Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im sozialgerichtlichen Verfahren; Versäumung der Antragsfrist für die Geltendmachung
der Entschädigung für die Teilnahme an einem Gerichtstermin
Gründe
I.
Streitig ist, ob der Antragstellerin für die Geltendmachung der Entschädigung für die Teilnahme an einem Gerichtstermin Wiedereinsetzung
gemäß § 2 Abs. 2 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) zu gewähren ist.
Im Berufungsverfahren der Antragstellerin vor dem Bayer. Landessozialgericht (LSG) mit dem Aktenzeichen L 9 AL 46/11 nahm die Antragstellerin nach Anordnung des persönlichen Erscheinens an der mündlichen Verhandlung am 13.03.2014 teil. In
der mündlichen Verhandlung nahm sie die Berufung zurück. Mit Schreiben vom 14.03.2014 erklärte sie den "Widerruf" der Berufungsrücknahme.
Dieser Widerruf ist Gegenstand des Verfahrens mit dem Aktenzeichen L 9 AL 82/14.
Mit auf den 10.06.2014 datiertem Antrag, beim LSG eingegangen am 17.07.2014, machte die Antragstellerin Verdienstausfall und
Fahrtkosten wegen des Gerichtstermins vom 13.03.2014 geltend.
Die Kostenbeamtin teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 18.07.2014 dazu mit, dass der Entschädigungsanspruch wegen
der dreimonatigen Antragsfrist des § 2 Abs. 1 JVEG erloschen sei.
Mit am 01.08.2014 beim LSG eingegangenem Schreiben vom 30.07.2014 hat die Antragstellerin die Wiedereinsetzung wegen der Entschädigung
für den Gerichtstermin am 13.03.2014 beantragt. Sie hat sinngemäß vorgetragen, dass ihr wegen ihres Widerrufs der Berufungsrücknahme
die Fortsetzung des Verfahrens mitgeteilt worden sei und sie daher den Entschädigungsantrag zunächst zurückgestellt habe.
Sie bitte, die verspätete Antragstellung zu entschuldigen.
Auf das gerichtliche Schreiben vom 02.10.2014, mit dem die Antragstellerin über die fehlenden Erfolgsaussichten ihres Antrags
auf Wiedereinsetzung aufgeklärt worden ist, ist keine Reaktion erfolgt.
II.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung wegen Entschädigung für die Teilnahme am Gerichtstermin vom 13.03.2014, über den nicht der
Kostenbeamte, sondern gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG das Gericht zu entscheiden hat, ist abzulehnen. Denn ein Wiedereinsetzungsgrund ist von der Antragstellerin nicht glaubhaft
gemacht worden bzw. liegt nicht vor.
1. Anzuwendende Fassung des JVEG
Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall nach Erlass des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz
- 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl I S. 2586, 2681 ff.) gemäß der Übergangsvorschrift des § 24 JVEG die Regelungen des JVEG in der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung. Denn die Antragstellerin als Berechtigte ist nach dem gemäß Art. 55 2. KostRMoG
am 01.08.2013 erfolgten Inkrafttreten des 2. KostRMoG herangezogen worden.
2. Entschädigungsantrag zu spät gestellt
Der Entschädigungsanspruch war bereits erloschen, als der Entschädigungsantrag für das Erscheinen beim Gerichtstermin vom
13.03.2014 am 17.08.2014 beim Bayer. LSG einging.
Der Anspruch auf Entschädigung erlischt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG, wenn er nicht binnen drei Monaten bei der Stelle geltend gemacht wird, die den Berechtigten herangezogen oder beauftragt
hat. Die Frist beginnt entsprechend § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 JVEG im Falle der Teilnahme an einem vom Gericht angeordneten Termin mit der Beendigung dieses Termins zu laufen. Lediglich dann,
wenn der Berechtigte in demselben Verfahren, im gerichtlichen Verfahren in demselben Rechtszug, mehrfach herangezogen wird,
ist für den Beginn aller Fristen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 JVEG die letzte Heranziehung maßgebend.
Maßgeblich für den Zeitpunkt der Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs ist der Eingang des Antrags bei Gericht, nicht
die Datierung des Antrags durch den Antragsteller (vgl. Beschluss des Senats vom 16.05.2014, Az.: L 15 SF 372/13; Urteil des Senats vom 20.02.2015, Az.: L 15 SB 207/12).
Vorliegend hat der Gerichtstermin, für den eine Entschädigung begehrt wird, am 13.03.2014 stattgefunden. Eine weitere Heranziehung
hat danach nicht mehr stattgefunden. Ob eine Heranziehung Verfahren L 9 AL 82/14, in dem über den Widerruf der Berufungsrücknahme im Verfahren L 9 AL 46/11 entschieden wird, als Fall des § 2 Abs. 1 Satz 3 JVEG zu betrachten wäre, kann vorliegend dahingestellt bleiben, da ein Heranziehung im Verfahren L 9 AL 82/14 nicht stattgefunden hat
Der Entschädigungsantrag ist mit dem Eingang des ausgefüllten, auf den 10.06.2014 datierten Antrag bei Gericht am 17.07.2014
gestellt worden. Dieser Eingang des Entschädigungsantrags ist erst über einen Monat nach Ablauf der dreimonatigen Frist für
die Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs erfolgt. Eines weiteren Hinweises des Gerichts auf den bevorstehenden Ablauf
der Frist oder einer Aufforderung zur Bezifferung der Entschädigungsforderung bedurfte es nicht (ständige Rechtsprechung des
Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 25.11.2013, Az.: L 15 SF 258/13).
3. Keine Wiedereinsetzung
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, da vom glaubhaften Vortrag bzw. Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrunds
nicht ausgegangen werden kann.
3.1. Voraussetzungen der Wiedereinsetzung im Allgemeinen
Einem Anspruchsteller nach dem JVEG ist bei Versäumung der Frist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG Wiedereinsetzung nur dann zu gewähren, wenn
- er innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG, d.h. innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses für die (rechtzeitige) Antragstellung (zur Geltung dieser
zeitlichen Anforderung bei allen drei im Folgenden genannten Voraussetzungen: vgl. Beschluss des Senats vom 13.11.2012, Az.:
L 15 SF 168/12),
* einen Wiedereinsetzungsantrag stellt,
* einen Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft macht (vgl. zur verfassungsrechtlichen Problematik und den sich daraus ergebenden
vergleichsweise geringen Anforderungen an die Glaubhaftmachung in diesem Zusammenhang die ausführlichen Erwägungen im Beschluss
des Senats vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12) und
* den Vergütungsanspruch beziffert
sowie
- sich das Gericht bei weiteren, von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen vom glaubhaften, d.h. überwiegend wahrscheinlichen
Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrunds überzeugt hat (vgl. Beschluss des Senats vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12).
Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 7 i.V.m. § 4 Abs. 6 Satz 1 JVEG sind die im Rahmen des Wiedereinsetzungsantrags erforderlichen Erklärungen (Wiedereinsetzungsantrag, Glaubhaftmachung des
Wiedereinsetzungsgrunds und Bezifferung des geltend gemachten Entschädigungs- oder Vergütungsanspruchs) zu Protokoll der Geschäftsstelle
abzugeben oder schriftlich einzureichen.
Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 JVEG nicht mehr beantragt werden.
Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen ist dem JVEG - im Gegensatz zu vielen anderen gesetzlichen Regelungen - fremd (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschlüsse
vom 01.08.2012, Az.: L 15 SF 156/12, vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12, und vom 27.03.2013, Az.: L 15 SF 181/12 B). Das Antragserfordernis verbietet es zudem, allein in der verspäteten Geltendmachung einer Entschädigungsforderung einen
Wiedereinsetzungsantrag zu sehen (vgl. Beschlüsse des Senats vom 03.01.2013, Az.: L 15 SF 255/10, und vom 15.02.2013, Az.: L 15 SF 211/12 B).
3.2. Voraussetzungen der Wiedereinsetzung im vorliegenden Fall
3.2.1. Auslegung der Schreibens der Antragstellerin vom 30.07.2014
Die Antragstellerin hat in diesem Schreiben vorgetragen, dass ihr vom LSG - nach ihrem Widerruf der Berufungsrücknahme - mitgeteilt
worden sei, dass das Verfahren fortgesetzt bzw. fortgeführt werde. Sie sei daher von einem Weitergang der Sache ausgegangen,
den sie auch auf den Entschädigungsantrag bezogen habe; sie habe diesen daher zunächst zurückgestellt.
Was die Antragstellerin damit zum Ausdruck bringen will, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Bei antragstellerfreundlicher
Auslegung sind folgende Varianten denkbar:
- Variante 1: Die Antragstellerin kennt die für die Stellung des Entschädigungsantrags maßgebliche Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG nicht.
- Variante 2: Die Klägerin weiß, dass es für die für die Stellung des Entschädigungsantragsantrags eine Frist gibt. Sie meint
aber, dass diese Frist noch nicht zu laufen begonnen hat, jedenfalls solange, wie das Verfahren in der Hauptsache noch nicht
endgültig beendet ist.
- Variante 3: Die Klägerin ist sich der Fristgebundenheit des Entschädigungsantrags umfassen bewusst. Sie weiß daher auch,
dass es gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 JVEG möglich ist, den Entschädigungsantrag auch später als drei Monate nach dem die Entschädigung auslösenden Termin zu stellen,
wenn im Verfahren eine erneute Heranziehung zu einem Gerichtstermin erfolgt.
Von welcher Variante die Antragstellerin tatsächlich ausgegangen ist, kann dahingestellt bleiben, da ihr in keinem Fall Wiedereinsetzung
zu gewähren ist (s. unten Ziff. 3.2.3. bis 3.2.5.).
3.2.2. Fristgerechte Antragstellung
Die Antragstellerin hat fristgerecht einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt.
Jedenfalls ab Zugang des gerichtlichen Schreibens vom 18.07.2014 musste der Antragstellerin bewusst sein, dass ihr Entschädigungsantrag
verspätet war. Für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrags ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG eine Frist von zwei Wochen eröffnet.
Mit Schreiben vom 30.07.2014 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt. Dieser Antrag ist innerhalb
der mit Zugang des gerichtlichen Schreibens vom 18.07.2014, der bei entsprechender Anwendung von § 37 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch
Zehntes Buch am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post fingiert werden kann, in Lauf gesetzten Frist von zwei Wochen, nämlich
am 01.08.2014, bei Gericht eingegangen.
3.2.3. Variante 1: keine (fristgerechte) Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrunds
Sofern davon auszugehen ist, dass die Antragstellerin die Antragsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG nicht gekannt hat (o.g. Variante 1), kann darauf kein Wiedereinsetzungsgrund gestützt werden. Denn die Unkenntnis einer gesetzlichen
Frist kann einen Wiedereinsetzungsgrund nicht darstellen.
Voraussetzung für eine (fristgerechte) Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrunds ist, dass der Antragsteller glaubhaft
macht, dass er ohne Verschulden an der Einhaltung der Antragsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG gehindert war. Dazu hat er Tatsachen anzugeben und glaubhaft zu machen, die erklären, warum er an einem fristgerecht, d.h.
innerhalb der Dreimonatsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG zu stellenden Entschädigungsantrag ohne Verschulden gehindert war.
Um die vom Gesetzgeber in § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG vorgesehene Möglichkeit der Wiedereinsetzung nicht ins Leere laufen zu lassen, ist von einer Glaubhaftmachung schon dann
auszugehen, wenn ein Antragsteller im Rahmen seines Wiedereinsetzungsantrags plausibel einen nach der Lebenserfahrung naheliegenden
Sachverhalt darstellt, der eine Wiedereinsetzung begründet, und keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der Angaben
bestehen (vgl. Beschluss des Senats vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12 - mit ausführlichen Erläuterungen auch zu verfassungsrechtlichen Aspekten).
Der bei der Alternative 1. zugrunde zu legende Sachverhalt, nämlich die Unkenntnis der Antragsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG, also deren Abhängigkeit von dem zu entschädigenden Termin, kann einen Wiedereinsetzungsgrund nicht darstellen (vgl. Beschlüsse
des Senats vom 16.05.2014, Az.: L 15 SF 372/13, und vom 18.10.2014, Az.: L 15 SF 289/13).
Eine Unkenntnis von einzuhaltenden gesetzlichen Fristen ist grundsätzlich nicht geeignet, eine Wiedereinsetzung zu begründen.
Denn wegen des Grundsatzes der formellen Publizität bei der Verkündung von Gesetzen gelten Gesetze mit ihrer Verkündung allen
Normadressaten als bekannt ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese tatsächlich davon Kenntnis davon erhalten haben. Eine
Unkenntnis des Rechts und der Befristung seiner Ausübung vermag daher nach ständiger Rechtsprechung eine Wiedereinsetzung
nicht zu rechtfertigen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 22.01.1999, Az.: 2 BvR 729/96; Bundesverwaltungsgericht, Beschlüsse vom 01.11.2001, Az.: 4 BN 53/01, und vom 07.10.2009, Az.: 9 B 83/09; Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 10.04.2006, Az.: VII S 9/06; Bundessozialgericht - BSG -, Beschluss vom 10.02.1993, Az.: 1 BK 37/92, und Urteil vom 06.05.2010, Az.: B 13 R 44/09 R; Kammergericht Berlin, Urteil vom 20.01.2014, Az.: 20 U 213/13).
Auch wenn dieses Ergebnis gerade wegen der Kürze der Frist von nur drei Monaten und des geringen Bekanntheitsgrads des JVEG als hart erscheinen mag, kann diese gesetzgeberische Entscheidung nicht im Wege der Rechtsanwendung durch die Gerichte korrigiert
werden. Dem steht der verfassungsrechtlich begründete Gewaltenteilungsgrundsatz des Art.
20 Abs.
2 Satz 2
Grundgesetzes (
GG) entgegen (vgl. Beschluss des Senats vom 18.10.2014, Az.: L 15 SF 289/13).
3.2.4. Variante 2: keine (fristgerechte) Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrunds
Wenn davon ausgegangen wird, dass die Antragstellerin zwar weiß, dass es für die Stellung des Entschädigungsantragsantrags
eine Frist gibt, sie aber meint, dass diese Frist noch nicht zu laufen begonnen habe, jedenfalls solange, wie das Verfahren
in der Hauptsache noch nicht endgültig beendet sei (o.g. Variante 2), kann damit ebenfalls kein Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft
gemacht werden. Denn in diesem Fall würde ein Rechtsirrtum vorliegen, der regelmäßig eine Wiedereinsetzung nicht begründen
kann.
Nach ständiger Rspr. des BVerfG begründet ein Rechtsirrtum grundsätzlich, von seltenen Ausnahmefällen abgesehen, einen Wiedereinsetzungsgrund
nicht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27.09.2002, Az.: 2 BvR 855/02, und vom 25.03.2013, Az.: 1 BvR 539/13). Eine seltene Ausnahme liegt beispielsweise dann vor, wenn sich in dem Rechtsirrtum gerade ein durch einen Fehler in der
Veröffentlichung des Gesetzestextes geschaffenes Risiko verwirklicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.02.2008, Az.: 1 BvR 2327/07). Auch der BFH weist in ständiger Rspr. darauf hin, dass Irrtümer über das Wesen einer Ausschlussfrist oder über materielles
Recht eine Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht begründen (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 29.11.2006, Az.: VI R 48/05 - m.w.N.).
Für eine derartige seltene Ausnahme hat die Antragstellerin im vorliegenden Fall keinen Ansatzpunkt vorgetragen.
3.2.5. Variante 3: Jedenfalls kein Wiedereinsetzungsgrund gegeben
Unter Zugrundelegung der Annahmen der Variante 3 (Die Klägerin kennt die Fristgebundenheit des Entschädigungsantrags, ist
aber davon ausgegangen, dass sie nochmals herangezogen wird. Sie weiß, dass es gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 JVEG möglich ist, den Entschädigungsantrag auch später als drei Monate nach dem die Entschädigung auslösenden Termin zu stellen,
wenn eine erneute Heranziehung im Verfahren erfolgt.) ist jedenfalls das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrunds nicht nachgewiesen.
Denn es ist nicht glaubhaft gemacht, d.h. überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin die Antragsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG unverschuldet überschritten hat.
Der Senat geht davon aus, dass auch ein Sachverhalt wie bei der Variante 3 - in gleicher Weise wie bei der Variante 2 (vgl.
oben Ziff. 3.2.4.) - im Regelfall nicht geeignet ist, einen Wiedereinsetzungsgrund zu konstituieren. Lediglich im seltenen
Ausnahmefall, in dem beim Antragsteller ein schutzwürdiges Vertrauen darauf vorliegt, dass er mit einer erneuten Heranziehung
rechnen darf und daher auch die Beantragung der Entschädigung zurückstellen kann, sieht der Senat einen Ansatzpunkt für eine
Wiedereinsetzung. Denn in einem solchen Fall kann dem Antragsteller nicht vorgeworfen werden, dass er verschuldet die Antragsfrist
versäumt hat.
Bei der Beurteilung, ob ein schutzwürdiges Vertrauen im vorgenannten Sinn gegeben ist, ist zu berücksichtigen, dass die Regelung
des § 2 Abs. 1 Satz 3 JVEG, die eine Antragstellung auch noch später als drei Monate nach dem entschädigungspflichtigen Gerichtstermin ermöglicht, eine
Ausnahmeregelung gegenüber der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG ist, die den Fristbeginn an den gerichtlich angeordneten Termin anknüpft. Um das Regel-Ausnahme-Verhältnis nicht über das
Institut der Wiedereinsetzung umzukehren, sind hohe Anforderungen an die Ermittlung des schutzwürdigen Vertrauens im Rahmen
der Auslegung zu stellen. Damit wird deutlich, dass nicht allein mit der Behauptung eines Antragstellers, er habe mit einer
erneuten Heranziehung gerechnet, eine Wiedereinsetzung ermöglicht werden kann. Denn anderenfalls würde die Regel des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG, die den Fristbeginn auf den Tag des gerichtlich angeordneten Termins bestimmt, weitestgehend über die Vorschriften der Wiedereinsetzung
ausgehebelt. Einer Konterkarierung der gesetzlichen Vorgabe in § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG im Wege der Auslegung der Wiedereinsetzungsvorschriften durch die Gerichte steht der grundgesetzliche Gewaltenteilungsgrundsatz
des Art.
20 Abs.
2 Satz 2
GG entgegen.
Eine Wiedereinsetzung kommt daher nur dann in Betracht, wenn das Gericht selbst beim Antragsteller das Vertrauen geschaffen
hat, dass eine nochmalige Heranziehung im selben Verfahren erfolgen werde und daher eine Antragstellung auch später als drei
Monate nach dem den Entschädigungsanspruch auslösenden Gerichtstermin möglich sei. Dabei reicht es nicht aus, wenn nur das
Verfahren fortgesetzt wird und daher eine spätere erneute Heranziehung nur möglich ist. Vielmehr muss das Gericht beim Antragsteller
durch konkrete Aussagen oder Handlungen die sichere Erwartung geweckt haben, dass er nochmals herangezogen werde. In allen
anderen Fällen ist es dem Antragsteller als fahrlässig vorzuwerfen, wenn er auf eine erneute Heranziehung hofft und daher
den Entschädigungsantrag zurückstellt.
Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben kann das Verhalten der Antragstellerin im vorliegenden Fall, die Stellung des Entschädigungsantrags
zurückzustellen, nicht als unverschuldet bezeichnet werden. Ganz abgesehen davon, dass eine nochmalige Heranziehung im Verfahren
mit dem Aktenzeichen L 9 AL 46/11 schon aus dem Grund ausgeschlossen war, dass mit der in der mündlichen Verhandlung vom 13.03.2014 erklärten Berufungsrücknahme
dieses Verfahren ohnehin beendet war und schon deshalb einer erneute Heranziehung im selben Verfahren ausgeschlossen war,
durfte die Antragstellerin auch nicht damit rechnen, dass sie in dem unter einem neuen Aktenzeichen (fort)geführten Verfahren
wegen des Widerrufs der Berufung erneut zu einem gerichtlichen Termin herangezogen werde. Das LSG hat der Antragstellerin
keinerlei Anlass gegeben, der ein schutzwürdige Vertrauen auf eine erneute Heranziehung entstehen lassen hätte können. Allein
aus der Mitteilung, dass das Verfahren unter einem neuen Aktenzeichen fortgeführt werde, kann nicht darauf geschlossen werden,
dass auch ein nochmaliger Gerichtstermin mit der Anordnung des persönlichen Erscheinens - dies wäre Voraussetzung für die
Anwendung der Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 JVEG zur ausnahmsweisen Verlängerung der Antragsfrist - stattfinden werde.
Der Antragstellerin kann deshalb bezüglich der Geltendmachung der Entschädigung für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung
am 13.03.2014 keine Wiedereinsetzung gewährt werden.
Das Bayer. LSG hat über den Antrag auf Wiedereinsetzung als Einzelrichter zu entscheiden gehabt (§ 2 Abs. 2 Satz 6, § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG).
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 2 Abs. 2 Satz 6, § 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 2 Abs. 2 Satz 6, § 4 Abs. 8 JVEG).