LSG Bayern, Urteil vom 25.11.2009 - 12 KA 16/08
Rechtmäßigkeit einer Richtgrößenprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung; Zulässigkeit der Bekanntgabe durch Rundschreiben;
Rückwirkung
1. Die Bekanntgabe einer Richtgrößenvereinbarung, die sich nicht an die Allgemeinheit richtet, sondern an die Mitglieder der
Kassenärztlichen Vereinigung, kann im Ärzteblatt oder durch Rundschreiben erfolgen.
2. Im Fall einer erst im Laufe eines Jahres bekanntgemachten Richtgrößen-Vereinbarung ist - bezogen auf den bereits verstrichenen
Zeitraum des Jahres - ein Fall echter Rückwirkung bzw. ein Fall der Rückbewirkung von Rechtsfolgen gegeben. [Amtlich veröffentlichte
Entscheidung]
Normenkette: ABAG Art. 3 ,
,
,
Vorinstanzen: SG München 24.10.2007 S 38 KA 1231/06
I. Auf die Berufung des Beklagten sowie der Beigeladenen zu 1), 2), 4), 5) und 6) wird das Urteil des Sozialgerichts München
vom 24.10.2007 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 1. Juni 2006 abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand:
In diesem Rechtsstreit geht es um eine Richtgrößenprüfung im Jahr 2002.
Der Kläger nimmt als Allgemeinarzt in A-Stadt (bei B./Oberfranken) an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Im Jahr 2002
hatte er rund 1.000 Behandlungsfälle pro Quartal. Der Prüfungsausschuss Ärzte - Kammer Mittelfranken - setzte in seiner Sitzung
vom 08.03.2005 (Bescheid vom 31.03.2005) gegen den Kläger wegen Überschreitung des Richtgrößenvolumens für das Jahr 2002 einen
Regress in Höhe von 42.393,59 EUR fest. Zur Begründung führte er aus, die Prüfung sei gemäß § 106 Abs. 5a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch ( SGB V) von Amts wegen durchzuführen, wenn das Brutto-Verordnungsvolumen eines Arztes in einem Kalenderjahr das Richtgrößenvolumen
um mehr als 15 % übersteige (Prüfungsvolumen) und aufgrund der vorliegenden Daten der Prüfungsausschuss nicht davon ausgehe,
dass die Überschreitung in vollem Umfang durch Praxisbesonderheiten begründet sei. Zur Ermittlung der Gesamtverordnungskosten
seien die Wirkstoffe nach Anlage 2) der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen
herausgegebenen Empfehlung für regionale Vereinbarungen über die Prüfung der Wirtschaftlichkeit in der vertragsärztlichen
Versorgung auf der Grundlage von Richtgrößen für Arzneimittel und Heilmittel ab dem Jahr 2000 vom 21. Februar 2000 (Empfehlung
zu Richtgrößen) bereits vorab berücksichtigt worden. Die entsprechenden Kosten flössen nicht in die Gesamtsumme der Brutto-Verordnungskosten
ein. Den so bereinigten Gesamtverordnungskosten werde ein individuell für jede Praxis ermitteltes Richtgrößenvolumen gegenüber
gestellt, das sich aus der Multiplikation der in Altersklassen aufgeteilten ambulanten Fallzahl der jeweiligen Praxis im Jahr
2002 mit der entsprechenden, ebenfalls nach Alterklassen differenzierten Richtgröße je Fall ergebe. Zur Ermittlung des Richtgrößenvolumens
seien die der Praxisausrichtung entsprechenden Richtgrößenwerte der Allgemeinärzte Land ohne Diabetes-Vereinbarung zugrunde
gelegt worden. Beim Kläger habe einem Gesamtverordnungsvolumen des Jahres 2002 in Höhe von 353.780,14 EUR ein Richtgrößenvolumen
von 236.910,24 EUR gegenüber gestanden, das somit um 49,33 % bzw. 116.869,90 EUR überschritten worden sei. Der Prüfungsausschuss
habe geprüft, ob und ggf. in welchem Umfang die Überschreitung durch Praxisbesonderheiten begründet sei. Hierbei sei zu beachten,
dass die in 36 Gruppen gegliederten, fein differenzierten Richtgrößen in Bayern bereits gruppenspezifische Praxisbesonderheiten
bei der Vergleichsgruppenbildung berücksichtigten und damit zu einem hohen Grad an Homogenität der Vergleichsgruppe führten.
Als Praxisbesonderheiten seien zunächst dem Grunde nach alle Präparate zu werten, die in der Anlage 3) der Empfehlung zu Richtgrößen
und in der in Bayern von der Beigeladenen zu 1) mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen zusätzlich abgestimmten Liste zu
berücksichtigender Praxisbesonderheiten (sog. Anlage 3a) aufgeführt seien und auf ein besonderes Patientenklientel mit entsprechend
teueren Verordnungen schließen ließen. Hierbei handle es sich um Präparate im Zusammenhang mit Indikationsgebieten, die fallbezogen
und indikationsabhängig zu berücksichtigen seien (Anlage 3) bzw. um sonstige Praxisbesonderheiten (Anlage 3a). Da die in diesen
Anlagen genannten Präparate in der Regel von einem ganz überwiegenden Teil oder sogar allen Ärzten der Vergleichsgruppe verordnet
würden, stelle allein die Tatsache, dass ein entsprechendes Arzneimittel verordnet wurde, noch keine Praxisbesonderheit dar.
Vielmehr seien nur die Kosten der jeweiligen Präparate der Anlagen 3 und 3a als Praxisbesonderheiten zu werten, die über die
Durchschnittskosten der Vergleichsgruppe hinaus gingen und damit einen Mehrbedarf darstellten. Dieser Mehrbedarf sei wiederum
nur dann anzuerkennen, wenn die entsprechenden Arzneimittel auch wirtschaftlich eingesetzt worden seien und die höheren Kosten
gegenüber der Vergleichsgruppe nicht z.B. auf die unbegründete Verwendung ausschließlich teuerer Originalpräparate zurückzuführen
seien. In einem ersten Prüfungsschritt seien deshalb alle verordneten Präparate nach Anlagen 3 oder 3a ermittelt und die prozentualen
Anteile jeder Verordnung an den Gesamtverordnungskosten der Praxis und der Vergleichsgruppe gegenüber gestellt worden. Der
über den Durchschnitt der Vergleichsgruppe hinausgehende Kostenanteil habe so als Mehrbedarf festgestellt werden können. In
einem zweiten Schritt sei bei allen Präparaten der Anlagen 3 und 3a, für die ein Mehrbedarf gegenüber der Vergleichsgruppe
festgestellt worden sei, eine Zuordnung zu den jeweiligen Indikationssubgruppen vorgenommen worden. Dann sei ein Vergleich
der durchschnittlichen Kosten pro Verordnung in der Praxis mit den entsprechenden Kosten der Vergleichsgruppe auf der Basis
dieser Indikationssubgruppen durchgeführt worden. Habe sich bei diesem Vergleich herausgestellt, dass unter Zubilligung einer
Streubreite von 20 % wirtschaftlich verordnet worden sei, dass sich die Verordnungskosten in der Indikationssubgruppe also
ungefähr im Rahmen der Kosten je Verordnung in der Vergleichsgruppe bewegten, habe der Prüfungsausschuss den im ersten Prüfungsschritt
festgestellten Mehrbedarf für das jeweilige Präparat in voller Höhe anerkannt. Bei einer Überschreitung des Wertes der Vergleichsgruppe
um mehr als 20 % sei nur der jeweils wirtschaftliche Anteil am Mehrbedarf prozentual anerkannt worden. Im vorliegenden Fall
seien Kosten für Präparate nach Anlagen 3 und 3a im ersten Quartal in Höhe von 2.576,13 EUR, in 2/02 in Höhe von 3.776,27
EUR, in 3/02 in Höhe von 5.950,75 EUR und in 4/02 in Höhe von 14.536,32 EUR, also insgesamt 26.839,46 EUR, als Praxisbesonderheit
anerkannt worden. Über die Präparate der Anlagen 3 und 3a hinaus habe der Prüfungsausschuss keine weiteren Praxisbesonderheiten
festgestellt. Ausgangspunkt für die Prüfung seien die Brutto-Verordnungskosten für die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung
aus dem Jahr 2002, soweit die Verordnung über die Verrechnungsstelle Süddeutscher Apotheken (VSA) eingereicht und abgerechnet
worden seien. Im vorliegenden Fall hätten damit 96 % der Gesamtverordnungskosten zur Prüfung vorgelegen. Dies stelle einen
repräsentativen Anteil am Gesamtverordnungsvolumen dar. Der Prüfungsausschuss gehe davon aus, dass der Anteil der zu berücksichtigenden
Praxisbesonderheiten bei den nicht vorliegenden Verordnungsdaten im gleichen Verhältnis gegeben sei. Daher sei die Gesamtsumme
der zu berücksichtigenden Praxisbesonderheiten auf 100 % hochgerechnet worden. Es habe sich damit zu Gunsten der Praxis ein
Gesamtbetrag in Höhe von 27.957,77 EUR an Praxisbesonderheiten ergeben. Um diese Praxisbesonderheiten sei das Gesamtverordnungsvolumen
bereinigt worden und erneut der Richtgrößensumme für das Jahr 2002 gegenüber gestellt. Danach habe sich eine neue bereinigte
Überschreitung in Höhe von 37,53 % bzw. 88.912,13 EUR ergeben. Damit liege auch nach Abzug aller zu berücksichtigenden Praxisbesonderheiten
die Überschreitung des Richtgrößenvolumens immer noch über dem Prüfvolumen, definiert als Richtgrößenvolumen plus 15 %. Nach
§ 106 Abs. 5a SGB V, Stand 01.01.2002, habe der Vertragsarzt den sich aus der Überschreitung des Prüfungsvolumens ergebenden Mehraufwand an die
Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet sei. Damit sei der Regress wie folgt
festzusetzen gewesen: Regress (brutto): 53.375,59 EUR abzüglich 6 % Apothekenrabatt: 3.202,54 EUR abzüglich Zuzahlungsquote:
5.668,80 EUR Regress (netto): 44.504,25 EUR abzüglich Regress wegen fehlender Verordnungsfähigkeit: 2.110,66 EUR Regress gesamt:
42.393,59 EUR.
Dagegen hat der Kläger am 18.04.2005 Widerspruch eingelegt und zur Begründung ausgeführt, er nehme an der Diabetes-Vereinbarung
teil. Daher sei ihm die falsche Richtgröße zugeordnet worden. Sein Patientengut weise einen deutlichen Schwerpunkt bei der
Versorgung von Allergikern, Hypertonikern, Diabetikern oder Asthmatikern auf. Außerdem habe er im streitgegenständlichen Zeitraum
einige besonders kostenintensive Patienten betreut, denen Präparate wie Cyprexa und Encepur verordnet worden seien. Auch betreue
er einen an Morbus Crohn erkrankten Patienten. Dem Bescheid lägen keine validen Daten zu Grunde. Dem Kläger sei über eine
CD-Rom Akteneinsicht in die Images gewährt worden. Bei der Durchsicht derselben hätten sich zahlreiche Fehler gezeigt, die
Kosten in Höhe von 21.554,18 EUR entsprächen. Sodann rügt die Klägerseite die formelle Rechtswidrigkeit des Prüfbescheides
und nennt dazu folgende Punkte: 1. Die Zuständigkeit des Prüfungsausschusses/Kammer Mittelfranken sei vorab nicht in einem
Geschäftsverteilungsplan festgelegt worden. 2. Der Prüfungsausschuss sei nicht von einem unparteiischen Vorsitzenden geführt
worden. 3. Die Einleitung des Richtgrößenverfahrens beruhe auf einer unwirksamen Richtgrößen-Vereinbarung. 4. Der Prüfbescheid
sei nur unzureichend begründet worden. 5. Der Widerspruchsführer habe keine Gelegenheit zur Stellungnahme vor Erlass des Prüfbescheides
gehabt. Zu Ziffer 3) wird ausgeführt, die dem Prüfbescheid zugrunde gelegte Richtgrößen Vereinbarung vom 13.05.2002 sei zu
spät beschlossen und nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Die Richtgrößen-Vereinbarung für die Kalenderjahre 2002 und
2003 sei den bayerischen Vertragsärzten am 27.05.2002 als Anlage zum Arzneimittelvertrag per Briefpost zugesandt worden. Nach
der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (Urteile vom 02.11.2005, Az.: B 6 KA 45/04 R u.a.) sei wegen des normativen Charakters der Richtgrößen für ihre Wirksamkeit die amtliche Veröffentlichung der Richtgrößen-Vereinbarung
erforderlich. Diese Vereinbarung für das Folgejahr müsse jeweils bis zum 31. Dezember eines Jahres abgeschlossen und veröffentlicht
werden. Eine Richtgrößen-Vereinbarung, die erst im Verlauf des betreffenden Jahres mit Wirkung für das gesamte Jahr getroffen
werde, entfalte echte Rückwirkung, da durch die Einbeziehung der vor der Veröffentlichung bereits getätigten Verordnungen
Sachverhalte erfasst und ggf. sanktioniert würden, die bereits abgeschlossen seien. Den Richtgrößen komme im Verhältnis zu
den Vertragsärzten verhaltenssteuernde Wirkung zu; sie sollten als Orientierungsgrößen die Entscheidungen des Vertragsarztes
bei der Verordnung von Arzneimitteln lenken. Das setze notwendigerweise voraus, dass sie bereits vor Beginn dieses Zeitraums
bekannt sein müssten. Nachdem die vorherigen Richtgrößen für das Jahr 2001 zum 31.12.2001 gekündigt worden seien, hätten sie
auch nicht für die Zwischenzeit bis zur Vereinbarung der neuen Richtgrößen fortbestehen können. Die Richtgrößen-Vereinbarung
wie auch die vereinbarten Richtgrößen seien somit nichtig. Des Weiteres verstoße die Richtgrößen-Vereinbarung auch gegen §
84 Abs. 6 Satz 1 SGB V, wo ausdrücklich normiert sei, dass die Richtgrößen bis 31.03.2002 zu vereinbaren waren. Eine Fristverlängerung habe es gemäß
Art. 3a Satz 1 des Gesetzes zur Ablösung des Arznei- und Heilmittelbudgets (ABAG) nur bei fehlender Einigung zwischen den
Vertragspartnern Kassenärztliche Vereinigung und Landesverbänden der Krankenkassen gegeben. Nur für diesen Fall sei vorgesehen,
dass die Richtgrößen dann spätestens bis 30.05.2002 vom Schiedsamt hätten vereinbart werden müssen. Dieser Fall sei hier nicht
eingetreten. Die Richtgrößen seien auch nicht gemäß § 18 der Satzung der KVB ordnungsgemäß bekannt gegeben worden.
Zur Sache führen die Bevollmächtigten des Klägers aus, ausweislich des Prüfbescheides seien nur 96 % der Verordnungsdaten
aus dem Jahr 2002 über die VSA belegbar. Dem Prüfbescheid sei aber ein Gesamtverordnungsvolumen in Höhe von 335.780,14 EUR
zugrunde gelegt worden. Damit sei dem Kläger ein nicht belegbares Verordnungsvolumen von 14.151,20 EUR zugeordnet worden.
Es sei nicht auszuschließen, dass hier Verordnungskosten zugebucht worden seien, die nicht vom Kläger verursacht worden seien.
Auch für die Berechnung der abzugsfähigen Praxisbesonderheiten aus den Anlagen 3 und 3a habe sich der Prüfungsausschuss auf
die Daten der VSA gestützt, die aber nur zu einem Teil der Verordnungen vorgelegen hätten. Insgesamt beruhe damit die Prüfung
auf einer ungesicherten Datengrundlage. Der Kläger habe im Jahr 2002 für insgesamt 36.101,84 EUR Arzneimittel aus Anlage 3
der Bundesempfehlung für Richtgrößen bzw. der in Bayern zusätzlich geltenden Anlage 3a "sonstige Praxisbesonderheiten" verordnet.
Davon seien ihm aber nur Kosten in Höhe von 26.046,- EUR als Praxisbesonderheit anerkannt worden und vom Überschreitungsbetrag
Regress mindernd abgezogen worden. Die Kosten für derartige Präparate hätten aber in vollem Umfang berücksichtigt werden müssen,
denn sie gingen insgesamt auf die Praxisbesonderheiten zurück. Der Prüfungsausschuss vermenge hier Elemente der Durchschnittsprüfung
mit denen der Richtgrößenprüfung. Sodann werden einzelne Praxisbesonderheiten vorgetragen. So habe der Kläger in seiner Praxis
im streitgegenständlichen Zeitraum überdurchschnittlich viele Hypertoniker behandelt. Mittel mit Wirkung auf das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System
(RAAS) verursachten ausweislich der aktuellen Arzneimittelinformation der Beigeladenen zu 1) für 2002 daher in fast allen
Quartalen den größten Anteil des Gesamtverordnungsvolumens des Klägers. Allein dadurch seien im Jahr 2002 Arzneimittelkosten
in Höhe von 39.270,38 EUR entstanden. Ein weiterer Versorgungsschwerpunkt sei die Behandlung von Allergikern. Dies sei auch
aus der Abrechnung der Nummer 359 des damals geltenden Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM 96) "Hyposensibilisierung" erkennbar,
die der Kläger im Quartal 1/02 um 749 % und in 4/02 um 823 % häufiger abgerechnet habe als die Vergleichsgruppe. Es seien
252 Patienten mit der Indikation Allergie behandelt worden. Dadurch seien 15,27 % des Verordnungsvolumens verursacht worden,
während diese Verordnung bei der Vergleichsgruppe nur durchschnittlich 0,62 % ausmachten. In der überwiegenden Anzahl der
Fälle sei im Quartal 4/02 eine spezifische Hyposensibilisierung angezeigt gewesen. Dazu habe der Kläger POLLINEX Quattro verordnet,
wonach allein in diesem Quartal Verordnungskosten in Höhe von 13.431,05 EUR entstanden seien. Hinzu kämen für Oralvac 924,92
EUR. Im Jahr 2002 seien 150 Patienten mit der Diagnose Asthma behandelt worden (Patientenliste). Ferner seien in der Praxis
des Klägers durch die adäquate Versorgung von Schmerzpatienten Kosten für Analgetika (12.598,39 EUR) entstanden. Der Kläger
habe im Jahr 2002 785 Schmerzpatienten behandelt (Patientenliste). Des Weiteren habe er 740 Patienten mit Hauterkrankungen
und 234 Patienten mit Diabetes Typ II (Patientenliste).
Der beklagte Beschwerdeausschuss hat in seiner Sitzung vom 10. Mai 2006 dem Widerspruch zu einem kleinen Teil stattgegeben,
in dem er den Regress auf 40.734,70 EUR reduziert hat. Die der Prüfung zugrundeliegende Richtgrößen-Vereinbarung sei wirksam.
Gemäß § 84 Abs. 6 Satz 1 SGB V vereinbarten die Vertragspartner (Kassenärztliche Vereinigung, Landesverbände der Krankenkassen und Verbände der Ersatzkassen)
zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung arztgruppenspezifische fallbezogene Richtgrößen erstmals bis zum 31.03.2002.
Komme eine Richtgrößen-Vereinbarung nach § 84 Abs. 6 SGB V innerhalb der Frist ganz oder teilweise nicht zustande, sehe § 3a ABAG vor, dass das von den Vertragsparteien gebildete Schiedsamt den Vertragsinhalt innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten
nach Fristablauf festsetze, mithin spätestens bis zum 31.05.2002. In Bayern seien die Richtgrößen für das Kalenderjahr 2002
ohne Einschaltung des Schiedssamts unstreitig zum 13.05.2002 vereinbart worden. Wenn aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung
grundsätzlich bis 31.05.2002 wirksam Richtgrößen festgesetzt werden könnten, die dann rückwirkend ab 01.01.2002 gelten, so
könne es keine grundlegende Rolle spielen, ob diese mit oder ohne Schiedsamt zustande kämen, da die Wirkung gegenüber den
betroffenen Vertragsärzten absolut identisch sei. Das Urteil des BSG vom 02.11.2005 (Az: B 6 KA 64/04R) sei insoweit nicht
einschlägig, da hier über die Wirksamkeit einer Richtgrößenvereinbarung aus dem Jahr 1998 gestritten worden sei. Damals habe
es keine vom Gesetzgeber selbst festgelegte Ausnahmeregelung vom Rückwirkungsverbot gegeben, wie dies im Jahr 2002 der Fall
sei. Das BSG habe in dem genannten Urteil ausgeführt, dass die Vorgabe, die Richtgrößen-Vereinbarung bereits vor Beginn des
Kalenderjahres festzulegen, keine strikte Verpflichtung der Vertragspartner begründe. Eine Rechtsfolge der Art, dass die Vereinbarung
andernfalls nichtig wäre, lasse sich nach dieser Entscheidung den gesetzlichen Regelungen nicht entnehmen. Die Vertragspartner
könnten vielmehr eine solche Vereinbarung auch erst im Lauf des Jahres abschließen, die dann eine ungeschmälerte Wirkung für
die Zukunft hätte. Bis zum Zeitpunkt der Neuvereinbarung seien die vorjährigen Richtgrößen heranzuziehen und ggf. Mischwerte
zu bilden, wenn die neuen Richtgrößen die Position des Arztes verschlechterten. Sofern keine Verschlechterung eintrete, etwa
wenn die Vorjahresrichtgrößen mit gleichen oder engeren Vorgaben vereinbart worden wären, fehle es an einem Eingriff und damit
an der Grundlage für die Annahme unzulässiger Rückwirkung. In einem solchen Fall stehe der Geltung der Richtgrößen ab Anfang
des Jahres nichts entgegen. Im vorliegenden Fall sei eine Gegenüberstellung zwischen den Richtgrößen-Vereinbarungen des Jahres
2001 und des Jahres 2002 schwierig, weil die Ausgangsbasis unterschiedlich sei. Nominal möchten die Richtgrößen des Jahres
2001 zwar höher liegen als die des Jahres 2002. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass viele - teuere - Verordnungstatbestände
der Anlage 2 der Empfehlung zu Richtgrößen bei der Bildung der Richtgrößen 2002 vorab berücksichtigt worden seien und von
Anfang an gar nicht ins Verordnungsvolumen mit eingeflossen seien, während sie in den früheren Richtgrößen enthalten gewesen
seien und erst als Praxisbesonderheit gesondert hätten geltend gemacht werden und wieder herausgerechnet werden müssen. In
Bayern sei die Richtgrößen-Vereinbarung der Jahre 2000/2001 zum 31.12.2001 im Hinblick auf verbesserte, feiner differenzierte
Richtgrößen gekündigt worden, da ohne diese Kündigung rein formell eine neue Vereinbarung nicht möglich gewesen wäre. Darüber
seien alle Ärzte mit einem persönlichen Anschreiben informiert worden. Es sei explizit angekündigt worden, dass neue Richtgrößen
vereinbart würden. Soweit sei für jeden Vertragsarzt klar gewesen, dass neue Richtgrößen auf ihn zukämen, an denen er sein
Verordnungsverhalten messen lassen müsse. Die Werte der Jahre 2000/2001 seien zumindest als Richtschnur noch bekannt gewesen,
so dass der Vertragsarzt auch eine Vorstellung über die maximale Höhe seiner künftigen Richtgrößensumme gehabt habe. Die Richtgrößen
des Jahres 2002 seien auf der Basis von Durchschnittsverordnungswerten der jeweiligen Richtgrößenvergleichsgruppe des Jahres
2001 errechnet worden. Ausgehend von der Annahme, dass der Durchschnitt einer Vergleichsgruppe wirtschaftlich verordne, bildeten
die Richtgrößen des Jahres 2002 bei Nichtvorliegen von Praxisbesonderheiten die Basis für eine wirtschaftliche Verordnungsweise
auch für den Zeitraum, in dem die Richtgrößen noch nicht auf den Cent genau offiziell bekannt waren. so dass die Argumentation
einer fehlenden verhaltenssteuernden Wirkung nicht nachzuvollziehen sei. Die Richtgrößenvereinbarung für das Jahr 2002 sei
auch ordnungsgemäß bekannt gegeben worden. Die Richtgrößenwerte seien unmittelbar nach der Vereinbarung mit Rundschreiben
an die Mitglieder der KVB veröffentlicht worden, also innerhalb der oben genannten äußersten Frist. Spätestens zu diesem Zeitpunkt
habe jeder Vertragsarzt seine genaue neue Richtgrößensumme gekannt. Der Normtext der Richtgrößenvereinbarung sei am 21.05.2002
per Bereitstellung als Faxabruf und im Internet bekannt gegeben worden. Entscheidend für den jeweiligen Vertragsarzt seien
aber die konkreten Richtgrößenwerte, an denen er sein Verordnungsverhalten messen lassen müsse.
Auch inhaltlich sei das Vorgehen des Prüfungsausschusses nicht zu beanstanden. Vielmehr habe er von Brutto-Verordnungskosten
in Höhe von 353.780,14 EUR ausgehen dürfen und nicht nur von 96 % dieser Kosten. Ein substantiierter Tatsachenvortrag des
Klägers, wonach er weniger verordnet habe, als ihm bei der elektronischen Datenerfassung und Übermittlung zugeordnet worden
sei, liege nicht vor. Die von den Kassen gemeldeten Daten entsprächen den Vorgaben der §§ 296 und 297 SGB V. Der im Prüfbescheid genannte Anteil belegbarer Verordnungskosten in Höhe von 96 % bedeute, dass 96 % der gemeldeten Daten
mit einer Aufstellung der verordneten Präparate dargestellt seien. Diese Verordnungsliste habe dem Prüfungsausschuss und auch
dem Beschwerdeausschuss als zusätzliches Hilfsmittel zur Errechnung der durch die Praxisbesonderheiten nach Anlagen 3 und
3a ausgelösten Verordnungskosten gedient, da sie das Verordnungsverhalten des Vertragsarztes übersichtlich darstellten. Mit
diesen 96 % habe das Verordnungsverhalten nahezu vollständig dargestellt werden können. Den fehlenden 4 % sei dadurch Rechnung
getragen worden, dass die ermittelte Summe der als Praxisbesonderheiten anerkannten Verordnungskosten auf 100 % hochgerechnet
worden sei. Die Vorgehensweise des Prüfungsausschusses bei der Ermittlung der Verordnungskosten für Praxisbesonderheiten sei
nicht zu beanstanden. Eine Praxisbesonderheit sei ein atypischer, objektiver Umstand der Praxis, der in der besonderen Zusammensetzung
des Patientengutes begründet sei, zu einem erheblich höheren Aufwand an Leistungen und Verordnungen führe und den Gesamtcharakter
der Praxis so präge, dass der Vergleich mit der allgemein zugeordneten Vergleichsgruppe ausgeschlossen sei. Die in 36 Untergruppen
gegliederten, fein differenzierten Richtgrößen in Bayern berücksichtigten bereits gruppenspezifische Praxisbesonderheiten
bei der Vergleichsgruppenbildung und führten damit zu einem hohen Grad an Homogenität. Der Kläger sei der Vergleichsgruppe
der Allgemeinärzte ohne Diabetes-Vereinbarung zugeordnet worden. Zwar behaupte er, an der Diabetes-Vereinbarung teilgenommen
zu haben, doch liege dafür kein Nachweis vor. Verordne der Vertragsarzt Präparate der Anlage 3 der Bundesempfehlung zu Richtgrößen
bzw. der Anlage 3a der in Bayern mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen abgestimmten Liste zusätzlich zu berücksichtigender
Praxisbesonderheiten, lasse dies zunächst auf ein Patientenklientel mit entsprechend teuren Verordnungen schließen. Da die
dort aufgeführten Präparate weitgehend von einem ganz überwiegenden Teil oder sogar von allen Ärzten der Vergleichsgruppe
verordneten würden, stelle allein die Tatsache der Verordnung noch keine Praxisbesonderheit dar. Bei der Bildung der Richtgrößen
2002 seien Präparate der Anlagen 3 und 3a im Gegensatz zu den Präparaten der Anlage 2 nicht vorab berücksichtigt und deshalb
mit eingerechnet worden. Dies führe dazu, dass ein gewisser Prozentsatz dieser im Allgemeinen teueren Präparate in den Richtgrößenwerten
bereits enthalten sei. Es wäre deshalb nicht sachgerecht, die Verordnungssumme des jeweiligen Arztes um diese Präparate vollständig
zu bereinigen und das bereinigte Verordnungsvolumen wiederum der insoweit unbereinigten Richtgrößensumme gegenüber zu stellen.
Der Beschwerdeausschuss habe sich die Prüfweise des Prüfungsausschusses zu Eigen gemacht und eine erneute Prüfung der Unterlagen
vorgenommen. In einem ersten Prüfschritt sei der Mehrbedarf anhand eines Vergleiches des prozentualen Anteils des jeweiligen
Präparats der Anlagen 3 oder 3a an den Gesamtverordnungskosten der Praxis mit dem jeweiligen durchschnittlichen Anteil in
der Vergleichsgruppe durch Gegenüberstellung beider Werte ermittelt worden. In einem zweiten Schritt sei geprüft worden, ob
die Praxis sich innerhalb der Indikations(sub)gruppe, der das entsprechende Präparat zugeordnet sei, wirtschaftlich verhalten
habe. Dazu sei bei allen Präparaten der Anlagen 3 oder 3a, für die ein Mehrbedarf gegenüber der Vergleichsgruppe festgestellt
wurde, eine Zuordnung zu den jeweiligen Indikationssubgruppen vorgenommen worden. Dann sei ein Vergleich der verursachten
durchschnittlichen Arzneimittelkosten pro Verordnung (innerhalb der Indikationssubgruppe) in der klägerischen Praxis mit den
entsprechenden Kosten der Vergleichsgruppe und den Werten der Vergleichsgruppe auf der Basis dieser Indikationssubgruppen
durchgeführt worden. Habe sich dabei herausgestellt, dass unter Zubilligung einer Streubreite von 20 % wirtschaftlich verordnet
worden sei, d.h. sich die Verordnungskosten in der Indikationsgruppe ungefähr im Rahmen der Kosten je Verordnung der Vergleichsgruppe
bewegten, sei der festgestellte Mehrbedarf des jeweiligen Präparats in entsprechender Höhe voll anerkannt worden. Bei einer
Überschreitung des Werts der Vergleichsgruppe um mehr als 20 % sei nur prozentual der jeweilige wirtschaftliche Anteil am
Mehrbedarf anerkannt worden. Über die in diesem Wege vom Prüfungsausschuss als Praxisbesonderheit anerkannten 26.839,46 EUR
hinaus habe der Beschwerdeausschuss weitere zu berücksichtigende Praxisbesonderheiten festgestellt. Es liege ein allergologischer
Schwerpunkt der Praxis vor; dafür werde der Mehrbedarf für die Verordnung des Präparates Oralvac zusätzlich als Praxisbesonderheit
anerkannt. Weitere Praxisbesonderheiten lägen hingegen nicht vor. Die Behandlung von Hypertonikern stelle keinen Praxisschwerpunkt
dar. Der Anteil der Mittel mit Wirkung auf das Renin-Angiotensin-System liege für die Quartale 1 bis 4/02 nur unwesentlich
höher als bei der Vergleichsgruppe. Im Übrigen gehörten Patienten mit Hypertonien in einer allgemeinärztlichen Praxis zum
üblichen Patientenklientel. Auch bei den Patienten mit Asthmaerkrankung, Schmerzpatienten und Typ II-Diabetikern könne der
Ausschuss ausweislich der vorgelegten Unterlagen mit kostenintensiven Fällen keine Anhaltspunkt erkennen, nach denen der Kläger
über ein Patientenklientel verfüge, das von einer durchschnittlichen allgemeinärztlichen Praxis in einem besonderen Maße abweiche
und deshalb als Praxisbesonderheit anzuerkennen wäre. Nach der Rechtsprechung des BSG seien schwere Fälle grundsätzlich nicht
als Praxisbesonderheit zu werten, da solche in jeder Praxis vorkämen. Hinsichtlich der Patienten mit Hauterkrankungen stellt
der Beklagte fest, dass hier vor allem Rezepturen verordnet worden seien, die meist teurer seien als ein entsprechend wirksames
Medikament. Die Wirkung der vom Kläger praktizierten mikroökologischen Therapie für die Verbesserung des Hautbildes sei wissenschaftlich
nicht unumstritten und nicht eindeutig belegt. Die entsprechende Medikation, auch wenn der Kläger einer der wenigen Ärzte
sei, die diese Therapie anböten, könne deshalb keine Berücksichtigung finden. Berücksichtigt würden hingegen Hilfsmittel oder
Impfstoffe, die vom Kläger nicht ordnungsgemäß als solche mittels Ziffer 7) oder 8) gekennzeichnet waren. Die Kosten für diese
Hilfsmittel/Impfstoffe seien zu seinen Gunsten in voller Höhe anerkannt worden und aus dem Gesamtvolumen herausgerechnet worden.
Auch Verbandstoffe und Sprechstundenbedarf seien Gegenstand der Richtgrößenprüfung. Die entsprechenden Verordnungskosten bildeten
zusammen mit den Arzneikosten das (Brutto-)Verordnungsvolumen des Klägers. Bei der vom Kläger vorgelegten Liste falsch zugeordneter
Präparate handle es sich zum überwiegenden Teil um Verbandstoffe und Sprechstundenbedarf. Diese könnten somit nicht als Praxisbesonderheit
anerkannt werden. Zudem sei zu den Kosten für Hilfsmittel anzumerken, dass bei den im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zur
Verfügung gestellten Images sämtliche Rezepte des Vertragsarztes aufgeführt seien, demnach auch solche, die nicht in das Gesamtverordnungsvolumen
eingerechnet wurden und damit dem Kläger auch nicht zur Last gelegt wurden. Aufgrund fehlender Kennzeichnung durch den Kläger
seien Impfstoffe in Höhe von 940,19 EUR hinzugerechnet worden. Diese habe der Beklagte ebenso wie die Kosten für das Präparat
Oralvac (970,15 EUR) in Höhe von zusammen 1.910,34 EUR hochgerechnet auf 100 %, also 1.989,94 EUR anerkannt.
Abschließend wird der Regress wie folgt berechnet: Gesamtverordnungsvolumen 2002 353.780,14 EUR abzüglich Kosten für anerkannte
Praxisbesonderheiten durch den Prüfungsausschuss 27.957,77 EUR abzüglich Kosten für zusätzlich vom Beschwerdeausschuss anerkannte
Praxisbesonderheiten 1.989,94 EUR bereinigtes Verordnungsvolumen 323.832,43 EUR Richtgrößenvolumen 2002 236.910,24 EUR neue
bereinigte Überschreitung in % 36,69 % bereinigte Überschreitung in EUR 86.922,19 EUR Auch nach Abzug aller berücksichtigten
Praxisbesonderheiten liege noch eine Überschreitung des Richtgrößenvolumens über dem Prüfvolumen (definiert als Richtgrößenvolumen
plus 15 %) vor. Die verbleibende Überschreitung sei somit auf eine Restüberschreitung von 15 % zurückzuführen. Dies ergebe
einen Brutto-Regressbetrag von 51.385,66 EUR. Abzüglich 6 % Apothekenrabatt (3.083,14 EUR) und Zuzahlungsquote (10,62 % bzw.
5.457,16 EUR) ergebe sich ein Netto-Regressbetrag von 42.845,36 EUR. Davon sei weiterhin ein Betrag von 2.110,66 EUR für im
Jahr 2002 bereits ausgesprochene bestandskräftige Regresse wegen nicht verordnungsfähiger Arzneimittel bzw. Sprechstundenbedarfes
abzuziehen, so dass sich ein verbleibender Regress in Höhe von 40.734,70 EUR ergebe.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben. Dieses hat mit Urteil vom 24. Oktober 2007 den Bescheid des Beklagten vom 1. Juni 2006 insoweit aufgehoben, als
der Kläger durch ihn beschwert wurde. Zur Begründung führte es aus, die Richtgrößenvereinbarung, auf die sich der Bescheid
unter anderem stütze, sei rechtswidrig. Sie sei nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden und entfalte eine unzulässige echte
Rückwirkung. Ein Rückgriff auf die alten, bis zum 31.12.2001 geltenden Richtgrößen sei nicht möglich, da diese gekündigt worden
seien und von der Struktur her auch nicht mit den hier streitgegenständlichen Richtgrößen vergleichbar seien. Eine Richtgrößenprüfung
mit Wirkung ab dem Rundschreiben an die Vertragsärzte, mit dem die Richtgrößen bekannt gemacht worden waren, sei wegen des
Jahresbezugs der Richtgrößenprüfung nicht möglich.
Gegen dieses Urteil haben der Beklagte und die Beigeladenen Berufung eingelegt. Der Beigeladene zu 3) hat seine Berufung später
wegen Versäumnis der Berufungsfrist wieder zurückgenommen. Die Beigeladene zu 2) führt zur Begründung der Berufung aus, das
SG gehe von einer unzulässigen echten Rückwirkung aus, wobei es die Auffassung vertrete, dass sich die Situation des Klägers
verschlechtert habe. Das sei nicht der Fall. Auf der Grundlage der in den Jahren 2000 und 2001 geltenden Richtgrößen, die
trotz der Kündigung zum 31.12.2001 gemäß § 89 Abs. 1 Satz 4 SGB V bis zum Inkrafttreten der neuen Richtgrößen fortgälten, hätte sich für den Kläger ein Richtgrößenvolumen von 230.974,69 EUR
ergeben. Das nach den neuen Richtgrößen berechnete Richtgrößenvolumen betrage demgegenüber 236.910,24 EUR. Mit einem Verordnungsvolumen
von 353.780,14 EUR hätte der Kläger das alte Richtgrößenvolumen um 53,16 % überschritten. Bei dem neuen Richtgrößenvolumen
seien es nur 49,33 %. Die Überlegung des Gerichts, dass die Richtgrößenprüfung nach ihrer Methode unterschiedlich erstellt
und deshalb nicht vergleichbar seien, sei nicht nachvollziehbar, denn bei der Frage, ob sich eine Norm günstig oder ungünstig
für den Betroffenen auswirke, komme es auf die Beschwer an.
Der Beigeladene zu 4) hat sich dieser Argumentation angeschlossen und darüber hinaus ausgeführt, der Kläger könne sich schon
deswegen nicht auf ein schützenswertes Vertrauen berufen, weil sein Verordnungsverhalten sich auch dann noch nicht gebessert
habe, als ihm die Richtlinien längst bekannt sein mussten. Er habe nicht nur in den letzten beiden Quartalen des Jahres 2002,
sondern auch noch im Jahr 2003 Arzneimittel in einem Umfang verordnet, der sich deutlich von den Durchschnittswerten seiner
Fachgruppe unterscheide.
Auch der Beigeladene zu 6) hat sich in seiner Berufungsbegründung auf die Ausführungen der Beigeladenen zu 2) bezogen und
darüber hinaus vorgetragen, Art. 3a ABAG verdränge nicht § 89 Abs. 1 Satz 4 SGB V. Die rückwirkende Inkraftsetzung der Richtgrößen für das Jahr 2002 stelle keine unzulässige Rückwirkung dar. Da die neuen
Richtgrößen für den Kläger günstiger seien als die alten, komme auch die vom BSG (Urteil vom 02.11.2005 - B 6 KA 63/04 R) erörterte Mischberechnung nicht zum Tragen.
Die zu 1) beigeladene Kassenärztliche Vereinigung hat ihre Berufung mit Schriftsatz vom 29.05.2009 begründet. Die Durchführung
der streitgegenständlichen Richtgrößenprüfung sei auf der Rechtsgrundlage des § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V und des § 84 Abs. 6 SGB V i.V.m. der Richtgrößenvereinbarung für 2002 rechtens. Die Veröffentlichung von gesamtvertraglichen Regelungen sei gesetzlich
nicht vorgeschrieben; sie sei im vorliegenden Fall unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten hinreichend erfolgt. Zwar mache
das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz ( GG) für die Normsetzung eine gewisse Veröffentlichung erforderlich, dies jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
nur dergestalt, dass sich die Betroffenen verlässlich Kenntnis vom Inhalt derselben verschaffen könnten. Das sei hier geschehen,
denn die Vertragsärzte seien mit Rundschreiben vom 02.05.2002 und vom 21.05.2002 darüber informiert worden, wo der vollständige
Text der Richtgrößenvereinbarung zu finden sei. Die konkreten Richtgrößen mit ergänzenden Erläuterungen zur Errechnung der
individuellen Richtgrößensumme habe der Kläger in Gestalt der Anlage 1 zum Rundschreiben vom 02.05.2002 erhalten. Die Tatsache,
dass die Richtgrößenvereinbarung nicht bereits vor Beginn des Kalenderjahres 2002 vereinbart worden sei, mache diese nicht
nichtig. Sie habe nur zur Folge, dass die vereinbarten Richtgrößen für die Vergangenheit nur nach Maßgabe der Grundsätze über
die Zulässigkeit rückwirkender normativer Regelungen angewendet werden könnten. Der Gesetzgeber habe in § 84 Abs. 6 Satz 1 SGB V die Parteien der Gesamtverträge ausdrücklich verpflichtet, Richtgrößenvolumina bis zum 31.03.2002 zu vereinbaren mit Rückwirkung
für das ganze Jahr 2002. Es handle sich um einen Fall der zulässigen echten Rückwirkung. Die Vertragsärzte im Allgemeinen
und der Kläger im Besonderen seien hinreichend unter anderem bereits durch Rundschreiben vom 20.08.2001, durch Veröffentlichung
des ABAG am 21.12.2001 sowie durch Hinweise im Deutschen Ärzteblatt darüber informiert worden, dass für das Jahr 2002 eine
Richtgrößenvereinbarung mit neuen Richtgrößen vereinbart werden müsse, so dass der Kläger insoweit zwangsläufig mit neuen
Vorgaben habe rechnen müssen. Ein vertragsloser Zustand zwischen der Richtgrößenvereinbarung 2001 und der von 2002 habe nicht
bestanden. Vielmehr hätten die Richtgrößen für die Jahre 2000/2001 gemäß § 89 Abs. 1 Satz 4 SGB V fortbestanden. Dass Art. 3a ABAG zur vorläufigen Weitergeltung des bisherigen Vertrages keine Aussagen mache, und dass ein schiedsamtliches Verfahren
in Bayern nicht eingeleitet worden sei, sei irrelevant. Entscheidend sei die Tatsache, dass die Richtgrößenvereinbarung eine
schiedsamtsfähige Vereinbarung im Sinne von § 89 Abs. 1 bzw. 1a SGB V sei mit der Folge, dass die Zielsetzung dieser Bestimmung, die Vermeidung vertragsloser Zustände im Fall von Auseinandersetzungen
zwischen Vertragsparteien hinsichtlich des Zustandekommens von Verträgen über die Kassenärztliche Versorgung auch greife.
Die Richtgrößen seien aber auch deshalb rechtmäßig, weil sie für den Kläger keine Verschlechterung, sondern vielmehr eine
Verbesserung darstellten. Entgegen der Auffassung des SG seien die Richtgrößen für 2000/2001 und für 2002/2003 durchaus vergleichbar, insbesondere im Hinblick darauf, dass sie jeweils
individuell arztbezogen seien. Den Richtgrößen 2002/2003 sei ein deutlich größeres Ausgangsvolumen zugrunde gelegen, als im
Zeitraum 2000/2001. Das Ausgangsvolumen der Richtgrößen 2002/2003 habe bei 3.003.776.941,25 EUR gelegen bzw. nach Herausrechnung
der Kosten für die in Anlage 2 der Empfehlung zu Richtgrößen bestimmten Arzneimittel (besondere Arzneimittel, die nicht in
den Richtgrößen enthalten sind) bei 2.728.861.970,34 EUR, während es bei den Richtgrößen 2000/2001 2.681.842.924,71 EUR gewesen
seien. Das anteilige Ausgangsvolumen für die Festsetzung der Richtgrößen der Vergleichsgruppe des Klägers (Allgemeinärzte,
Land, ohne Teilnahme an der Diabetes-Vereinbarung) für 2002 habe 936.937.984, 56 EUR bzw. nach Herausrechnung der Kosten für
die in Anlage 2 genannten Arzneimittel 887.898.157,88 EUR betragen. Individuell bezogen auf den Kläger errechne sich für 2002
ein Richtgrößenvolumen in Höhe von 236.910,24 EUR für die klägerische Praxis gegenüber einem Richtgrößenvolumen von 230.974,69
EUR nach den Richtgrößen 2000/2001 mit der Folge, dass die fiktive Überschreitung der Richtgrößen für 2000/2001 53,16 % betragen
hätte, die Überschreitung der Richtgröße für 2002 jedoch nur 49,33 % betrage. Die Richtgrößenvereinbarung für 2002/2003 bringe
eine Besserstellung der Vertragsärzte, denn einerseits sei mit ihr die Limitierung bei der Verordnung, der in der Anlage 2
bestimmten Medikament entfallen und andererseits seien die Aufgreifkriterien für die Durchführung der Richtgrößenprüfung weniger
restriktiv als nach der Richtgrößenvereinbarung für 2000/2001.
Die Berufungsführer beantragen, das Urteil des Sozialgerichts München vom 24. Oktober 2007 aufzuheben und die Klage gegen
den Bescheid des Beklagten vom 01.06.2006 abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufungen als unbegründet zurückzuweisen.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben eine tabellarische Aufstellung der Richtgrößen für die Jahre 2000/2001 einerseits und
für 2002/2003 andererseits vorgelegt und schließen daraus, dass die Richtgrößen 2002 de facto niedrigerer seien als die von
2000/2001. Es komme nicht darauf an, die Verschlechterung anhand eines Einzelfalles zu prüfen, sondern der Vergleich könne
sich nur auf die Gesamtheit aller Ärzte beziehen. Eine Fortgeltung der alten Richtgrößen bis zum Erlass der neuen Richtgrößen-Vereinbarung
auf der Basis des § 89 Abs. 1 Satz 4 SGB V komme nicht in Betracht, da überhaupt kein Schiedsverfahren stattgefunden habe. Eine rechtsfreie Lücke gebe es nicht; § 106 SGB V sehe für solche Fälle auch weiterhin die Möglichkeit der Durchschnittswertprüfung oder der Einzelfallprüfung vor. Die Richtgrößenvereinbarung
hätte nach § 18 der Satzung der KVB bekannt gegeben werden müssen. Das sei in der Vergangenheit auch immer so gehandhabt worden.
Dem Senat liegen die Verwaltungsakten des Beklagten, die Akten des Sozialgerichts München mit den Aktenzeichen S 38 KA 1231/06 und S 38 KA 1252/06 ER, des Bayer. Landessozialgerichts mit dem Aktenzeichen L 12 B 795/06 KA ER sowie die Berufungsakte mit dem Aktenzeichen L 12 KA 16/08 vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) des Beklagten sowie der Beigeladenen zu 1), 2), 4), 5) und 6) sind zulässig und begründet.
Der Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 1. Juni 2006, der allein Gegenstand des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens
ist, zu Recht einen Verordnungsregress in Höhe von 40.734,70 EUR gegen den Kläger verhängt. Das SG hat die dagegen gerichtete Klage zu Unrecht abgewiesen.
Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid des Beklagten ist § 106 Abs. 2 Nr. 1 SGB V i.V.m. § 3 der Richtgrößenvereinbarung nach § 84 Abs.1, 6 SGB V i.d.F. des Art. 1 Nr. 3 des ABAG vom 19.12.2001, gültig ab 31.12.2001. Nach § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V in der bis zum 31.12.2003 geltenden, hier einschlägigen Fassung wird die Wirtschaftlichkeit der Verordnung geprüft durch
1. arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder bei Überschreitung der
Richtgrößenvolumina nach § 84 (Auffälligkeitsprüfung). Im vorliegenden Fall haben der Zulassungsausschuss und der beklagte
Berufungsausschuss die zweite Art der Prüfung, also eine sog. Richtgrößenprüfung, durchgeführt.
Dazu bestimmt § 84 Abs.1 SGB V, dass die Landesverbände und die (Verbände der) Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztliche Vereinigung
zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln bis zum 31.11. für das jeweilige folgende
Kalenderjahr eine Arzneimittelvereinbarung treffen. Die Vereinbarung umfasst 1. Ein Ausgabenvolumen für die insgesamt von
den Vertragsärzten nach § 31 veranlassten Leistungen, 2. Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele und konkrete, auf die Umsetzung
dieser Ziele ausgerichtete Maßnahmen (Zielvereinbarungen), insbesondere zur Information und Beratung und 3. Kriterien für
Sofortmaßnahmen zur Einhaltung des vereinbarten Ausgabenvolumens innerhalb des laufenden Kalenderjahres.
Nach Abs.6 dieser Bestimmung vereinbaren die in Abs.1 genannten Vertragspartner zur Sicherstellung der vertragsärztlichen
Versorgung für das auf das Kalenderjahr bezogene Volumen der je Arzt verordneten Arznei- und Verbandmittel (Richtgrößenvolumen)
arztgruppenspezifische fallbezogene Richtgrößen als Durchschnittswerte unter Berücksichtigung der nach Abs.1 getroffenen Arzneimittelvereinbarung,
erstmals bis zum 31.3.2002.
Eine Richtgrößenvereinbarung (RGV) nach Maßgabe des § 84 Abs.6 SGB V wurde für das hier im Streit stehende Jahr 2002 (und für 2003) am 13.Mai 2002 getroffen. In deren § 3 ist das Verfahren bei
der Wirtschaftlichkeitsprüfung an Hand der Richtgrößen im Einzelnen geregelt. Nach § 5 RGV tritt diese zum 01.01.2002 in Kraft
und ersetzt die für das Kalenderjahr 2000 geltende Richtgrößenvereinbarung vom 31.07.2000.
Auf diese gesetzlichen und vertraglichen Grundlagen stützt sich die streitgegenständliche Prüfmaßnahme.
Das SG ist der Meinung, dass diese schon deswegen rechtswidrig sei, weil die Richtgrößenvereinbarung, mit der die der Prüfung zugrunde
liegenden Richtgrößen festgesetzt wurden, nicht ordnungsgemäß zustande gekommen sei und auch nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht
worden sei. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Bei der nach den vorgenannten Bestimmungen zu treffenden Richtgrößen-Vereinbarung
handelt es sich nach ihrem Rechtscharakter um eine gesamtvertragliche Regelung. Über die Bekanntgabe von auf der Ebene der
einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen geschlossen Gesamtverträgen enthält das Gesetz keine verbindlichen Vorgaben. Die
Klägerseite verweist auf § 18 der Satzung der KVB in der damals geltenden Fassung. Danach erfolgen Bekanntmachungen der Kassenärztlichen
Vereinigung Bayerns an die Allgemeinheit im Bayer. Staatsanzeiger, sonst im Bayer. Ärzteblatt oder durch Rundschreiben. Diese
Bestimmung findet auf Gesamtverträge keine Anwendung, denn bei Gesamtverträgen handelt es sich nicht um Bekanntmachungen der
Kassenärztlichen Vereinigung. Aber selbst wenn man diese Vorschrift für einschlägig hält, kann die Bekanntgabe, da sie sich
nicht an die Allgemeinheit richtet, sondern an die Mitglieder der Beigeladenen zu 1), also an die bayerischen Vertragsärzte,
im Bayer. Ärzteblatt - das war hier nicht der Fall - oder durch Rundschreiben erfolgen. Ein solches Rundschreiben haben die
bayerischen Vertragsärzte, und insbesondere auch der Kläger unter dem 2. Mai 2002 erhalten (vgl. Bl. 132 der beigezogenen
Akte mit dem Az.: L 12 B 795/06 KA ER). Zwar wurde in diesem Schreiben primär für die Teilnahme am Arzneimittelprogramm der Beigeladenen zu 1) geworben.
Auf Seite 2 findet sich aber ein Hinweis auf "neue verfeinerte Richtgrößen". Dort heißt es weiter, die neuen Richtgrößen seien
in sechs Altersklassen und 36 Fachgruppen untergliedert. Das automatische Herausrechnen von Praxisbesonderheiten laut Anlage
2 der Bundesempfehlung für Richtgrößen ermögliche dem Arzt zukünftig ein angstfreies Verordnen dieser "für unsere Patienten
so wichtigen Präparate". Sodann wird auf eine Anlage 1 mit genauen Erläuterungen verwiesen. In der Anlage 1 findet sich der
Berechnungsmodus für das Richtgrößenvolumen der jeweiligen Praxis. Danach sind die Patienten in Altersklassen von 0 bis 4,
5 bis 19, 20 bis 44, 45 bis 59, 60 bis 69 sowie über 70 Jahre aufgeteilt. In einer Tabelle ist für die vorgenannten 36 Arztgruppen
- der Kläger gehört zur Gruppe der hausärztlichen Internisten ohne Diabetes-Vereinbarung - die für die einzelnen Altersgruppen
jeweils sich ergebende Richtgröße genannt. Ferner findet sich eine Rechenvorschrift, nach der für die jeweilige Praxis anhand
der Richtgröße und Anzahl der Patienten jeder Altersgruppe das Richtgrößenvolumen für die Praxis exakt berechnet werden kann.
Mit diesen präzisen Angaben war es für jeden Arzt ein leichtes, das Richtgrößenvolumen seiner Praxis zu errechnen. Außerdem
waren im Rundschreiben E-Mail-Adressen und Hotlines der einzelnen Bezirksstellen der Beigeladenen zu 1) sowie ein Hinweis
auf deren Internetseite enthalten. Damit war dem Kläger, ebenso wie auch allen anderen Ärzten, sowohl die Existenz der Richtgrößen
als auch deren konkreter Umfang exakt bekannt gemacht. Der Senat sieht dies als eine ausreichende Bekanntgabe an und verweist
dazu auf seine Entscheidung vom 14.11.2007 (Az.: L 12 KA 275/05), bei der es um die Bekanntgabe von Strukturverträgen ging, die ebenfalls Gesamtvertragscharakter besitzen, und in der der
Senat die Meinung vertreten hatte, dass nicht die gleichen Anforderungen wie an eine Satzungsbestimmung für die Bekanntgabe
gelten. Die gegen dieses Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BSG nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss
vom 28. Oktober 2009, Az.: B 6 KA 21/08 B). Allerdings hat das BSG in diesem Beschluss die Frage, wie ein Gesamtvertrag zu publizieren sei, letztlich nicht entscheiden
müssen, da der "hier nur unterstellte" Verstoß der Kassenärztlichen Vereinigung gegen das Publikationsgebot von Rechtsnormen
(für formelle Bundesgesetze Art. 82 GG) zur Unwirksamkeit der Gesamtverträge geführt hätte, sodass überhaupt keine Grundlage für Honorarzahlungen aufgrund des Strukturvertrages
vorhanden gewesen wäre. Der Senat hat in seiner vorgenannten Entscheidung darüber hinaus auch festgestellt, dass die Gesamtverträge
auf der Internetseite der Beklagte eingesehen werden konnten (vgl. dazu auch BayVGH vom 17.03.2004, Az.: 22 CS 04.362; BAG
vom 10.02.2005, Az.: 2 AZR 584/03). So war es auch im vorliegenden Fall (vgl. Anl. 1a zum Rundschreiben vom 2. Mai 2002 (Bl. 134 d. Akte L 12 B 795/06 KA ER). Der Senat ist deshalb der Auffassung, dass die Richtgrößen mit dem Rundschreiben vom 2. Mai 2002 hinlänglich bekanntgemacht
wurden. Die Tatsache, dass die letzten Unterschriften unter die Richtgrößenvereinbarung erst am 13.05. gesetzt wurden, tut
dem keinen Abbruch. Tatsache ist, dass die Ärzte die für sie maßgeblichen Richtgrößen nach Erhalt des Rundschreibens vom 2.
Mai 2002 kannten bzw. kennen konnten.
Die Rechtmäßigkeit der Richtgrößenvereinbarung bzw. der auf dieser Basis festgesetzten Richtgrößen scheitert auch nicht daran,
dass die bayerischen Gesamtvertragsparteien die Richtgrößenvereinbarung nicht in der in § 84 Abs.6 SGB V festgesetzten Frist bis zum 31.03.2002 zustande gebracht haben, sondern erst im Mai 2002. Denn in Art. 3a ABAG ist ausdrücklich
geregelt, dass, wenn die Vereinbarungen nach 84 Abs.1 und 6 (hier Abs. 6) des SGB V bzw. Art. 3 § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 ABAG innerhalb der dort genannten Frist, (hier also bis zum 31.03.2002) ganz oder teilweise nicht zustande
kommen, das Schiedsamt gemäß § 89 SGB V den Vertragsinhalt innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten nach Fristablauf, also bis zum 31.05.2002 festsetzt. Zwar wurde
im vorliegenden Fall das Schiedsamt überhaupt nicht angerufen, doch haben die Parteien innerhalb der dem Schiedsamt gesetzten
Frist bis zum 31.05.2002 von sich aus eine einvernehmliche Regelung zustande gebracht. Dies hält der Senat für ausreichend,
denn auch bei Durchführung des Schiedsamtsverfahrens wäre eine während dessen Dauer getroffene einvernehmliche Regelung der
Gesamtvertragsparteien möglich gewesen, wodurch eine eigene Entscheidung des Schiedsamts überflüssig geworden wäre. Auch das
Schiedsamt wäre nach seiner Anrufung verpflichtet gewesen, auf eine Einigung der Vertragspartner hinzuwirken, wie aus § 13 Abs.2 der Schiedsamtsverordnung hergeleitet werden kann (vgl. KassKomm - Hess § 89 SGB V RdNr 9). Eine solche Vereinbarung ist vorliegend im Zeitrahmen des Art. 3a Satz 1 ABAG auch ohne Einschaltung des Schiedsamts erfolgt. Der Senat hält die so zustande gekommene Richtgrößenvereinbarung
sowie die festgesetzten Richtgrößen für wirksam.
Das Sozialgericht hat den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig erachtet, weil der Festsetzung von Richtgrößen im Mai eines
Jahres mit Wirkung für das ganze Jahr rückwirkender Charakter innewohne. Letzteres trifft zu. Das BSG hat in seinem Urteil
vom 02.11.2005 (Az.: B 6 KA 63/04 R), in dem unter anderem die Problematik von erst im Lauf des Jahres ihrer Gültigkeit festgesetzten Richtgrößen eingehend behandelt
wird, ausdrücklich festgestellt, dass im Fall einer erst im Laufe eines Jahres bekanntgemachten Richtgrößen-Vereinbarung -
bezogen auf den bereits verstrichenen Zeitraum des Jahres - ein Fall echter Rückwirkung bzw. ein Fall der Rückbewirkung von
Rechtsfolgen gegeben ist. Die Richtgrößensumme bewertet das Gesamtvolumen der in dem Jahr getätigten Verordnungen von Arznei-
bzw. Hilfsmitteln und erfasst dabei auch diejenigen Verordnungen, die der Arzt in dem bereits verstrichenen Jahresteil getätigt
hat. Die seit Jahresbeginn angestellten Einzelverordnungen erfahren nachträglich durch die neue Richtgröße eine neue Bewertung.
Die Verordnungen können sich je nach Bemessung der neuen Richtgröße im Rahmen der Jahresgesamtbewertung als richtgrößenwidrig
erweisen. Dem kann der Arzt nicht entgehen; er kann bereits vorgenommene Verordnungen nicht mehr im Nachhinein rückgängig
machen oder ändern. In der Einbeziehung bereits unabänderlich getätigter Verordnungen liegt demnach ein rückwirkender Eingriff
in einen der Vergangenheit angehörigen Sachverhalt (BSG aaO. Rdnr.47; Leitsatz 3). Das trifft im vorliegenden Fall für die
vom Kläger vor Erhalt des Rundschreibens vom 02.05.2002 getätigten Verordnungen zu. Auch von den Berufungsführern wird dies
im Grundsatz nicht bezweifelt (vgl. Schriftsatz der Beigeladenen zu 1) vom 25.05.2009, S. 3 Ziff. 3). Eine echte Rückwirkung
ist im Hinblick auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BSG
nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn die bisherige Rechtslage unklar, verworren oder lückenhaft war, und der Gesetzgeber
lediglich eine Klarstellung vorgenommen hat, wenn eine gerichtlich als rechtswidrig angesehene Regelung durch eine neue ersetzt
wird, wenn der Bürger nicht mit dem Fortbestand des bisherigen Regelungszustandes rechnen konnte, wenn überragende Belange
des Gemeinwohls deren Beseitigung erforderlich machen oder wenn die Neuregelung nur einen marginalen Eingriff darstellt (BSG
aaO. Rn. 51 m.w.N.). Das BSG hat in dem von ihm zu entscheidenden Fall, bei dem es um eine Richtgrößenprüfung des Jahres 1998
in Berlin gegangen war, keinen dieser Ausnahmetatbestände für gegeben angesehen.
Dieser Bewertung schließt sich der Senat an, sieht aber im vorliegenden Fall insofern eine wesentliche Abweichung, als der
Kläger, ebenso wie die bayerischen Ärzte insgesamt, nicht mit dem Fortbestand des bisherigen Regelungszustandes rechnen konnte.
Die zu 1) beigeladene KVB hatte bereits mit Schreiben vom 20.08.2001, gerichtet an alle Ärzte in Bayern, mitgeteilt, dass
sich der neue Vorstand der Beigeladenen als Ziel gesetzt habe, so schnell wie möglich eine neue Richtgrößen-Vereinbarung auf
den Weg zu bringen. Für das Jahr 2002 strebe man Richtgrößen an, die das Alter der Patienten und weitere versorgungsrelevante
Komponenten besser als bisher berücksichtigten. Genau dies ist mit den ab 01.01.2002 gültigen neuen Richtgrößen geschehen.
Hinzu kommt, dass in Bayern auch vor dem Jahr 2002 Richtgrößen existierten, die wie im Folgenden noch dazulegen sein wird,
insbesondere für den Kläger nicht günstiger waren als die ab dem 01.01.2002 geltenden Richtgrößen. Das ABAG, mit dem die bis
dahin geltende kollektive Haftung der Vertragsärzte für die Einhaltung der Arzneimittelbudgets abgeschafft wurde, und mit
dessen Art. 3 der § 84 SGB V die hier einschlägige Form erhalten hat, wurde bereits am 21.12.2001 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, so dass mit einer
Änderung der bisher geltenden Richtgrößen zu rechnen war, an denen sich der Kläger im Übrigen auch nicht orientiert hat, da
er das sich nach den alten Richtgrößen errechnende Richtgrößenvolumen nicht nur um 49,33 %, sondern um 53,16 % überschritten
hätte. Auch hat er, nachdem ihm im Mai 2002 die neuen Richtgrößen für das Jahr 2002 mitgeteilt worden waren, sein Verordnungsverhalten
nicht geändert, sondern auch in den Quartalen 3 und 4/02 und im Jahr 2003 überdurchschnittlich viel verordnet, worauf vom
Beigeladenen zu 4 unwidersprochen hingewiesen wurde. Auf die in der mündlichen Verhandlung gestellte Frage, ob sich der Kläger
an Richtgrößen orientiert habe bzw. orientiere, hat er geantwortet, er orientiere sich nicht an Richtgrößen, sondern am Behandlungsbedarf
seiner Patienten. Der Unterschied zwischen dem Jahr 2002 und den vorausgegangenen Jahren liegt weniger in der Ausgestaltung
und der Höhe der neuen Richtgrößen als vielmehr darin, dass in Bayern vor dem Jahr 2002 Prüfungen des Verordnungsverhaltens
anhand der Richtgrößen nicht durchgeführt wurden, obgleich dies nach § 106 Abs. 1 SGB V auch schon vor dem Jahr 2002 möglich gewesen wäre und in anderen KÄV-Bezirken auch geschehen ist (vgl. BSG, aaO.). Ein Vertrauensschutz
darauf, dass die Prüfinstanzen von verschiedenen nach dem Gesetz zur Verfügung stehenden Prüfmethoden die "weniger strenge"
bzw. für den speziellen Arzt günstigere Prüfmethode anwenden, besteht nicht. Hier gilt dasselbe, wie im Prüfverfahren, wo
es den Prüfinstanzen unbenommen ist, aufgrund besserer Erkenntnis in früheren Quartalen anerkannte Praxisbesonderheiten später
nicht mehr anzuerkennen bzw. die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis tiefer zu legen. Das BSG hat sich in seinem wiederholt
zitierten Grundsatzurteil (Urteil vom 02.11.2005, Az.: B 6 KA 63/04 R, Rn. 52) mit den möglichen Ausnahmen vom Verbot der echten Rückwirkung beschäftigt und dazu ausgeführt, von den Ausnahmen
sei in der Praxis am wichtigsten der Fall, dass der Bürger nicht mit dem Fortbestand des bisherigen Regelungszustandes rechnen
konnte. Weiter heißt es, "mit Blick auf die Vorgabe, Richtgrößen bereits zu Beginn des Kalenderjahres zu vereinbaren und bekannt
zu machen, brauche ein Vertragsarzt nach Jahresbeginn aber grundsätzlich nicht mehr mit der Festlegung neuer Richtgrößen für
den schon abgelaufenen Teil des Jahres zu rechnen" und weiter in einem Klammerzusatz "- Ausnahmen lediglich in Art. 17 GKV-SolG und in § 84 Abs. 6 Satz 1 aE SGB V idF des ABAG, jeweils mit Fristen bis zum 31. März für die Vereinbarungen für 1999 und 2002, s in Art. 3a ABAG auch die auf
zwei Monate verkürzte Schiedsamtsfrist". Offenbar sieht das BSG in der Übergangsregelung des Art. 3 § 1 Abs. 1 Satz 1 und
Art. 3a Satz 2 enthaltenen gesetzlichen Regelungen eine - zulässige - Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Richtgrößen jeweils
im vorangegangenen Jahr feststehen müssen und den Ärzten bekannt sein müssen. Die Frage, ob durch ein einfaches Gesetz das
mit Verfassungsrang ausgestattete Rückwirkungsverbot eingeschränkt oder modifiziert werden kann, stellte sich für das BSG
nicht, da es in dessen Entscheidung um das Jahr 1998 ging, für das es keine Übergangsregelungen des Inhaltes gab, dass die
Richtgrößen auch noch im Laufe des Jahres festgelegt werden können. Damit kam das BSG zu dem Ergebnis, dass die im dortigen
Fall vorgenommene Richtgrößenprüfung des Jahres 1998 eine unzulässige echte Rückwirkung beinhaltete mit der Folge, dass die
im Laufe des Jahres festgesetzten Richtgrößen erst ab diesem Zeitpunkt Gültigkeit erlangen (in diesem Sinne auch Beschluss
des erkennenden Senats vom 14.08.2006, Az.: L 12 B 795/06 KA ER, bei dem es um die Aussetzung bzw. Durchführung des Vollzugs des hier streitgegenständlichen Regressbescheids ging).
Aber selbst wenn man - ungeachtet der dargelegten Besonderheiten der Richtgrößenprüfung im Jahr 2002 - zu dem Ergebnis käme,
dass die möglichen Ausnahmen vom Verbot einer echten Rückwirkung nicht vorlägen, ist die rückwirkende Inkraftsetzung von Richtgrößen
nur insoweit rechtswidrig, als die neuen Richtgrößen die Rechtsposition der Vertragsärzte verschlechtern. Sofern keine Verschlechterung
eintritt, etwa wenn bereits im Vorjahr Richtgrößen mit gleichen oder engeren Vorgaben vereinbart waren, die einstweilen weiter
galten, stellten die neuen Richtgrößen keinen "Eingriff" dar und es fehlt an der Grundlage für die Annahme unzulässiger Rückwirkung.
Soweit also die neuen Richtgrößen keine Verschlechterung bedeuten, steht ihrer rückwirkenden Anwendung nichts entgegen. Weiter
führt das BSG dazu aus, die in diesem Sinne zulässigen neuen Richtgrößen würden nicht etwa von der Nichtigkeit einer teilweise
unzulässigen Rückwirkung miterfasst, da objektiv sinnvolle selbständige Teile einer ansonsten nichtigen Regelung bestehen
blieben. Das führe dann dazu, dass einige der neuen Richtgrößen für das gesamte Jahr gelten, dass aber diejenigen, die niedrigerer
als die vorjährigen liegen, erst nach ihrer Bekanntmachung wirken und die Lücke im ersten Teil des Jahres durch die Weitergeltung
der vorjährigen Richtgrößen abgedeckt werden kann. Soweit danach im Verlauf eines Jahres unterschiedliche Richtgrößen maßgebend
seien, sei für die Prüfung das Richtgrößenvolumen als zeitanteiliger Mischwert zu errechnen. Eine solche Vorgehensweise führe
nicht zu einer Beeinträchtigung des schutzwürdigen Vertrauens der Vertragsärzte, da diese in jedem Zeitabschnitt an den jeweils
geltenden Richtgrößen sich orientieren konnten (BSG, aaO. Rn. 55). Eine Lösung des vom BSG zu entscheidenden Falles auf dieser
Grundlage war allerdings nicht möglich, da im dortigen KV-Bezirk Berlin im Vorjahr (1997) noch keine Richtgrößen bestanden
hatten, so dass auch eine Weitergeltung nicht in Betracht kam.
Anders ist es im hier zu entscheidenden Fall. In Bayern waren für den vorangegangenen Zeitraum der Jahre 2000 und 2001 Richtgrößen
vereinbart worden, so dass eine Richtgrößenprüfung auf dem vom BSG vorgezeigten Weg durchaus möglich wäre. Dem steht nicht
entgegen, dass die Richtgrößen der Jahre 2000 und 2001 von den Vertragsparteien zum 31.12.2001 gekündigt worden waren, im
Hinblick auf die zu erwartende gesetzliche Neuregelung der Richtgrößenprüfung zum Ausgleich für die Abschaffung der bis dahin
bestehenden Kollektivhaftung für die Überschreitung der Arzneimittelbudgets. Das bedeutet indessen nicht, dass zwischen dem
31.12.2001 und der Vereinbarung der neuen Richtgrößen im Mai 2005 ein "richtgrößenfreier" Zustand bestanden hätte, der den
Ärzten mehr oder weniger freie Hand bei den Verordnungen eingeräumt hätte. Vielmehr gilt hier der Grundsatz des § 89 Abs. 1 Satz 4 SGB V, wonach bei Kündigung bzw. Auslaufen eines Vertrages und vor Inkrafttreten eines neuen Vertrages bzw. Inkraftsetzen eines
solchen durch das Schiedsamt der alte Vertrag weiter gilt. Dies muss nach der Auffassung des Senats auch für die Vereinbarung
von Richtgrößen gelten, und zwar auch dann, wenn wie im vorliegenden Fall das Schiedsamt letztlich nicht tätig zu werden brauchte,
weil die Parteien sich innerhalb der dem Schiedsamt zur Entscheidung zur Verfügung stehenden Frist selber geeinigt haben.
Diese Auffassung trägt dem Willen des Gesetzgebers Rechnung, wonach ein vertragsloser Zustand wegen fehlender Einigung auf
einen neuen Vertrag nicht bestehen soll. Damit erscheint eine Prüfung an Hand eines als zeitanteiliger Mischwert berechneten
Richtgrößenvolumens (s. BSG aaO. Rn.55) trotz des Jährlichkeitsprinzips (§ 106 Abs.2 Satz 5 SGB V) nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
Letztlich braucht diese Frage im vorliegenden Fall nicht geklärt zu werden, weil die Prüfinstanzen, insbesondere der Beklagte,
dessen Entscheidung allein Gegenstand dieses Verfahrens ist, eine Prüfung anhand von "Misch-Richtgrößen" nicht durchgeführt
haben, ebenso wenig wie eine Durchschnittswertprüfung, die im Jahr 2002 gem. § 106 Abs. 2 Satz 2 SGB V a.F. möglich gewesen wäre. Dazu bestand aber auch keine Notwendigkeit, da die neu vereinbarten Richtgrößen im Allgemeinen
für die Vertragsärzte in Bayern keine Verschlechterung gebracht haben, und insbesondere auch nicht für den Kläger des vorliegenden
Verfahrens. Ob in einzelnen anderen Fällen bzw. bei einzelnen der in den neuen Richtgrößen festgesetzten 36 Vergleichsgruppen
eine (eventuell auch nur teilweise) "Verschärfung" eingetreten ist, wurde im vorliegenden Rechtsstreit von keinem der Beteiligten
mitgeteilt. Der Senat brauchte dieser Frage, und insbesondere auch der Frage, welche Auswirkungen dies auf eine Richtgrößenprüfung
hätte, bzw. in welcher Weise diese durchzuführen wäre, nicht nachzugehen, da im Fall des hiesigen Klägers eine Verschlechterung
durch die neuen Richtgrößen nicht erkennbar ist.
Insgesamt wurde den Richtgrößen 2002/2003 nach Mitteilung der Beigeladenen zu 1 ein Ausgangsvolumen von 3.003.776.941,25 EUR
zugrunde gelegt. Rechnet man zur Vergleichbarkeit der Daten die Kosten für die in Anlage 2 der Empfehlung zu Richtgrößen vom
21.02.2000 mit Ergänzungen Stand 08.12.2000 und Stand 25.09.2001 genannten Wirkstoffe (besondere Arzneimittel, die nicht in
den Richtgrößen enthalten sind) in Höhe von 274.914.970,91 EUR heraus, verbleibt ein Volumen von 2.728.861.970,34 EUR, das
im Vergleich zu den Richtgrößen für die Jahre 2000/2001 mit 2.681.842.924,71 EUR ein deutlich größeres Ausgangsvolumen ergibt.
Für den Senat bestand keine Veranlassung an der Richtigkeit dieser Daten zu zweifeln, die zudem von Klägerseite nicht substantiiert
in Frage gestellt wurden. Das SG verweist in seinem Urteil auf eine Passage des Rundschreibens der Beigeladenen zu 1) vom 2. Mai 2002, wo es unter anderem
heißt, durch den Rahmenvertrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen vom 31.01.2002
sei die Beigeladene zu 1) gegen ihren Willen dazu verpflichtet worden, die Höhe der Richtgrößen um 4,39 % gegenüber dem Niveau
von 2001 abzusenken, und schließt daraus, dass insgesamt ein geringeres Richtgrößenvolumen zur Verfügung gestanden hätte,
wodurch die bayerischen Ärzte schlechter gestellt worden seien. Diese Feststellung beruht insofern auf einem Missverständnis,
als das Rundschreiben nicht das für die Verordnungen tatsächlich zur Verfügung stehende Gesamtvolumen betraf, sondern das
Zielvereinbarungsvolumen gemäß Anlage 4 zu den Rahmenvorgaben gemäß § 84 Abs. 7 SGB V für das Jahr 2002 für die Inhalte von Arzneimittelvereinbarungen nach § 84 Abs. 1 SGB V der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mit den Bundesverbänden der Krankenkassen vom 31. Januar 2002.
Dass insgesamt für die Verordnungen im Jahr 2002 mehr Geld zur Verfügung stand als in den vorhergehenden Jahren führt allerdings
nicht zwangsläufig dazu, dass sich für alle Ärzte höhere Richtgrößenvolumina ergeben müssten. Vielmehr wurde entsprechend
den gesetzlichen Vorgaben in § 106 Abs. 6 Satz 2 SGB V die Berechnung der Richtgrößen für die einzelnen Praxen in der Weise neu geregelt, dass das Patientengut der jeweiligen Praxis
einer sehr viel feineren Altersunterteilung unterzogen wurde, als in den früheren Jahren, wo sich die Richtgrößen nach der
üblichen Einteilung von Versicherten, Mitversicherten und Rentnern richtete. Außerdem wird nicht auf die Arztgruppen im Sinne
der Prüfungsvereinbarung (bzw. der Weiterbildungsordnung) abgestellt, sondern eine fein differenzierte Unterteilung in insgesamt
36 Arztgruppen vorgenommen. Dabei ist es prinzipiell möglich, dass in einzelnen Untergruppen und bei entsprechender Alterstruktur
des Patientenklientels sich für einzelne Praxen ein niedrigeres Richtgrößenvolumen ergeben kann als nach den früheren Richtgrößen.
In einem solchen Fall kann sich die jahresbezogene Wirtschaftlichkeitsprüfung des Verordnungsverhaltens des Jahres 2002 unter
Zugrundelegung der erst im Mai 2002 bekanntgegebenen Richtgrößen im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot im Einzelfall als
rechtswidrig erweisen. So ist es aber beim hiesigen Kläger nicht. Diesem wurde vielmehr für das Jahr 2002 unter Berücksichtigung
der in Anlage 2 zur Richtgrößen-Vereinbarung genannten außerhalb des Richtgrößenvolumens zu verordnenden Arzneimittel ein
Richtgrößenvolumen in Höhe von 236.910,24 EUR zugebilligt. Unter Anwendung der Richtgrößen für 2000 und 2001 hätte sich nur
ein Richtgrößenvolumen von 230.974,69 EUR ergeben, das vom Kläger um 53,16 % überschritten worden wäre, während die Überschreitung
der Richtgrößen für 2002 nur 49,33 % beträgt. Eine Verschlechterung ist für den Kläger nur insofern eingetreten, als in Bayern
vor dem Jahr 2002 Richtgrößenprüfungen anhand der damals geltenden Richtgrößen nicht erfolgt sind. Vielmehr wurde die Methode
der arztbezogenen Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten gemäß § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V in der bis zum 31.12.2003 noch geltenden Fassung durchgeführt. Aus diesem Wechsel zwischen zwei Prüfmethoden, die nach der
gesetzlichen Regelung beide damals möglich waren, lässt sich für den Kläger keine geschützte Rechtsposition ableiten, die
der Prüfung nach den Richtgrößen entgegenstünde.
Die Prüfung wurde auch vom Beklagten in nicht zu beanstandender Weise ordnungsgemäß durchgeführt. Auf die im Widerspruchsverfahren
von Klägerseite gerügte fehlende Anhörung vor Erlass des Bescheides des Prüfungsausschusses sowie die Rüge, der Zulassungsausschuss
Mittelfranken sei für die Entscheidung nicht zuständig gewesen, der Vorsitzende sei nicht neutral gewesen, da er selber Vertragsarzt
sei, brauchte der Senat nicht einzugehen, denn Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist allein die Entscheidung des Beschwerdeausschusses
(ständige Rechtsprechung des BSG z.B. Beschluss vom 05.11.2003, Az: B 6 KA 58/03 B Rn 11 m.w.N.).
Gegen die Bildung der Richtgrößen anhand von 36 fein unterteilten Arztgruppen und der Unterteilung der Patientenklientel in
sechs Altersgruppen wurde von Klägerseite nichts vorgebracht. Dies entspricht sowohl den Vorgaben des § 84 Abs. 6 SGB V als auch der auf der Grundlage des § 84 Abs. 1 getroffenen Richtgrößenvereinbarung incl. Anlagen und den Vorgaben der auf Bundesebene geschlossenen Verträge, insbesondere
der Empfehlung zu Richtgrößen.
Der Kläger wurde bei der Ermittlung seines individuellen Richtgrößenvolumens zu Recht der Untergruppe der hausärztlichen Internisten
in ländlicher Umgebung ohne Teilnahme an der Diabetes-Vereinbarung zugeordnet. Die im Widerspruchsverfahren noch klägerischerseits
behauptete Teilnahme an der Diabetes-Vereinbarung trifft nicht zu. Dieses Argument wurde im Gerichtsverfahren auch nicht weiter
geltend gemacht. Auch wurde die Höhe der für diese Arztgruppe ermittelten Richtgrößen anhand der durchschnittlichen Verordnungskosten
des Jahres 2001 nicht in Frage gestellt. Die Klägerseite ist jedoch der Meinung, das Verordnungsvolumen des Klägers, das in
der Prüfung mit seinem Richtgrößenvolumen verglichen wurde, sei nicht ordnungsgemäß berechnet worden, da nur 96 % der Verordnungen
des Klägers erfasst worden seien. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Angabe des Prüfungsausschusses, auf die diese Argumentation
sich bezieht, bedeutet nicht, dass die fehlenden 4% nicht vom Kläger verordnet worden wären, sondern nur dass diese in der
den Prüfinstanzen vorliegenden, auf der Grundlage der von den Krankenkassen gemäß § 296 SGB V übermittelten Daten erstellten Liste nicht aufscheinen. Substantiierte Zweifel an der Richtigkeit der den Prüfgremien vorliegenden
Unterlagen wurden von klägerischer Seite, der Printimages aller vorhandenen Verordnungsblätter zur Verfügung gestellt wurden,
nicht vorgetragen bzw. vom Beklagten überzeugend ausgeräumt (z.B. angebliche Unlesbarkeit eines Rezeptes). Es ist dem Kläger
nicht gelungen, den Anscheinsbeweis, den die von den Krankenkassen elektronisch Verordnungsdaten begründen, durch konkrete
Tatsachen zu widerlegen, sodass auch keine weiteren Ermittlungen in dieser Richtung erfolgen mussten (BSG aaO. Rn 31). Selbst
wenn es sich bei den fehlenden 4% belegbarer Verordnungskosten insgesamt um fehlerhafte Zuordnungen handeln würde, wofür es
keine Hinweise gibt, und was auch klägerischerseits nicht substantiiert behauptet, sondern lediglich als Möglichkeit dargestellt
wurde, wäre damit die 5%-Marke, ab der das BSG einen Sicherheitsabschlag verlangt (aaO. Rn 33), nicht erreicht. Das BSG hat
in seinem Urteil vom 27.04.2005 (Az.: B 6 KA 1/04 R, Rn 25) ausgeführt, dass die Vorlage aller Originalbelege bzw. Printimages des betroffenen Quartals nicht Voraussetzung für
die Festsetzung eines Arzneikostenregresses wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise sei. Erst wenn der Arzt gegenüber den
Prüfgremien nachvollziehbar geltend mache, dass die ihm im Wege der elektronischen Datenübermittlung zugerechneten Arzneikosten
tatsächlich (auch) auf nicht von ihm ausgestellten Verordnungen beruhen, sind die Originalverordnungsblätter bzw. Printimages
möglichst vollständig beizuziehen (BSG aaO. Rn 29). Das ist im vorliegenden Fall geschehen, die Printimages lagen dem Kläger
vor. Ein substantiierter Vortrag dahingehend, dass es sich etwa um nicht von ihm getätigte Verordnungen gehandelt hätte, oder
dass Belege gefälscht oder verändert worden wären, ist nicht erfolgt. Gerügt hat der Kläger lediglich in einem Fall, dass
das Rezept nicht lesbar sei. Dem hat der Ausschuss zu Recht entgegengehalten, dass die Lesbarkeit für die Apotheke habe gegeben
sein müssen, da sonst das Rezept nicht zur Abrechnung gelangt wäre (im Übrigen handelt es sich dabei um einen zu vernachlässigenden
geringen Betrag). Gleichwohl hat der Beklagte bei der Berücksichtigung der Praxisbesonderheiten des Klägers diese jeweils
auf 100 % hochgerechnet und damit praktisch einen Sicherheitsabschlag bei der Richtgrößenprüfung zugunsten des Klägers vorgenommen
(vgl. BSG aaO. Rn 28; BSG v. 16.07.2008, Az: B 6 KA 57/07 R). Der Senat ist der Meinung, dass bei einem Vorliegen von Einzelnachweisen zu 96 % der Verordnungen eine insbesondere im
Vergleich zur sog. Durchschnittswertprüfung überaus präzise und zuverlässige Prüfung möglich ist. Es besteht kein Grund für
die Annahme, dass sich durch die zusätzliche Erfassung der restlichen 4 % das Gesamtbild in rechtlich relevanter Weise ändern
würde.
Der Kläger hat eine Reihe von Praxisbesonderheiten geltend gemacht, wie etwa eine Vielzahl von Patienten mit Hypertonie, Allergien,
Asthmaerkrankungen, Schmerzpatienten, Hauterkrankungen und Diabetes. Abgesehen davon, dass diese Behauptung nicht sehr spezifisch
dargestellt wurde (Patientenlisten), und dass derartige Behandlungsfälle natürlich auch in anderen Arztpraxen vorkommen und
demnach für sich genommen keine Besonderheiten sind, ist bei der Richtgrößenprüfung zu bedenken, dass allein schon durch die
spezifische Vergleichsgruppenbildung der jeweiligen Praxisausrichtung sehr viel genauer Rechnung getragen wird, als in einem
allgemeinen Fachgruppenvergleich. So wird bereits durch die Unterteilung nach Altersgruppen mit unterschiedlichen Fallwerten
berücksichtigt, dass etwa Diabetes bei älteren Patienten häufiger auftritt als bei jüngeren, entsprechendes gilt für die Hypertonie,
Schmerzpatienten usw ... Hinzu kommt, dass bereits bei der Berechnung der Richtgrößen und der Erfassung der praxisbezogenen
Daten die Medikamente, die in der Anlage 2 der Bundesempfehlung zu Richtgrößen aufgeführt sind, automatisch berücksichtigt
werde (§ 2 Abs.2 RGV). Das betrifft insbesondere das Argument, dass die Praxis eine Vielzahl von sehr schweren Erkrankungen
habe, denn gerade die bei schweren Erkrankungen häufig im großen Maße erforderlichen sehr teuren Medikamente sind in dieser
Anlage 2 enthalten. Für eine (zusätzliche) Berücksichtigung dieser Präparate als durch Praxisbesonderheiten begründete Verordnungen
besteht damit keine Grundlage. Im Übrigen haben die Prüfgremien die in der Anl.3 der Empfehlung zu Richtgrößen aufgeführten
Indikationen und die dort genannten Medikamente und Heilmittel als Praxisbesonderheiten anerkannt und darüber hinaus die weiteren
in der Anl. 3a der in Bayern von der KVB und den Spitzenverbänden der Krankenkassen abgestimmten Liste aufgeführten Präparate.
Damit sind die vom Kläger geltend gemachten Praxisbesonderheiten weitest gehend berücksichtigt. Darüber hinaus hat der Beklagte,
wie aus der Bescheidsbegründung erkennbar ist, sich mit den vom Kläger geltend gemachten einzelnen Praxisbesonderheiten anhand
der Listen und Verordnungsblätter eingehend beschäftigt und hat im Hinblick auf den allergologischen Schwerpunkt der Praxis
Oralvac sowie einige vom Kläger nicht korrekt gekennzeichnete Impfungen zusätzlich als Praxisbesonderheit anerkannt. Für die
Anerkennung weiterer Praxisbesonderheiten sah der Beklagte, dem insoweit ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum
zusteht, keine Veranlassung. Der fachkundig besetzte Senat sieht keinen Grund, diese Bewertung in Frage zu stellen. Auch von
Seiten des Klägers wurde dagegen keine fallbezogen medizinischen Argumente vorgetragen.
Der Beklagte hat - wie bereits der Prüfungsausschuss - die Kosten für die in den Anlagen 3 und 3a aufgeführten Verordnungen
nicht im vollen Umfang als durch Praxisbesonderheiten gerechtfertigt anerkannt und vom Verordnungsvolumen des Klägers in Abzug
gebracht, sondern nur insoweit, als der Verordnungsumfang für diese Mittel beim Kläger über den durchschnittlichen Verordnungsumfang
in der Arztgruppe (Subgruppe), der der Kläger angehört, hinausging. Dies ist nicht zu beanstanden. Die Klägerseite ist zwar
der Auffassung, dass die Verordnungen nach Anlagen 3 und 3a in vollem Umfang als Praxisbesonderheit berücksichtigt werden
müssten. Dem kann indessen nicht gefolgt werden, denn eine Praxisbesonderheit ist nur das, was von der durchschnittlichen
Vergleichsgruppenpraxis abweicht. Die entsprechenden Medikamente sind somit nur insofern Ausfluss einer Praxisbesonderheit,
als sie über den in den anderen Praxen anfallenden Verordnungsumfang hinausgehen und nicht ihrerseits unwirtschaftlich sind,
etwa bei der Verordnung teuerer Originalpräparate an Stelle preisgünstigerer Generika. Eine volle Berücksichtigung wäre auch
deswegen nicht gerechtfertigt, weil die in Anlagen 3 und 3a aufgeführten Mittel anders als die in Anlage 2 genannten bei der
Bildung der Richtgrößen mitberücksichtigt wurden und damit in das dem Kläger zur Verfügung stehende Richtgrößenvolumen, an
Hand dessen seine Wirtschaftlichkeit geprüft wird, eingeflossen sind. Wollte man die genannten Verordnungen im vollen Umfang
als Praxisbesonderheit anerkennen, würden sie - bis zur Höhe des Vergleichsgruppendurchschnitts - dem Kläger zweimal zugestanden.
Zur Bezifferung des sich vor diesem Hintergrund als durch Praxisbesonderheiten ergebenden Mehraufwands wurde für alle vom
Kläger verordneten Präparate nach Anlagen 3 und 3a der prozentuale Anteil an den Gesamtverordnungskosten errechnet und dem
entsprechenden Wert der Vergleichsgruppenärzte gegenübergestellt. Ging der prozentuale Anteil über den in der Vergleichsgruppe
hinaus, wurde die Differenz als Mehrbedarf festgestellt. Da die über dem Vergleichsgruppendurchschnitt liegenden Verordnungen
nach Anlagen 3 und 3a zwar grundsätzlich als durch Praxisbesonderheiten bedingt gelten, aber nicht auszuschließen ist, dass
auch und gerade hier unnötig teuere Mittel verordnet werden, haben die Prüfgremien diese Verordnungen des Klägers zu Indikationssubgruppen
zusammengefasst und in einem zweiten Prüfschritt bei allen Präparaten der Anlagen 3 und 3a die durchschnittlichen Kosten pro
Verordnung in der Praxis des Klägers mit den durchschnittlichen Kosten pro Verordnung in der Vergleichsgruppe verglichen und
- wenn höher - auf den Vergleichsgruppenwert je Verordnung zuzüglich 20 % reduziert. Der tatsächliche oder der reduzierte
Verordnungswert des jeweiligen Präparates wurde mit der Verordnungshäufigkeit multipliziert und das Produkt als durch Praxisbesonderheit
gerechtfertigter Mehrbedarf anerkannt. Dadurch ergab sich im Jahr 2002 ein Mehrbedarf von 26.839,46 EURO, der vom Verordnungsvolumen
des Klägers abgezogen wurde. Der Senat geht davon aus, dass damit die Praxisbesonderheiten des Klägers aus dem Bereich der
Anlagen 3 und 3a ausreichend berücksichtigt wurden.
Soweit der Beschwerdeausschuss weitere Medikamente als die in Anlagen 3 und 3a aufgeführten im Zusammenhang mit der Behandlung
von Allergien als Praxisbesonderheit zusätzlich berücksichtigt hat, wurden diese vom zu prüfenden Verordnungsvolumen des Klägers
voll abgezogen. Dasselbe gilt für die zusätzlich als Praxisbesonderheiten anerkannten Impfungen. Im Übrigen wurden alle Praxisbesonderheiten
im Hinblick darauf, dass nur für 96 % der Verordnungen Einzeldaten vorliegen, zu Gunsten des Klägers von 96 % auf 100 % hochgerechnet
(s.o.).
Nach Abzug der als Praxisbesonderheit berücksichtigten Verordnungen und der Impfstoffe verblieb ein bereinigtes Verordnungsvolumen
des Klägers in Höhe von 323.832,43 EUR, das um 36,69 % über dem ihm nach Richtgrößen-Vereinbarung zugeordneten Richtgrößenvolumen
2002 von 236.910,24 EUR lag. Nach § 106 Abs. 5a Satz 4 SGB V hat bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % der Vertragsarzt den sich aus der Überschreitung des
Prüfungsvolumens nach § 106 Abs. 5a Satz 1 SGB V (Richtgrößenvolumen plus 15 %) ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten
begründet ist. Damit war das um die Praxisbesonderheiten bereinigte Verordnungsvolumen des Klägers durch Regress auf den Betrag
zu reduzieren, der nur mehr um 15 % über dem Richtgrößenvolumen lag. Dies ergab einen Bruttoregressbetrag in Höhe von 51.385,66
EUR. Von diesem wurden 6 % Apothekenrabatt abgezogen, ferner die anteiligen Zuzahlungen der Patienten (§ 3 Abs.9 RGV) und
ein weiterer Betrag von 2.110,66 EUR wegen eines im Jahr 2002 bereits wegen fehlender Verordnungsfähigkeit des Medikaments
bestandskräftig verhängten Regresses. Es verblieb damit letztlich ein Restregress in Höhe von 40.734,70 EUR für das gesamte
Jahr 2002, wie der Beklagte zutreffend festgestellt hat.
Der Senat hat eine grundsätzliche Bedeutung dieses Verfahrens angenommen, weil eine höchstrichterliche Entscheidung zur Richtgrößenprüfung
für einen Zeitraum nach Inkrafttreten des ABAG bislang nicht vorliegt, und deshalb die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
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