzahlen.
Der Antragsteller beantragt,
die Antragsgegnerin unter Abänderung des Beschlusses vom 16.10.2009 zu verpflichten, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs
gegen den Absenkungsbescheid vom 18.09.2009 für die Zeit vom 01.11.2009 bis zum 31.12.2009 in vollem Umfang herzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten beider Instanzen und der Beklagten Bezug genommen.
II. Gemäß §
176 SGG entscheidet das Landessozialgericht durch Beschluss über die Beschwerde.
Die rechtzeitige (§
173 SGG) Beschwerde ist nicht statthaft.
Gemäß §
172 SGG findet die Beschwerde an das Landessozialgericht gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und
gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.
Gemäß §
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG in der Fassung des 8.
SGG-Änderungsgesetzes (in Kraft getreten mit Wirkung vom 1.4.2008) ist die Beschwerde ausgeschlossen in Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre.
Ebenfalls in der Fassung des 8.
SGG-Änderungsgesetzes bestimmt §
144 Abs.
1 Nr.
1 SGG, dass die Berufung der Zulassung bedarf, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder
Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft 750 EUR nicht übersteigt.
Der Beschwerdewert bestimmt sich nach dem Antrag des Beschwerdeführers (formelle Beschwer). Dies ist hier der Antragsteller,
der der Sache nach in erster Instanz weitgehend Erfolg hatte und nur noch beschwert ist, soweit das SG eine Kürzung der Regelleistung um 30% für den Zeitraum vom 01.11. bis 31.12.2009 für hinnehmbar gehalten hat. Insoweit hat
der Senat bereits vor Erlass des Bewilligungsbeschlusses den Beschluss des SG ausgelegt. Nicht anders lautet auch der Antrag des Klägers vom 19.10.2009, der gemäß §
123 SGG den Beschwerdegegenstand begrenzt.
Bei einer Regelleistung von 359 EUR beträgt die Kürzung monatlich gut 107 EUR und in drei Monaten 323 EUR. Damit ist der Beschwerdewert
nicht erreicht.
Es handelt sich auch um keine Leistung, die wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§
144 Abs.
1 S. 2
SGG). Denn eine Regelung über Grundsicherung für Erwerbsfähige, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts betrifft, soll
jeweils nur für sechs Monate bewilligt werden (§ 41 Abs. 1 S. 4 SGB II). Hier steht eine solche Regelung ohnehin nicht im
Streit, da sie von der Beklagten nach Ablauf des Bewilligungszeitraums im September 2009 noch nicht erfolgt ist und die Eingriffsregelung
ohnehin nur bis zum Januar 2010 greift.
Eine Zulassungsmöglichkeit der Beschwerde ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Insbesondere aber könnte eine solche Zulassung
nicht allein in der Rechtsmittelbelehrung gesehen werden. Sie müsste im Tenor oder zumindest in den Entscheidungsgründen Erwähnung
finden.
Die Beschwerde ist damit in entsprechender Anwendung von §
158 S. 1
SGG zu verwerfen.
Die vom Antragsteller gestellten weiteren Anträge (vom 11.11.2009), die nicht auf Leistungen gerichtet sind, (im Wesentlichen
begehrte Unterlassungen gegenüber der Antragsgegnerin) machen die Beschwerde nicht zulässig. Eine entsprechende Erweiterung
des Beschwerdegegenstandes ist nicht sachdienlich. Die Beschwerdegegnerin hat auch nicht zugestimmt. Im Übrigen wären diese
Regelungsgegenstände unzulässig, da sie nicht Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung waren.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.