Rechtmäßigkeit der Entziehung einer Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen
Tätigkeit
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Bescheid vom 04.03.2013, mit dem dem Kläger die Zulassung wegen Nichtausübung
seiner vertragsärztlichen Tätigkeit entzogen wurde, rechtmäßig ist.
Der Kläger ist als Facharzt für Chirurgie seit 24.06.2006 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und seit 01.10.2006
niedergelassen. Sein Vertragsarztsitz befindet sich in A-Stadt.
Der Kläger rechnete in den Quartalen 4/2006 bis 1/2009 zwischen 4 und 22 Scheine pro Quartal ab, wobei die Einreichung der
Abrechnung nicht immer fristgerecht erfolgte, und im Zeitraum 3/2009 bis 2/2012 insgesamt 21 Scheine. Auch hier erfolgten
die Abrechnungen überwiegend in nachfolgenden Quartalen.
Mit Schreiben vom 22.06.2012 beantragte die beigeladene KVB beim Zulassungsausschuss, dem Kläger die Zulassung zu entziehen.
Die Mitarbeiter der KVB hätten mehrfach mit dem Kläger Kontakt aufgenommen und ihn an die Erfüllung seiner vertragsärztlichen
Pflichten erinnert. Mit Schreiben vom 19.12.2011 sei der Kläger auch darauf hingewiesen worden, dass die Nichtausübung der
vertragsärztlichen Tätigkeit mit seinem Status als Vertragsarzt nicht vereinbar sei und ggf. zum Verlust seiner Zulassung
führen könne. Der Kläger sei über lange Zeitspannen auch nicht unter der angegebenen Praxisnummer telefonisch erreichbar gewesen.
In der Sitzung des Zulassungsausschusses am 18.07.2012 gab der Kläger u.a. an, dass sein vertragsärztlicher Tätigkeitsumfang
sich auf Beratungen zu geplanten Operationen belaufen habe. 13 abgerechnete Scheine pro Quartal würden seine Praxis widerspiegeln.
Die vertragsärztliche Tätigkeit sei nicht seine Existenzgrundlage, sondern der Verdienst seiner Frau. Ein Praxisschild mit
seinem Namen sei vorhanden, jedoch stünden keine Sprechstundenzeiten darauf. In einer Nebenbeschäftigung würde er sich in
der Wirbelsäulenchirurgie im Krankenhaus weiterbilden. Er sei mit 20 Stunden pro Woche festangestellt, jedoch sei er teilweise
auch in Vollzeit tätig. Er habe die Nebentätigkeit im Krankenhaus W-Stadt seit 2005 in Vollzeit und ab 2012 in Teilzeit ausgeübt.
Die Zulassung habe er als Rückabsicherung behalten.
Der Zulassungsausschuss (ZA) entzog dem Kläger mit Beschluss vom 18.07.2012 (Bescheid vom 24.10.2012) die Zulassung wegen
Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit. Nach Auffassung des ZA lasse der Kläger nicht den Willen erkennen, kontinuierlich
und in erforderlichem Maße an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen. Auch auf Grundlage der Aussagen des Klägers
in der mündlichen Verhandlung komme der ZA zu der Entscheidung, dass der Kläger seine vertragsärztliche Tätigkeit überhaupt
nicht ausübe. Auch sei dem Kläger die Zulassung wegen Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten zu entziehen.
Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Widerspruch ein. Der Beklagte bestimmte den Termin zur mündlichen Verhandlung auf
den 31.01.2013. Mit Telefax vom 24.01.2013 beantragte der Klägervertreter, den Termin zu vertagen, da er am 23.01.2013 beim
Zulassungsausschuss das Ruhen der klägerischen Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung bis 30.06.2013 beantragt habe.
Als Grund wurden ein verzögerter Praxisumbau sowie die Vorbereitung einer Kooperation mit neuem Standort angegeben. Es sei
davon auszugehen, dass spätestens am 30.06.2013 die chirurgische Praxistätigkeit wieder aufgenommen werde. Die Ablehnung des
Antrags auf Ruhen der vertragsärztlichen Zulassung wurde am 27.02.2015 durch die Klagerücknahme in der mündlichen Verhandlung
bestandskräftig.
Der Beklagte lehnte mit Beschluss vom 31.01.2013 den Antrag auf Vertagung des Verfahrens ab und wies den Widerspruch des Klägers
zurück (Bescheid vom 04.03.2013). Zur Begründung führte er aus, dass die Voraussetzungen der Zulassungsentziehung objektiv
erfüllt seien. Der Kläger habe in den vergangenen 12 Quartalen lediglich 21 Scheine eingereicht. Zwar hätte der Zulassungsausschuss
auch ohne einen Antrag des Klägers das Ruhen der Zulassung aussprechen können. Eine entsprechende Entscheidung würde jedoch
voraussetzen, dass die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit in angemessener Frist zu erwarten sei. Dies sei jedoch nicht
der Fall gewesen. Auch könne der Kläger nicht, wie eine Nachfrage am 31.01.2013 ergeben habe, auf einen betriebsbereiten Praxissitz
verweisen. Im Übrigen sei aus seinen Äußerungen in der Sitzung des ZA am 18.07.2012 auch zu schließen, dass er nicht den Willen
zur kontinuierlichen Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung habe. Die bisherige Vertragsarztpraxis sei nicht in nennenswertem
Umfang vertragsärztlich betrieben worden.
Der Kläger erhob am 05.04.2013 Klage zum Sozialgericht München. Er sei der Auffassung, dass Ruhensgründe vorgelegen hätten,
die einer Zulassungsentziehung entgegenstünden.
Die beigeladene KVB teilte mit, dass der Kläger im Zeitraum vom 1.10.2006 bis 30.09.2011 seinen Fortbildungsverpflichtungen
nicht nachgekommen sei. Auch dieser gröbliche Pflichtenverstoß begründe den Zulassungsentzug.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 27.02.2015 ab. Der Kläger habe seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht ausgeübt. Anhaltspunkte,
dass er sie aufnehmen werde, gebe es nicht. Außerdem könne der Verstoß gegen die Fortbildungspflicht die Entziehung rechtfertigen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Ziel weiter, die bisherige Argumentation wiederholend.
Der Klägerbevollmächtigte stellt den Antrag aus dem Schreiben vom 30.07.2015.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und die beigezogenen Verwaltungsakten
des Beklagten und des Zulassungsausschusses verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 04.03.2013 (Beschluss vom 31.01.2013)
ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Entziehung der Zulassung des Klägers ist rechtmäßig, wie
das SG im Urteil vom 27.02.1015 zutreffend feststellte.
Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Bescheides ist §
95 Abs.
6 Satz 1
SGB V i.V.m. § 27 Ärzte-ZV. Gem. §
95 Abs.
6 Satz 1
SGB V ist die Zulassung zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt die vertragsärztliche
Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht mehr ausübt oder seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Diese Tatbestandsvoraussetzungen
sind erfüllt.
Bei der Entscheidung über die Zulassungsentziehung handelt es sich um eine gebundene Entscheidung (BSG, Urteil vom 17.10.2012, B 6 KA 49/11 R, Rn. 17 m.w.N.), die sich ausnahmslos nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung beurteilt
(BSG, ebenda, Leitsatz).
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Beschlusses des Beklagten am 31.01.2013 seine vertragsärztliche
Tätigkeit nicht ausübte. Unstreitig hat er im Zeitraum von Quartal 3/2009 bis zum Quartal 2/2012 lediglich insgesamt 21 Scheine
abgerechnet. Er hat somit in diesem Zeitraum nicht in nennenswertem Umfang an der vertragsärztlichen Versorgung teilgenommen.
Ebenso wenig hat er dies zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten getan. Dies ist auch vom Kläger nicht bestritten worden.
Die Entziehung der Zulassung ist auch verhältnismäßig. Ein Ruhen der Zulassung als mildere Entscheidung an Stelle der Entziehung
hat der Beklagte zu Recht nicht in Erwägung gezogen.
Der Kläger übte die vertragsärztliche Tätigkeit aufgrund der Zulassung vom 16.05.2006 nach den unbestrittenen Feststellungen
des Beklagten zu keinem Zeitpunkt aus, obwohl er aufgrund des Zulassungsbescheides verpflichtet war, die Tätigkeit innerhalb
von 3 Monaten ab Unanfechtbarkeit aufzunehmen, wie auch § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV vorsieht. Im Zusammenhang mit der Niederlassung ist zu keinem Zeitpunkt ein Ruhen beantragt worden. Damit lagen bereits zu
diesem Zeitpunkt (2006!) die Voraussetzungen für eine Entziehung der Zulassung nach §
95 Abs.
6 Satz 1
SGB V vor, wegen Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit. Nimmt ein Vertragsarzt rechtswidrig die Tätigkeit nicht auf, kann
er nicht nach mehreren Jahren das Ruhen dieser Zulassung beantragen, weil er angeblich die Tätigkeit in angemessener Zeit
aufnehmen werde, um einen Entzug der Zulassung zu verhindern.
Im Übrigen ist der Vortrag im Antrag auf Ruhen nicht hinreichend substantiiert und der Vortrag im Schreiben des Klägerbevollmächtigten
vom 12.11.2014 nicht entscheidungsrelevant, da er sich auf den Zeitraum ab Juni 2013 bezieht und damit auf einen Zeitraum
nach dem entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung am 31.01.2013.
Demgemäß war auch die Entscheidung über den Ruhensantrag des Klägers nicht vorgreiflich. Eine Vertagung war nicht erforderlich.
Außerdem liegt auch eine gröbliche vertragsärztliche Pflichtverletzung des Klägers vor, nämlich der Verstoß gegen die Fortbildungsverpflichtung
gem. §
95d Abs.
3 SGB V, der die Zulassungsentziehung ebenfalls begründet.
Ein Nachschieben von Gründen (Schriftsatz des Beklagten vom 25.08.2015) ist nach § 41 Abs. 2 SGB X bis zur letzten Tatsacheninstanz möglich, wenn wie bei der Zulassungsentziehung eine gebundene Entscheidung vorliegt. Darauf,
dass dieser Sachverhalt dem Beklagten zum Zeitpunkt seiner Entscheidung offensichtlich nicht bekannt war, kommt es nicht an
(zum Prüfungsumfang des Gerichts bei Zulassungsentziehungen vgl. BSG, Urteil vom 19.07.2006, Az. B 6 KA 1/06 R, Rn. 14).
Die streitgegenständliche Zulassungsentziehung ist deshalb nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung basiert auf §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
154 Abs.
2 VwGO.
Die Revision war nicht zuzulassen.