Anspruch auf Arbeitslosengeld; Berücksichtigung von Angaben des Arbeitslosen zur Arbeitsbereitschaft im Formblattantrag; Ermittlungspflichten
des Leistungsträgers
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) für den 16.04.2014.
Am 13.03.2014 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten mit Wirkung zum 16.04.2014 arbeitslos und beantragte die Zahlung
von Alg. Ihr Arbeitsverhältnis habe sie am 13.03.2014 mit Wirkung zum 15.04.2014 selbst gekündigt. Sie beabsichtige, ab dem
17.04.2014 ein Studium aufzunehmen. Der Bescheinigung des Arbeitgebers zufolge sei das Arbeitsverhältnis - arbeitgeberseitig
- mit einer Frist von vier Wochen ohne festes Ende kündbar gewesen. Am 23.03.2014 teilte die Klägerin der Beklagten die Aufnahme
des Studiums zum 17.04.2014 mit und meldete sich aus dem Leistungsbezug ab. Mit der Abgabe ihres Antrages bei der Beklagten
am 08.04.2014 beantwortete die Klägerin die Frage Nr. 2a des Formblattantrages ("Ich werde alle Möglichkeiten nutzen, um meine
Beschäftigungslosigkeit zu beenden - siehe Merkblatt 1 Abschnitt 2.4 und Erläuterung zum Antrag") mit "Nein". Bei einer Rücksendung
des Antrages an die Klägerin am 09.04.2014 - sie hatte nicht alle Fragen beantwortet - unterließ es die Beklagte, bezüglich
der Beantwortung der Frage Nr. 2a bei der Klägerin nachzufragen.
Nach dem erneuten Eingang des Antrages bei der Beklagten am 14.04.2014 lehnte diese mit Bescheid vom 17.04.2014 die Zahlung
von Alg ab. Die Klägerin stehe wegen der Aufnahme ihres Studiums am 17.04.2014 für Vermittlungsbemühungen lediglich am 16.04.2014
zur Verfügung. Damit sei sie nicht in der Lage, eine versicherungspflichtige Beschäftigung von mindestens 15 Wochenstunden
aufzunehmen. Mangels Arbeitslosigkeit bestehe kein Anspruch auf Alg. Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die
Klägerin geltend, ihr sei mitgeteilt worden, dass es ausreiche, dem Arbeitsmarkt für einen Tag zur Verfügung zu stehen, um
sich ihren Alg- Anspruch für die Zeit nach dem Studium zu sichern. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 05.05.2014 zurück. Die Klägerin sei nicht beschäftigungslos gewesen. Unabhängig von der Frage der Verfügbarkeit habe sie
nicht alle Möglichkeiten nutzen wollen, ihre Arbeitslosigkeit zu beenden. Dies ergebe sich aus dem Antragsformular. Sie sei
durch das Merkblatt über ihre Verpflichtungen informiert gewesen.
Mit der dagegen zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, sie habe ein berufsbegleitendes Studium betrieben, auf das sie sich in der
Abschluss- und Prüfungsphase ab dem 17.04.2014 habe konzentrieren wollen. Aus diesem Grund habe sie ihr Arbeitsverhältnis
fristgerecht zum 15.04.2014 gekündigt. Um ihren Anspruch auf Alg für die Zeit nach dem Studium sicherzustellen, habe sie eine
Beratung der Beklagten in Anspruch genommen. Es sei ihr erklärt worden, dass sie grundsätzlich Anspruch auf Alg habe; sie
müsse sich nur für einen Tag zur Verfügung stellen. Dies habe sie, wie mit der Mitarbeiterin der Beklagten vereinbart, gemacht.
Beim Ausfüllen des Antrages habe sie irrtümlich die Frage Nr. 2a nicht mit "Ja" beantwortet. Hierbei habe ihr das Merkblatt
jedoch nicht vorgelegen. Ihr sei aber zugesichert worden, Alg nach Abschluss ihres Studiums zu erhalten. Die Beklagte habe
ihr erklärt, dass sie sich zur Begründung des Alg- Anspruches am 16.04.2014 dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen müsse.
Dies habe ihr die Beklagte auch in einem Schreiben vom 17.03.2014 bestätigt.
Mit Urteil vom 11.11.2014 hat das SG unter Abänderung des Bescheides vom 17.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2014 die Beklagte verurteilt,
Alg für den 16.04.2014 zu gewähren. Die Klägerin sei im Rechtssinne arbeitslos gewesen. Es habe eine Vereinbarung mit der
Beklagten bestanden, dass Alg gewährt werde, sofern sich die Klägerin dem Arbeitsmarkt am 16.04.2014 zur Verfügung stelle.
Von Eigenbemühungen sei nicht die Rede gewesen. Der Eintritt einer Sperrzeit sei nicht Gegenstand des Verfahrens. Das SG hat die Berufung zugelassen.
Gegen das Urteil hat die Beklagte Berufung beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Es könne dahinstehen, ob die Klägerin
die Frage nach den Eigenbemühungen irrtümlich falsch beantwortet habe. Nach ihren eigenen Einlassungen stehe fest, dass sie
am 16.04.2014 tatsächlich nicht bereit gewesen sei, eine zumutbare, mindestens 15 Wochenstunden umfassende Beschäftigung aufzunehmen.
Die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sei ausschließlich mit dem Ziel erfolgt, sich auf den Abschluss des berufsbegleitenden
Studiums zu konzentrieren. Insoweit sollte für den 16.04.2014 lediglich ein Tag mit Anspruch auf Alg konstruiert werden, um
sich einen Leistungsanspruch für die Zeit nach dem Ende des Studiums zu sichern. Die Klägerin könne auch aus dem Schreiben
vom 17.03.2014 keinen Anspruch auf Alg herleiten. Eine Zusicherung iSd § 34 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sei hierin nicht zu sehen. Das Schreiben bestätige lediglich in allgemeiner Weise die Voraussetzungen, vorliegend die Frage
der Verfügbarkeit, unter denen ein Alg- Anspruch entstehe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.11.2014 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 17.04.2014 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2014 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das SG habe zutreffend entschieden.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und
zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerechte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§
143,
144,
151 Sozialgerichtgesetz -
SGG) und begründet. Das Urteil des SG ist aufzuheben. Der Bescheid vom 17.04.2014 idG des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2014 ist rechtmäßig und verletzt die
Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin war - entgegen ihrer Formalerklärung, sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu
stellen - nicht tatsächlich bereit, nach dem Ende ihres Arbeitsverhältnisses zum 15.04.2014 am 16.04.2014 ein (anderes) versicherungspflichtiges,
mindestens 15 Wochenstunden umfassendes Beschäftigungsverhältnis aufzunehmen.
Arbeitnehmer/-innen haben Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit (§ 136 Abs 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch idF des Gesetzes
zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011; BGBl. I S. 2854 -
SGB III). Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit hat, wer - neben weiteren Voraussetzungen - arbeitslos ist (§
137 Abs
1 Nr.
1 SGB III). Arbeitslos ist, wer als Arbeitnehmer/-in den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (§
138 Abs
1 Nr.
3 SGB III). Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht zur Verfügung, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15
Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden
Arbeitsmarktes ausüben kann und darf (§
138 Abs
5 Nr.
1 SGB III) und bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne dieser Nummer
1 anzunehmen und auszuüben (§
138 Abs
5 Nr.
3 SGB III).
Diese Bereitschaft, eine Beschäftigung für den 16.04.2014 aufzunehmen, fehlte der Klägerin, so dass ein Anspruch auf Alg mangels
Verfügbarkeit nicht besteht.
Es kann dabei dahinstehen, ob die Klägerin die Frage Nr. 2a des Formblattantrages ("Ich werde alle Möglichkeiten nutzen, um
meine Beschäftigungslosigkeit zu beenden") irrtümlich falsch beantwortet hat. Allein hierauf kann die Ablehnung eines Leistungsanspruches
nicht gestützt werden, denn es handelt sich nicht um eine Willensklärung, die - soweit sie unangefochten und damit wirksam
bliebe - Tatbestandswirkung entfalten und damit einem Leistungsanspruch entgegenstehen könnte. Die Frage nach der Bereitschaft,
die Arbeitslosigkeit zu beenden (Frage 2a des Formblattantrages), ist, wie auch die Frage nach der Arbeitsbereitschaft (Frage
2e des Formblattantrages), eine Erklärung über das Vorliegen einer (subjektiven) Tatsache als Voraussetzung der Verfügbarkeit,
die es auf der Grundlage der tatsächlichen Umstände zu objektivieren gilt, wobei den Erklärungen im Formblattantrag zumindest
eine indizielle Wirkung beizumessen ist. Ungeachtet dieser formellen Erklärungen lässt sich im Antrag vom 05.04.2014 aus den
Gesamtumständen keine Bereitschaft der Klägerin objektivieren, sie habe die Absicht gehabt, am 16.04.2014 ein versicherungspflichtiges,
mindestens 15 Wochenstunden umfassendes Beschäftigungsverhältnis aufzunehmen.
Soweit sich die Klägerin vor der Abgabe ihres Antrages bei der Beklagten über die Voraussetzungen des Leistungsbezuges hat
beraten lassen und die Information erhalten hat, sie müsse sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen, erscheint nachvollziehbar,
dass sie gewillt war, alle für den Leistungsbezug formell erforderlichen Erklärungen in anspruchsbegründender Weise abzugeben,
um einen Alg- Anspruch für den 16.04.2014 zu haben. Hieraus kann der Schluss gezogen werden, dass die Klägerin bei zutreffender
Beratung seitens der Beklagten eine den Formalien genügende Erklärung mit ihrem Antrag abgegeben hätte, so dass ihr - entgegen
der Auffassung der Beklagten - allein die indizielle Wirkung der mit "Nein" beantworteten Frage 2a nicht leistungsausschließend
entgegengehalten werden kann.
Die tatsächlichen Umstände aber lassen jedoch keinen objektivierbaren Schluss darauf zu, dass die Klägerin tatsächlich bereit
war, ihre nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 15.04.2014 eingetretene Beschäftigungslosigkeit am 16.04.2014 durch
die Aufnahme eines (anderen) Beschäftigungsverhältnisses zu beseitigen. Nachdem die Klägerin geplant hatte, sich ab dem 17.04.2014
ausschließlich auf ihr (bis dahin berufsbegleitendes) Studium zu konzentrieren und damit dem Arbeitsmarkt für eine Vermittlung
nicht mehr zur Verfügung zu stehen, konnte in Bezug auf die Frage der Arbeitsbereitschaft ein tatsächlicher Wille der Klägerin
nur dann anspruchsbegründend sein, wenn sie bereit gewesen wäre, nach ihrer Kündigung zum 15.04.2014 durch die Aufnahme einer
mehr als geringfügigen und damit leistungsausschließenden Tätigkeit am 16.04.2014 ihre Arbeitslosigkeit allein an diesem Tag
zu vermeiden. Ein derartiger Wille hat bei der Klägerin jedoch - unabhängig von den formalen Erklärungen - zu keinem Zeitpunkt
vorgelegen, denn dieser Wille hätte in einem unauflösbaren Zielkonflikt zu den tatsächlichen Absichten der Klägerin gestanden,
allein für den 16.04.2014 einen Leistungsanspruch zu begründen, dessen Weiterzahlung innerhalb der Vier- Jahres- Frist des
§
161 Abs
2 SGB III, d.h. bis 15.04.2018 hätte geltend gemacht werden können. Sie hätte sich damit die Zahlung von Alg nach dem voraussichtlichen
Ende des Studiums im September 2015 sichern wollen. Allein das erklärte Ziel der Klägerin, für den 16.04.2014 eine Zahlung
von Alg zu erhalten, schließt denknotwendigerweise ihren Willen aus, an diesem Tag eine anspruchsausschließende Beschäftigung
auszuüben, so dass die Klägerin am 16.04.2014 nicht arbeitsbereit iSd §
138 Abs
5 Nr.
3 SGB III und damit - entgegen ihrer formellen Erklärung im Formblattantrag (Frage 2e) - nicht verfügbar war. So hat die Klägerin sich
auch gegenüber dem SG erklärt, alle Möglichkeiten nutzen zu wollen, um die Beschäftigungslosigkeit zu beenden, sobald das vorgesehene Studium abgeschlossen
ist.
Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Alg für den 16.04.2014 lässt sich ungeachtet des Umstandes, dass die materiell-
rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt sind, auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 17.03.2014 ableiten,
denn diesem Schreiben ist keine Zusicherung (iSd des § 34 SGB X) zu entnehmen. Eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder
zu unterlassen (Zusicherung), bedarf zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form (§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB X). Dem Schreiben vom 17.03.2014 ist keine Erklärung dergestalt zu entnehmen, dass die Beklagte sich bereit erklärt habe, der
Klägerin für den 16.04.2014 Alg zu zahlen. Dieses Schreiben enthält lediglich den Hinweis, dass sich die Klägerin für den
16.04.2014 dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen müsse, um einen Anspruch auf Alg zu begründen, mithin werden allein die
rechtlichen Voraussetzungen des Leistungsanspruches vor dem Hintergrund des zuvor geführten Beratungsgespräches erläutert.
Eine Ankündigung, Leistungen für diesen Tag auszuzahlen, war dem Schreiben bereits deshalb nicht zu entnehmen, weil die Beklagte
ausdrücklich auf die Notwendigkeit hingewiesen hat, den Fragebogen zur Eigenkündigung auszufüllen. Hieraus ist der Schluss
zu ziehen, dass sie aus der hier naheliegenden Überlegung, es sei eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe eingetreten, einen Zahlungsanspruch
vielmehr ausschließen wollte. Darüber hinaus ist dem Schreiben auch nicht zu entnehmen, dass bei der Beklagten - unabhängig
vom vorliegenden Streitgegenstand - die Bereitschaft (iSe Zusicherung) bestehe, Zahlungen an die Klägerin nach dem Ende ihres
Studiums zu erbringen, denn diese Problematik thematisiert die Beklagte in ihrem Schreiben ohnehin nicht.
Nachdem ein Anspruch auf Alg der Klägerin für den 16.04.2014 nicht besteht, war das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt aus dem Unterliegen der Klägerin.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs
2 Nr.1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor. Streitig ist ausschließlich die tatsächliche Beurteilung der Arbeitsbereitschaft im vorliegenden
Einzelfall. Die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Natur ist nicht ersichtlich. Soweit das SG gleichwohl die Berufung zugelassen hat, ist dies vom erkennenden Senat nicht weiter zu hinterfragen.