Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld
Wichtiger Grund zur außerordentliche Kündigung
Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung
Tatbestand
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 18.10.2012 bis 17.03.2013 wegen der
Zahlung von Arbeitsentgelt und Gewährung einer Entlassungsentschädigung sowie die Erstattung von 5.588,51 EUR.
Die 1969 geborene Klägerin war seit 01.10.1998 bei der Firma S. Deutschland AG (S.) beschäftigt. Mit Kündigungen vom 17.03.2011
bzw 28.03.2011 kündigte S. das Arbeitsverhältnis fristlos zum 17.03.2011 bzw 30.03.2011. Dabei legte sie den Verdacht zugrunde,
die Klägerin habe gegen ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen. Es sei zu erheblichen Unregelmäßigkeiten in Bezug
auf die Dekonfektionierung des Weihnachtsgeschäftes 2009 gekommen. So sei es bei Artikeln des Kunden "C.W." (CW) zu einer
Fehlmenge von 21.000 EUR gekommen. Die Klägerin habe sich unrechtmäßig Waren angeeignet und entweder selbst unterschlagen
oder durch Dritte fortschaffen lassen. Zudem sei es zu weiteren bemerkenswerten Vorgängen gekommen. Die Klägerin sei meistens
unterwegs gewesen und habe keine anderen Mitarbeiter eingewiesen, so dass es zu Schwierigkeiten bei der Zuordnung im Rahmen
der Sendungsannahmen der Retouren der Artikel von CW gekommen sei. Anstelle eines täglichen Scannens der Retouren sei dies
auf Anweisung der Klägerin erst nach ca. 14 Tagen erledigt worden. Nachdem bei ersten Auswertungen große Abweichungen festgestellt
worden seien, sei herausgekommen, dass die Scanner unzureichend ausgelesen worden seien. Weiter habe die Klägerin Aushilfen
für eigene Zwecke (Falten privater Flyer und Verteilung von Flyern) eingesetzt. Es sei eine Angestellte der Klägerin aus deren
Massagestudio in den Betrieb gekommen, um Mitarbeiter vor Ort zu massieren, ohne dass dies mit S. abgestimmt worden sei. Schließlich
sei die Klägerin "nie da gewesen" bzw. "sei immer wieder während der Arbeitszeit stundenlang fortgegangen (Einkaufen, Mittagessen
mit ihrem Mann, Nagel- und Massagestudio)". Auf eine Klage gegen die Kündigungen hat das C. (ArbG) mit Urteil vom 10.01.2012
(Az. 9 Ca 797/11) die Kündigungen für unwirksam befunden, da es an einer notwendigen Zustimmung des Betriebsrats gefehlt habe. Ein auf die
Anzeige der S. hin eingeleitetes Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin wurde von der Staatsanwaltschaft C-Stadt nach §
153 Abs
1 Strafprozessordnung (
StPO) eingestellt (Az.:xxx).
Mit Schreiben vom 17.10.2012 kündigte S. das Arbeitsverhältnis (erneut) aus wichtigem Grund fristlos. Nach dem strafrechtlichen
Ermittlungsverfahren stehe nunmehr fest, dass die Klägerin eine Reihe deliktischer Handlungen begangen habe, die eine Fortsetzung
des Arbeitsverhältnisses unzumutbar mache. Auch sei die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist bzw. einer entsprechenden
sozialen Auslauffrist nicht zumutbar. Der Betriebsrat habe der Kündigung zugestimmt.
Die Klägerin meldete sich darauf am 18.10.2012 arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg. Die Beklagte bewilligte hierauf
mit Bescheid vom 29.11.2012 Alg für die Zeit vom 18.10.2012 bis 16.10.2013 - unter Zugrundelegung eines täglichen Bemessungsentgelts
von 98,49 EUR - iHv 37,01 EUR täglich. Wegen der Aufnahme einer Beschäftigung wurde die Bewilligung von Alg ab dem 01.10.2013
durch Bescheid vom 08.10.2013 aufgehoben. Mit Schreiben vom 28.11.2012 zeigte die Beklagte gegenüber S. an, dass sie der Klägerin
ab dem 18.10.2012 Alg zahle und die Klägerin noch Anspruch auf Arbeitsentgelt, Urlaubsabgeltung und Abfindung erhebe. Etwaige
Ansprüche der Klägerin würden in Höhe des gezahlten Alg auf die Beklagte übergehen.
Gegen die Kündigung vom 17.10.2012 erhob die Klägerin wiederum Klage vor dem ArbG (Az. ) und trug u.a. vor, die neuerliche
Kündigung stütze sich nunmehr als Tatkündigung auf den der Kündigung am 17.02.2012 zugrundeliegenden Verdacht der gleichen
strafbaren Handlungen. Bei den an andere überlassenen Artikeln habe es sich um Dinge ohne Wert gehandelt, die andernfalls
hätten entsorgt werden müssen bzw. es seien herrenlose Gegenstände gewesen, deren Eigentümer nicht mehr zu ermitteln gewesen
wären. Für die übrigen Gegenstände sei die Weitergabe im Vorfeld durch den Geschäftsführer von CW genehmigt worden. Für die
Staatsanwaltschaft habe nicht festgestanden, dass sich die Klägerin einer vorwerfbaren strafbaren Handlung schuldig gemacht
habe, da das Ermittlungsverfahren weder in einer Anklageerhebung noch in einen Strafbefehl gemündet habe. Gegen eine Einstellung
nach §
153 Abs
1 StPO habe sich die Klägerin auch nicht wehren können und es komme dieser keine Präjudizität in Bezug auf den Kündigungsrechtstreits
zu. Die Handlungsweisen der Klägerin hätten nicht der vorherigen Genehmigung durch S. bedurft. Es hätten zum damaligen Zeitpunkt
keinerlei Anweisungen bestanden, welche die Handlungsweise der Klägerin in irgendeiner Weise eingeschränkt hätten. Auch fehle
es an einer wirksamen Zustimmung des richtigen Betriebsrates bzw. eine entsprechende Anhörung sei fehlerhaft gewesen. Die
Ausschlussfrist des §
626 Abs
2 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) sei nicht eingehalten worden und es fehle an einer Vollmacht für die Kündigungserklärung. Schließlich sei ihr eine Versetzung
nach S-Stadt angeboten worden, woraufhin sie ihren Wohnsitz dorthin verlegt habe.
S. entgegnete, die Klägerin habe nach dem Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen zweifelsfrei Waren an sich genommen bzw.
an Dritte weitergegeben. Damit habe sie deliktische Handlungen vorgenommen und gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen.
Zumindest ein Teil des Fehlbestandes von 21.000 EUR sei ihr anzulasten. Für die Weitergabe von Fieberoptikhäusern und eines
tanzenden Schneemanns habe nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft keine Erlaubnis des Mitarbeiters von CW vorgelegen.
Für ein Logistikunternehmen sei es unabdingbar, dass fremdes Eigentum vertrauensvoll behandelt werde. Der Klägerin in ihrer
vorgesetzten Position obliege eine Vorbildfunktion, die sie verletzt habe. Dies gelte umso mehr, als sie auch Mitglied des
Betriebsrates sei. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass durch die Geschenke die Wahlchancen zum Betriebsrat verbessert
werden sollten. Auch sei es nicht zu akzeptieren, wenn sie offensichtlich versucht habe, durch die Hingabe von Geschenken
den Arbeitnehmern eine Belohnung für nicht bezahlbare Überstunden zukommen zu lassen. Ein derartig schwerwiegendes Fehlverhalten
mache eine vorhergehende Abmahnung entbehrlich. Dies gelte auch für die nunmehr ausgeübte Tätigkeit als kaufmännische Verwaltungskraft,
denn das Bekanntwerden der ursprünglichen Verdachtsgründe sei in der Belegschaft auf breites Unverständnis gestoßen. Es sei
zu einer erheblichen Störung des Betriebsfriedens und zu einem materiellen Schaden gekommen. Allein die knappen Einstellungsgründe
der Staatsanwaltschaft in der Verfügung vom 20.08.2012 hätten zur Begründung der Kündigung nicht herangezogen werden können.
Hierauf erwiderte die Klägerin wiederum, der Mitarbeiter von CW habe sie angewiesen, zur Vermeidung von Entsorgungskosten,
Fremddisplays "aufzulösen" und die hierin befindlichen Weihnachtsdekorationsartikel nach eigenem Ermessen an Dritte unentgeltlich
weiterzugeben. Auf Weisung ihres Vorgesetzten habe sie sich wegen nicht mehr in den zur Verfügung stehenden Warenträgern unterzubringenden
Dekorationsartikeln an den Mitarbeiter von CW gewandt, um zu fragen, was mit den überzähligen Weihnachtsdekorationsartikeln
zu geschehen habe. Hierauf sei ihr mitgeteilt worden, es stünden wie in den Jahren zuvor überzählige Weihnachtsdekorationsartikel
zur freien Verfügung und würden den Mitarbeitern von S. unentgeltlich überlassen. Zum damaligen Zeitpunkt habe es keine Arbeitsanweisungen
mit der Bestimmung gegeben, dass Kundenwaren nicht aus der Halle mitgenommen werden dürften. Auch im Hinblick auf zwei Schneemann-Lichterketten,
die sie einem Fahrer überlassen habe, habe sie zuvor das Einverständnis der Eigentümerin eingeholt. Ca. 15 bis 20 beschädigte
Kartons mit "Mensch-ärgere-Dich-nicht"-Spielen der Firma W. seien ihr zur freien Verfügung überlassen worden und sie habe
diese bestimmungsgemäß an kinderreiche Familien weitergegeben. Bei den fünf Fieberoptikhäusern und einem tanzenden Schneemann
sei die Einschätzung der Staatsanwaltschaft nicht zutreffend, da es sich um defekte Ware aus ihr zur freien Verfügung überlassenen
Fremddisplays gehandelt habe.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem ArbG am 28.03.2013 schlossen die Klägerin und S. einen Vergleich, wonach das
Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen auf Veranlassung der S. am 31.10.2012 beendet worden ist (Ziffer 1), die bis
zum 31.10.2012 noch ausstehende Vergütung gezahlt wurde (Ziffer 2) und die Klägerin eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes
entsprechend der §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) iHv 30.000 EUR brutto erhalten hat (Ziffer 4).
Mit Bescheid vom 05.02.2014 hob die Beklagte nach Anhörung der Klägerin die Bewilligung des Alg für die Zeit vom 18.10.2012
bis 17.03.2013 auf, da der Anspruch auf Alg nach §
157 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) für die Zeit vom 18.10.2012 bis 31.10.2012 wegen des Anspruchs auf Zahlung von Arbeitsentgelt und für die Zeit vom 01.11.2012
bis 17.03.2013 wegen der Nichteinhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist und der Zahlung der Abfindung ruhe. Der überzahlte
Betrag iHv 5.588,51 EUR sei zu erstatten. Das Ruhen des Anspruchs auf Alg setzte die Beklagte leistungsrechtlich mit Änderungsbescheid
vom 05.02.2014 um und lehnte mit weiterem Bescheid vom 05.02.2014 die Zahlung von Alg für die Zeit vom 01.11.2012 bis 17.03.2013
ab, da während dieser Zeit der Anspruch auf Alg wegen der Zahlung der Abfindung von 30.000 EUR ruhe.
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Ein Ruhen des Anspruchs auf Alg sei nicht eingetreten, da die Voraussetzungen
für eine fristlose Kündigung durch S. vorgelegen hätten. Sie habe gegen Nr. 38 der seinerzeitigen Arbeitsordnung verstoßen,
wonach es untersagt gewesen sei, Geschenke oder Vergünstigungen von Geschäftspartnern des Arbeitgebers anzunehmen und die
Mitarbeiter verpflichtet gewesen seien, den Vorgesetzten unverzüglich zu benachrichtigen, wenn Geschenke oder Vergünstigungen
angeboten oder überlassen würden. Das Verbot habe nicht für Gelegenheitsgeschenke von unter 10 EUR bestanden. Im Weihnachtsgeschäft
2009/2010 habe sie ein Paket mit kostenlosen Geschenkartikeln von einer Tochterfirma der CW angenommen, wobei der Wert dieses
Geschenks deutlich die Marke von 10 EUR überschritten habe. Für den Verstoß sei es unerheblich, dass sie die Geschenke anschließend
unter den ihr unterstellten Mitarbeitern verteilt habe. Regelmäßig seien ihr nicht mehr verkaufsfähige und zur Entsorgung
bestimmte Waren der Firma Verlagsgruppe W. GmbH zur unentgeltlichen Mitnahme überlassen worden. Dabei habe der Wert der Geschenke
den Betrag von 10 EUR überschritten. Zuwiderhandlungen gegen die Arbeitsordnung hätten nach Nr. 59 der Arbeitsordnung eine
fristlose Kündigung gerechtfertigt. Infolge der Häufigkeit habe es sich um grobe Zuwiderhandlungen gehandelt. Mit der Weitergabe
an die anderen Mitarbeiter habe sie gegen ihre Fürsorgepflicht verstoßen und diese dem Vorwurf eines arbeitsvertragswidrigen
Verhaltens ausgesetzt.
Mit Schreiben vom 06.05.2014 genehmigte die Beklagte nachträglich die Zahlung durch den ehemaligen Arbeitgeber an die Klägerin
mit befreiender Wirkung und wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2014 zurück. Die fristlose
Kündigung sei im Ergebnis durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich nicht aufrechterhalten worden und es sei eine einvernehmliche
Beendigung auf Veranlassung des Arbeitgebers konstruiert worden. Damit sei nicht mehr entscheidungserheblich, ob der Arbeitgeber
habe fristlos kündigen können.
Dagegen hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und ergänzend ausgeführt, maßgeblich sei nicht eine tatsächliche fristlose Kündigung des Arbeitgebers, sondern vielmehr
die Möglichkeit einer solchen Kündigung. Mit Urteil vom 03.02.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. S. habe im arbeitsgerichtlichen Verfahren selbst eingeräumt, dass gar nicht feststehe, in welcher Höhe
die Klägerin tatsächlich eine Fehlmenge entstanden sei. Es würden lediglich Vermutungen angestellt, was der Lieferant zugestanden
habe. Die Klägerin selbst habe angegeben, ihr Vorgesetzter habe sie angewiesen, die Verfahrensweise der Entsorgung von Produkten
mit dem Geschäftsführer von CW selbst abzustimmen, durch die auch die unentgeltliche Weitergabe an Dritte gebilligt worden
sei. Ein deliktisches Handeln der Klägerin sei nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus sei eine Schenkung nicht vollzogen worden.
Selbst S. sei hiervon nicht ausgegangen. Das Fehlen einer Abmahnung sei als wesentliche Voraussetzung dafür anzusehen, dass
es zu dem arbeitsgerichtlichen Vergleich gekommen sei. Es sei nicht verständlich, wieso ein Arbeitgeber mit einem offensichtlichen
Recht zur außerordentlichen Kündigung eine Abfindung in Höhe von 30.000 EUR zahle. Im Übrigen habe die Klägerin die gegen
sie erhobenen Vorwürfe im arbeitsgerichtlichen Prozess explizit bestritten. Durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich habe
sich letztlich der Arbeitgeber möglicher Kündigungsgründe begeben. Die Klägerin habe den Betrag iHv 5.588,51 EUR zu erstatten.
Die Klägerin hat dagegen Berufung beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren habe
sie die gegen sie erhobenen deliktischen Vorwürfe korrekterweise zurückgewiesen, was auch nicht in Frage gestellt werde. Dennoch
habe sie unabhängig von den seinerzeit erhobenen, nicht zutreffenden Vorwürfen ihres Arbeitgebers dennoch gegen Nr. 38 der
Arbeitsordnung verstoßen, indem sie wiederholt und in erheblichem Umfang über einen längeren Zeitraum Geschenke von Geschäftspartnern
ihres damaligen Arbeitgebers angenommen habe. Es handle sich nicht um deliktische, sondern lediglich um arbeitsrechtliche
Verstöße. Die im arbeitsgerichtlichen Verfahren erhobenen Vorwürfe streite sie nach wie vor ab. Diese seien aber nicht Gegenstand
des vorliegenden Verfahrens. Der Gesamtumfang, der im Laufe der Zeit von 2008 bis 2010 angenommenen Geschenke belaufe sich
auf über 7.500 EUR. Der konkrete Umfang und die Tatsache, dass sich hieraus ein Recht zur fristlosen Kündigung herleiten lasse,
was dem Arbeitgeber vermutlich bis zum Schluss des Arbeitsverhältnisses nicht bekannt gewesen sei, sei unerheblich, da es
nur auf die grundsätzliche Möglichkeit, nicht aber den subjektiven Willen oder gar die Kenntnis des Arbeitgebers vom Kündigungsgrund
ankomme. Vielmehr solle der Arbeitnehmer davor geschützt sein, nicht weiterhin mit dem Risiko einer arbeitgeberseitigen, fristlosen
Kündigung leben zu müssen. Auch habe sich der Arbeitgeber durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich nicht möglicher Kündigungsgründe
begeben. Die Abfindung sei ihr von S. tatsächlich ausgezahlt worden. Fraglich sei schließlich, ob das Urteil gegen §
134 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) verstoße, da es in der mündlichen Verhandlung am 03.02.2016 verkündet worden und die beglaubigte Abschrift des Urteils erst
am 09.05.2016 zugegangen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 03.02.2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05.02.2014 und den Widerspruchsbescheid
vom 06.05.2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf die Ausführungen im Urteil des SG sowie im Widerspruchsbescheid verwiesen.
Im Rahmen des Erörterungstermins am 26.07.2016 hat die Klägerin eine Aufstellung der Artikel vorgelegt, die sie in den Jahren
2008 bis 2010 von Kunden geschenkt bekommen haben will. Weiter hat sie ausgeführt, sie sei im März 2011 zunächst freigestellt
gewesen und habe nach ihrer Rückkehr in der Buchhaltung ohne Kundenkontakt gearbeitet. Dort habe sie auch keine Kundengeschenke
mehr bekommen. Ihre Chefs hätten gesehen und gewusst, dass sie die aufgestellten Artikel an ihre Mitarbeiter verteilt habe
und dabei nicht gesagt, dass sie das nicht dürfe. Sie habe dies im Büro ihres Chefs gemacht und es sei für sie ganz normal
gewesen. Der Chef habe darauf gar nicht reagiert. So habe sie dort auf die Kisten die Namen der Mitarbeiter geschrieben und
geschaut, wer besonders viel gearbeitet habe. Sogar den Disponenten und dem Speditionsleiter habe sie im Haupthaus jeweils
eine Kiste gebracht. Ihr Chef habe nie gesagt, dass sie das nicht dürfe oder gegen den Arbeitsvertrag verstoße. Sie sei deshalb
völlig überrascht gewesen, als sie damals deswegen die Kündigung bekommen habe. Ihr unmittelbarer Vorgesetzter, der mit ihr
im Büro gesessen habe, habe gewusst, um welche Produkte es sich gehandelt habe.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte, die Akte des Arbeitsgerichts C-Stadt
() sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§
143,
144,
151 SGG), aber nur teilweise begründet. Das SG hat die Klage im Hinblick auf die Forderung der Erstattung von 5.588,51 EUR zu Recht abgewiesen. Insoweit ist der Bescheid
der Beklagten vom 05.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2014 rechtmäßig und verletzt die Klägerin
nicht in ihren Rechten. Soweit mit den Bescheiden vom 05.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2014
auch eine Aufhebung der Bewilligung von Alg bzw Ablehnung für die Zeit vom 18.10.2012 bis 17.03.2013 erfolgt ist, sind die
Bescheide rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Diesbezüglich hat das SG die Klage zu Unrecht abgewiesen.
Streitgegenstand ist vorliegend die Aufhebung der zunächst mit Bescheid vom 29.11.2012 erfolgten Bewilligung von Alg für die
Zeit vom 18.10.2012 bis 17.03.2013. Diese hat die Beklagte mit Bescheid vom 05.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 06.05.2014 verfügt und dementsprechend mit dem Änderungsbescheid vom 05.02.2014 für diesen Zeitraum kein Alg bewilligt
sowie mit weiteren (Ablehnungs-)Bescheid vom 05.02.2014 die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 01.11.2012 bis 17.03.2012
abgelehnt. Da der Änderungsbescheid vom 05.02.2014 und der "Ablehnungsbescheid" vom 05.02.2014 mit dem Aufhebungsbescheid
vom 05.02.2014 eine Einheit bilden - sie setzen das festgestellte Ruhen des Anspruchs auf Alg leistungsrechtlich um -, sind
auch diese Gegenstand des Verfahrens (vgl BSG, Urteil vom 05.08.1999 - B 7 AL 14/99 R - BSGE 84, 225; Urteil vom 12.05.2012 - B 11 AL 6/11 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 23; Urteil des Senats vom 22.04.2015 - L 10 AL 168/14). Ebenfalls Gegenstand des Verfahrens ist die geforderte Erstattung von 5.588,51 EUR, die im Rahmen des Bescheides vom 05.02.2014
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2014 gefordert wird. Soweit der Berufungsantrag der Klägerin "nur" von
dem Bescheid vom 05.02.2014 und dem Widerspruchsbescheid vom 06.05.2014 war nach dem Inhalt der Berufungsbegründung und obigen
Ausführungen zum Streitgegenstand eine entsprechende Auslegung vorzunehmen.
Das am 03.02.2016 verkündete und der Klägerin am 09.05.2016 zugestellte Urteil des SG ist nicht verfahrensfehlerhaft. Nach §
134 Abs
2 Satz 1
SGG soll das Urteil vor Ablauf eines Monats, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle übermittelt
werden. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um eine Sollvorschrift und stellt keine zwingende Vorschrift dar, so dass der
Verstoß dagegen - das genaue Datum der Übergabe des vollständig abgefassten Urteils des SG an die Geschäftsstelle ist in den Akten nicht vermerkt, erfolgte aber spätestens am 03.05.2016, dem vermerkten Auslaufdatum
- grundsätzlich unschädlich ist (vgl dazu im Einzelnen: BSG, Urteil vom 29.08.2012 - B 10 EG 20/11 R - SozR 4-7837 §
4 Nr 4; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer,
SGG, 11. Auflage, §
134 Rn 4). Rechtlich bedeutsam ist erst eine Übergabe nach Ablauf einer Frist von fünf Monaten (dazu bereits: GemS, Beschluss
vom 27.04.1993 - GmS-OGB 1/02 - [...]; Keller aaO). Fallbezogene Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend infolge der "verzögerten" Abfassung der Urteilsgründe
die zuverlässige Wiedergabe des Beratungsergebnisses und der für die Entscheidungsfindung maßgebenden Erwägungen nicht mehr
gewährleistet gewesen sein könnten (dazu Keller aaO), vermag der Senat nicht zu erkennen. Entsprechendes wurde von der Klägerin
auch nicht konkret vorgetragen.
Im Hinblick auf die Aufhebung und Ablehnung der Bewilligung von Alg für die Zeit vom 18.10.2012 bis 17.03.2013 erweisen sich
die Bescheide vom 05.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2014 und der Änderungsbescheid vom 05.02.2014
als rechtswidrig. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 29.11.2012 für diesen Zeitraum richtigerweise Alg bewilligt. Ein Anspruch
auf Alg setzt nach §
137 Abs
1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) Arbeitslosigkeit (Nr
1), eine Arbeitslosmeldung (Nr 2) und die Erfüllung der Anwartschaftszeit (Nr 3) voraus. Diese Voraussetzungen hat die Klägerin
für die Zeit ab dem 18.10.2012 dem Grunde nach unstrittig erfüllt. Wie sich aus dem Vergleich vor dem C. vom 28.03.2013 ()
nachträglich ergibt, hatte sie allerdings einen Anspruch auf Arbeitsentgelt bis einschließlich 31.10.2012 und einen Anspruch
auf eine Abfindung. Da sie aber zuvor weder das Arbeitsentgelt noch die Abfindung tatsächlich erhalten hat, war Alg im Wege
einer sog Gleichwohlgewährung auch für die Zeit vom 18.10.2012 bis 17.03.2013 zu leisten (§
157 Abs
3 Satz 1
SGB III und §
158 Abs
4 Satz 1
SGB III), obwohl der Anspruch auf Alg nach §
157 Abs
1 SGB III wegen des Anspruchs auf Arbeitsentgelt bzw nach §
158 Abs
1 SGB III wegen des Erhalts der Abfindung geruht hat. S. hat nach dem Vergleich das Arbeitsentgelt und die Abfindung für diesen Zeitraum
an die Klägerin trotz des zuvor erfolgten Anspruchsübergangs iSv § 115 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit für ihn befreiender Wirkung nachgezahlt (vgl dazu auch BSG, Urteil vom 16.10.1991 - 11 RAr 137/90 - SozR 3-4100 § 117 Nr 7). Der nachträglichen Genehmigung durch die Beklagte vom 06.05.2014 kommt diesbezüglich eine Wirkung
ex tunc nach §§
362 Abs
2,
185 Abs
2 BGB zu (vgl Düe in Brand,
SGB III, 7. Auflage, §
157 Rn 43). Damit ist aber die Gleichwohlgewährung nicht ex post fehlerhaft geworden, da die Voraussetzungen des §
157 Abs
3 Satz 1
SGB III bzw §
158 Abs
4 Satz 1
SGB III vorlagen (vgl auch Düe in Brand,
SGB III, 7. Auflage, §
157 Rn 38). Eine Aufhebung und Ablehnung der Bewilligung war damit weder notwendig noch rechtmäßig. Der Anspruch auf Alg (in
Form der Gleichwohlgewährung) bestand. Die Bescheide vom 05.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2014
sind daher aufzuheben.
Unabhängig davon ist aber die Erstattung des für die Zeit vom 18.10.2012 bis 31.10.2012 gezahlten Alg - dies ist anteilig
ein Betrag von 518,14 EUR und ergibt sich aus dem täglichen Leistungsbetrag von 37,01 EUR x 14 Tage - von der Beklagten im
Bescheid vom 05.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2014 zu Recht verlangt worden. Zwar folgt die
Rechtsgrundlage hierfür nicht aus § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), da eine Aufhebung der Leistungsbewilligung nicht erfolgen konnte. Die Erstattungsforderung kann sich aber auf §
157 Abs
3 Satz 2
SGB III stützen, da der Arbeitgeber trotz des Rechtsübergangs des Anspruchs auf Arbeitsentgelt auf die Beklagte - nach Genehmigung
durch die Beklagte - mit befreiender Wirkung an die Klägerin gezahlt hat. Ein Austausch der Rechtgrundlagen ist insofern unbedenklich,
da es sich bei keiner der beiden Vorschriften um eine Ermessensnorm handelt und die Zielrichtung, nämlich die Erstattung von
Alg, in jedem Fall die gleiche ist. Zweifel am objektiven Vorliegen einer Gleichwohlgewährung im Hinblick auf das - zunächst
- nicht gezahlte Arbeitsentgelt für die Zeit vom 18.10.2012 bis 31.10.2012 bestehen beim Senat nicht. Dazu wurde auch von
der Klägerin nichts vorgetragen.
Auch im Hinblick auf das für die Zeit vom 01.11.2012 bis 17.03.2013 gezahlte Alg konnte die Beklagte eine Erstattung von 5.070,37
EUR (137 Tage x 37,01 EUR) verlangen. Dies ergibt sich aus §
158 Abs
4 Satz 2
SGB III, auf den sich die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 06.05.2014 stützt. Der Arbeitgeber hat trotz des Rechtsübergangs des
Anspruchs wegen der Abfindung auf die Beklagte - nach Genehmigung durch die Beklagte - mit befreiender Wirkung an die Klägerin
gezahlt.
Für die Zeit vom 01.11.2012 bis 17.03.2013 lagen die Voraussetzungen einer Gleichwohlgewährung auch vor, denn in diesem Zeitraum
hat der Anspruch auf Alg, der dem Grunde nach bestand, geruht. Ein Anspruch auf Alg ruht, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung
des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu
beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden
Frist beendet worden ist, von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung
dieser Frist geendet hätte (§
158 Abs
1 Satz 1
SGB III).
Die Klägerin hat aufgrund des Vergleiches mit S. vor dem ArbG vom 28.03.2013 eine Abfindung für den Verlust ihres Arbeitsplatzes
iHv 30.000 EUR brutto und damit eine Entlassungsentschädigung erhalten. Mit dem Vergleich wurde das Arbeitsverhältnis zum
31.10.2012 beendet. Ausgehend von der Kündigung am 17.10.2012 hätte die Kündigungsfrist nach dem 14-jährigen Arbeitsverhältnis
der Klägerin bei S. fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats betragen (§
622 Abs
2 Satz 1 Nr
5 BGB). Eine (ordentliche) Kündigung wäre daher seinerzeit nur zum 31.03.2013 möglich gewesen. Mit der Beendigung zum 31.10.2012
war die Kündigungsfrist nicht gewahrt.
Nach §
158 Abs
1 Satz 1
SGB III beginnt der Ruhenszeitraum mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses, mithin dem 01.11.2012. Nach §
158 Abs
2 Satz 2 Nr
1 SGB III ruht der Alg-Anspruch nicht über den Tag hinaus, bis zu dem der Arbeitslose bei Weiterzahlung des während der letzten Beschäftigungszeit
kalendertäglich verdienten Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von 60% der nach Abs 1 zu berücksichtigenden Entlassungsentschädigung
als Arbeitsentgelt verdient hätte. Da die Klägerin vorliegend vom 01.10.1998 bis 31.10.2012, mithin 14 Jahre lang bei seinem
Arbeitgeber beschäftigt und im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses 43 Jahre alt gewesen ist, reduziert sich
die Anrechnung der Abfindung nach §
158 Abs
2 Satz 3
SGB III auf lediglich 45% (§
158 Abs
2 Satz 3 1.HS
SGB III). Es ergibt sich ein Ruhenszeitraum von insgesamt 137 Kalendertagen (45% von 30.000 EUR geteilt durch das kalendertägliche
Entgelt von 98,49 EUR). Somit ruht der Anspruch der Klägerin bis 17.03.2013.
Eine kürzere Ruhensfrist ergibt sich nicht aus §
158 Abs
2 Satz 2 Nr
3 SGB III. Danach ruht der Anspruch auf Alg nicht über den Tag hinaus, an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund
ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Arbeitgeber die fristlose
Kündigung tatsächlich ausgesprochen hat. Maßgeblich ist alleine, dass der wichtige Grund für eine außerordentliche Kündigung
des Arbeitgebers materiell-rechtlich vorliegt, ohne dass es auf formelle Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Kündigung
ankommt. Ebenso ist es unbeachtlich, wenn das Arbeitsverhältnis nach erfolgter außerordentlicher Kündigung durch Vergleich
beendet wird (vgl dazu insgesamt Valgolio in Hauck/Noftz,
SGB III, Stand 06/2016, §
158 Rn 131 ff mwN).
S. wäre am 17.10.2012 nicht berechtigt gewesen, der Klägerin ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen. Nach §
626 Abs
1 BGB kann das Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grunde ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden,
wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund deren dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter
Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder
bis zur vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Danach können nicht bestimmte Tatsachen
ohne Rücksicht auf die Besonderheit des Einzelfalls stets als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung anerkannt werden,
da es im Rahmen des §
626 Abs
1 BGB keine absoluten Kündigungsgründe gibt (vgl BAG, Urteil vom 15.11.1984 - 2 AZR 613/83 - [...]; LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.09.2010 - 25 Sa 1080/10 - [...]). Es bedarf vielmehr zunächst eines arbeitsvertraglichen Pflichtenverstoßes bzw eines Kündigungssachverhalts, der
unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen fristlosen
Kündigung abzugeben. Dazu muss es dem Arbeitgeber im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände
des Einzelfalles und der beiderseitigen Interessen nicht zumutbar sein, den Arbeitnehmer auch nur für die Dauer der ordentlichen
Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen (vgl dazu die Rspr des BAG, zB: Urteil vom 07.07.2005 - 2 AZR 581/04 - BAGE 115, 195; Urteil vom 14.09.1994 - 2 AZR 164/94 - BAGE 78, 18).
Danach ist der Senat schon nicht davon überzeugt, dass ein arbeitsvertraglicher Pflichtenverstoß bzw Kündigungssachverhalt
vorliegt, der einen wichtigen Grund im oben genannten Sinne darstellt. Die Klägerin trägt vor, sie habe durch die Mitnahme
und Verteilung von zurückgekommenen Weihnachtsartikeln und sonstigem Material gegen Nr. 38 der Arbeitsordnung verstoßen. Diesbezüglich
ist zunächst anzumerken, dass von der Klägerin im Kündigungsschutzprozess vor dem ArbG mit Schriftsatz vom 02.01.2013 vorgebracht
worden ist, sie habe mit ihrem Verhalten nicht gegen arbeitsvertragliche Verpflichtungen verstoßen und es habe seinerzeit
keinerlei Anweisungen des Arbeitgebers gegeben, welche ihre Handlungsweise in irgendeiner Weise eingeschränkt hätte. Im Erörterungstermin
vor dem LSG am 26.07.2016 hat die Klägerin - uneingeschränkt und nicht alleine auf die dem Kündigungsrechtsstreit gegenständlichen
Kundenwaren - ausgeführt, dass das Verteilen der Waren in keinster Weise heimlich erfolgt sei. Vielmehr hätten ihre Vorgesetzten
dies gesehen und Kenntnis davon gehabt. Für sie sei es ganz normal gewesen. Auch habe ihr unmittelbarer Vorgesetzter nicht
gesagt, dass sie das nicht dürfe oder gegen den Arbeitsvertrag verstoße. Damit hat die Klägerin folglich nicht ohne Wissen
ihrer Vorgesetzten gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Sie hat in Kenntnis ihrer Vorgesetzten gehandelt,
so dass diese "unverzüglich benachrichtigt" im Sinne von Nr. 38 der Arbeitsordnung waren.
Zudem erscheint nach dem Vortrag der Klägerin auch fraglich, welchen tatsächlichen Wert die von ihr an sich genommenen und
verteilten Waren hatten. Zwar hat sie im Berufungsverfahren diesbezüglich eine Liste mit Waren vorgelegt, die einen Gesamtwert
von 7.717,77 EUR haben sollen. Dabei handelt es sich jedoch um den ursprünglichen Verkaufswert. Hieraus kann aber nicht auf
den zuletzt noch tatsächlich bestehenden Verkehrswert geschlossen werden. So ist zu berücksichtigen, dass es sich um die Rückläufer
insbesondere des Weihnachtsgeschäftes handelte. Die Klägerin trägt im arbeitsgerichtlichen Verfahren überzeugend vor, dass
es sich beispielsweise um nicht mehr verwertbare Jutesäcke ohne jeglichen Wert gehandelt habe, die andernfalls hätten entsorgt
werden müssen. Zudem habe es sich um "herrenlose" Gegenstände gehandelt, wie es auch bei den sog. "Fremddisplays" gewesen
sei. Die überlassenen Weihnachtsartikel seien herrenlos oder wertlos und für die Entsorgung bestimmt gewesen. Im Übrigen sei
die Handlungsweise auch im Vorfeld vom Geschäftsführer der Firma CW genehmigt worden. Im Hinblick darauf, dass es aus Sicht
der Klägerin ganz normal gewesen ist, die Sachen an Mitarbeiter zu verteilen, die Genehmigung des Kunden sowie - jedenfalls
konkludent - der direkten Vorgesetzten vorgelegen hat, und im Hinblick auf die offensichtliche im weiteren Geschäftsverkehr
weitgehende Wertlosigkeit der Gegenstände kann davon ausgegangen werden, dass insofern auch die Ausnahmeregelung von Nr. 38
der Arbeitsordnung greift, wonach die Annahme von gebräuchlichen Gelegenheitsgeschenken im Wert von unter zehn Euro nicht
arbeitsvertragswidrig ist. Bei der Wertermittlung wäre zudem nicht nur auf die einzelne Person der Klägerin abzustellen, sondern
auf alle bedachten Mitarbeiter.
Darüber hinaus kann der Klägerin nicht plötzlich ihr diesbezügliches Verhalten vorgeworfen werden, wenn dies zuvor stets von
den unmittelbaren Vorgesetzten geduldet worden ist. Sie wäre zunächst darauf hinzuweisen gewesen, dass ein derartiges Vorgehen
vom Arbeitgeber nicht gewünscht wird. Auch wäre vorrangig eine Abmahnung auszusprechen gewesen.
Anhaltspunkte, dass sich die weiteren vom Arbeitgeber in der - vom Arbeitsgericht rechtskräftig für unwirksam befundenen -
Verdachtskündigung vom 17.03.2011 genannten Vorgänge bezüglich der Arbeitsweise der Klägerin, ihrer Arbeitszeiten, dem Einsatz
von Aushilfen und der Durchführung von Massagen durch eine ihrer Angestellten bestätigt hätten oder wichtige Gründe im oben
genannten Sinne darstellen würden, gibt es aus Sicht des Senates nicht. Hierzu wird auch von der Klägerin nicht weiter vorgetragen.
Schließlich wäre der Arbeitgeber auch deshalb nicht berechtigt gewesen, der Klägerin fristlos zu kündigen, weil ihm jedenfalls
eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumindest für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar gewesen wäre.
Die Klägerin war zuletzt nicht mehr im ursprünglichen Arbeitsbereich tätig, im Rahmen dessen die Möglichkeit zur Inempfangnahme
und Weitergabe der Waren bestanden hat. Vielmehr war sie in der Buchhaltung eingesetzt, bei der ein Kundenkontakt nicht mehr
erfolgte. Ferner lagen die Vorfälle bei Ausspruch der Kündigung am 17.10.2012 schon zwei Jahre zurück. Zudem hätte auch eine
Kündigung unter Einhaltung der Kündigunsfrist bei anderen Arbeitnehmern nicht der Eindruck entstehen lassen, das zu beanstandende
Verhalten bliebe ohne Folgen. Schließlich erfolgte im Vergleich vor dem Arbeitsgericht ebenfalls keine fristlose Beendigung
des Arbeitsverhältnisses, sondern dieses wurde (erst) zum 31.10.2012 beendet. Damit konnte die Beklagte auch im Hinblick auf
das für die Zeit vom 01.11.2012 bis 17.03.2013 gezahlte Alg auch die Erstattung von 5.070,37 EUR verlangen.
Die Berufung war folglich zurückzuweisen, soweit die Beklagte eine Erstattung von 5.588,51 EUR (5.070,37 EUR und 518,14 EUR)
fordert. Im Übrigen waren die angefochtenen Bescheide aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.