Beginn eines Versicherungspflichtverhältnisses in der Arbeitslosenversicherung; Aufnahme der Beschäftigung; Ausübung des Direktionsrechts
durch den Arbeitgeber
Tatbestand
Streitig sind die Rücknahme einer vorläufigen Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und dessen Erstattung sowie die Ablehnung
eines Antrags auf Alg im Hinblick auf die Nichterfüllung der Anwartschaftszeit.
Der Kläger war nach eigenen Angaben ab Juli 2005 bis Ende 2007 arbeitslos und sodann in der Zeit vom 01.01.2008 bis 15.12.2008
bei der Firma B. F. (B) als AVO-Koordinator im technischen Bereich beschäftigt. Am 05.06.2009 meldete er sich bei der Beklagten
arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg. Dabei legte er einen Arbeitsvertrag zwischen ihm und der Firma A. B. AG (AD),
E-Stadt in der Schweiz, handelnd für die Firma A. Technologie GmbH i.Gr. (AP), N-Stadt, vor. Darin wurde er unter Bezugnahme
auf eine Stellenbeschreibung als Produktionsleiter der AP eingestellt (§ 1). Als Tätigkeitsaufnahme war handschriftlich der
15.12.2008 angegeben (§ 2). Der Vertrag war für die Arbeitgeberin von Herrn C. F. (F) und Herrn Dr. C. (K) sowie vom Kläger
unterzeichnet. Die Arbeitsbescheinigung war unvollständig und enthielt u.a. keine Angaben zur Zeitdauer der Beschäftigung
und zum Arbeitsentgelt. Das Bemühen der Beklagten, eine vollständige Arbeitsbescheinigung zu erhalten, scheiterte. Eine Nachfrage
bei der E. ergab, dass dort vom Arbeitgeber keine Meldung für den Kläger hinsichtlich der Zeit ab 16.12.2008 erfolgt sei.
Im Rahmen des Feststellungsbogens zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses gab der Kläger
an, er habe die Beschäftigung seit 15.12.2008 tatsächlich mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden ausgeübt. Die
Vergütung sei nicht gezahlt worden und es bestünden insofern Rückstände in Höhe von 45.000 EUR. Diese seien bei K angemahnt
worden, der hierauf nicht reagiert habe. Der Dienstwagen, der ihm lt. Arbeitsvertrag zur Verfügung gestellt werden sollte,
sei ihm nicht überlassen worden. Das Arbeitsverhältnis sei von ihm zwischenzeitlich auch nicht beendet worden. Ein Weisungsrecht
sei nicht laufend ausgeübt worden. Er habe über seine Arbeiten keinen Bericht anfertigen müssen und auch den Vollzug der Arbeit
nicht melden müssen. Eine Produktionsstätte werde derzeit nicht errichtet. Zur Frage nach den tatsächlich verrichteten Arbeiten
wurde nichts angegeben.
Die Beklagte bewilligte darauf mit Bescheiden vom 07.08.2009 vorläufig Alg für die Zeit vom 05.06.2009 bis 04.02.2010 in Höhe
von 40,70 EUR täglich.
Im weiteren Verlauf teilte die E. am 02.12.2010 mit, es werde weiterhin ein Beschäftigungsverhältnis des Klägers geprüft.
Derzeit sei davon auszugehen, dass in Deutschland nie eine Betriebsstätte vorhanden gewesen sei und vom Kläger tatsächlich
keine Arbeiten ausgeführt worden seien. Am 11.08.2011 teilte die E. dann mit, es sei kein Beschäftigungsverhältnis des Klägers
feststellbar. Die Firmen AD und AP seien in keinem deutschen Handelsregister oder bei einer Stadt-/Gemeindeverwaltung eingetragen,
mithin nicht existent. Eine Betriebsstätte oder ein Büro sei hier nie vorhanden gewesen. Der Kläger selbst habe angegeben,
nie tatsächlich die Arbeit aufgenommen zu haben und es sei keinerlei Tätigkeit zu erledigen gewesen. Weisungen seitens der
Firma seien nie erteilt worden und es habe angeblich nur eine lose Vorstellung davon gegeben, wie eventuell künftige Tätigkeiten
aussähen.
Im Rahmen einer Anhörung teilte der Kläger mit, er habe alle Unterlagen bei der Beklagten vorgelegt und auf eine gewissenhafte
Prüfung vertraut. Verzögerungen habe er ohne Argwohn gegenüber seinem Arbeitgeber hingenommen. Da er sich die Arbeitsmöglichkeit
habe offenhalten wollen, habe er auch keinen Lohn eingeklagt.
Mit Bescheid vom 06.09.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21.10.2011 nahm der Beklagte die Bewilligung von Alg
ab dem 05.06.2009 zurück und forderte die Erstattung von Alg in Höhe von 9.768 EUR. Der Kläger habe die Anwartschaftszeit
nicht erfüllt und deshalb keinen Anspruch auf Alg. Mit weiterem Bescheid vom 06.09.2011 lehnte der Beklagte den Antrag auf
Alg vom 05.06.2009 ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger vortrug, er habe alle ihm zur Verfügung stehenden
Unterlagen zur Prüfung übergeben und es sei schließlich sein Antrag bewilligt worden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 02.11.2011 zurück. Das Arbeitsverhältnis bei AD bzw. AP sei nicht als versicherungspflichtige Zeit zu berücksichtigen.
Es habe tatsächlich nie ein Beschäftigungsverhältnis bestanden. So sei keine Betriebsstätte vorhanden gewesen und der Kläger
habe tatsächlich nie Arbeiten ausgeführt. Auch ein Vergütungsanspruch habe nicht bestanden. Im Zeitpunkt der Bewilligung von
Alg sei man davon ausgegangen, dass ein Beschäftigungsverhältnis bestanden habe. Ein Erstattungsanspruch ergebe sich aus §
328 Abs
3 Satz 2 und
3 des
Dritten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB III), da mit der abschließenden Entscheidung kein Leistungsanspruch zuerkannt werden konnte. Eine besondere Aufhebung der vorläufigen
Entscheidung gemäß § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sei daher nicht erforderlich.
Mit einer Klage vom 13.03.2012 hat der Kläger gegen AD und K beim D. sein Gehalt für die Zeit vom 15.12.2008 bis 04.06.2009
geltend gemacht. Darin wird u.a. ausgeführt, K habe dem Kläger bei der geplanten Arbeitsaufnahme am 15.12.2008 mitgeteilt,
die Finanzierung der GmbH habe noch nicht bewerkstelligt werden können, und es sei vereinbart worden, dass sich der Kläger
auf Abruf zur Verfügung halte. Am 05.06.2009 habe sich der Kläger arbeitslos gemeldet, da eine zeitnahe Beschäftigungsaufnahme
weiterhin nicht habe zugesichert werden können. Insofern werde Annahmeverzugslohn geschuldet. Die Verzögerungen aufgrund des
Finanzierungsproblems sowie das Fortbestehen der vertraglichen Gehaltsansprüche des Klägers sei von K mit Schreiben vom 28.11.2011
bestätigt worden und dieser habe mit weiterem Schreiben vom 15.12.2011 auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Mit Versäumnisurteil
vom 26.09.2012 wurden AD und K zur Abrechnung und Zahlung des Gehalts für Dezember 2008 bis Juni 2009 verurteilt. Mit ihrem
Einspruch gegen das Versäumnisurteil haben AD und K vorgebracht, die Produktion sei zu keinem Zeitpunkt aufgenommen worden,
da es keine Produktionsstätte gebe. Der Kläger habe mithin noch nicht einen Tag für die AD gearbeitet. Ihm sei bekannt gewesen,
dass die AD über kein Kapital verfüge und auch K keinerlei Funktion bei ihr habe. Der Kläger habe wöchentlich bis zweimal
wöchentlich bei K angerufen und sich nach der Kapitalisierung erkundigt. Wahrheitsgemäß sei ihm immer mitgeteilt worden, es
könne mangels Kapitalisierung noch keine Arbeitsaufnahme erfolgen. Ein wirksamer Arbeitsvertrag sei nicht geschlossen worden.
Dem Kläger habe für mindestens ein halbes Jahr ein Audi A4 als Neuwagen zur Verfügung gestanden. In seiner Erwiderung hat
der Kläger darauf ausgeführt, er habe sich tatsächlich häufig bei K nach der Kapitalisierung der in Gründung befindlichen
AP, deren Produktion er vertragsgemäß aufbauen sollte, erkundigt. Ein Auto sei ihm nicht überlassen worden. Mit zweitem Versäumnisurteil
vom 15.04.2013 hat das D. den Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 26.09.2012 verworfen.
Der Kläger hat beim Sozialgericht Nürnberg (SG) Klage erhoben. Es sei im Dezember 2008 ein wirksamer Arbeitsvertrag geschlossen worden, wonach der Kläger für die Produktion
beginnend ab Planung der Produktionsgebäude, Konfigurationsplanung für Produktionslinien, Versuche, Einrichtungsplanung und
Inbetriebnahme zuständig gewesen sei. Am 15.12.2008 sei ihm mitgeteilt worden, er könne seine Tätigkeit doch nicht am 15.12.2008
erbringen, da die Finanzierung noch nicht gesichert sei. Es sei vereinbart worden, dass er sich auf Abruf bereithalte und
eine Nachzahlungspflicht wegen der Versäumnis des Arbeitgebers, den vertraglich vereinbarten Arbeitsplatz zur Verfügung zu
stellen, bestehe. Der Arbeitsgeber habe seine Verfügungsmacht behalten und das Beschäftigungsverhältnis habe nach dem Willen
der Beteiligten auch fortgesetzt werden sollen. Nicht erforderlich sei, dass die tatsächlichen Arbeiten ausgeführt würden.
Das Arbeitsentgelt müsse auch noch bezahlt werden und der Arbeitgeber habe insofern auf die Einrede der Verjährung verzichtet.
Es hätte ein Grundstück gesucht und Laboratorien aufgebaut werden sollen, dann wäre eine Vernetzung mit Computern notwendig
gewesen, etc. Er habe sich nach Gebäuden umgehört und K Vorschläge unterbreitet. Darüber hinaus habe er keine Tätigkeiten
verrichtet. Er habe immer wieder nachgefragt und sei vertröstet worden. Ihm sei gesagt worden, er solle sich gedulden, die
Finanzierung sei noch nicht durch. Nachdem K seine Anrufe nicht mehr entgegengenommen habe, habe er dann den Glauben an das
Ganze verloren. Mit Urteil vom 08.10.2013 hat das SG die Bescheide vom 06.09.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 02.11.2011 aufgehoben. Die Anwartschaftszeit sei erfüllt, da der Kläger auch vom 15.12.2008 bis 04.06.2009 in einem Beschäftigungsverhältnis
gestanden habe. Solange das Arbeitsverhältnis fortbestehe und die Beteiligten den Willen hätten, das Beschäftigungsverhältnis
fortzusetzen, sei die tatsächliche Ausübung der Beschäftigung nicht notwendig. Hielten die Beteiligten am Arbeitsverhältnis
fest, bestünde auch das Versicherungsverhältnis fort. Eine Freistellung gegen Arbeitsentgelt sei unerheblich. Insofern könne
auch für den Beginn des Beschäftigungsverhältnisses nichts anderes gelten. Jedenfalls dann, wenn ein Arbeitsvertrag geschlossen
werde und die Tätigkeitsaufnahme fest gewollt sei, sich jedoch verzögere, und auch ein Anspruch auf Arbeitsentgelt bestehe,
komme es nicht entscheidend auf die tatsächliche Arbeitsaufnahme an. Dies sei nur dann anders, wenn die Erbringung einer Arbeitsleistung
als Gegenleistung für die Lohnzahlung nie geplant gewesen sei. Anhaltspunkte dafür, dass eine Tätigkeitsaufnahme nicht geplant
gewesen sei, gebe es im vorliegenden Fall jedoch nicht. Darüber hinaus habe der Kläger vorliegend sogar zumindest für eine
gewisse Zeit tatsächlich seine Arbeit aufgenommen, indem er nach geeigneten Gebäuden gesucht und diese vorgeschlagen habe.
Dagegen hat die Beklagte beim Bayer. Landessozialgericht Berufung eingelegt. Ein Arbeitsverhältnis iSv §
24 SGB III stelle auf die tatsächlichen Verhältnisse ab, die den Vollzug des Arbeitsverhältnisses voraussetzten. Die Arbeitgeberin des
Klägers habe aber nie ihre Tätigkeit aufgenommen, da keine Betriebsstätte vorhanden gewesen sei und auch kein Wille zur Ausübung
der Verfügungsbefugnis über den Kläger bestanden habe. Weder sei eine Anmeldung zur Sozialversicherung vorgenommen noch Gehalt
gezahlt worden. Mangels Betriebsorganisation fehle es auch an einer Eingliederung des Klägers in den Betrieb. Wie er selbst
angegeben habe, fehlte es faktisch an einer Verfügungsbefugnis und eine Arbeitsaufnahme habe tatsächlich nie stattgefunden.
Die arbeitsgerichtlichen Feststellungen seien unerheblich. Es seien keine Tätigkeiten zu erledigen gewesen und es habe keine
Weisungen gegeben. Es hätten nur lose Vorstellungen bestanden, wie ein künftiges Beschäftigungsverhältnis hätte aussehen können.
Dem Arbeitsgeber sei eine Finanzierung nicht gelungen und die Umschau nach Gebäuden habe auch keine Vorstufe für ein Beschäftigungsverhältnis
dargestellt. Es hätten nur leere Versprechungen vorgelegen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 08.10.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es sei ein Arbeitsvertrag geschlossen worden und die Arbeitsaufnahme ernsthaft gewollt gewesen. Die vereinbarte Tätigkeit
des Aufbaus einer Produktionsstätte habe er tatsächlich aufgenommen und nach Gebäuden Ausschau gehalten. In einem Schreiben
habe der Arbeitgeber die Lohnzahlung fest versprochen. Den Arbeitsvertrag habe er drei bis vier Tage vor dem 15.12.2008 unterschrieben
und danach K gebeten, noch das Datum der Tätigkeitsaufnahme einzutragen. Da er im Rahmen des Produktionsaufbaus für ein funktionsfähiges
Büro und Labore sorgen sollen, sei dann der 15.12.2008 eingetragen worden. Am 15.12.2008 habe er telefonisch Kontakt mit K
aufgenommen, wobei er, wie auch in der Folgezeit, vertröstet worden sei. In der Folgezeit habe er immer wieder bei K angerufen.
Am 15.12.2008 habe er noch keinen konkreten Auftrag bekommen, erst zwischen Weihnachten und dem Jahreswechsel 2008 sei ihm
gesagt worden, er solle zwischenzeitlich nach geeigneten Büroräumen suchen. Konkrete Vorgaben z.B. zur Finanzierung seien
nicht gemacht worden und auch nicht über Geldleistungen für die Anmietung geredet worden. Er habe K immer wieder telefonisch
über den aktuellen Stand informiert. Ein potenzielles Gebäude in N-Stadt sei dann irgendwann wieder weg gewesen.
Im Rahmen einer schriftlichen Zeugeneinvernahme hat K ausgeführt, er könne sich an einen neuen Arbeitsvertrag für den Kläger
nicht erinnern. Es hätte sich allenfalls um einen Entwurf handeln können oder einen Gefälligkeitsvertragsentwurf, da die AP
mangels finanzieller Mittel nie gegründet worden sei. Dies sei dem Kläger in Gesprächen damals auch immer mitgeteilt worden.
Weisungen habe er an den Kläger nie erteilt, weil kein Beschäftigungsverhältnis wirksam zustande gekommen sei. Dem Kläger
sei kein Auftrag zur Suche nach Gebäuden erteilt worden, da mangels Kapitaleinzahlung keine Mittel für die Anmietung zur Verfügung
gestanden hätten. Es habe kein wirksames Arbeitsverhältnis bestanden und hätte auch nicht bezahlt werden können. Der Kläger
habe ihn nie über irgendetwas unterrichtet, was er auch nicht erwartet habe. Es sei allenfalls über eventuelle Gründungsmaßnahmen
gesprochen worden, aber immer unter der Maßgabe, dass von Seiten des Investors noch keine Mittel bereitgestellt worden seien
und es fraglich gewesen sei, ob diese Mittel überhaupt je bereitgestellt würden. Die Durchführung der GmbH-Gründung sei daher
äußerst fraglich gewesen, ebenso wie fehlende Mittel für irgendwelche Leistungen.
Der Kläger hat dem entgegnet, es sei widersprüchlich, dass K sich einerseits nicht an einen Arbeitsvertrag erinnern könne,
dann einen solchen aber als Entwurf bezeichne. Im Hinblick darauf, dass der Vertrag auch mit der Muttergesellschaft der AP,
der AD, abgeschlossen worden sei, habe es eine Produktionsstätte gegeben. K habe später ausgeführt, nach seinem Verständnis
sei kein Beschäftigungsverhältnis wirksam zustande gekommen. Folglich sei er sich bewusst gewesen, dass es einen Arbeitsvertrag
gegeben habe. Im Hinblick auf Forderungen für erbrachte Leistungen durch den Kläger habe sich K persönlich bereit erklärt,
rückständiges Arbeitsentgelt zu bezahlen. Auch hieraus folge, dass die Behauptung, K sei davon ausgegangen, es habe kein Arbeitsverhältnis
gegeben, nachweislich unwahr sei. Schließlich folge die Existenz eines Arbeitsverhältnisses aus den vorgebrachten Gesprächen
über Gründungsmaßnahmen. Ob der Auftrag nach Gebäuden Ausschau zu halten unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit von K erteilt
worden sei, wisse er nicht mehr. Auf eine ursprünglich beantragte persönliche Einvernahme des K hat der Kläger verzichtet.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und
die Akte des Arbeitsgerichts D-Stadt (Az: 11 CA 1618/12) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-) und begründet. Das SG hat zu Unrecht die Bescheide der Beklagten vom 06.09.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21.10.2011 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2011 aufgehoben. Diese sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Streitgegenstand ist im vorliegenden Verfahren zunächst der Bescheid vom 06.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 02.11.2011, mit dem die (endgültige) Bewilligung von Alg ab dem 05.06.2009 abgelehnt wurde. Darüber hinaus geht es um
den mit weiterem Bescheid vom 06.09.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 02.11.2011 geltend gemachte Erstattungsanspruch bezüglich des vorläufig gewährten Alg in Höhe von 9.768 EUR. Unter Berücksichtigung
der Ausführungen im Widerspruchsbescheid hat die Beklagte an einer Aufhebung der mit den Bescheiden vom 07.08.2009 ursprünglich
erfolgten vorläufigen Bewilligung von Alg nach § 45 SGB X nicht mehr festgehalten, sondern insofern alleine die Erstattung der vorläufig gezahlten Alg nach §
328 Abs
3 SGB III verlangt.
Die Ablehnung der Bewilligung von Alg ab dem 05.06.2009 durch die Beklagte ist rechtmäßig. Nach §
118 Abs
1 SGB III (idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 - BGBl I 2848 - aF) setzt ein solcher
Anspruch Arbeitslosigkeit (Nr 1), eine Arbeitslosmeldung (Nr 2) und die Erfüllung der Anwartschaftszeit (Nr 3) voraus. Der
Kläger hat insofern die für einen Anspruch auf Alg ab 05.06.2009 notwendige Anwartschaftszeit iSv §
118 Abs
1 Nr
3 SGB III aF nicht erfüllt.
Nach §
123 Satz 1
SGB III aF hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis
gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt gemäß §
124 Abs
1 SGB III aF zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Sie reicht
aber nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit bereits erfüllt hatte
(§
124 Abs
2 SGB III aF). Ausgehend davon umfasst die Rahmenfrist vorliegend die Zeit vom 05.06.2007 bis 04.06.2009. Während dieser Zeit stand
der Kläger vom 01.01.2008 bis 15.12.2008, mithin 350 Tage in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bei B.
Weitergehende zu berücksichtigende Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses insbesondere im Hinblick auf eine angebliche
Tätigkeit für K, AP und AD liegen nicht vor.
Nach §
24 Abs
1 SGB III stehen Personen in einem Versicherungspflichtverhältnis, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig
sind. So sind u.a. Personen versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung)
sind (§
25 Abs
1 Satz 1
SGB III). Nach §
24 Abs
2 SGB III der Vorschrift beginnt das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis
und nach §
24 Abs
4 SGB III endet dieses für Beschäftigte mit dem Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis. Ein Beschäftigungsverhältnis
iSv §
7 Abs
4 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) liegt regelmäßig vor, wenn die entgeltliche Arbeit aufgrund eines wirksamen Arbeitsertrages erbracht wird; allerdings steht
auch eine zivilrechtliche Unwirksamkeit des Rechtsgeschäftes, das der Arbeitsleistung zugrunde liegt, nicht entgegen (Schlegel
in Eicher/Schlegel,
SGB III, Stand 12/2014, §
25 Rn 43f). Unerheblich für das Bestehen eines Versicherungspflichtverhältnis ist es demnach, ob allein ein Arbeitsvertrag geschlossen
wurde und ein Arbeitsverhältnis begründet worden ist (vgl BSG, Urteil vom 15.12.1994 - 12 RK 7/93 = SozR 3- 2500 § 186 Nr 3; Timme in Hauck/Noftz,
SGB III, Stand 0/2012; § 24 Rn 9); maßgeblich sind demnach alleine die tatsächlichen Verhältnisse (vgl BSG, Urteil vom 11.12.1993 - GS 1/73 - BSGE 37, 10 = SozR Nr 62 zu § 1259
RVO; Urteil vom 28.09.1993 - 11 RAr 69/92 - BSGE 73, 126 = SozR 3-4100 § 101 Nr 5; Schlegel aaO Rn 56).
Für den Beginn ist regelmäßig die tatsächliche Aufnahme der Arbeit erforderlich, wobei lediglich in besonderen Ausnahmefällen
ein Beginn selbst dann angenommen werden kann, wenn es zu einer tatsächlichen Arbeitsleistung nicht kommt und/oder kein Arbeitsentgelt
gezahlt wird (vgl dazu im Einzelnen: BSG, Urteil vom 14.07.2004 - B 12 KR 7/04 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 3 - mwN). Somit kann ein Versicherungspflichtverhältnis beispielsweise auch angenommen werden, wenn
der Arbeitnehmer einen Unfall auf dem Weg zur erstmaligen Arbeitsaufnahme erleidet (vgl BSG, Urteil vom 28.02.1967 - 3 RK 17/65 - BSGE 26, 124 = SozR Nr 3 zu § 306
RVO) oder er fristgerecht durch den Arbeitgeber vor Dienstantritt gekündigt und bis zum Wirksamwerden der Kündigung freigestellt
wird (vgl BSG, Urteil vom 18.09.1973 - 12 RK 15/72 - BSGE 36, 161 = SozR Nr 73 zu § 165
RVO). Entscheidend bleibt aber, dass das Arbeitsverhältnis begründet, der Arbeitnehmer arbeitsbereit ist und er dem Direktionsrecht
des Arbeitgebers untersteht (vgl BSG aaO; Timme in Hauck/Noftz,
SGB III, Stand 10/2012; §
24 Rn 9). Diese Voraussetzungen sind in den genannten Fällen gegeben, da sich dort der Arbeitnehmer bereits dem Direktionsrecht
des Arbeitgebers unterworfen hatte. Nicht entscheidend ist dagegen alleine der arbeitsvertragliche Beginn (Timme aaO Rn 8).
Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen stand der Kläger vorliegend für die Zeit ab 15.12.2008 in keinem Versicherungspflichtverhältnis
mehr. Ein Versicherungspflichtverhältnis des Klägers im Zusammenhang mit dem Anstellungsvertrag bei AD, AP bzw. K ist nicht
gegeben. Dabei kann es im Hinblick darauf, dass es nicht auf die zivilrechtliche Wirksamkeit des Arbeitsvertrages ankommt,
dahinstehen, wessen Unterschriften es im Einzelnen hier bedurft hätte und wer vertretungsberechtigt gewesen ist. In jedem
Fall fehlt es an einer tatsächlichen Beschäftigungsaufnahme und der Ausübung eines Direktionsrechts durch den Arbeitgeber,
so dass der Kläger sich diesem auch nicht unterwerfen konnte.
Für eine fehlende tatsächliche Aufnahme der Beschäftigung spricht zunächst, dass eine Anmeldung des Klägers bei der AOK nicht
erfolgt ist. Daneben gab der Kläger gegenüber der AOK selbst an, dass weder das vereinbarte Arbeitsentgelt gezahlt, noch der
zugesicherte Dienstwagen zur Verfügung gestellt worden sei - dies hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich
bestätigt. Ein Weisungsrecht sei nicht laufend ausgeübt worden. Er habe über seine Arbeiten keinen Bericht anfertigen müssen
und auch den Vollzug der Arbeit nicht melden müssen. Eine Produktionsstätte der AP hat es niemals gegeben und wurde auch nicht
errichtet. Zur Frage nach den tatsächlich verrichteten Arbeiten hat der Kläger gegenüber der AOK nichts angegeben.
Eine Aufnahme der Geschäftstätigkeit der AP und damit eine erst dann überhaupt mögliche Beschäftigungsaufnahme des Klägers
ist zu keiner Zeit erfolgt. Dies war allein davon abhängig gemacht worden, dass eine Finanzierung der AP erfolgreich ist.
Auf den Vorbehalt der Finanzierung hat sowohl K im Rahmen seiner schriftlichen Zeugeneinvernahme, wie auch der Kläger vor
dem SG verwiesen. Letzterer hat ausgeführt, er habe immer wieder nachgefragt und sei vertröstet worden. Ihm sei gesagt worden, er
solle sich gedulden und dass die Finanzierung noch nicht "durch" sei. Damit war ihm gegenüber klar und unmissverständlich
zum Ausdruck gebracht worden, dass eine Beschäftigungsaufnahme noch nicht erfolgen kann und ein Direktionsrecht nicht ausgeübt
wird. Insbesondere hat der Kläger auch selbst angegeben, er habe am 15.12.2008 noch keine konkreten Aufträge bekommen und
sei darauf hingewiesen worden, eine Arbeitsaufnahme könne mangels gesicherter Finanzierung noch nicht erfolgen. Für alle Beteiligten
war klar, dass ein Beginn der Unternehmung der AD bzw. AP nur dann erfolgen wird, wenn entsprechende Finanzmittel zur Verfügung
stehen. Danach hat sich der Kläger auch immer wieder bei K erkundigt. Er gibt selbst beim SG an, irgendwann den Glauben daran verloren zu haben. Mit der Klage beim Arbeitsgericht, die im Übrigen erst über drei Jahre
nach dem angeblichen Arbeitsbeginn erhoben worden ist, macht der damals rechtskundig vertretene Kläger Annahmeverzugslohn
geltend. Damit bringt er eindeutig und klar zum Ausdruck, seine Arbeitsleistung sei nicht in Anspruch genommen werden. Er
verweist zudem darauf, K habe die Verzögerungen wegen der Finanzierungsprobleme schriftlich bestätigt. Auch damit wird zum
Ausdruck gebracht, eine Beschäftigungsaufnahme konnte erst nach Sicherstellung der Finanzierung beginnen.
Später erklärte der Kläger, er habe alleine nach Grundstücken bzw. Gebäuden für die AP gesucht. Es ist aber keinesfalls ersichtlich,
dass er hierzu angewiesen worden ist. Soweit er nunmehr im Gerichtsverfahren angibt, er hätte einen Auftrag von K erhalten,
konnte sich der Senat von der Glaubhaftigkeit dieser Angabe nicht überzeugen. Der Kläger hat dies nicht zeitnah bei seiner
Befragung durch die AOK angegeben. Vielmehr hat er seinerzeit mitgeteilt, er habe über seine Arbeiten keinen Bericht anfertigen
müssen. K hat im Rahmen seiner schriftlichen Zeugenaussage ebenfalls erklärt, er habe dem Kläger weder Weisungen erteilt noch
ihn mit einer Grundstückssuche beauftragt. Vielmehr sei die Beschäftigungsaufnahme immer von einer erfolgreichen Finanzierung,
die niemals erfolgt sei, abhängig gemacht worden. So mag es sein, dass der Kläger tatsächlich nach geeigneten Gebäuden bzw.
Grundstücken gesucht hat, was aber mangels entsprechender Weisung nicht im Auftrag seines Arbeitgebers erfolgte. Hieran ändert
auch die Beschreibung seines Tätigkeitsbereiches nichts. Danach oblag ihm die Verantwortung für die Produktion beginnend ab
Planung der Produktionsgebäude. Er wäre für die Konfigurationsplanung für Produktionslinien, Versuche, Einrichtungsplanung
und Inbetriebnahme zuständig gewesen. Die Suche nach Grundstücken und Gebäuden wird davon aber nicht umfasst. So setzen die
Planung der Produktionsgebäude und eine Inbetriebnahme gerade voraus, dass bereits geeignete Grundstücke oder Gebäude bereits
vorhanden sind. Selbst wenn er aus Gesprächen mit K einen Auftrag zur Gebäudesuche entnommen haben sollte, so stand dieser
nach dem Angaben des K, denen der Kläger nicht widersprochen hat - er wisse es nicht mehr - unter dem Vorbehalt der Finanzierung.
Aus dem Anerkenntnis des K, dass Lohnforderungen bestünden oder auch aus den Versäumnisurteilen des Arbeitsgerichtes, bei
denen im Übrigen eine Prüfung der materiellen Begründetheit eines Lohnanspruchs nicht geprüft wurde, folgt nichts anderes.
Eine Beschäftigungsaufnahme ist tatsächlich nicht erfolgt. Es bestand auch zu keinem Zeitpunkt ein Weisungsverhältnis oder
Direktionsrecht des Arbeitgebers.
Die schriftlichen Angaben des K zur Frage einer fehlenden tatsächlichen Beschäftigungsaufnahme und zur nicht erfolgten Weisungserteilung
gegenüber dem Kläger sind dabei für den Senat glaubhaft. Der Kläger hat eine mündliche Zeugeneinvernahme nicht mehr begehrt.
Es ist schon nicht ersichtlich, welchen Grund K im Hinblick auf die bereits rechtskräftige Verurteilung zur Zahlung des Arbeitslohns
haben sollte, vorliegend unwahre Angaben zu machen. Ein persönliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits ist nicht erkennbar.
Sofern der Kläger darauf verweist, Angaben von K zum Vorliegen eines Arbeitsvertrages seien widersprüchlich gewesen, ist dies
für den Senat nicht durchgreifend, da es auf das Vorliegen des Arbeitsvertrages nicht ankommt. Letztlich decken sich die Angaben
des K bezüglich des Hinweises auf den Finanzierungsvorbehalt weitestgehend mit denen des Klägers. Auch die Angaben im Rahmen
des Feststellungsbogens vom 06.08.2009 sind damit in Einklang zu bringen. Von einer Weisung im Rahmen des Arbeits-/Beschäftigungsverhältnisses
in Bezug auf die Suche nach geeignetes Gebäuden o.ä. konnte sich der Senat nicht überzeugen. Insbesondere hat der Kläger hierzu
auch im Feststellungsbogen vom 06.08.2009 keine Angaben gemacht und dies erst im sozialgerichtlichen Verfahren zu einem wesentlich
späteren Zeitpunkt vorgebracht.
Mangels Erfüllung der Anwartschaftszeit hat die Beklagte damit den Antrag auf Zahlung von Alg zu Recht abgelehnt.
Im Hinblick auf das mit den Bescheiden vom 07.08.2009 vorläufig bewilligte Alg konnte die Beklagte auch die Erstattung verlangen.
Dass sie sich im Bescheid vom 06.09.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21.10.2011 zunächst auf eine Aufhebung
der Alg-Bewilligung nach § 45 SGB X gestützt hat, ist unerheblich. Im Zusammenhang mit dem Widerspruchsbescheid vom 02.11.2011 ist hinreichend deutlich, dass
es alleine um die Rückforderung der überzahlten Leistungen geht (vgl dazu auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 19.03.2014
- L 13 AS 325/11; Sächsisches LSG, Beschluss vom 17.10.2013 - L 3 AS 18/12 B PKH - beide zitiert nach [...]).
Nach §
328 Abs
3 Satz 2 1.HS
SGB III sind auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung
ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird. Mit Bescheid vom 06.09.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides
vom 21.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2011 hat die Beklagte einen Anspruch auf Alg abgelehnt. Damit
wurden sämtliche Leistungen in Bezug auf das Alg zu viel erbracht und sind vom Kläger in Höhe von 9.768 EUR zu erstatten.
Eine Prüfung von Vertrauensschutzgesichtspunkten hat im Rahmen von §
328 Abs
3 SGB III nicht zu erfolgen. Im Übrigen hat die Beklagte in den Bescheiden vom 07.08.2009 deutlich darauf hingewiesen, dass nach der
Klärung der Sach- und Rechtslage eine endgültige Entscheidung ergehe und eine Rückzahlungspflicht in Betracht kommen kann.
Da die Beklagte somit auch zu Recht die Erstattung des gezahlten Alg verlangt hat, war auf die Berufung der Beklagten das
Urteil des SG vom 08.10.2013 aufzuheben und die Klage gegen die Bescheide vom 06.09.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21.10.2011
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2011 abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.