Entschädigung für die Wahrnehmung eines Untersuchungstermins im sozialgerichtlichen Verfahren; Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand nach Fristversäumnis
Gründe
I.
Streitig ist, ob der Antragstellerin für die Entschädigung wegen der Wahrnehmung eines Untersuchungstermins am 05.04.2012
Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) zu gewähren ist.
In dem am Bayerischen Landessozialgericht (Bayer. LSG) unter dem Aktenzeichen geführten Rechtsstreit wurde die Antragstellerin
am 05.04.2012 auf Anordnung des Gerichts durch Frau Dr. B. ärztlich begutachtet.
Mit Entschädigungsantrag vom 16.07.2012, bei Gericht eingegangen am folgenden Tag, hat die Antragstellerin beantragt, sie
für die Fahrt zum Begutachtungstermin zu entschädigen. Im Begleitschreiben hat sie darauf hingewiesen, dass sie die Frist
nicht habe einhalten können, da sie den Antrag von der Gutachterin erst am 14.07.2012 und damit zu spät erhalten habe; sie
bitte dies zu berücksichtigen. Auf dem von der Antragstellerin vorgelegten Antragsformular befindet sich ein von der Sachverständigen
unterzeichneter Zettel mit dem Hinweis "im Nachgang".
Auf Nachfrage des Gerichts hat die Gutachterin am 27.08.2012 mitgeteilt, dass sie den Entschädigungsantrag erst beim Diktat
des Gutachtens gefunden und ihn dann an die Antragstellerin gesandt habe. Die Antragstellerin hat auf die Anfrage des Gerichts,
ob sie über Nachweise einer erst im Juli erfolgten Zusendung des Entschädigungsantrags verfüge, mit Schreiben vom 23.08.2012,
bei Gericht eingegangen am 27.08.2012, den Briefumschlag vorgelegt, mit dem ihr der Entschädigungsantrag von der Sachverständigen
übersandt worden war. Der Briefumschlag war am 10.07.2012 abgestempelt worden.
II.
Der Antragstellerin ist Wiedereinsetzung zu gewähren.
Im vorliegenden Fall ist der Entschädigungsantrag zwar zu spät gestellt worden. Es liegen aber die Voraussetzungen für eine
Wiedereinsetzung vor.
1. Entschädigungsantrag zu spät gestellt
Die Antragstellerin hat den Entschädigungsanspruch für die Wahrnehmung des Untersuchungstermins am 05.04.2012 erst am 17.07.2012
und damit nach Ablauf der dreimonatigen Ausschlussfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG geltend gemacht.
2. Wiedereinsetzung
Der Antragstellerin ist Wiedereinsetzung zu gewähren, da - sie innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG einen Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft gemacht hat, - sich das Gericht bei weiteren, von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen
vom hinreichend wahrscheinlichen Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrunds überzeugt hat, - sie innerhalb der Zwei-Wochen-Frist
des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt und - sie innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG den Entschädigungsanspruch beziffert hat.
Ausgangspunkt für die Prüfung, ob Wiedereinsetzung zu gewähren ist, ist der von der Antragstellerin gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung.
Ohne einen derartigen Antrag könnte Wiedereinsetzung nicht gewährt werden, da § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG - anders als viele andere gesetzliche Regelungen, so z.B. auch §
67 Abs.
2 Satz 4
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) - eine Wiedereinsetzung nur auf Antrag, nicht aber von Amts wegen ermöglicht (vgl. Beschluss des Senats vom 01.08.2012,
Az.: L 15 SF 156/12).
2.1. Fristgerechte Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes
Ein Wiedereinsetzungsgrund ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG dann gegeben, wenn ein Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne Verschulden an der Einhaltung der Antragsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG gehindert war. Vom Antragsteller glaubhaft zu machen ist dabei neben dem Vorliegen des Hindernisses auch die Dauer des Hindernisses,
damit vom Gericht die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG überprüft werden kann.
Die Antragstellerin ist vorliegend diesen Anforderungen gerecht geworden. Sie hat Tatsachen angegeben und glaubhaft gemacht,
die erklären, warum sie an einem fristgerecht, d.h. innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG zu stellenden Entschädigungsantrag ohne Verschulden gehindert war und wie lange dieses Hindernis bestanden hat. Sie hat im
Schreiben vom 16.07.2012 mit der vorgetragenen verspäteten Zusendung des Antragsformulars durch die Sachverständige plausibel
und lebensnah einen Sachverhalt geschildert, der eine Wiedereinsetzung begründen kann, und dies durch die Beifügung des Notizzettels
der Gutachterin, auf dem diese vermerkt hatte "im Nachgang", untermauert. Damit hat sie einen den Anorderungen des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG gerecht werdenden Wiedereinsetzungsantrag gestellt.
Dieser Antrag samt Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsgrundes ist fristgerecht gestellt worden, da zwischen dem verspäteten
Erhalt des Antragsformulars und dem Eingang der Schreibens der Antragstellerin vom 16.07.2012 bei Gericht am 17.07.2012 weniger
als zwei Wochen liegen.
2.1.1. Zur verfassungsrechtlichen Problematik der Glaubhaftmachung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist
Der Senat legt die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG dahingehend aus, dass die Benennung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen innerhalb der Zwei-Wochen-Frist zu erfolgen
hat, die Anforderungen an deren Glaubhaftmachung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist aber nicht überspannt werden dürfen, um die
Regelung zur Wiedereinsetzung nicht ins Leere laufen zu lassen.
2.1.1.1. Zur Geltung der Zwei-Wochen-Frist
Der Senat geht davon aus, dass die Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG nicht nur für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrags und die Bezifferung des Anspruchs, sondern auch für die Glaubhaftmachung
der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen gilt. Damit ist er einer Meinung mit der maßgeblichen Kommentarliteratur zum
JVEG (vgl. Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Aufl. 2011, Rdnr. 2.5; Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl. 2012, § 2 JVEG, Rdnr. 17 - jeweils ohne Begründung). Dem liegen folgende Überlegungen zugrunde:
- Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG ist nicht eindeutig. Ob sich die Voraussetzung "innerhalb von zwei Wochen" neben der Stellung des Wiedereinsetzungsantrags
nur auf die Bezifferung des Anspruchs oder auch auf die Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen bezieht,
ist anhand der Formulierung im JVEG nicht zweifelsfrei zu bestimmen. Sprachlich sind beide Auslegungen denkbar.
Wenn demgegenüber Meyer (vgl. Meyer, Gerichtskostengesetz, 13. Aufl. 2012, § 68, Rdnr. 19) für den wie § 2 Abs. 2 JVEG ausgestalteten § 68 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (vgl. auch die Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 2 JVEG, Bundestags-Drucksache 15/1971, S. 179) einen eindeutigen Wortlaut dahingehend zu erkennen meint, dass die Glaubhaftmachung
"mit dem Antrag" (gemeint kann nur sein: innerhalb der Antragsfrist) zu erfolgen hat, kann sich der Senat dem nicht anschließen.
Rein sprachlich kann die Formulierung "innerhalb von zwei Wochen" entweder nur auf die erste Voraussetzung der Wiedereinsetzung
(Bezifferung des Anspruchs) oder auf beide Voraussetzungen (Bezifferung des Anspruchs und Glaubhaftmachung der Tatsachen)
bezogen werden. Eine sprachlich eindeutige Regelung in dem von Meyer gemeinten Sinn wäre nur dann gegeben, wenn der Gesetzgeber
formuliert hätte (notwendige Änderungen gegenüber dem geltenden Gesetzestext unterstrichen): "wenn er innerhalb von zwei Wochen
nach Beseitigung des Hindernisses sowohl den Anspruch beziffert als auch die Tatsachen glaubhaft macht, welche die Wiedereinsetzung
begründen". Dies ist aber nicht der Fall.
- Andere verfahrensrechtliche Regelungen zur Wiedereinsetzung (vgl. §
67 SGG, §
236 Zivilprozessordnung -
ZPO -, §
60 Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO -, § 56 Finanzgerichtsordnung - FGO -, §
45 Strafprozessordnung -
StPO -, § 27 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X -) sind nur eingeschränkt als Vergleichsmaßstab heranziehbar, da dort - anders als bei § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG - Wiedereinsetzung auch von Amts wegen gewährt werden kann. Wenn in diesen anderen Regelungen nur vorausgesetzt wird, dass
die versäumte Handlung innerhalb der Antragsfrist für die Wiedereinsetzung nachgeholt wird, die Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung
begründenden Tatsachen hingegen auch im Verfahren über den Antrag, also auch nach Ablauf der Antragsfrist erfolgen kann, lässt
dies nicht den Rückschluss zu, dass auch im Verfahren über die Wiedereinsetzung nach dem JVEG eine Glaubhaftmachung zu irgendeiner Zeit, also auch außerhalb der Antragsfrist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG ausreichend wäre. Denn die eingeschränkten zeitlichen Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Rahmen der Wiedereinsetzung
nach dem
SGG, der
ZPO, der
VwGO, der FGO, der
StPO und des SGB X sind der Tatsache geschuldet, dass dort das Gericht bei erfolgter Nachholung der versäumten Rechtshandlung innerhalb der
Wiedereinsetzungsfrist die Wiedereinsetzung von Amts wegen zu prüfen hat. Wenn schon eine Wiedereinsetzung auch ohne Antrag
zu prüfen ist, also in Fällen, in denen zunächst keinerlei Angaben des Betroffenen zur Fristversäumnis verlangt werden, wäre
es nicht vertretbar, bei Vorliegen eines Wiedereinsetzungsantrags an diesen die erhöhten Anforderungen einer fristgebundenen
Glaubhaftmachung der Tatsachen zu stellen.
Vielmehr legen die anders als im JVEG strukturierten Regelungen zur Wiedereinsetzung im
SGG, in der
ZPO, der
VwGO, der FGO, der
StPO und im SGB X den Schluss nahe, dass der Gesetzgeber mit der, weil die Wiedereinsetzung von Amts wegen nicht zulassenden, bewusst viel
höhere Anforderungen aufstellenden und strengeren Regelung im JVEG auch voraussetzt, dass die Glaubhaftmachung innerhalb der Antragsfrist für die Wiedereinsetzung erfolgt.
- Ein Formulierungsvergleich der Regelungen zur Wiedereinsetzung im JVEG einerseits und in den anderen aufgezeigten Gesetzen andererseits spricht eher dafür als dagegen, dass der Gesetzgeber eine
Glaubhaftmachung der Tatsachen innerhalb der Zwei-Wochen-Frist verlangen wollte. In letzteren Regelungen ist jeweils ausdrücklich
festgeschrieben, dass die Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen auch im Rahmen des Verfahrens über
den Wiedereinsetzungsantrag, also auch außerhalb der Antragsfrist für den Wiedereinsetzungsantrag erfolgen kann. Dies hätte
der Gesetzgeber - unbenommen des Unterschieds, dass das JVEG eine Wiedereinsetzung von Amts wegen nicht kennt - auch im JVEG regeln können, ohne das Ziel eines zügigen Abschlusses des Verfahrens über den Wiedereinsetzungsantrag zunichte zu machen.
Wenn der Gesetzgeber dies in § 2 Abs. 2 JVEG aber nicht entsprechend geregelt hat, spricht dies dafür, dass er eine Glaubhaftmachung zu irgendeinem Zeitpunkt im Laufe
des Verfahrens über den Wiedereinsetzungsantrag und damit auch außerhalb der Antragsfrist gerade nicht für ausreichend erachtet
hat.
- Sinn und Zweck der Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG deuten darauf hin, dass die Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen innerhalb der Zwei-Wochen-Frist
zu erfolgen hat. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber die Wiedereinsetzung auf Antragsfälle beschränkt und damit eine sonst
in vielen anderen Verfahrensordnungen mögliche Wiedereinsetzung von Amts wegen ausgeschlossen hat, zeigt, dass der Gesetzgeber
eine Wiedereinsetzung im Geltungsbereich des JVEG nur vergleichsweise eingeschränkt zulassen will. Dazu kommt eine vergleichweise kurze Antragsfrist von zwei Wochen, was ein
weiterer Beleg dafür ist, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Wiedereinsetzung im Bereich des JVEG streng zu handhaben ist und das Verfahren auf Wiedereinsetzung innerhalb kurzer Zeit durchführbar sein muss.
- Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Erfordernis der Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden
Tatsachen innerhalb der Zwei-Wochen-Frist kann der Senat nicht erkennen.
Mit der Einführung der Wiedereinsetzung durch richterlichen Beschluss in § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG - vor dem Inkrafttreten des JVEG hatte der Gesetzgeber in § 15 Abs. 2 Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEG) für die Entschädigung von Zeugen von seinem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum dahingehend Gebrauch gemacht, durch das
Setzen einer Ausschlussfrist ohne Fristverlängerungs- und Wiedereinsetzungsmöglichkeit (vgl. Meyer/Höver/Bach, ZuSEG, 22. Aufl. 2002, § 15, Rdnr. 4.2.) eine Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs nach Ablauf der Drei-Monats-Frist definitiv und ohne Ausnahmemöglichkeit
auszuschließen - hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des in Art.
19 Abs.
4 Grundgesetz (
GG) verankerten Justizgewährungsanspruchs und des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art.
103 Abs.
1 GG eröffnet. Verfassungsrechtlich gewährleistet ist damit das Recht auf Zugang zu den Gerichten und eine grundsätzlich umfassende
tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes sowie eine verbindliche Entscheidung durch den Richter. Die eröffnete
Rechtsschutzmöglichkeit darf weder faktisch ausgeschlossen noch in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender
Weise erschwert werden (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 26.04.2004, Az.: 1 BvR 1819/00). Die von der Rechtsordnung eröffnete Möglichkeit gerichtlichen Rechtsschutzes, wozu auch die gerichtliche Entscheidung über
den Wiedereinsetzungsantrag gehört, darf nicht durch eine rechtsschutzfeindliche Auslegung oder die praktische Handhabung
ineffektiv gemacht werden mit der Konsequenz, dass die Rechtsschutzmöglichkeit faktisch ins Leere laufen würde. Zur Effektivität
des Rechtsschutzes im Sinne von Art.
19 Abs.
4 GG gehört es auch, dass die Anrufung der Gerichte nicht unbillig erschwert wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.03.1988, Az.:
2 BvR 233/84). Das Bundesverfassungsgericht hat daher wiederholt darauf hingewiesen, dass die Anforderungen an die Gewährung von Wiedereinsetzung
nicht überspannt werden dürfen (vgl. Beschlüsse vom 03.06.1975, Az. 2 BvR 457/74, vom 15.04.1980, Az.: 2 BvR 461/79, und vom 26.04.2004, Az.: 1 BvR 1819/00)
Der Senat ist sich zwar bewusst, dass mit dem Erfordernis der Glaubhaftmachung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist eine doch erhebliche
Hürde für die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags aufgestellt wird, da bei einem juristischen Laien, wie er regelmäßig
in dem nicht einem Anwaltszwang unterliegenden Verfahren nach dem JVEG auftritt, nicht unbedingt zu erwarten ist, dass er schon bei der Stellung des Wiedereinsetzungsantrags entsprechende Beweismittel
beibringt. Die Gefahr, dass durch die Fristbindung die Möglichkeit auf Wiedereinsetzung in der Praxis letztlich ins Leere
laufen würde und damit der Justizgewährungsanspruch gemäß Art.
19 Abs.
4 GG und der Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art.
103 Abs.
1 GG nicht mehr gewährleistet würden, besteht aber bei verfassungskonformer Auslegung des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG nicht.
Dabei stützt sich der Senat auf die Ausführungen im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 09.07.1969, Az.: 2 BvR 753/68, und die dort getroffene Auslegung des §
45 StPO in der im Jahr 1968 gültigen Fassung. §
45 StPO a.F. war damals - ähnlich wie heute § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG, wenn auch klarer - wie folgt formuliert: "Das Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muß binnen einer Woche nach
Beseitigung des Hindernisses ... unter Angabe und Glaubhaftmachung der Versäumungsgründe angebracht werden". Diese Regelung
verlangte eindeutig, dass innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist auch die Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzungsgründe erfolgte.
Diese Regelung hat das Bundesverfassungsgericht im Prinzip nicht beanstandet, sondern lediglich vorgegeben, dass bei ihrer
Auslegung und Anwendung der Grundsatz zu beachten sei, dass die Anforderungen zur Erlangung der Wiedereinsetzung und damit
zur Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs nicht überspannt werden dürften, um einen Verstoß gegen Art.
103 Abs.
1 GG zu vermeiden. Insofern liegt es auch im Fall des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG nahe, die Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen innerhalb der Zwei-Wochen-Frist zu verlangen.
Verfassungsrecht steht einer Fristgebundenheit der Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen nicht
entgegen, sondern verlangt lediglich eine verfassungskonforme Auslegung des Begriffs der Glaubhaftmachung in diesem Zusammenhang
(vgl. dazu unten).
Zusammenfassend spricht daher mehr dafür als dagegen, dass der Gesetzgeber auch die Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung
begründenden Tatsachen der Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG unterwerfen wollte.
2.1.1.2. Zu den Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Rahmen der Darlegungslast des Antragstellers
Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung dürfen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht überspannt werden.
2.1.1.2.1. Zum Begriff der Glaubhaftmachung
Glaubhaftmachung im Sinne des §
294 ZPO bedeutet, dass nicht die beim Vollbeweis geforderte, an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gegeben sein muss, sondern
dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreicht (vgl. BSG, Beschluss vom 11.11.2003, Az.: B 2 U 293/03 B). Für die Glaubhaftmachung stehen gemäß §
294 Abs.
1 ZPO alle Beweismittel auch außerhalb des gerichtlichen Beweisverfahrens nach §§
355 ff
ZPO zur Verfügung; die Erhebung ist nicht an die Formen der
ZPO gebunden (vgl. Reichhold, in: Thomas/Putzo,
ZPO, 33. Aufl. 2012, §
294, Rdnr. 2). Den Beweiswert würdigt das Gericht frei. Auch eine schlüssige Darstellung des Sachverhalts kann genügen (vgl.
Bundesgerichtshof - BGH -, Beschluss vom 11.09.2003, Az.: IX ZB 37/03; anders wohl BGH, Beschluss vom 19.05.2011, Az.: V ZB 31/11, der den Eindruck vermittelt, dass eine schlüssige Behauptung nicht für die Glaubhaftmachung ausreicht).
Die vom Gesetzgeber vorgegebene Pflicht zur Glaubhaftmachung umfasst nach der (zivilgerichtlichen) Rechtsprechung (vgl. BGH,
Beschlüsse vom 26.09.1994, Az.: II ZB 9/94, und vom 11.9.2003, Az.: IX ZB 37/03) grundsätzlich auch die Verpflichtung für den Antragsteller, alle erforderlichen Tatsachen darzulegen und die notwendigen
Unterlagen vorzulegen.
2.1.1.2.2. Verfassungskonforme Auslegung des Begriffs der Glaubhaftmachung bei § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG
Der Gesetzgeber hat in § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG auf den ersten Blick eine sehr hohe Hürde für die Wiedereinsetzung dadurch aufgestellt, dass er - anders als bei anderen
gesetzlichen Regelungen zur Wiedereinsetzung - auch die fristgebundene Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden
Tatsachen verlangt. Die Gefahr, dass mit dieser Regelung viele Wiedereinsetzungsanträge schon deshalb erfolglos bleiben würden,
weil die Betroffenen innerhalb der kurzen Zwei-Wochen-Frist zwar die Wiedereinsetzung mit kurzer Begründung beantragen, aber
dafür keine Beweise im Sinne der Glaubhaftmachung vorlegen bzw. vorlegen können (vgl. Kleinknecht,
StPO, 33. Aufl. 1977, Rdnr. 4 - zur Problematik unter der Geltung des §
45 StPO a.F.), ist jedenfalls dann nicht von der Hand zu weisen, wenn die Anforderungen an die Glaubhaftmachung hoch angesetzt würden.
Denn die Lebenserfahrung zeigt, dass ein zwar rechtstreuer, aber rechtsunkundiger Bürger üblicherweise nur den zugrunde liegenden
Sachverhalt so weit schildern wird, dass es für das Gericht als Empfänger nachvollziehbar ist, warum dem Antragsteller aus
seiner Sicht Wiedereinsetzung zu gewähren ist. Oftmals nicht zu erwarten sein wird, dass er bereits weitergehende Beweismittel
vorlegt, die seinen Vortrag stützen.
Die zugrunde liegende Problematik war, wie bereits erläutert, in gleicher Weise bei der im Jahr 1968 gültigen Fassung der
StPO gegeben. Im oben genannten Beschluss vom 09.07.1969 hat das Bundesverfassungsgericht im Sinne einer verfassungskonformen
Auslegung verlangt, die Anforderungen zur Erlangung der Wiedereinsetzung und damit zur Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs
nicht zu überspannen. Das Erfordernis fristgerechter Glaubhaftmachung habe den Sinn, dem Gericht die Versäumungsgründe sogleich
wenigstens wahrscheinlich zu machen. Von der fristgerechten Glaubhaftmachung zu unterscheiden sei die Frage, ob das Gericht
bei der Sachprüfung - unter Umständen nach weiterer Beweiserhebung - einen Wiedereinsetzungsgrund tatsächlich für gegeben
halte. Ausreichend für die Glaubhaftmachung könne unter Umständen bereits die schlichte Erklärung des Betroffenen sein. Dies
habe jedenfalls dann zu gelten, wenn es sich um ausgesprochen naheliegende, der Lebenserfahrung entsprechende Wiedereinsetzungsgründe
handle und kein Anlass bestehe, an der Wahrscheinlichkeit des vorgebrachten Sachverhalts zu zweifeln.
Mit dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht aufgezeigt, dass an die Glaubhaftmachung nur geringe Anforderungen
gestellt werden dürfen, damit eine (noch) verfassungskonforme Auslegung des §
45 StPO a.F. möglich war. Im Übrigen hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung des §
45 StPO mit dem Ersten Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts vom 09.12.1974 (BGBl. I S. 3393, 3394) dem Umstand Rechnung getragen, dass nur bei sehr weiter Auslegung des Begriffs der Glaubhaftmachung §
45 StPO a.F. verfassungsrechtlich vertretbar war und die Regelung mit §
45 Abs.
2 StPO wie folgt neu gefasst: "Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag
glaubhaft zu machen." Seitdem ist im Strafprozessrecht die Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzungsgründe auch außerhalb der
Antragsfrist möglich. Warum der Gesetzgeber bis heute im Bereich des JVEG keine entsprechende Angleichung vorgenommen hat, ist nicht ersichtlich. Letztlich kann aber dahingestellt bleiben, ob es
nur an einem Anstoß wie der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung vom 09.07.1969 gefehlt hat oder ob es eine bewusste
gesetzgeberische Entscheidung war, das JVEG nicht anzugleichen. Denn jedenfalls gebietet es Verfassungsrecht, die Anforderungen an die Glaubhaftmachung nur niedrig aufzuhängen.
Um die vom Gesetzgeber in § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG vorgesehene Möglichkeit der Wiedereinsetzung nicht ins Leere laufen zu lassen, ist von einer Glaubhaftmachung daher schon
dann auszugehen, wenn ein Antragsteller im Rahmen seines Wiedereinsetzungsantrags plausibel einen nach der Lebenserfahrung
naheliegenden Sachverhalt darstellt, der eine Wiedereinsetzung begründet, und keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit
der Angaben bestehen.
2.1.1.3. Erforderliches Korrektiv bei der sehr antragstellerfreundlichen verfassungskonformen Auslegung des Begriffs der Glaubhaftmachung
Bei der verfassungsrechtlich gebotenen weiten Auslegung des Begriffs der Glaubhaftmachung genügt für die Glaubhaftmachung
im Rahmen der Darlegungslast schon allein der Vortrag eines schlüssigen und lebensnahen Sachverhalts durch den Antragsteller,
ohne dass dafür weitere Beweise vom Antragsteller verlangt werden können. Würde dies allein für die Wiedereinsetzung ausreichen,
wäre einer Manipulation Tür und Tor geöffnet. Denn ein Antragsteller könnte sich dadurch eine Wiedereinsetzung erschleichen,
dass er wahrheitswidrig, aber schlüssig einen lebensnahen Sachverhalt beschreibt, der - wenn er denn tatsächlich gegeben wäre
- eine Wiedereinsetzung begründen würde. Über den Vortrag eines schlüssigen und lebensnahen Sachverhalts durch den Antragsteller
hinaus wird daher in einem zweiten Schritt vom Gericht die Frage zu prüfen sein, ob es - möglicherweise erst nach weiterer
Sachprüfung - einen Wiedereinsetzungsgrund tatsächlich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 09.07.1969, Az.: 2 BvR 753/68). Dieser zweite Schritt unterfällt der Aufklärung durch das Gericht und belegt keine mangelhafte Glaubhaftmachung (vgl. Bayerisches
Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 20.10.1997, Az.: 3St RR 54/97).
2.1.2. Wiedereinsetzungsgrund
Die Antragstellerin war ohne ihr Verschulden gehindert, den Entschädigungsantrag innerhalb der Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG zu stellen.
Die Antragstellerin hat innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG mit ihrem Schreiben vom 16.07.2012 glaubhaft gemacht, dass sie erst durch den Erhalt des von der Sachverständigen verspätet
zugesandten Formulars des Entschädigungsantrags am 14.07.2012 Kenntnis von der Möglichkeit, Entschädigung für die Fahrt zur
Begutachtung zu bekommen, und der dabei einzuhaltenden Drei-Monats-Frist erlangt hat. Glaubhaft gemacht hat die Antragstellerin
das Hindernis für eine rechtzeitige Antragstellung und die Dauer dieses Hindernisses durch ihren schlüssigen Vortrag, dass
die Sachverständige ihr den Antrag zu spät zugeschickt und sie das Antragsformular erst am 14.07.2012 in ihrem Briefkasten
aufgefunden habe, durch den Hinweis auf den von der Sachverständigen auf dem Antragsformular angebrachten Zettel mit der Bemerkung
"im Nachgang" und durch die Vorlage dieses Zettels bei Gericht. Dies alles ist im Schreiben der Antragstellerin 16.07.2012,
das am 17.07.2012 und damit innerhalb der Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG bei Gericht eingegangen ist, erfolgt.
Nicht bei der im Rahmen der Darlegungslast der Antragstellerin zu erfolgenden Glaubhaftmachung berücksichtigt werden kann
der von der Antragstellerin am 27.08.2012 bei Gericht eingereichte Briefumschlag, mit dem ihr die Sachverständige das Antragsformular
verspätet, wie sich aus dem Poststempel ergibt, zugeschickt hat. Denn dieses Beweismittel ist erst nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist
des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG vorgelegt worden. Von Auswirkung auf die getroffene Entscheidung ist dies aber nicht, da die Antragstellerin bereits zuvor
fristgerecht den Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft gemacht hat.
Ein Verschulden an der Versäumung der Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG ist der Antragstellerin nicht vorzuwerfen. Ein Verschulden läge nur dann vor, wenn sie diejenige Sorgfalt nicht hätte walten
lassen, die einem gewissenhaften Prozessbeteiligten vernünftigerweise zuzumuten ist (vgl. BSG, Beschluss vom 31.03.1993, Az.: 13 RJ 9/92). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Insbesondere war die Antragstellerin - jedenfalls noch nicht drei Monate
nach der Begutachtung - nicht gehalten, sich beim Gericht oder bei der Sachverständigen nach der Entschädigungsmöglichkeit
und einer dabei einzuhaltenden Frist zu erkundigen.
Wenn das Bayer. Landessozialgericht in seinem Beschluss vom 24.05.2006, Az.: L 17 U 349/03.Ko, ausgeführt hat, dass es zu Lasten eines Antragstellers gehe, wenn ihm das Antragsformular nicht rechtzeitig zugesandt
worden sei, weil er aus der Beweisanordnung ersehen habe können, dass dem Sachverständigen ein Entschädigungsantrag für den
Antragsteller übersandt worden sei, und ihm das Verfahren auch aus der ersten Instanz bekannt sei, kann der Senat dieser Rechtsprechung
nicht folgen. Die damals aufgestellten Voraussetzungen würden die Anforderungen an die Wiedereinsetzung weit überspannen und
sind im Lichte der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zur Wiedereinsetzung nicht haltbar. Im Übrigen ist damals auch verkannt
worden, dass zwar aus dem übersandten Abdruck der Beweisanordnung an den Antragsteller bei äußerst sorgfältigem Lesen erkennbar
gewesen sein mag, dass eine Entschädigung in Betracht komme, dass sich das Verschulden aber auf die Versäumung der dreimonatigen
Antragsfrist bezieht. Diese Frist ist aber dem übersandten Abdruck nicht zu entnehmen. Auch der Hinweis darauf, dass das Verfahren
aus der ersten Instanz bekannt sein hätte müssen, würde die Anforderungen an einen sorgfältigen Prozessbeteiligten überspannen.
2.2. Wiedereinsetzungsgrund tatsächlich gegeben
Für das Gericht ist nach den weiteren von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund
glaubhaft, d.h. das Gericht ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von seinem Vorliegen überzeugt.
Wie bereits oben (Ziff. 2.1.1.2.3.) aufgezeigt, kann nicht zwingend allein mit der Angabe eines lebensnahen und schlüssigen
Sachverhalts durch den Antragsteller die Wiedereinsetzung begründet werden. Vielmehr muss sich das Gericht die Überzeugung
davon bilden, dass es den geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund auch tatsächlich für glaubhaft im Sinne des §
294 ZPO, also für hinreichend wahrscheinlich hält. Ob sich das Gericht diese Überzeugung schon deshalb bilden kann, weil es den Vortrag
des Antragstellers für ausreichend überzeugend hält, oder ob es die Überzeugung erst nach weiteren von Amts wegen durchgeführten
Ermittlungen gewinnen kann, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab.
Ob im vorliegenden Fall die von der Antragstellerin innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG gemachten Angaben und vorgelegten Unterlagen nicht bereits ausreichend gewesen wären, die gerichtliche Überzeugung vom überwiegend
wahrscheinlichen Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrundes zu begründen, wofür Einiges spricht, kann dahingestellt bleiben. Denn
jedenfalls mit den von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen wären letzte Zweifel am überwiegend wahrscheinlichen Vorliegen
eines Wiedereinsetzungsgrundes ausgeräumt. Die Sachverständige hat auf Nachfrage des Gerichts die verspätete Zusendung des
Antragsformulars ausdrücklich bestätigt. Weiter hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 23.08.2012 den Briefumschlag vorgelegt,
mit dem die Sachverständige das Antragsformular zugeschickt hatte. Aus dem Poststempel ergibt sich, dass die Zusendung erst
im Juli (Poststempel vom 10.07.2012) erfolgt ist. Damit hat sich spätestens im Rahmen der Ermittlungen von Amts wegen gezeigt,
dass der schlüssig gemachte Wiedereinsetzungsgrund tatsächlich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben ist.
2.3. Fristgerechter Wiedereinsetzungsantrag
Ein fristgerechter Wiedereinsetzungsantrag liegt mit dem Schreiben der Antragstellerin vom 16.07.2012 vor.
Der Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG ist innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses zu stellen. Das Vorliegen und die Dauer des Hindernisses
sind vom Antragsteller glaubhaft im Sinne des §
294 ZPO zu machen.
Mit ihrem Schreiben vom 16.07.2012, bei Gericht eingegangen am 17.07.2012, hat die Klägerin einen fristgerechten Wiedereinsetzungsantrag
gestellt. Die Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG war zur Zeit des Eingangs des Wiedereinsetzungsantrags bei Gericht am 17.07.2012 noch offen (vgl. oben).
2.4. Fristgerechte Bezifferung des Entschädigungsanspruchs
Die Antragstellerin hat den Entschädigungsanspruch fristgerecht beziffert. Am 17.07.2012 und damit innerhalb der gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG noch offenen Frist ist das vollständig ausgefüllte Antragsformular bei Gericht eingegangen.
Dass die Antragstellerin den Anspruch nicht in dem Sinne "beziffert" hat, dass sie ihn nicht in einen Geldbetrag gefasst,
sondern nur die gefahrenen Kilometer angegeben hat, steht einer fristgerechten Bezifferung nicht entgegen. Der Begriff der
Bezifferung darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass er die Angabe eines Geldbetrags erfordern würde. Vielmehr ist
es ausreichend - aber auch erforderlich -, dass aufgrund der von der Antragstellerin gemachten Angaben ohne weitere Ermittlungen
die Höhe des Entschädigungsanspruchs errechnet werden kann. Mehr kann von der Antragstellerin im Rahmen der Wiedereinsetzung
nicht verlangt werden, da auch bei fristgerechter Antragstellung keine betragsmäßige Bezifferung verlangt wird und das Formular
des Entschädigungsantrags für die Fahrtkosten auch nur Angaben zu den gefahrenen Kilometern - und nicht zu aufgewandten Euro-Beträgen!
- vorsieht.
Der Antragstellerin ist daher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Geltendmachung der Entschädigung für die Wahrnehmung
des Untersuchungstermins am 05.04.2012 zu gewähren.
Eine über den Wiedereinsetzungsantrag hinausgehende gerichtliche Kostenfestsetzung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG ist durch den Senat nicht zu treffen. Weder die Staatskasse noch die Berechtigte haben einen Antrag auf gerichtliche Festsetzung
gestellt. Einen gerichtlichen Beschluss hält der Senat, ohne dass zuvor die verwaltungsmäßige Kostenfestsetzung erfolgt wäre,
nicht für angemessen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG, da er bei der Kostenfestsetzung keine so große Schwierigkeit erkennen kann, dass eine umgehende gerichtliche Kostenfestsetzung
unter Verzicht auf eine Festsetzung der Entschädigung durch die Verwaltung angezeigt wäre. Vielmehr handelt es sich bei der
Entschädigung für die Wahrnehmung des Begutachtungstermins um einen Fall wie viele andere auch ohne irgendwelche Besonderheiten.
Der Kostensenat des Bayerischen Landessozialgerichts trifft diese Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung, der einer
Entscheidung durch den Kostenbeamten entzogen ist, nach Übertragung wegen grundsätzlicher Bedeutung in voller Besetzung (§
2 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG).
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 2 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. § 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 2 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. § 4 Abs. 8 JVEG).