Gründe
Gegenstand des Verfahrens ist das Rechtsanwaltshonorar nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdegegner und Anschlussbeschwerdeführer (Beschwerdegegner) nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von
Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse als Beschwerdeführer und Anschlussbeschwerdegegner (Beschwerdeführer) zusteht.
Streitig ist allein, ob und in welcher Höhe die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist.
Im zugrundeliegenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Würzburg (SG) mit dem Aktenzeichen S 16 AS 621/13 begehrte der Kläger die Aufhebung eines Bescheides über die Feststellung und Geltendmachung eines Ersatzanspruchs nach dem
Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Am 13.11.2013 erhob der Kläger über seinen Bevollmächtigten, den Beschwerdegegner, Klage und beantragte PKH. Diesem Antrag
wurde in der mündlichen Verhandlung mit gerichtlichem Beschluss vom 03.04.2014 ab Antragstellung entsprochen und der Beschwerdegegner
beigeordnet. Das Verfahren endete am 03.04.2014 mit dem Abschluss eines Vergleiches. Zugleich erklärte sich der Beklagte bereit,
1/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu übernehmen.
Da der Beschwerdegegner den Kläger bereits in dem dem vorgenannten Ausgangsverfahren vorausgehenden Vorverfahren vertreten
hatte, erstattete der Beklagte aufgrund der vergleichsweisen Kostenregelung an den Beschwerdegegner 103,13 Euro als Gebühr
für das Vorverfahren (Kostenfestsetzungsbeschluss des SG vom 04.06.2014). In seiner Kostenaufstellung für das Widerspruchsverfahren hatte der Beschwerdegegner eine Geschäftsgebühr
nach Nr. 2400 VV RVG in Höhe von 240,00 Euro zugrunde gelegt. Dem Kläger selbst war für das Widerspruchsverfahren Beratungshilfe bewilligt worden,
so dass gegenüber dem Kläger lediglich einen Anspruch auf die Beratungshilfegebühr der Nr. 2500 VV RVG (aF) im Umfang von 10,- Euro bestand. Weitere Zahlungen hatte der Beschwerdegegner für das Widerspruchsverfahren nicht erhalten.
Mit Kostennote vom 11.04.2014 beantragte der Beschwerdegegner die Festsetzung der PKH-Vergütung gegen die Staatskasse in Höhe
von insgesamt 1.468,52 Euro. Dabei setzte er unter anderem eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 300,- Euro an, ohne dabei eine Geschäftsgebühr in Anrechnung zu bringen.
Mit Beschluss vom 29.08.2014 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Würzburg die Vergütung des Beschwerdegegners
auf insgesamt 1.218,62 Euro fest. Dabei rechnete er auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 300,- Euro nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG einen Betrag von 120,- Euro an.
Am 04.09.2014 legte der Beschwerdegegner gegen die Festsetzung des Urkundsbeamten Erinnerung ein und wandte sich allein gegen
die Anrechnung. Hinsichtlich der Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2400 VV RVG (aF) sei eine Anrechnung auf die nachfolgende Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren nicht vorgesehen. Unter Hinweis
auf die Entscheidung des OLG Frankfurt vom 16.02.2012, Az. 4 WF 224/11, führte er aus, eine Anrechnung könne zudem allenfalls in dem Umfang stattfinden, als die Gebühr auch tatsächlich gezahlt
worden sei.
Das SG hat der Erinnerung mit Beschluss vom 29. September 2014 teilweise stattgegeben und die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung
auf 1.313,82 Euro festgesetzt. Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr in Höhe von 120,- Euro sei mangels
tatsächlicher Zahlung in dieser Höhe unzulässig; anzurechnen sei lediglich eine Geschäftsgebühr in Höhe von 40,- Euro. Hierfür
spreche zum einen der Wortlaut der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG (in der seit dem 01.08.2013 geltenden Fassung). Dass aber nur tatsächlich geleistete Zahlungen anzurechnen seien, ergebe
sich u.a. aus § 55 Abs. 5 Satz 3, 4 RVG. Der nach dieser Vorschrift erforderlichen Angabepflicht von Zahlungen durch den Rechtsanwalt bedürfe es nicht, wenn die
Gebührenanrechnung unabhängig davon erfolgen müsse, ob solche Zahlungen überhaupt geflossen seien. Zudem sei die Anrechnung
der Geschäftsgebühr in fiktiver Höhe unabhängig von der tatsächlichen Zahlung nicht mit der sich aus § 15a Abs. 1 RVG für den Rechtsanwalt ergebenden Wahlfreiheit, welche Gebühr er in voller Höhe fordern will und welche er dann infolge der
Deckelung durch die Höchstsumme infolge der Anrechnung nur beschränkt verlangt, zu vereinbaren. Diese Wahlfreiheit würde missachtet,
wenn in jedem Falle eine volle Anrechnung der Geschäftsgebühr erfolgen würde. Hieraus ergebe sich, dass auf die Verfahrensgebühr
gemäß Nr. 3102 VV RVG im vorliegenden Fall lediglich eine Geschäftsgebühr in Höhe von 40,- Euro anzurechnen sei, da tatsächlich nur eine außergerichtliche
Geschäftsgebühr in Höhe von 80,- Euro an den Erinnerungsführer gezahlt worden sei. Damit errechne sich die im Tenor festgesetzte
Gebührenhöhe von 1.313,82 Euro.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 16.10.2014 Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) erhoben. Ziel der
Anrechnung nach § 15a RVG sei, dass der Rechtsanwalt wegen Synergieeffekten bei der Klage durch Vorbefassung mit dem Vorverfahren insgesamt für beide
Verfahren nicht mehr als den um den nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG ermittelten Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag an Gebühren erhalte. Dies seien vorliegend insgesamt 420,- Euro und
nicht - wie dem SG-Beschluss zu entnehmen sei - 240,- Euro für das Vorverfahren zuzüglich 260,- Euro (300,- Euro abzüglich 40,- Euro) für das
Klageverfahren, mithin 500,- Euro. Unter Verweis auf einen Beschluss des SG Würzburg vom 25.02.205, S 14 SF 152/14, führte der Beschwerdeführer aus, der Gesetzgeber habe mit der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG im sozialgerichtlichen Verfahren eine Anrechnungsregel geschaffen, die das anwaltliche Wahlrecht einschränke und die Anrechnung
der (halben) Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr ausdrücklich vorschreibe. Es sei daher vorliegend von der Verfahrensgebühr
der Anrechnungsbetrag in Höhe von 120,- € abzuziehen.
Mit seiner Anschlussbeschwerde macht der Beschwerdegegner geltend, für das Vorverfahren sei das RVG in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung anzuwenden. Nach der Vorbemerkung 3 zu Teil 3 des Kostenverzeichnisses RVG aF sei lediglich eine Anrechnung der Geschäftsgebühren nach den Nrn. 2300 - 2303 VV RVG zur Hälfte vorgesehen, nicht jedoch eine Anrechnung der Geschäftsgebühr der Ziffern 2400 ff. VV RVG aF. Da die Auftragserteilung für das Vorverfahren vor dem 01.08.2013 erfolgt sei, sei nach § 60 RVG auch nur das RVG in der bis dahin geltenden Fassung anzuwenden. Soweit aber - was bestritten werde - eine Anrechnung erfolgen solle, komme
allenfalls der tatsächlich gezahlte Betrag zum Tragen.
Im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens sowie des Erinnerungsverfahrens mit dem Aktenzeichen
S 13 SF 126/14 E und die Akten mit den Aktenzeichen S 16 AS 621/13 verwiesen.
II.
Sowohl die Beschwerde als auch die Anschlussbeschwerde haben keinen Erfolg.
Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerden ist zwar prinzipiell der Einzelrichter (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG). Jedoch entscheidet wegen grundsätzlicher Bedeutung der hier vorliegenden Angelegenheit gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG der Senat als Gesamtspruchkörper.
Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall die Regelungen des RVG in der ab 01.08.2013 geltenden Fassung gemäß dem Zweiten Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (Zweites Kostenrechtsmodernisierungsgesetz
- 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl S. 2586, 2681 ff.). Denn der unbedingte Auftrag i.S.v. § 60 Abs. 1 RVG für das Klageverfahren ist dem Beschwerdegegner nach dem 31.07.2013 erteilt worden.
1. Die Beschwerden sind zulässig.
Die Beschwerde ist statthaft, da sie vom SG zugelassen wurde, § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG. Die Beschwerde ist auch fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG eingelegt worden.
Soweit der Beschwerdegegner vorliegend beantragt hat, seine Vergütung höher als geschehen festzusetzen, ist dies als (unselbstständige)
Anschlussbeschwerde zu werten. Die (unselbständige) Anschlussbeschwerde ist rechtsweg- und rechtsgebietübergreifend entsprechend
§
567 Zivilprozessordnung statthaft (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders.,
SGG, 12. Aufl. 2017, vor §
172, Rdnr. 4a mwN). Weder muss eine Beschwerdefrist eingehalten werden noch ist eine Beschwer erforderlich noch muss eine Beschwerdesumme
erreicht sein (vgl. Heßler, in: Zöller,
ZPO, 31. Aufl. 2016, §
567, Rdnr. 59). Da die Anschlussbeschwerde vom Schicksal der Hauptbeschwerde abhängig ist und die Wirkung verliert, wenn diese
zurückgenommen wird, muss zum Zeitpunkt der Entscheidung die zulässige Beschwerde aber noch anhängig sein.
Dies ist vorliegend der Fall.
2. Beschwerde und Anschlussbeschwerde sind aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss zu
Recht entschieden, dass im Rahmen der Kostenfestsetzung nach § 55 RVG eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG nur in Höhe des Zahlbetrages zu berücksichtigen ist.
Allein streitentscheidend ist, ob das SG zu Recht die für die Vertretung des Klägers im Vorverfahren unbestritten entstandene Geschäftsgebühr gem. Nr. 2400 VV RVG auf die für die Vertretung im Klageverfahren zu zahlende Verfahrensgebühr gem. Nr. 3102 VV RVG angerechnet hat.
a) Der Senat folgt zunächst nicht der Auffassung des Beschwerdegegners, eine Anrechnung habe deshalb nicht zu erfolgen, weil
die Geschäftsgebühr (Nr. 2400 VV RVG) nach dem RVG in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung entstanden ist, während sich die Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG) nach der ab dem 01.08.2013 geltenden Rechtslage richtet. Denn sowohl nach der alten als auch nach der neuen Rechtslage wurde
die Vorbefassung des Rechtsanwalts im Vorverfahren berücksichtigt. Grund für die Anrechnung ist, dass beide Gebühren in einem
bestimmten Umfang dieselbe Tätigkeit (z.B. die Informationsbeschaffung) entgelten. Die Anrechnung will verhindern, dass der
Rechtsanwalt für die betreffende Tätigkeit doppelt entlohnt wird. Nach der bis zum 31.07.2013 geltenden Rechtslage betrug
die Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG für Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG), 20,00 bis 320,00 Euro (statt 40,00 bis 460,00 Euro), wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der
Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren vorausgegangen war. Die Verfahrensgebühr bemaß sich demnach
von vornherein bei Vorbefassung nach einem eigenständigen (verminderten) Gebührenrahmen. Im Gegensatz dazu wurde zum 01.08.2013
durch das 2. KostRMoG die eine Art der Berücksichtigung einer Geschäftsgebühr für ein Vorverfahren (indirekte Anrechnung durch
verminderte Rahmengebühr, vgl. Motive zum 2. KostRMoG zu VV Vorb. 3 zu Abs. 4, Bt-Drs 17/11471, 274) durch eine andere Anrechnungslösung
nach Abs. 4 der Vorbemerkung 3 VV RVG auf die Verfahrensgebühr nach dem RVG in der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung ersetzt. Die Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG sieht keine Übergangsvorschrift für Fälle vor, bei denen die Geschäftsgebühr vor und die Verfahrensgebühr nach Inkrafttreten
der Rechtsänderung zum 01.08.2013 entstanden sind. Daraus ergibt sich, dass für diese Fälle grundsätzlich eine Anrechnung
nach der neuen Rechtslage zu erfolgen hat, auch wenn die Geschäftsgebühr noch nach dem RVG aF abgerechnet wurde. Nur so kann dem Gesetzeszweck entsprechend eine doppelte Entlohnung des Rechtsanwalts vermieden werden.
b) Die Vergütung des Beschwerdegegners nach § 48 Abs. 1 Satz 1 RVG ist vom SG zutreffend auf 1.313,82 Euro festgesetzt worden. Der Kostenansatz durch den Urkundsbeamten des SG war zu niedrig.
aa) Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung von der Staatskasse, soweit
in Abschnitt 8 des RVG nichts anderes bestimmt ist.
Nicht im Streit steht, dass für die anwaltliche Vertretung im Klageverfahren dem Grunde nach folgende Gebühren und Auslagen
aus der Staatskasse zu vergüten sind:
Verfahrensgebühr gemäß
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Nr. 3102 VV RVG 300,00
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Euro Terminsgebühr gemäß
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Nr. 3106 VV RVG 420,00 Euro
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Einigungsgebühr gemäß
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Nr. 1006 VV RVG 300,00 Euro
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Post- und Telekommunikationsentgeltpauschale gemäß
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Nr. 7002 VV RVG 20,- Euro
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Pauschalen gemäß
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Nr. 7000 VV RVG 29,05 Euro
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Reisekosten gemäß
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Nr. 7003 VV RVG 59,00 Euro
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Tage- und Abwesenheitsgeld gemäß
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Nr. 7005 VV RVG 25,00 Euro
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zuzüglich 19% Umsatzsteuer gemäß
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Nr. 7008 VV RVG.
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Nicht im Streit steht auch, dass die Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG (aF) in Höhe von 240,- Euro durch die Tätigkeit des Beschwerdegegners für den Kläger in dem dem Klageverfahren vorangegangenen
Vorverfahren entstanden ist. Auf der Grundlage des zwischen den Beteiligten des Klageverfahrens geschlossenen Vergleichs über
eine sowohl das Vorverfahren als auch das Klageverfahren umfassende Kostenquote von 1/3 hat der Kläger einen Vergütungsanspruch
gegen den Beklagten als ersatzpflichtigen Dritten. Dementsprechend hat das SG mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 04.06.2013 gegenüber dem Beklagten für das Vorverfahren u.a. die zu erstattende Geschäftsgebühr
mit 80,- Euro festgesetzt. Der Beklagte hat diesen Betrag an den Beschwerdegegner bezahlt.
bb) Im Streit steht allein die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG. Die allgemeinen Vorschriften zur Gebührenanrechnung und damit auch die Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG gelten auch für die Vergütung des im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts durch die Staatskasse (BT-Drs.
16/12717, S. 59; OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.03.2012, - 4 WF 204/11, AGS 2012, 399 m.w.N.). Mit der neu gefassten Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG wurde nunmehr auch im sozialgerichtlichen Verfahren, in dem Betragsrahmengebühren entstehen, auf eine echte Anrechnungsregelung
umgestellt (vgl. auch z.B. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., Vorbemerkung 3 VV, Rdnr. 4). Nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG wird eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 VV RVG zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet, soweit sie wegen desselben Gegenstandes entsteht;
bei Betragsrahmengebühren beträgt der Anrechnungshöchstbetrag 175,00 EUR.
Dies ist hier der Fall. Der Beschwerdegegner hat den Kläger des Ausgangsverfahrens bereits in dem dem Klageverfahren vorangegangenen
Widerspruchsverfahren anwaltlich vertreten. Für diese Tätigkeit ist eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2400 VV RVG (aF) in Höhe von 240,- € entstanden. Weitere tatbestandliche Voraussetzungen kennt die Regelung der Vorbemerkung 3 Abs. 4
VV RVG nicht (so auch SG Marburg, Beschluss vom 15.03.2019, S 10 SF 54/17; im Ausgangspunkt auch SG Gießen, Beschluss vom 15.03.2018, S 23 SF 13/17 E unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.02.2017, L 19 AS 1408/16 B, Rdnr. 38, juris). Die Anrechnung tritt bereits mit der Entstehung der betroffenen Gebühren ein; auf die Erfüllung der
anwaltlichen Vergütungsforderung kommt es hierfür nicht an. Auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens ist vorliegend
demnach grundsätzlich ein Betrag von 120,00 € anzurechnen.
cc) Dies bedeutet aber nicht, dass die Verfahrensgebühr bei der Vergütungsfesetsetzung nach § 48 RVG in jedem Fall um den Anrechnungsbetrag zu kürzen ist, unabhängig davon, ob und in welcher Höhe Zahlungen geleistet wurden.
Anzurechnen auf die Verfahrensgebühr sind vielmehr nur tatsächlich geleistete Zahlungen auf die Geschäftsgebühr (BayLSG, Beschluss
vom 02.12.2015, L 15 SF 133/15; ebenso LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.12.2018, L 7 AS 4/17 B; Hessisches LSG, Beschluss vom 03.02.2015, L 2 AS 605/14 B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.01 2016, L 10 SB 57/15 B; a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.02.2017, L 19 AS 1408/16 B). Zwar wird in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG nicht die Zahlung, sondern lediglich die Entstehung der Geschäftsgebühr als Bedingung für die teilweise Anrechnung auf die
Verfahrensgebühr verlangt. Eine solche, allein auf den Wortlaut abstellende Auslegung der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG wäre aber weder mit dem weiteren, zentralen Regelungszweck von § 15a RVG, nämlich der vom Gesetzgeber intendierten Wahlfreiheit des Rechtsanwalts, noch mit weiteren Vorschriften des RVG in Einklang zu bringen. Hierzu hat das BayLSG mit Beschluss vom 02.12.2016, L 15 SF 133/15, ausgeführt:
a. Mit dem SG und dem Hessischen LSG (Beschluss vom 03.02.2015, a.a.O.) ist der Senat der Auffassung, dass eine Anrechnung ohne tatsächliche
Zahlung nicht mit § 15a Abs. 1 RVG zu vereinbaren ist.
§ 15a RVG ist durch Art. 7 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle
der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 in das RVG eingeführt worden als gesetzgeberische Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus den Jahren 2007/2008 (s.
Bundestagsdrucksache 16/12717, S. 58; vgl. z.B. Müller-Rabe, a.a.O., § 15a, Rdnr. 7, m.w.N.).
Da Abs. 2 der Vorschrift nicht zur Anwendung kommt (s. oben), ist zwingend § 15a Abs. 1 RVG zu berücksichtigen (vgl. SG Fulda, Beschluss vom 29.07.2014, Az.: S 4 SF 16/14 E - "tertium non datur").
Nicht vertretbar erscheint die - im Beschluss des SG Würzburg, Az.: S 14 SF 152/14 E, zum Ausdruck kommende - Auffassung, der Gesetzgeber habe in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG für sozialgerichtliche Verfahren eine besondere Anrechnungsregel geschaffen, welche die anwaltliche Wahlfreiheit hinsichtlich
der Anrechnung einschränke. Denn ein solches Verständnis der genannten Vorschriften ist mit der Systematik des RVG nicht in Einklang zu bringen. Während das RVG an verschiedenen Stellen - wie z.B. in der genannten Vorbemerkung - regelt, welche Gebühren aufeinander anzurechnen sind,
hat § 15a RVG die Funktion, zu regeln, welche Folgen eine solche Anrechnung im Innenverhältnis nach Abs. 1 (und im Verfahren zu ersatz-
oder erstattungspflichtigen Dritten im Sinne von Abs. 2) hat (vgl. z.B. Müller-Rabe, a.a.O., Rdnr. 8). Die genannte Vorbemerkung
kann also nicht als lex specialis gegenüber der Regelung des § 15a RVG verstanden werden; vielmehr handelt es sich insoweit um unterschiedliche Regelungsbereiche. § 15a RVG ist immer dann anwendbar, wenn der Anwalt mehrere Gebühren verdient hat und wenn das Gesetz eine Anrechnung der einen auf
eine andere Gebühr vorsieht (vgl. z.B. Hartmann, a.a.O., § 15a, Rdnr. 3).
§ 15a Abs. 1 RVG sieht jedoch ausdrücklich eine Wahlfreiheit des Rechtsanwalts hinsichtlich der Geltendmachung der Gebühren vor; dies ist
ausdrücklicher Regelungsgehalt der Vorschrift zur Vermeidung der durch die vorherige BGH-Rechtsprechung verursachten Folgen.
Insofern hat der Bundestags-Rechtsausschuss ausgeführt (Bundestagsdrucksache 16/12717, S. 58):
"Absatz 1 soll die Anrechnung im Innenverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Auftraggeber regeln. Die Vorschrift beschränkt
die Wirkung der Anrechnung auf den geringstmöglichen Eingriff in den Bestand der betroffenen Gebühren. Beide Gebührenansprüche
bleiben grundsätzlich unangetastet erhalten. Der Rechtsanwalt kann also beide Gebühren jeweils in voller Höhe geltend machen.
Er hat insbesondere die Wahl, welche Gebühr er fordert und - falls die Gebühren von verschiedenen Personen geschuldet werden
- welchen Schuldner er in Anspruch nimmt. Ihm ist lediglich verwehrt, insgesamt mehr als den Betrag zu verlangen, der sich
aus der Summe der beiden Gebühren nach Abzug des anzurechnenden Betrags ergibt. Soweit seine Forderung jenen Betrag überschreitet,
kann ihm der Auftraggeber die Anrechnung entgegenhalten. Mehr ist nicht erforderlich, um die Begrenzung des Vergütungsanspruchs
zu erreichen, die mit der Anrechnung bezweckt wird."
Entsprechend der Rechtsprechung des Hessischen LSG (a.a.O.) und des SG ist es folglich Zweck des § 15a Abs. 1 RVG, jedenfalls im Innenverhältnis von Auftraggeber und Rechtsanwalt dem Letzteren die volle Wahlfreiheit zu lassen, welche Gebühr
er in voller Höhe fordern will und welche er dann infolge der Deckelung durch die Höchstsumme infolge der Anrechnung nur beschränkt
verlangt.
Wie das SG Fulda in dem oben genannten Beschluss (a.a.O.) zutreffend darauf hingewiesen hat, träte jedoch dann genau das Ergebnis
ein, das der Gesetzgeber durch § 15a Abs. 1 RVG vermeiden hat wollen - nämlich ein von vornherein nur beschränkter Anspruch auf die um die Anrechnung reduzierte Verfahrensgebühr
-, wenn man einen Rechtsanwalt durch eine gegebenenfalls rein fiktive Anrechnung darauf verweisen würde, die Zahlung der Geschäftsgebühr
bei seinem Mandanten oder dem Prozessgegner zu erwirken. Da die Staatskasse an die Stelle des Auftraggebers tritt und, wie
dargelegt, nicht Dritter ist, betrifft die Entscheidung, von der Staatskasse zunächst die volle Verfahrensgebühr im Wege der
Vergütungsfestsetzung zu fordern, genau die Wahlfreiheit im Innenverhältnis, die durch § 15a Abs. 1 RVG gesichert wird (vgl. Müller-Rabe, a.a.O., § 58, Rdnr. 35 sowie § 15a, Rdnr. 12).
b. Dass eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nur dann vorgenommen werden kann, wenn die Geschäftsgebühr
auch gezahlt worden ist, ergibt sich zudem auch aus § 55 Abs. 5 Sätze 2 bis 4 RVG (vgl. Hessisches LSG, a.a.O., m.w.N.), die wie folgt lauten:
"Der Antrag hat die Erklärung zu enthalten, ob und welche Zahlungen der Rechtsanwalt bis zum Tag der Antragstellung erhalten
hat. Bei Zahlungen auf eine anzurechnende Gebühr sind diese Zahlungen, der Satz oder der Betrag der Gebühr und bei Wertgebühren
auch der zugrunde gelegte Wert anzugeben. Zahlungen, die der Rechtsanwalt nach der Antragstellung erhalten hat, hat er unverzüglich
anzuzeigen."
Durch diese Angaben sollen für die Festsetzung der Vergütung die Daten zur Verfügung gestellt werden, die zur Ermittlung benötigt
werden, in welchem Umfang die Zahlungen auf die anzurechnende Gebühr als Zahlung auf die festgesetzte Gebühr zu behandeln
sind (vgl. Begründung des Rechtsausschusses, Bundestagsdrucksache 16/12717, S. 59). Daraus wird ersichtlich, dass bei der
Kostenfestsetzung nur geleistete Zahlungen zu berücksichtigen sind, denn anderenfalls wäre eine Angabe, welche Zahlungen der
Rechtsanwalt empfangen hat, nicht zwingend erforderlich (vgl. Hessisches LSG, a.a.O., m.w.N.)."
Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.
dd) Für den hier zu entscheidenden Fall ergibt sich daher aus § 15a Abs. 1 RVG folgende Situation:
Der Beschwerdegegner könnte - abgesehen von der hier bewilligten Beratungshilfe - von seinem Auftraggeber, dem Kläger, nach
einem Rechtsstreit wie dem Klageverfahren sowohl eine Geschäftsgebühr in Höhe von 240,- Euro als auch eine Verfahrensgebühr
in Höhe von 300,- Euro verlangen. Es bliebe ihm auch unbenommen, beide Gebühren jeweils anteilig zu verlangen. Verwehrt ist
ihm lediglich, insgesamt einen Betrag von mehr als 420,- Euro zu verlangen.
Diese rechtliche Situation hat der Gesetzgeber in § 15a Abs. 2 RVG auf den Fall übertragen, dass nicht der Mandant des Rechtsanwalts, sondern ein Dritter als Kostenschuldner in Anspruch genommen
wird. § 15a Abs. 2 RVG findet im Verhältnis gegenüber der Staatskasse jedoch keine Anwendung, weil die Staatskasse, die nach § 45 Absatz 1 S. 1 RVG Gebührenschuldner wird, an die Stelle des Mandanten tritt und damit nicht "Dritter" i. S. d. § 15a Abs. 2 RVG ist (vgl. auch Hessisches LSG, a.a.O.; Hessischer VGH, Beschluss vom 27.06.2013, Az.: 6 E 600/13, 6 E 602/13, 6 E 601/13-, juris; Hansens, RVGreport 2015, 299 ff.; LSG NRW, Beschluss vom 04.012016 - L 10 SB 57/15 B -, Rn. 56, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.05.2013, Az.: 18 W 68/13, juris). Zwischen Staatskasse und Rechtsanwalt verbleibt es daher im Innenverhältnis bei der Regelung des § 15a Abs. 1 RVG.
Vorliegend sind dem Beschwerdegegner von dem Beklagten tatsächlich nur 80,- Euro zur Erfüllung seines Vergütungsanspruchs
auf eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG zugeflossen. Daher könnte er vom Kläger weiterhin eine Verfahrensgebühr in Höhe von 300,- Euro verlangen, ohne die Kappungsgrenze
von insgesamt 420,- Euro zu überschreiten. Die Durchsetzung dieses Anspruchs gegen die Kläger des Ausgangsverfahrens ist jedoch
nach §
73a Abs.
1 SGG i.V.m. §
122 Abs.
1 Nr.
3 Zivilprozessordnung (
ZPO) ausgeschlossen. An seine Stelle tritt der streitgegenständliche Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen
die Staatskasse aus § 45 RVG.
Einen höheren Betrag als die von dem Beklagten des Ausgangsverfahrens gezahlte Geschäftsgebühr von 80,00 € muss sich der Beschwerdegegner
bei der Vergütungsfestsetzung nicht in Ansatz bringen lassen. Dieser kann die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren
höchstens um 40,00 € mindern, weil das RVG maximal eine hälftige Anrechnung vorsieht. Soweit die anwaltliche Vergütungsforderung auf eine Geschäftsgebühr in Höhe von
160,- € bislang nicht erfüllt worden ist, wirkt sich der Anrechnungstatbestand dagegen im Ergebnis nicht aus. In diesem Fall
kann nach dem oben Gesagten vielmehr ein höherer Anteil der Verfahrensgebühr gefordert werden, solange der Gesamtbetrag von
420,00 € nicht erreicht wird. Andernfalls würde sich die Anrechnung wiederum zu Lasten des Klägers des Ausgangsverfahrens
auswirken, der dann als Auftraggeber des Rechtsanwalts auf einem größeren Teil der Kosten des Vorverfahrens "sitzen bleiben
würde". Genau dieses Ergebnis wollte der Gesetzgeber indes mit der Einfügung des § 15a RVG vermeiden (SG Marburg, Beschluss vom 15.03 2019, S 10 SF 54/17 E, juris).
Soweit beanstandet wird, dass bei einer Anrechnung nur der Hälfte der gezahlten Geschäftsgebühr aufgrund des Wahlrechts des
Rechtsanwalts, ob er wegen seiner Vergütung zuerst die erstattungspflichtige Gegenpartei oder die Staatskasse in Anspruch
nehmen will, es zu voneinander abweichenden Ergebnissen kommen kann (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. Februar
2017 - L 19 AS 1408/16 B, zitiert nach Juris), vermag dies nichts daran zu ändern, dass aufgrund der Vorschrift des § 15a Abs. 1 RVG jedenfalls im Innenverhältnis (Auftraggeber und Rechtsanwalt) dem letzteren die volle Wahlfreiheit gelassen wird, welche
Gebühr er in voller Höhe fordern will und welche er dann infolge der Deckelung durch die Höchstsumme infolge der Anrechnung
nur beschränkt verlangt (Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 01.11.2018, L 1 SF 1358/17 B, juris; Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26. Juli 2017, L 8 AS 640/15 B KO, juris; BayLSG, Beschluss vom 02.12.2015, L 15 SF 133/15).
Da der Beklagte vorliegend eine Geschäftsgebühr von 80,00 € gezahlt hat, ist diese gemäß Vorbemerkung zu Teil 3 Abs. 4 Satz
1 VV RVG zur Hälfte, demnach 40,- Euro, anzurechnen. Unter Zugrundelegung der übrigen unstreitigen Vergütungspositionen ergibt sich
sodann der vom SG festgesetzte Gesamtbetrag in Höhe von 1.313,82 Euro.
Beschwerde sowie Anschlussbeschwerde waren daher zurückzuweisen.
Nur vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass davon zu unterscheiden ist die - hier nicht relevante - Frage, inwieweit
der Beschwerdeführer den Beklagten nach § 59 Abs. 1 Satz 1 RVG in Regress nehmen kann. Hier muss maßgeblich sein, inwieweit der Kläger wegen der Vergütung des Beschwerdegegners einen Anspruch
gegen den Beklagten hat. Denn der Beklagte ist hier als am Mandatsverhältnis nicht Beteiligter Dritter i.S.d. § 15a Abs. 2 RVG. Sofern, wie hier, der Beklagte bereits entsprechend der vereinbarten Kostenquote die Gebühren aus dem Vorverfahren an den
Kläger bzw. Rechtsanwalt erstattet hat, kann er sich entsprechend § 15a Abs. 2 RVG auf die Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG berufen. Zur Berechnung der für das Klageverfahren angefallenen Gebühren ist sodann der Anrechnungsbetrag (hier 120,- Euro)
entsprechend der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG in Ansatz zu bringen, woraus sich insgesamt eine Vergütung für das Klageverfahren in Höhe von 1.218,62 Euro errechnet. Entsprechend
der Kostenquote verbleibt es bei einem Betrag von 406,21 Euro, den der Beklagte für das Klageverfahren an den Kläger schuldet.
Nur in dieser Höhe kann auch die Staatskasse einen Anspruch gegen den Beklagten aus § 59 RVG geltend machen.
Einer Entscheidung über die Kosten bedarf es nicht, weil das Verfahren über die Beschwerde gebührenfrei ist und Kosten nicht
erstattet werden, § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.
Der Beschluss ist unanfechtbar, eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).