Vergütung von Sachverständigen im sozialgerichtlichen Verfahren; Differenzierung zwischen ambulanten und stationären Bereich
Gründe:
I. In dem am Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) anhängigen Rechtsstreit M. R. gegen Zentrum Bayern Familie und Soziales mit
Az.: L 15 SB 124/09 ist Prof. Dr. G. mit Schreiben des BayLSG vom 26.11.2009 gebeten worden, einen schriftlichen Befundbericht durch Beantwortung
der in der Anlage beigefügten Fragen zu erstatten und den Befundbericht einfach zu übersenden.
Der Antragsteller (Ast) hat in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. G. bzw. für diesen den Befundbericht vom 07.02.2010 erstellt.
Die Fragen des BayLSG sind auf insgesamt vier Seiten beantwortet worden.
Hierfür hat der Ast mit Liquidation vom 03.03.2010 pauschal 300,- EUR in Rechnung gestellt.
Der Kostenbeamte des BayLSG hat mit Schreiben vom 17.03.2010 lediglich 96,40 EUR bewilligt, die sich wie folgt aufschlüsseln:
- Entschädigung für Auskunft nach Nr. 202/203 d. Anl. 2 zu § 10 Abs.1 JVEG
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75,00 EUR
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- Schreibgebühren
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16,50 EUR
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- Porto
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4,90 EUR
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96,40 EUR
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Der Ast hat mit E-Mail vom 06.05.2010 hervorgehoben, aufgrund des Umfanges der Auftragsarbeit und der detaillierten Aufarbeitung
seien 300,- EUR (6 Std. á 50,- EUR entsprechend der Honorargruppe M1 der Gebührenordnung) in Rechnung gestellt worden. Die
detaillierte Fragestellung habe es nicht erlaubt, nur einen üblichen zusammenfassenden Befundbericht zu erstellen, vielmehr
hätten die Fragen und die gewünschte Zusammenfassung der Krankengeschichte nur durch den vorliegenden Bericht adäquat beantwortet
werden können. Dies entspreche vom Umfang und Aufwand (Studium von zwei vollständigen stationären Krankenakten und einer Ambulanzakte)
einer gutachterlichen Zusammenfassung im Sinne einer einfachen gutachterlichen Beurteilung und sei deshalb mit 50,- EUR pro
Stunde in Rechnung zu stellen. Denn die Anforderung habe von Anfang an deutlich den für einen einfachen Befundbericht üblichen
Rahmen überstiegen. - Von den überwiesenen 96,40 EUR habe er seiner Sekretärin 36,- EUR für Schreibgebühren bezahlt. Bei verbleibenden
60,40 EUR errechne sich die Entschädigung bei 8 Seiten mit 7,55 EUR pro Seite, was nicht angemessen sei.
Der Kostenbeamte des BayLSG hat dem Anliegen des Ast nicht abgeholfen und den Vorgang dem 15. Senat des BayLSG als Kostensenat
zur Entscheidung vorgelegt. Von Seiten des 15. Senats in seiner Eigenschaft als Kostensenat sind die Streitakten L15 SB 124/09
beigezogen worden.
II. Die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder des Vorschusses erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen
Beschluss, wenn der Berechtigte die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält. - Der Antrag
vom 06.05.2010 per E-Mail ist unzulässig, da nicht dem gesetzlichen Gebot der Schriftform genügend. Hierauf kommt es jedoch
nicht an, weil der 15. Senat des BayLSG als Kostensenat auch ohne Antrag entscheiden kann (Beschluss des BayLSG vom 06.12.2007
- L 15 SF 79/07 R KO).
Die Entschädigung des Ast für den Befundbericht vom 07.02.2010 ist auf 96,40 EUR festzusetzen. Dem Ast steht keine höhere
Entschädigung zu als die bereits bewilligte.
Der Gesetzgeber hat in § 10 Abs. 1 JVEG ausdrücklich geregelt, soweit ein Sachverständiger oder ein sachverständiger Zeuge
Leistungen erbringt, die in der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG bezeichnet sind, bemisst sich das Honorar oder die Entschädigung
nach dieser Anlage.
In Abschnitt 2 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG ist ebenfalls ausdrücklich normiert, dass für ein Zeugnis über einen ärztlichen
Befund mit kurzer gutachterlichen Äußerung oder Formbogengutachten, wenn sich die Fragen auf Vorgeschichte, Angaben und Befund
beschränken und nur ein kurzes Gutachten erfordern, ein Honorar in Höhe von 38,- EUR zu bewilligen ist (Nr. 202 der Anlage
2 zu § 10 Abs. 1 JVEG).
Ist die Leistung der in Nr. 202 genannten Art außergewöhnlich umfangreich, beträgt das Honorar bis zu 75,- EUR (Nr. 203 der
Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG).
Entgegen den Angaben des Ast umfasst der Befundbericht vom 07.02.2010 nicht acht Seiten, sondern nur vier Seiten. In Berücksichtigung
des Beschlusses des BayLSG vom 19.09.2007 - L 3 U 239/06.Ko - ist hier von einem außergewöhnlich umfangreichen Befundbericht auszugehen, weil sich der von dem Ast gefertigte Befundbericht
vom 07.02.2010 trotz seines Umfanges von nur vier Seiten von einer hohen Qualität auszeichnet.
Der Kostenbeamte des BayLSG hat somit mit Schreiben vom 17.03.2010 bereits die gesetzlich höchstmöglich vorgesehene Entschädigung
bewilligt.
Nicht berücksichtigt werden kann, dass der Ast zwei vollständige stationäre Krankenakten und eine Ambulanzakte mit entsprechendem
Umfang und Zeitaufwand ausgewertet hat. Der 15. Senat des BayLSG als Kostensenat verkennt nicht, dass niedergelassene Ärzte
die Krankengeschichte ihrer Patienten vielfach präsent haben (z.B. in Form einer Karteikarte oder eines PC-Ausdruckes), Klinikärzte
wie der Ast jedoch erst die entsprechenden Krankenunterlagen sich wieder vergegenwärtigen müssen, bevor sie einen Befundbericht
erstellen. Der Gesetzgeber hat jedoch insoweit keine unterschiedliche Honorierung von Befundberichten im ambulanten und stationären
Bereich vorgesehen. Eine Honorierung entsprechend der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG (Honorargruppe M1 = 50,- EUR pro Std.) ist
daher nicht möglich.
Eine Ausnahme- oder Kulanzregelung in Berücksichtigung des von dem Ast tatsächlich erbrachten Aufwandes ist ebenfalls nicht
möglich; es fehlt an einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage.
Die Schreibgebühren sind gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 JVEG mit 0,75 EUR je angefangene 1000 Anschläge zu entschädigen. Ist die
Zahl der Anschläge wie hier nicht bekannt, ist diese mit ca. 21.300 Anschlägen zu schätzen = 16,50 EUR. In diesem Zusammenhang
kann nicht berücksichtigt werden, dass der Ast seiner Sekretärin 36,- EUR für den vierseitigen Befundbericht erstattet hat.
Die in § 12 Abs. 1 Nr. 3 JVEG vorgesehenen Sätze haben im Verhältnis zum BayLSG als auftraggegebendes Gericht Vorrang vor
einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen dem Ast und seiner Sekretärin.
An Porto sind 4,90 EUR zu erstatten, da aktenkundig der Befundbericht vom 07.02.2010 mit zwei Krankenunterlagen eingesandt
worden ist. Die Gesamtentschädigung beläuft sich somit auf 96,40 EUR.
Das BayLSG hat hierüber gemäß § 4 Abs. 7 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt, zumal sich der 15. Senat des BayLSG
als Kostensenat bereits mit Beschlüssen vom 10.07.2007 - L 15 SG 22/06.Ko und 19.09.2007 - L 3 U 239/06.Ko in dem nämlichen Sinne geäußert hat.
Die Entscheidung ist gemäß §
177 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) endgültig.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).