LSG Bayern, Urteil vom 07.12.2016 - 12 EG 70/15
Elterngeld
Beteiligungseinkünfte
Auf den Bezugszeitraum anteilig umgerechnete Einkommen
Einnahme-Überschussrechnung
1. Nach § 2d BEEG ist hinsichtlich der Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit zunächst festzustellen, dass diese sowohl
für den Bemessungszeitraum (§ 2b BEEG) als auch für den Bezugszeitraum (§ 2 Abs. 3 BEEG) gilt.
2. Bei den insoweit heranzuziehenden Einkommensnachweisen wird aber eine klare Unterscheidung dahingehend getroffen, dass
für die Gewinneinkünfte im Bemessungszeitraum die im Einkommenssteuerbescheid ausgewiesenen Gewinne maßgeblich sind (§ 2d Abs. 2 BEEG), während für die Gewinneinkünfte im Bezugszeitraum die in einer Gewinnermittlung, die mindestens den Anforderungen des §
4 Abs. 3 EStG entspricht, enthaltenen Gewinne maßgebend sind.
3. Der Grund für diese besonderen Vorgaben für die Ermittlung der Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit liegt nach
Auffassung des Gesetzgebers darin, dass der Steuerbescheid im Bezugszeitraum nicht als maßgeblicher Nachweis herangezogen
werden kann, da das auf den Bezugszeitraum anteilig umgerechnete Einkommen, das die elterngeldberechtigte Person im jeweiligen
Veranlagezeitraum hat, keine zuverlässigen Rückschlüsse auf das Einkommen im Bezugszeitraum erlaubt.
4. Angesichts des klaren, einer abweichenden Auslegung nicht zugänglichen Wortlauts des § 2d Abs. 3 BEEG und des ebenso eindeutigen dahinter stehenden Willens des Gesetzgebers ist für die Ermittlung der in den Bezugsmonaten zu
berücksichtigenden Gewinneinkünfte auf eine mindestens den Anforderungen des § 4 Abs. 3 EStG genügende Berechnung des Überschusses der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (sog. Überschussrechnung) zurückzugreifen,
ein Rückgriff auf den Steuerbescheid ist ausgeschlossen.
Normenkette: BEEG § 1 Abs. 1 ,
BEEG §§ 2 ff.
,
BEEG § 2 Abs. 3 ,
BEEG § 2d Abs. 3 ,
Vorinstanzen: SG Augsburg 18.11.2015 S 5 EG 10/15
Tenor I.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18. November 2015 wird zurückgewiesen.
II.
Der Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III.
Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Anspruchs der Klägerin auf Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) streitig. Die Klägerin hat mit Formularantrag vom 09.01.2015 die Gewährung von Elterngeld für ihre am 06.11.2014 geborene
Tochter beantragt. Sie gab an, im Bezugszeitraum keine Erwerbstätigkeit auszuüben. Sie führe mit ihrem Bruder M. A. eine Steuerkanzlei
als Sozietät in der Rechtsform einer GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts). Dem Schreiben liegen der Sozietätsvertrag vom
31.12.2004 sowie die Nachträge zum Sozietätsvertrag vom 31.12.2007 und 05.05.2014 bei. Im ursprünglichen Sozietätsvertrag
war unter § 14 Elternzeit, Mutterschutz geregelt, dass ein Sozius, der wegen Inanspruchnahme der Elternzeit nicht beruflich
tätig sei, für die Dauer von sechs Monaten vom Beginn der Elternzeit an sein volles Gewinn- und Entnahmerecht behalte, dies
gelte auch für den gesetzlichen Mutterschutz. Sofern nach Ablauf von sechs Monaten seit Beginn der Elternzeit die berufliche
Tätigkeit nicht mehr aufgenommen werde, bestehe ab diesem Zeitpunkt kein Gewinnanspruch mehr. Sofern die Tätigkeit eingeschränkt
wieder aufgenommen werde, werde der Anteil der Arbeitszeit im Vergleich zum Sozius als Gewinnverteilungsmaßstab herangezogen.
Im zweiten Nachtrag vom 05.05.2014 zum Sozietätsvertrag vom 31.12.2004 wurde § 14 Elternzeit, Mutterschutz in den Sätzen 2
bis 4 wie folgt geändert: Ist ein Sozius wegen der Inanspruchnahme der Elternzeit nicht beruflich tätig, so hat er für diesen
Zeitraum 0 % Anteil am Gewinn des § 12. Dies gilt auch für den gesetzlichen Mutterschutz. Für den bevorstehenden Mutterschutz
bzw. die Elternzeit von Frau A. bedeutet dies, dass vom 25.09.2014 (Beginn Mutterschutzfrist) bis 06.06.2015 (geplantes Ende
der Elternzeit) kein Anteil am Gewinn der Sozietät besteht.
Der Beklagte hat mit vorläufigem Bescheid vom 21.01.2015 der Klägerin Elterngeld für den Zeitraum vom 06.11.2014 bis 05.06.2015
in Höhe von 0,00 Euro für den 1. Lebensmonat, in Höhe von 48,40 Euro für den 2. Lebensmonat sowie 375,00 Euro für den 3. bis
7. Lebensmonat des Kindes bewilligt. Der Klägerin stehe grundsätzlich ein monatliches Elterngeld in Höhe von 1.800,00 Euro
zu, zuzüglich des Geschwisterbonus in Höhe von 180,00 Euro. Der Elterngeldanspruch der Klägerin sei zu kürzen, weil ihr ein
fiktiver Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 6.000,00 Euro im Bezugszeitraum zustehe. Die tatsächlichen Einkünfte im Bezugszeitraum
seien bei Beteiligungseinkünften nicht maßgebend. Nach entsprechender Anrechnung stehe der Klägerin nurmehr der Mindestbetrag
in Höhe von 375,00 Euro einschließlich des Geschwisterbonus zu, vom 06.11.2014 bis 01.01.2015 sei zudem das gewährte Mutterschaftsgeld
in Höhe von kalendertäglich 94,50 Euro anzurechnen. Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Klägerin vom 12.02.2015. Sie
sei nicht erwerbstätig und habe in dieser Zeit keinerlei Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Gemäß § 2d Abs. 3 BEEG gelte als Grundlage für die Ermittlung des Einkommens im Bezugszeitraum eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG. Sie sei in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts tätig und habe vertragsgemäß im Bezugszeitraum keinerlei Einnahmen aus
selbstständiger Arbeit. Es gebe für das Jahr 2014 zwei Gewinnermittlungen: eine vom 01.01.2014 bis 24.09.2014, an deren Ergebnis
sie zu 50 % beteiligt sei. Und eine zweite vom 25.09.2014 mit Beginn der Mutterschutzfrist bis 31.12.2014, an der sie zu 0
% beteiligt sei. Gleiches gelte für 2015: Am Gewinn der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG vom 01.01. bis 05.06.2015 (geplantes Ende der Elternzeit) sei sie zu 0 % beteiligt. Am Gewinn der Gewinnermittlung vom 06.06.
bis 31.12.2015 dann wieder zu 50 %. Somit lägen im Bezugszeitraum keinerlei Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG vor. Gemäß Punkt 2.1.3.1.4 der Richtlinien zum BEEG richte sich die zeitliche Zuordnung der Einkünfte für das BEEG nach dem EStG. Somit lägen für die Lebensmonate 1 bis 7 weder Einnahmen noch Ausgaben vor.
Der Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2015 den Widerspruch zurückgewiesen. Nach § 2 Abs. 3 BEEG werde für Monate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit habe, das
durchschnittlich geringer sei als das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt, Elterngeld in Höhe des nach § 2 Abs. 1 oder 2 BEEG maßgeblichen Prozentsatzes des Unterschiedsbetrages dieser Einkommen aus Erwerbstätigkeit gezahlt. Dies bedeute, dass während
des Bezugszeitraumes erzielte bzw. für diesen Zeitraum zustehende Erwerbseinkünfte auf das Elterngeld anzurechnen seien. Dabei
spiele es bezüglich der Höhe eines zu berücksichtigenden Gewinnes im Bezugszeitraum unter Beachtung des Zuflussprinzips des
Einkommensteuerrechts keine Rolle, ob dieser Gewinn auf Leistungen beruhe, die gegebenenfalls außerhalb des Bezugszeitraums
erwirtschaftet worden seien. Die Klägerin sei an der "M. und A. GbR" zu 50 % beteiligt. Unabhängig davon, dass die Klägerin
nach eigenen Angaben im Bezugszeitraum des Elterngeldes ihre Tätigkeit in der GbR einstellen werde, würde sie während der
gesamten Kalenderjahre 2014 und 2015 der uneingeschränkten Steuerpflicht unterliegen und stehe für das Unternehmen in der
Pflicht und in der Verantwortung. Auch wenn der Gewinn des Unternehmens wegen der beruflichen Einschränkung während des Bezugs
von Elterngeld geschmälert werden sollte, sei der Gewinn im Rahmen der steuerlichen Grundsätze als Jahresbetrag zu betrachten
und entsprechende monatliche Anteile davon seien als Einkommen im Bezugszeitraum bei der Berechnung des Elterngeldes zu berücksichtigen.
Das erzielte Einkommen sei für jeden Monat mit 1/12 des im jeweiligen Steuerbescheid ausgewiesenen Jahresbetrages festzusetzen.
Dass eine Feststellung nach dem während des Elterngeldbezugs erzielten Gewinnes nicht möglich sei, sei schon daran zu erkennen,
dass in Bescheiden bzw. den noch zu treffenden Feststellungen über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
jeweils ein prozentualer Betrag für die Feststellungsbeteiligten ausgewiesen werde. Die angegebene prozentuale Verteilung
beziehe sich dabei auf den jeweiligen Jahresgewinn, hierbei werde nicht explizit der Elterngeldbezugszeitraum ausgelassen.
Erst nach Vorlage der Einkommensteuerbescheide für die Kalenderjahre 2014 und 2015 könne das Elterngeld endgültig berechnet
werden.
Hiergegen richtet sich die Klage der Klägerin vom 13.04.2015, die mit Schriftsatz vom 28.05.2015 näher begründet wurde. Aus
den Richtlinien, Teil 1 zum BEEG ergebe sich, dass im Bezugszeitraum nach gesonderter Betriebseinnahmenaufstellung, das heiße der Einnahmen-/Überschussberechnung
oder einer Bilanz abgerechnet werden solle, anders als im Bemessungszeitraum, für welchen der jeweilige Steuerbescheid ausschlaggebend
sei. Dies sei auch sinnvoll, da der Bezugszeitraum regelmäßig nicht mit dem gesamten Kalenderjahr übereinstimme. Vielmehr
sei bei der Ermittlung des Elterngeld-Bruttos im Bezugszeitraum die Berechnung so vorzunehmen, dass durch die Anzahl der Bezugsmonate
mit Einkommen geteilt werde. Im vorliegenden Fall gebe es jedoch innerhalb des Bezugszeitraums kein Einkommen. Es könne gerade
nicht so vorgegangen werden, wie die Beklagte es meine, nämlich das außerhalb des Bezugszeitraums liegende Einkommen anteilig
auf den Bezugszeitraum zu übertragen. Es sei auf die monatlichen Abrechnungen abzustellen, aus denen sich ergebe, dass der
Klägerin für die fraglichen Bezugsmonate des Elterngeldes kein Gewinnanteil zugekommen sei und sie daher auch über kein anzurechnendes
Einkommen verfüge. Eine andere Vorgehensweise sei auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil ansonsten eine nicht zu rechtfertigende
Benachteiligung einer selbstständigen Elterngeldbezieherin gegenüber einer nichtselbstständigen Eltern- geldbezieherin auftreten
würde. Die Benachteiligung läge darin, dass anders als bei nichtselbstständigen Arbeitnehmern regelmäßig eine Zwölftelung
des Jahreseinkommens erfolge und dieses theoretisch auf den Bezugszeitraum verteilt werde. Im Ergebnis würde dies weiter auch
dazu führen, dass Bezieher höherer Einkommen gegenüber Beziehern niedrigerer Einkommen benachteiligt würden, da das Vorgehen
des Beklagten bei höheren Einkommen regelmäßig dazu führen würde, dass durch die Umverteilung lediglich noch der Mindestbetrag
zu leisten wäre. Der Beklagte hat hierzu mit Schriftsatz vom 15.06.2015 geltend gemacht, dass es sich bei den Einkünften der
Klägerin aus der Beteiligung an der "M. und A. GbR" um Einkünfte aus selbstständiger Arbeit gemäß § 18 EStG handle, die elterngeldrechtlich gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 BEEG i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG sowohl im Bemessungs- als auch im Bezugszeitraum (§ 2 Abs. 3 BEEG) beachtlich seien. Für die Frage der Anrechnung nach § 2 Abs. 3 BEEG sei es grundsätzlich irrelevant, ob die Klägerin für den Erhalt der Gewinnbeteiligung habe Tätigkeiten entfalten müssen oder
nicht. Bei den Beteiligungseinkünften handle es sich nicht um zeitpunkt-, sondern um zeitraumbezogene, tätigkeitsunabhängige
Erwerbseinkünfte. Die Gewinnermittlung bei der GbR erfolge gemäß § 4 Abs. 1 EStG für ein Wirtschaftsjahr in der Regel durch Ermittlung des Unterschiedsbetrages zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des
Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Einnahmen
und vermindert um den Wert der Einlagen (Bilanzierung), sofern nicht eine Gewinnermittlung mittels Einnahme-/Überschussrechnung
gemäß § 4 Abs. 3 EStG zulässig sei. Die Gewinnverteilung unter den Gesellschaftern selbst erfolge - sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes
bestimmt sei - bei auf Dauer angelegten GbRs gemäß § 721 Abs. 2 BGB erst nach Rechnungsschluss zum Schluss des Wirtschaftsjahres. Weiche das Wirtschaftsjahr vom Kalenderjahr ab, werde der gesamte
Gewinn in dem Kalenderjahr der Besteuerung unterworfen, in dem das Wirtschaftsjahr ende. Durch diese Gewinnermittlung auf
Jahresbasis fehle es an der Möglichkeit, einen konkreten Gewinn für die jeweiligen Bezugszeiten festzustellen, so dass grundsätzlich
eine Zwölftelung zu erfolgen habe.
Das Sozialgericht Augsburg hat mit Urteil vom 18.11.2015 den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 21.01.2015 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2015 verurteilt, der Klägerin Elterngeld ohne Anrechnung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit
im Bezugszeitraum zu gewähren. Infolge der gesellschaftsvertraglichen Regelung habe der Klägerin im Zeitraum vom 06.11.2014
bis 05.06.2015 kein Anspruch auf einen Anteil am Gewinn der Gesellschaft zugestanden. Im Bezugszeitraum sei auch kein Zufluss
an Einkommen aus selbstständiger Arbeit zu verzeichnen gewesen, wie die Klägerin für die Kammer glaubhaft versichert habe.
Eine Anrechnung des gezwölfteten, auf Lebensmonate umgerechneten steuerlichen Gewinn sei dann nicht gerechtfertigt, wenn der
Elterngeldberechtigte im Bezugszeitraum entweder gar nicht oder lediglich in elterngeldunschädlichem Umfang tätig geworden
sei und im Gesellschaftsvertrag oder anderweitig vertraglich deshalb aufgrund der Reduzierung des Tätigkeitsumfangs eine entsprechende,
steuerlich relevante und korrekt umgesetzte Reduzierung des Gewinnanteils erfolge. Andernfalls würde die Gruppe der Elterngeldberechtigten
mit Einkünften aus Beteiligungen als zeitraumbezogene Einkünfte auch bei Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen nach § 1 BEEG in ungerechtfertigter Weise anders behandelt als Elterngeldberechtigte mit zeitpunktbezogenen Einkünften. Denn eine Zuordnung
von Beteiligungen auf einzelne Monate sei wegen des Prinzips der Jährlichkeit der Einkünfte aus Beteiligungen von keiner steuerrechtlichen
Relevanz. Diese Auslegung finde auch eine Stütze im gesetzgeberischen Willen. Denn nach dem Zweck des Elterngeldes sollen
nur Einnahmen berücksichtigt werden, die mit einer Erwerbstätigkeit zusammenhängen, da der Gesetzgeber nur diese als typischerweise
mit persönlichem Einsatz verbunden angesehen habe. Gerade die mit der Einschränkung persönlichen Einsatzes (Arbeit) einhergehenden
Einkommenseinbußen möchte das BEEG teilweise ausgleichen, um die Erziehung und Betreuung des Kindes zu gewährleisten. Treffe der Elterngeldberechtigte deshalb
vertragliche Regelungen dergestalt, dass er in den Monaten mit Bezug von Elterngeld wegen der eingestellten oder nur elterngeldunschädlichen
Tätigkeit an der Gewinnverteilung nicht oder in eingeschränktem Umfang teilnehme und werde diese Vereinbarung steuerlich korrekt
umgesetzt, habe der Beklagte dies zu berücksichtigen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten vom 10.12.2015 zum Bayer. Landessozialgericht. Beim Bundessozialgericht
sei ein Verfahren mit der Frage anhängig, ob Gewinne aus Unternehmensbeteiligungen während des Elterngeldbezugs bei der Berechnung
der Elterngeldhöhe auch dann mit 1/12 des jährlichen Gewinnanteils für jeden Bezugsmonat zu berücksichtigen seien, wenn die
Verringerung des Tätigkeitsumfangs in den Bezugsmonaten nach dem Gesellschaftsvertrag zu einer Reduzierung des jährlichen
Gewinnanteils geführt habe.
Der Beklagte hat die Berufung mit Schriftsatz vom 01.12.2016 näher begründet. Das Bundessozialgericht habe mit Urteil vom
21.06.2016, B 10 EG 3/15 entschieden, dass sich das elterngeldrechtlich relevante Einkommen von Personengesellschaften auch
im Bezugszeitraum des Elterngeldes anhand des sich aus dem Steuerbescheid ergebenden Jahresgewinns und dem daraus ermittelten
monatlichen Durchschnittseinkommens, unabhängig davon, ob ein persönlicher Arbeitseinsatz erfolgt sei, errechne. Dies gelte
auch für das BEEG in der Fassung vom 10.09.2012. Die Klägerin habe jedenfalls, auch wenn sie im Bezugszeitraum keiner Tätigkeit nachgegangen
sei, das Mitunternehmerrisiko getragen und auch Mitunternehmerinitiative gezeigt.
Die Vertreterin des Beklagten stellt den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18.11.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin stellt den Antrag,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 03.02.2016 wurde im Wesentlichen auf die Klagebegründung vom 28.05.2015 und die Ergänzung vom 01.09.2015
verwiesen. Mit weiterem Schriftsatz vom 22.11.2016 wurde vorgetragen, dass das Urteil des BSG vom 21.06.2016 nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden könne. Es werde dort zwar ausgeführt, dass das BEEG mit Gesetz vom 20.09.2012 geändert worden sei und das BSG an der alten Rechtsprechung zum BEEG vom 05.12.2006 festhalte. In der zugrunde liegenden Bundestagsdrucksache 17/9841, Seite 23, stehe jedoch, dass der Steuerbescheid
nicht als maßgeblicher Nachweis herangezogen werden könne. In dem Urteil des BSG sei auch - anders als hier - eine nachträglich vereinbarte Gewinnverteilung zu überprüfen gewesen. Zudem sei in diesem Urteil
davon ausgegangen worden, dass die gesellschaftsrechtliche Vereinbarung nicht zur Folge gehabt habe, dass das Mitunternehmerrisiko
und die Mitunternehmerinitiative in der Bezugszeit gemindert oder gar aufgehoben gewesen wäre. Ausdrücklich werde darauf hingewiesen,
dass dies bei einem Verzicht des Elterngeldberechtigten auf Gewinn und Freistellung vom Verlust in der Bezugszeit erwogen
werden könnte. Genauso verhalte es sich vorliegend. Einschlägig erscheine vielmehr das Urteil des BSG vom 04.09.2013, Az.: B 10 EG 18/12 R.
Dem Senat liegen die Verwaltungsakte des Beklagten, die Akte des Sozialgerichts Augsburg S 5 EG 10/15 sowie die Berufungsakte L 12 EG 70/15 zur Entscheidung vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren weiteren Inhalt ergänzend
Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Das Sozialgericht Augsburg hat mit dem angefochtenen Urteil vom
18.11.2015 den Beklagten zu Recht verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 21.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
11.03.2015 der Klägerin Elterngeld ohne Anrechnung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Bezugszeitraum zu gewähren.
Die Klägerin erfüllt zunächst die Grundvoraussetzungen für den Bezug von Elterngeld gemäß § 1 Abs. 1 BEEG, weil sie ihren Wohnsitz in Deutschland hat, mit ihrem Kind in einem Haushalt lebt, dieses Kind selbst betreut und erzieht
und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
Elterngeld wird nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 BEEG in Höhe von 67 % des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Es wird bis zu einem Höchstbetrag
von 1.800,00 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit
hat. Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f BEEG aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus 1. nichtselbstständiger
Arbeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG sowie 2. Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG, die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach §
2b oder in Monaten der Bezugszeit nach § 2 Abs. 3 BEEG hat (§ 2 Abs. 1 Satz 3 BEEG). Die monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Summe der positiven "Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb
und selbstständiger Arbeit" (Gewinneinkünfte), vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den §§ 2e bis 2f
ergibt das Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit (§ 2d Abs. 1 BEEG). Maßgeblicher Bemessungszeitraum für die Ermittlung des Einkommens der Klägerin aus selbstständiger Erwerbstätigkeit im
Sinne von § 2d BEEG ist gemäß § 2b Abs. 2 BEEG der letzte abgeschlossene steuerliche Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes im November 2014, also das Kalenderjahr
2013. Auf der Grundlage des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2013 ist der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise
im Wege einer Zwölftelung der Summe der positiven Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit (Gewinneinkünfte) über ein
monatliches Elterngeld-Brutto in Höhe von 9.687,83 Euro zu einem Elterngeld-Netto in Höhe von 5.197,54 Euro gelangt. Da das
maßgebliche monatliche Elterngeld in Höhe von 3.378,40 Euro (5.197,54 Euro x 65,00 %, vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 BEEG) den Höchstbetrag von 1.800,00 Euro übersteigt, ist letzterer maßgebend. Für das weitere Kind Natalie (geb. 17.05.2012) war
zudem ein Geschwisterbonus in Höhe von 180,00 Euro zu gewähren (§ 2a Abs. 1 Satz 1 BEEG). Dies alles ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Streitig ist allein, ob und inwieweit nach der Geburt des Kindes auf
den Elterngeldanspruch der Klägerin Einkommen aus Erwerbstätigkeit anzurechnen ist.
Nach § 2 Abs. 3 BEEG wird für Monate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat, das durchschnittlich
geringer ist, als das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt, Elterngeld in Höhe des nach § 2 Abs. 1 oder 2 BEEG maßgeblichen Prozentsatzes des Unterschiedsbetrages dieser Einkommen aus Erwerbstätigkeit gezahlt. Gemäß § 2d Abs. 3 BEEG ist Grundlage der Ermittlung der in den Bezugsmonaten zu berücksichtigenden Gewinneinkünfte eine Gewinnermittlung, die mindestens
den Anforderungen des § 4 Abs. 3 EStG entspricht. Bei den Einkünften der Klägerin aus ihrer 50 %-Beteiligung an der GbR M. und R. A. handelt es sich zunächst steuerrechtlich
um Einkünfte aus Gewerbetrieb (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Diese Einkünfte sind grundsätzlich im Sinne von § 2 Abs. 2 BEEG elterngeldrechtlich beachtlich. Ohne Bedeutung ist es, dass die Klägerin im Bezugszeitraum einer Tätigkeit für die GbR nicht
nachgegangen ist.
Allerdings ist die Entscheidung des Beklagten zur Anrechnung des Erwerbseinkommens im Bezugszeitraum schon im Ansatz verfehlt,
weil der Beklagte zu Unrecht - wie zur alten Rechtslage vor der Neuregelung des § 2d Abs. 3 BEEG i. d. F. des Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs vom 20.09.2012 (BGBl. I S. 1878) - zur Ermittlung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit im Bezugszeitraum im vorläufigen Bescheid vom 21.01.2015 vom Steuerbescheid
für das Jahr 2013 ausgegangen ist, indem der dort ausgewiesene Gewinn gezwölftelt wurde und fiktiv auf die streitgegenständlichen
Bezugsmonate verteilt wurde, wobei zugunsten der Klägerin anstelle der danach eigentlich anzusetzenden 9.687,83 Euro wegen
zu erwartender niedriger Einkünfte nach der Geburt des Kindes nur 6.000,00 Euro monatlich fiktiv angesetzt wurden. Auch für
die endgültige Berechnung soll auf die Steuerbescheide für 2014 und 2015 abgestellt werden. Das entspricht nach Auffassung
des Senats nicht der Rechtslage, wie sie sich durch die Neuregelung des BEEG vom 10.09.2012 mit Wirkung ab 18.10.2012 darstellt. Bezüglich der hier maßgeblichen Vorschrift des § 2d BEEG ist hinsichtlich der Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit zwar zunächst festzustellen, dass diese
sowohl für den Bemessungszeitraum (§ 2b BEEG) als auch für den Bezugszeitraum (§ 2 Abs. 3 BEEG) gilt. Bei den insoweit heranzuziehenden Einkommensnachweisen wird aber eine klare Unterscheidung dahingehend getroffen,
dass für die Gewinneinkünfte im Bemessungszeitraum die im Einkommenssteuerbescheid ausgewiesenen Gewinne maßgeblich sind (§
2d Abs. 2 BEEG), während für die Gewinneinkünfte im Bezugszeitraum die in einer Gewinnermittlung, die mindestens den Anforderungen des §
4 Abs. 3 EStG entspricht, enthaltenen Gewinne maßgebend sind. Der Grund für diese besonderen Vorgaben für die Ermittlung der Einkünfte
aus selbstständiger Erwerbstätigkeit liegt nach Auffassung des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 17/9841, S. 23) darin, dass der
Steuerbescheid im Bezugszeitraum nicht als maßgeblicher Nachweis herangezogen werden kann, da das auf den Bezugszeitraum anteilig
umgerechnete Einkommen, das die elterngeldberechtigte Person im jeweiligen Veranlagezeitraum hat keine zuverlässigen Rückschlüsse
auf das Einkommen im Bezugszeitraum erlaubt. Angesichts des klaren, einer abweichenden Auslegung nicht zugänglichen Wortlauts
des § 2d Abs. 3 BEEG und des ebenso eindeutigen dahinter stehenden Willens des Gesetzgebers ist für die Ermittlung der in den Bezugsmonaten zu
berücksichtigenden Gewinneinkünfte auf eine mindestens den Anforderungen des § 4 Abs. 3 EStG genügende Berechnung des Überschusses der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (sog. Überschussrechnung) zurückzugreifen,
ein Rückgriff auf den Steuerbescheid ist ausgeschlossen. Damit steht zugleich fest, dass die Ermittlung der Gewinneinkünfte
in den streitigen Bezugsmonaten anhand des tatsächlichen Zuflusses erfolgen kann und nicht auf eine fiktive Zurechnung von
Einkünften zurückgegriffen werden muss. Hinsichtlich der vorläufigen Bewilligung des Elterngeldes konnte freilich noch nicht
auf eine Einnahmen-Überschussrechnung zurückgegriffen werden, vielmehr lag insoweit nur der 2. Nachtrag vom 05.05.2014 zum
Sozietätsvertrag vom 31.12.2004 vor, wonach für den bevorstehenden Mutterschutz bzw. die Elternzeit der Klägerin vom 25.09.2014
(Beginn Mutterschutzfrist) bis 06.05.2015 (geplantes Ende der Elternzeit) kein Anteil am Gewinn der Sozietät besteht. Dementsprechend
gibt bzw. wird es nach Angaben der Klägerin im Widerspruchsschreiben vom 12.02.2015 für die Jahre 2014 und 2015 jeweils zwei
unterjährige Gewinnermittlungen geben, nämlich vom 01.01.2014 bis 24.09.2014, an deren Ergebnis die Klägerin zu 50 % beteiligt
ist und eine zweite vom 25.09.2014, bis 31.12.2014, an der sie zu 0 % beteiligt ist. Gleiches gilt für 2015: am Gewinn der
Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG vom 01.01.2015 05.06.2015 ist sie zu 0 % beteiligt, am Gewinn der Gewinnermittlung vom 05.05.2015 bis 31.12.2015 dann wieder
zu 50 %. Vor diesem Hintergrund gibt es keine rechtliche oder tatsächliche Grundlage dafür, der Klägerin in den streitigen
Bezugsmonaten auf der Grundlage des Steuerbescheides 2013 pro Monat 6.000,00 Euro als fiktive Einkünfte anzurechnen, vielmehr
sind die Einkünfte mit 0,00 Euro anzusetzen. Für die endgültige Festsetzung des Elterngeldes in den Bezugsmonaten in den Jahren
2014 und 2015 ist dagegen auf eine den Anforderungen des § 4 Abs. 3 EStG entsprechende Gewinnermittlung abzustellen, wie es die Klägerin bereits mit Widerspruchsschreiben vom 12.02.2015 angeboten
hat. Soweit der Beklagte ab dem Tag der Geburt des Kindes (06.11.2014) bis zum 01.01.2015 das kalendertäglich zustehende Mutterschaftsgeld
angerechnet hat, entspricht dies § 3 Abs. 1 BEEG.
Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. f1 SGG) zuzulassen. Das BSG hat die Frage der Berücksichtigung von Einkommen aus Gewinnanteilen an einer Personengesellschaft ab Inkrafttreten der Neuregelung
des § 2d Abs. 3 BEEG i. d. F. des Gesetzes vom 10.09.2012 (BGBl. I 1878) bislang nicht entschieden, sondern in der Entscheidung vom 21.06.2016,
B 10 EG 3/15 R ausdrücklich offen gelassen.
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