Höhe des Elterngeldes nach dem BEEG
Verlagerung des Bemessungszeitraums wegen einer Schwangerschaft
Doppelte Kausalitätsprüfung
Krankheitszeiten nach der Beendigung der Schwangerschaft
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Elterngeldes nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), insbesondere, ob der Bemessungszeitraum wegen einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung der Klägerin zu verlagern ist.
Die Klägerin ist Mutter des am 4.4.2013 geborenen Kindes L. sowie des am 18.9.2009 geborenen Sohnes M. M ...
Am 11.06.2013 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Elterngeld für L. Zu den Einkünften im Bemessungszeitraum gab sie
an, im Zeitraum vom 01.06.2011 bis 24.03.2013 nichtselbstständig erwerbstätig gewesen zu sein, unterbrochen durch eine schwangerschaftsbedingte
Erkrankung im Zeitraum vom 22.02.2012 bis zum 03.09.2012, in dem sie Krankengeld bezogen habe. Im Zeitraum vom 04.09.2012
bis 30.11.2012 habe sie Übergangsgeld von der Deutschen Rentenversicherung Bund bezogen. Dem Antrag fügte sie ein ärztliches
Attest der Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. F. vom 03.06.2013 bei. Dr. F. führte aus, dass die
Klägerin sich seit dem 08.12.2011 bei ihr in psychosomatisch-verhaltenstherapeutischer Behandlung befinde. Zuvor habe die
Klägerin einen Abort erlitten. Nachdem bei der Klägerin bereits 2010 erstmalig eine Schwangerschaft abgegangen war, sei es
nach dieser massiven Enttäuschung zu einer psychischen Dekompensation gekommen, zumal der Tod des Embryos erst nach vier Wochen
festgestellt worden sei. Diagnostisch handele es sich um eine (reaktive) mittelgradige depressive Episode (F 32.1). Bei der
leistungsorientierten und erfolgsverwöhnten Patientin sei eine längere Herausnahme aus dem beruflichen Umfeld sowie eine intensive
psychotherapeutische und psychosomatische Behandlung sowohl ambulant wie auch stationär erforderlich gewesen, um eine Remission
und eine Normalisierung der extremen vegetativen Anspannung zu erzielen. Erst ab dem 22.10.2012 habe mit einer Wiedereingliederung
am Arbeitsplatz begonnen werden können. Vom 1.12.2012 bis 23.3.2013 erhielt die Klägerin Arbeitsentgelt, ab dem 24.3.13 bis
28.7.13 Mutterschaftsgeld iHv 13 EUR täglich sowie einen Arbeitgeberzuschuss iHv 46,94 EUR täglich. Mit Bescheid vom 09.07.2013
bewilligte der Beklagte der Klägerin für antragsgemäß Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat (= Zeitraum 04.04.2013
bis 03.04.2014), wobei sich unter Anrechnung des bezogenen Mutterschaftsgeldes bzw. des Arbeitsgeberzuschusses zum Mutterschaftsgeld
im ersten bis dritten Lebensmonat kein, im vierten Lebensmonat ein anteiliger Anspruch in Höhe von 106,02 EUR sowie ab dem
fünften Lebensmonat Elterngeld in Höhe von 547,74 EUR monatlich ergab. Dabei legte der Beklagte als Bemessungszeitraum den
Zeitraum April 2012 bis März 2013 zugrunde. Der Monat März 2013 sei wegen des Bezuges von Mutterschaftsgeld an sich aus der
Bemessung auszunehmen, da die Klägerin jedoch in den Vormonaten zum Teil kein Einkommen gehabt habe, werde davon ausgegangen,
dass sie auf die Ausklammerung verzichte, so dass sich ein höheres Elterngeld errechne. Eine Vorverlagerung wegen einer schwangerschaftsbedingten
Erkrankung könne nicht erfolgen. Bei einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung handele es sich um eine Erkrankung, die auf
eine bestehende oder vorangegangene Schwangerschaft zurückzuführen sei. Kausal für die Erkrankung der Klägerin und somit den
Bezug von Kranken- und Übergangsgeld sei nicht die Schwangerschaft mit bzw. die vorangegangene Schwangerschaft, sondern die
Ende 2011 erlittene Fehlgeburt. Das Bayerische Landessozialgericht habe mit Urteil vom 6.2.2013, L 12 EG 1/12, entschieden, dass Zeiten mit Einkommensverlust im Bemessungszeitraum, die als Folge einer zuvor bestehenden, aber durch
eine Fehlgeburt beendeten Schwangerschaft lägen, keine Ausklammerung bedingen würden. Im hiergegen eingelegten Widerspruch
verwies die Klägerin auf die ärztlich attestierte schwangerschaftsbedingte Erkrankung. Der Gesetzgeber habe durch die Ausklammerung
der Monate mit schwangerschaftsbedingter Erkrankung Betroffene vor Nachteilen bewahren wollen. Ihre ohnehin schwierige schwangerschaftsbedingte
Krankheitszeit nach den zwei Fehlgeburten Mitte 2010 und Ende 2011, infolge derer sie von Januar 2012 bis November 2012 arbeitsunfähig
gewesen sei, sei bereits eine erhebliche finanzielle Belastung gewesen.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2013 unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 6.2.2013
zurück. Im Zeitraum Februar 2012 bis November 2012 sei die Klägerin zwar arbeitsunfähig krank gewesen. Eine maßgeblich auf
eine Schwangerschaft zurückzuführende Erkrankung habe jedoch nicht vorgelegen. Kausal für die Erkrankung und somit für den
Bezug von Kranken- und Übergangsgeld sei nicht die Schwangerschaft mit ihrem Sohn bzw. die vorangegangene Schwangerschaft
gewesen, sondern die Ende 2011 erlittene Fehlgeburt.
Mit ihrer am 15.10.2013 beim Sozialgericht München eingegangenen Klage begehrt die Klägerin weiterhin die Berechnung ihres
Elterngeldanspruches unter Ausklammerung des Zeitraums von Januar 2012 bis November 2012 als Bemessungsmonate. § 2a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BEEG in der neuen Fassung ersetze § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG a. F.; dort sei geregelt worden, welches Einkommen angerechnet werde. Bezugnehmend auf den Streitfall habe es damals geheißen:
" ... oder in denen während der Schwangerschaft wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung
...". Heute heiße es: " ... eine Krankheit hatte, die maßgeblich durch eine Schwangerschaft bedingt war". Der Anwendungsbereich
sei damit wesentlich weiter gefasst als vor der Gesetzesänderung. Es sei nicht einmal erforderlich, dass die Erkrankung, "während
der Schwangerschaft" vorgelegen haben müsse, sondern die Erkrankung müsse nur durch "eine" Schwangerschaft (nicht die Schwangerschaft,
welche zur Geburt des Kindes führe, für welches Elterngeld beantragt werde) bedingt gewesen sein. Ihre Erkrankung sei durch
eine Schwangerschaft bedingt gewesen. Wäre sie nicht schwanger gewesen, hätte sie keine Fehlgeburt erlitten und wäre in der
Folge nicht erkrankt. Ihre psychische Erkrankung basiere auf der Umstellung der Hormone während der Schwangerschaft im Körper,
da sowohl eine Fehlgeburt als auch eine Lebendgeburt den Hormonhaushalt im Körper beeinflussten. Ihre Erkrankung habe nicht
darauf basiert, dass sie getrauert hätte, denn Trauer sei keine Depression. Die Erkrankung sei vielmehr hormonell und damit
schwangerschaftsbedingt. Der Beklagte verweist darauf, dass der Gesetzgeber auch nach der Novellierung des BEEG für Geburten ab dem 01.01.2013 daran festgehalten habe, nur eng begrenzte Sachverhalte bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums
unberücksichtigt zu lassen. Aus Verwaltungsvereinfachungsgründen seien die Voraussetzungen des § 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BEEG nunmehr auch dann erfüllt, wenn die Krankheit durch die vorangegangene Schwangerschaft maßgeblich bedingt gewesen sei. Allerdings
sei im Fall der Klägerin die Krankheit eine Folge einer Fehlgeburt und nicht schwangerschaftsbedingt.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. Juni 2014 abgewiesen. Der Beklagte habe der Berechnung des Elterngeldanspruchs
der Klägerin zu Recht das im Zeitraum April 2012 bis März 2013 erzielte Einkommen zu Grunde gelegt. Zutreffend hätten beide
Beteiligte vorgetragen, dass die Neufassung des nun maßgeblichen § 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BEEG weiter gefasst sei und nun auch eine schwangerschaftsbedingte Erkrankung mit einbeziehe, die auf einer Vorschwangerschaft
beruhe. Diese Erweiterung des Vorverlagerungstatbestandes bedeute jedoch zur Überzeugung des Gerichts nicht, dass damit auch
Erkrankungen erfasst würden, die durch eine Fehlgeburt verursacht seien, auch wenn eine Fehlgeburt logischerweise eine vorangegangene
Schwangerschaft voraussetze. Auch eine durch eine - vorausgegangene - (Lebend-)Geburt (z. B. Wochenbettdepression, Geburtskomplikationen,
Tod des Kindes nach Geburt) bedingte Erkrankung, die ebenfalls eine vorausgehende Schwangerschaft voraussetze, wäre zur Überzeugung
des Gerichts nicht umfasst. Der natürliche Sprachgebrauch stehe einer solchen Auslegung entgegen. Die Krankheit sei in diesen
Fällen nicht maßgeblich "durch eine Schwangerschaft", sondern durch ein weiteres Ereignis, nämlich die Fehl-/Totgeburt oder
die Geburt (mit nachfolgendem Krankheitsgeschehen) bedingt. Auch der Gesetzeszweck, bei einer kurzen Geburtenfolge eine Verwaltungsvereinfachung
zu erreichen, da dieselben Monate auszuklammern wären wie bei der Elterngeldberechnung für ein älteres Geschwisterkind, würde
in diesen Fällen nicht erreicht, da es bei einer Fehl- oder Totgeburt leider ohnehin nicht zu einem Elterngeldanspruch für
ein älteres Geschwisterkind komme. Im Fall, dass das Vorkind nach Geburt versterbe (in diesen Fällen bestehe ein Elterngeldanspruch
dem Grunde nach bis zum Sterbemonat), wäre die Ausklammerung von Monaten, in denen eine schwangerschaftsbedingte Erkrankung
beim Vorkind bestanden habe, bei kurzer Geburtenfolge nach der Neufassung von § 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BEEG unproblematisch auch beim Folgekind möglich und würde genau der gesetzgeberischen Zielsetzung entsprechen; auch in diesen
Fällen würden jedoch die Monate einer eventuellen Erkrankung nach der Geburt des Kindes nicht ausgeklammert, auch wenn diese
in Zusammenhang mit der Geburt des Kindes stünde. Der Hinweis in den Gesetzesmaterialien, dass die Änderungen "im Übrigen"
einer redaktionellen Anpassung und sprachlichen Vereinfachung dienen sollen, lasse nach Auffassung des Gerichts ebenfalls
darauf schließen, dass außer der explizit als gewollt genannten Erweiterung des Vorverlagerungstatbestands auf "schwangerschaftsbedingte
Erkrankungen bei Vorkindern" eine darüber hinausgehende Erweiterung auf Erkrankungen außerhalb von Schwangerschaften (bisher
durch die Formulierung "während der Schwangerschaft" ausgeschlossen) nicht beabsichtigt gewesen sei. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens
sei nicht erforderlich, da es bei der Klägerin ausweislich des Attestes der Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie
vom 3.6.2013 wegen einer massiven Enttäuschung nach der zweiten Fehlgeburt Ende 2011 zu einer psychischen Dekompensation (reaktive
mittelgradige depressive Episode) gekommen sei. Ursächlich für die Erkrankung der Klägerin sei mithin nicht etwa eine hormonelle
Umstellung nach der beendeten Schwangerschaft, sondern - was natürlich und vollkommen verständlich sei - die Fehlgeburt und
die damit verbundenen Trauer über den Verlust des Kindes. Selbst wenn die hormonellen Veränderungen nach der Fehlgeburt mitursächlich
für die reaktive Depression bei der Klägerin gewesen wäre, wäre zur Überzeugung des Gerichts nach der Theorie der rechtlich
wesentlichen Bedingung die Fehlgeburt und nicht die hormonelle Umstellung von überragender Bedeutung für die Erkrankung der
Klägerin. Angesichts der klaren Ausführungen der Ärztin zum Zusammenhang der reaktiven Depression und der Fehlgeburt mit besonders
belastenden Umständen vermöge das Gericht einer eventuellen hormonellen Umstellung nach der Fehlgeburt keine rechtlich wesentliche
Bedeutung zuzumessen.
Mit ihrer Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht vom 24.7.2014 verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Vorverlagerung
des Bemessungszeitraums weiter. Zusätzlich wird vorgetragen, die Depression sei maßgeblich schwangerschaftsbedingt, denn die
Schwangerschaft könne nicht hinweggedacht werden, ohne dass die Erkrankung eintrete. Wenn die Klägerin nicht schwanger gewesen
wäre, hätte sie keine Fehlgeburt erlitten, welche zu der psychischen Erkrankung geführt habe. Auslöser sei die Hormonumstellung
gewesen. Die Auslegung des SG widerspreche dem Gesetzeszweck. Vom Gesetzgeber sei nicht gewollt, dass jemand, der zwar schwanger sei, das Kind jedoch nicht
lebend gebäre (und dadurch erkranke), schlechter gestellt werde als jemand, der das Kind lebend auf die Welt bringe und schwangerschaftsbedingt
erkranke. Das Attest der Ärztin sei nicht geeignet zu belegen, dass die Erkrankung nicht infolge der Hormonumstellung eingetreten
sei, diesbezüglich hätte das Gericht weitere Ermittlungen anstellen müssen. Die Formulierung im Attest " ... kam es nach dieser
massiven Enttäuschung zu einer psychischen Dekompensation" lasse nicht zwingend darauf schließen, dass eine massive Enttäuschung
Ursache der Erkrankung gewesen sei. Es müsse auch davon ausgegangen werden, dass die behandelnde Ärztin eine Fehlgeburt regelmäßig
als massive Enttäuschung betrachte und deshalb diese Formulierung gewählt habe.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin stellt den Antrag,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 23.06.2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Abänderung
des Bescheides des Beklagten vom 09.07.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2013, der Klägerin für ihren am
04.04.2013 geborenen Sohn L. höheres Elterngeld unter Zugrundelegung eines Bemessungszeitraums von Mai 2011 bis Januar 2012
sowie Dezember 2012 bis Februar 2013 zu gewähren.
Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Die Verschiebetatbestände aufgrund einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung seien eng auszulegen, eine
Verschiebung des Bemessungszeitraums daher hier nicht möglich.
Der Rechtsstreit wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.5.2015 zur weiteren Sachaufklärung vertagt. Die
Klägerin teilte daraufhin mit, dass Arbeitsunfähigkeit erstmals am 11.1.2012 attestiert worden sei. Übergangsgeld habe sie
bis einschließlich November 2012 erhalten.
Zur Ergänzung des Tatbestandes sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtakten beider Instanzen und
die beigezogenen Beklagtenakten Bezug genommen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.
Entscheidungsgründe
Die Grundvoraussetzungen des § 1 BEEG für den Anspruch auf Elterngeld sind unstreitig erfüllt. Nach § 1 Abs. 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr. 1), mit seinem
Kind in einem Haushalt lebt (Nr. 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr. 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit
ausübt (Nr. 4). Dies ist hier der Fall. Im Bezugszeitraum (1. bis 12. Lebensmonat = Zeitraum 4.4.2013 bis 3.4.2014) hatte
die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, lebte mit ihrem am 4.4.2013 geborenen Kind L. in einem Haushalt,
betreute ihr Kind selbst und übte auch keine (elterngeldschädliche) Erwerbstätigkeit aus. Die Klägerin hat damit Anspruch
auf Elterngeld für 12 Lebensmonate ihres Kindes (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 1 und 2 BEEG).
Streitig ist allein die Frage, ob eine Depression, die durch eine Fehlgeburt ausgelöst wurde, als schwangerschaftsbedingte
Erkrankung zu werten ist und damit zu einer Verschiebung des Bemessungszeitraumes führen kann. Dies hat der Senat bejaht.
Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach dem BEEG in der Fassung vom 10.09.2012 (Gesetz zur Vereinfachung des Elterngeldvollzuges, BGBl I, S. 1878 ff.). Die Änderungen durch
Gesetz vom 23.10.2012 (Pflegeneuausrichtungsgesetz) betreffen nur § 2b Abs. 1 Nr. 2 BEEG und sind hier nicht maßgeblich. Mit der Gesetzesänderung, die für Geburten ab dem 1.1.2013 und damit auch hier gilt (§ 27 Abs. 1 BEEG), hat der Gesetzgeber in § 2b Abs. 1 Satz 2 BEEG eine Änderung gegenüber der früheren Bestimmung des § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG eingeführt. Nach der (alten) Bestimmung des § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG, zu der die vom Beklagten zitierten Urteile des Senats vom 6.2.2013 (L 12 KA 1/12) und 19.6.2013 (L 12 KA 86/11) ergangen sind, blieben im Bemessungszeitraum Kalendermonate unberücksichtigt, in denen während der Schwangerschaft wegen
einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung Einkommen aus Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise weggefallen
ist. Dem gegenüber bleiben nach der (neuen) Bestimmung des § 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BEEG auch solche Kalendermonate unberücksichtigt, in denen die berechtigte Person "eine Krankheit hatte, die maßgeblich durch
eine Schwangerschaft bedingt war". Zur Begründung hat der Gesetzgeber ausgeführt (BT-Drucksache 17/9841 vom 29.5.2012, Seite
20): "Abweichend vom Regelungsgehalt des bisherigen § 2 Abs. 7 Satz 6 Teilsatz 2 sind die Voraussetzungen des Abs. 1 Satz
2 Nr. 3 auch dann erfüllt, wenn die Krankheit durch die vorangegangene Schwangerschaft maßgeblich bedingt war. Dies dient
auch der Verwaltungsvereinfachung, da in Fällen kurzer Geburtenfolge bei der Elterngeldberechnung dieselben Monate ausgeklammert
sind, die bereits bei der Elterngeldberechnung für ein älteres Geschwisterkind ausgeklammert wurden und daher in der Regel
dasselbe Bemessungseinkommen zu Grunde gelegt werden kann. Im Übrigen dienen die Änderungen der redaktionellen Anpassung und
sprachlichen Vereinfachung." Die ursprüngliche Formulierung im Gesetzentwurf (BT-Drucksache 17/1221) lautete: "in denen während
einer Schwangerschaft wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung Einkommen aus Erwerbstätigkeit
ganz oder teilweise weggefallen ist". Nach der Begründung (BT-Drucksache 17/1221, Seite 9) diente diese Änderung der Klarstellung,
dass auch Kalendermonate mit schwangerschaftsbedingten Erkrankungen bei vorangegangenen Schwangerschaften, soweit diese in
den Bemessungszeitraum fallen, unberücksichtigt bleiben.
Wesentliche Neuerung des § 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BEEG ist zunächst, dass die Vorschrift nicht mehr nur die Schwangerschaft mit dem Kind behandelt, für das Anspruch auf Elterngeld
besteht, sondern eine Schwangerschaft und damit auch vorangegangene, sofern sie in den Bemessungszeitraum fallen. Diese Neuerung
ist unstreitig und ergibt sich eindeutig aus der Gesetzesbegründung. Die Ausführungen in den Entscheidungen des Senats L 12 KA 86/11 und L 12 KA 1/12, die schwangerschaftsbedingte Erkrankung müsse sich auf die Schwangerschaft beziehen, aus der das Kind hervorgeht, für das
Elterngeld begehrt wird, sind daher auf die neue Rechtslage für Geburten ab 1.1.2013 nicht mehr anwendbar.
Weniger eindeutig ist die zweite Neuerung. Nach dem Wortlaut des § 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BEEG verschiebt sich der Bemessungszeitraum dann, wenn die berechtigte Person "eine Krankheit hat, die maßgeblich durch eine Schwangerschaft
bedingt war". Dies legt nahe, dass nunmehr alle schwangerschaftsbedingten Krankheitszeiten zu berücksichtigen sind, nicht
länger nur solche "während" der Schwangerschaft. Hierfür spricht, dass der Gesetzgeber noch die im ersten Entwurf enthaltene
Einschränkung "während der Schwangerschaft" in den endgültigen Gesetzestext nicht aufgenommen hat. Zudem sind durchaus schwangerschaftsbedingte
Krankheiten denkbar, die über das Ende der Schwangerschaft hinaus zu Lohneinbußen führen und demnach vom Gesetzeszweck her
mitumfasst sind. Denn schon nach der ursprünglichen Begründung (BT-Drs. 16/1889, Seite 20) sollte den Berechtigten das besondere
gesundheitliche Risiko Schwangerer bei der Berechnung des ihnen zustehenden Elterngeldes nicht zum Nachteil gereichen. Mit
der Regelung sollten Schwangere, die während der Schwangerschaft erkranken und keine Fortzahlung ihres Arbeitsentgelts oder
ihrer Dienstbezüge erhalten, soweit wie möglich mit den Schwangeren gleichgestellt werden, die nicht erkranken oder während
einer Erkrankung ihr Arbeitsentgelt oder ihre Dienstbezüge weiter erhalten. Daher sind nach Auffassung des Senats nunmehr
auch solche Krankheitszeiten zu berücksichtigen, die durch eine Schwangerschaft bedingt sind, aber nicht notwendigerweise
mit den Zeiten der Schwangerschaft identisch sind, sondern auch zeitlich nach Beendigung der Schwangerschaft liegen können.
Diese Auffassung vertritt auch das SG Bayreuth in seiner Entscheidung vom 22. Juli 2014, S 17 EG 3/14. In der Literatur schließt sich Dau in einer Anmerkung vom 30.10.2014 zum Urteil des SG Bayreuth (Dau, jurisPR-SozR 22/2014
Anm. 4) grundsätzlich der Auffassung des SG an, dass die zeitliche Lage einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung eine Ausklammerung nicht hindert. Auch nach den Richtlinien
des BMFSF für Geburten ab 1.1.2013 sind Kalendermonate auszuklammern, für die der Arzt eine Erkrankung attestiert, die auf
eine Schwangerschaft zurückzuführen ist, auch wenn es sich um eine "Folgeerkrankung" handelt, die eben nicht im Zusammenhang
mit der "aktuellen" Schwangerschaft steht (Richtlinien des BMFSF für Geburten ab 1.1.2013, 2b.1.2.1.3). Dies kann aber nicht
zu dem Ergebnis führen, dass § 2b Abs. 1 Nr. 3 BEEG jegliche krankheitsverursachende Schwangerschaft genügen lässt, einen Verschiebetatbestand auszulösen. Hiergegen spricht
schon die Gesetzesbegründung der vom Gesetzentwurf abweichenden Ausschussfassung (BT-Drs. 17/9841, S. 20), wonach die Neuregelung
im Wesentlichen kurz aufeinander folgende Geburten im Blick hat. Danach dient die Berücksichtigung einer vorangegangenen Schwangerschaft
auch der Verwaltungsvereinfachung, da in Fällen kurzer Geburtenfolge bei der Elterngeldberechnung dieselben Monate auszuklammern
sind, die bereits für die Elterngeldberechnung für ein älteres Geschwisterkind ausgeklammert wurden und daher in der Regel
dasselbe Bemessungseinkommen zugrunde gelegt werden kann. Bei einer durch Fehlgeburt endenden (Vor)schwangerschaft entsteht
naturgemäß kein Anspruch auf Elterngeld, so dass das Argument der Verwaltungsvereinfachung in diesem Fall nicht greift (so
auch Dau, aaO). Andererseits ist die Vorschrift des § 2b Abs. 1 Nr. 3 BEEG insbesondere vor dem maßgeblichen gesetzgeberischen Grundmotiv zu betrachten, wonach das besondere gesundheitliche Risiko
Schwangerer ihnen bei der Berechnung des Elterngeldes nicht zum Nachteil gereichen soll (BT-Drs. 16/1889, S. 20). Auch ist
die Fehlgeburt Teil der Schwangerschaft, denn die Schwangerschaft endet mit Entbindung, Fehlgeburt oder Schwangerschaftsabbruch
(Pepping in Rancke, Komm. zum
Mutterschutzgesetz -
MuSchG -, RdNr. 6 zu §
3). Als Entbindung im Sinne des
Mutterschutzgesetzes ist jede Lebendgeburt von der Trennung der Leibesfrucht vom Mutterleib anzusehen (Pepping in Rancke, Kommentar zum
MuSchG, RdNr. 7 zu §
6). Ebenfalls eine Entbindung im rechtlichen Sinne ist eine Totgeburt, daher besteht auch nach einer Totgeburt der Anspruch
auf die 8-wöchige Schutzfrist nach der Entbindung nach §
6 Abs.
1 MuSchG. Eine Fehlgeburt unterscheidet sich von einer Totgeburt dadurch, dass - neben dem Fehlen von Lebensmerkmalen - bei einer
Fehlgeburt das Gewicht des Kindes weniger als 500 g beträgt. Eine Fehlgeburt löst keine mutterschutzrechtlichen Folgen aus,
insbesondere keine Schutzfrist nach der Entbindung.
Dies führt nach Auffassung des Senats dazu, dass nach der neuen Rechtslage im Sinne einer doppelten Kausalität zu prüfen ist,
ob die Elterngeldberechtigte unter einer Erkrankung leidet, die durch eine Schwangerschaft bedingt sei und ob sie dadurch
ein geringeres Einkommen aus Erwerbstätigkeit habe (so auch SG Bayreuth, Urteil vom 22. Juli 2014, S 17 EG 3/14). Vorliegend sind diese beiden Voraussetzungen zu bejahen. Zum einen ist die Schwangerschaft kausal für die psychische Erkrankung
der Klägerin, zum anderen sind der Klägerin hierdurch Einkommensverluste entstanden. Die Kausalitätsprüfung hat auch im Sozialrecht
in zwei Schritten zu erfolgen. In einem ersten Schritt muss gefragt werden, ob ein naturwissenschaftlicher Kausalzusammenhang
im Sinne einer conditio sine qua non zwischen der angenommenen Ursache und der angenommenen Wirkung besteht Dies liegt hier
zur Überzeugung des Senats vor. Die Schwangerschaft der Klägerin kann nicht weggedacht werden, ohne dass der Abort wegfällt,
der Abort kann nicht weggedacht werden, ohne dass die Erkrankung der Klägerin wegfällt. In einem zweiten Schritt ist eine
wertende Korrektur des hierdurch gefundenen, allgemein als "uferlos" bezeichneten Kausalitätsbegriffs vorzunehmen. Im Sozialrecht
wurde von der Rechtsprechung hierzu die Theorie der wesentlichen Bedingung entwickelt (vgl. BSGE 1, 72, 76; BSGE 6, 164, 169; BSGE 12, 242, 245 f.). Als Ursachen und Mitursachen sind danach unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nur jene Bedingungen anzusehen,
die wegen ihrer besonderen Bedeutung für den Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Auszuschließen sind danach
Tatbestände, die nicht auf der Schwangerschaft einschließlich Geburt bzw. Fehlgeburt, sondern aufgrund sich danach entwickelnden
Ursachen und Mitursachen bestehen, etwa einer Erkrankung des Kindes. Bei der Beurteilung dieser Frage ist im Einzelfall auf
die Auffassung des praktischen Lebens abzustellen. Vorliegend basiert die psychische Dekompensation der Klägerin - belegt
durch die ärztliche Bescheinigung von Frau Dr. F. - auf der Fehlgeburt und damit unmittelbar auf der Schwangerschaft.
Um dem gesetzgeberischen Willen, nach dem mit der Vorverlagerung des Bemessungszeitraums das besondere gesundheitliche Risiko
Schwangerer nicht den Schwangeren bei der Berechnung des ihnen zustehenden Elterngeldes zum Nachteil gereichen soll, Genüge
zu tun, und andererseits eine zu ausufernde Kausalkette zu verhindern, begrenzt der Senat den Zeitraum, aus dem sich eine
schwangerschaftsbedingte Erkrankung entwickeln kann, auf die Schwangerschaft selbst einschließlich des Endes der Schwangerschaft
mit Geburt bzw. Fehlgeburt. Soweit die sich hieraus entwickelten Erkrankungen auch auf die Zeit nach der Schwangerschaft Auswirkungen
haben, sind auch diese Monate aus dem Bemessungszeitraum auszuklammern. Soweit aber die Erkrankung auf Sachverhalte zurückzuführen
sind, die nach der Geburt/Fehlgeburt liegen, ist nach Auffassung des Senats nach der Theorie der wesentlichen Bedingung eine
Kausalität zur Schwangerschaft zu verneinen. Diese Auslegung vermeidet insbesondere im Zusammenhang mit Fehlgeburten, die
sich bereits während der Schwangerschaft abgezeichnet haben, durch ärztliches Attest zu klären, ob eine eventuelle Depression
auf die Fehlgeburt selbst oder auf die Befürchtung, eine sich später realisierende Fehlgeburt zu erleiden, zurückzuführen
ist. Die Auslegung ist auch mit der Gesetzesbegründung einer Verwaltungsvereinfachung bei kurzer Geburtenfolge vereinbar.
Denn das Gesetz stellt nicht darauf ab, ob für das Kind aufgrund der Vorschwangerschaft tatsächlich Elterngeld bezogen wurde.
Daher kann auch eine Schwangerschaft miteinbezogen werden, die mit einer Fehlgeburt endete. Ob eine schwangerschaftsbedingte
Erkrankung vorliegt, war und ist - wie im vorliegenden Fall - durch ärztliches Attest nachzuweisen. Bei der Bestimmung des
Bemessungszeitraumes bleiben daher entsprechend § 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BEEG die Kalendermonate Februar 2012 bis November 2012, in denen der Klägerin eine schwangerschaftsbedingte Erkrankung attestiert
wurde, außer Betracht.
Bei der Neuberechnung des Elterngeldanpruchs sind daher nach § 2b Abs. 1 als Bemessungszeitraum die Kalendermonate Mai 2011
bis Januar 2012 sowie Dezember 2012 bis Februar 2013 zugrunde zulegen.
Der Gerichtsbescheid des SG München war daher aufzuheben und wie tenoriert zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG).