Entschädigung von Zeugen im sozialgerichtlichen Verfahren; Nachweis der Kosten der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt eine Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) wegen der Wahrnehmung eines Gerichtstermins.
In zwei am Bayerischen Landessozialgericht (LSG) geführten Rechtsstreitigkeiten fanden am 27.09.2012 unmittelbar aneinander
anschließend mündliche Verhandlungen statt, an denen die Antragstellerin als geladene Zeugin teilnahm. Die erste mündliche
Verhandlung war auf 10.20 Uhr terminiert; die zweite mündliche Verhandlung endete um 13.17 Uhr.
Mit am Tag der mündlichen Verhandlung eingegangenem Entschädigungsantrag beantragte die Antragstellerin die Entschädigung
für das Erscheinen als Zeugin. Sie gab dabei an, von 8.30 Uhr bis 14.30 Uhr von zu Hause weg gewesen und mit der Bahn gefahren
zu sein. Als entstandene Kosten gab sie "2,- + 24,- EUR" an. Die Fahrkarten wurden nicht vorgelegt.
Nachdem die Kostenbeamtin mit Schreiben vom 23.10.2012 um Vorlage von Belegen für die Fahrtkosten gebeten hatte, teilte die
Antragstellerin am 26.10.2012 telefonisch mit, dass sie mit einem Bayernticket gefahren sei und dieses zwischenzeitlich nicht
mehr habe. Sie habe am Tag des Gerichtstermins den Entschädigungsantrag an der Pforte abgegeben und angenommen, dass sich
die Angelegenheit damit erledigt habe.
Mit Schreiben der Kostenbeamtin vom 06.11.2012 wurde die Entschädigung auf 72,- EUR festgesetzt, wobei dem ausschließlich
eine Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung unter Zugrundelegung der von der Antragstellerin angegebenen Abwesenheitszeit
zugrunde gelegt wurde. Eine Erstattung von Fahrkosten wurde wegen fehlender Belege nicht vorgenommen.
Dagegen hat sich die Antragstellerin mit Schreiben vom 07.11.2012 und vom 09.11.2012 gewandt; sie strebt eine Entschädigung
der geltend gemachten Fahrtkosten und einer zusätzlichen Stunde Abwesenheitszeit von zu Hause an.
Sie habe - so die Antragstellerin - die günstigste Fahrmöglichkeit gewählt und daher ein Bayernticket für 24,- EUR gekauft.
Da dieses erst ab 9.00 Uhr gelte, habe sie wegen der Abfahrt des Zuges um 8.47 Uhr eine zusätzliche Fahrkarte für 2,- EUR
bis zur nächsten Haltestelle kaufen müssen. Weil sie zu Hause einen schwerkranken Ehemann habe, habe sie mit der Fahrkarte
unabhängig sein müssen und weder jemand mitnehmen noch bei jemanden mitfahren können. Da sich der Verhandlungsbeginn um eine
Stunde verzögert habe, habe sie nur den Zug um 14.07 Uhr erreicht und sei erst um ca. 15.30 Uhr wieder zu Hause gewesen. Den
Entschädigungsantrag habe sie nach der Verhandlung an der Pforte abgegeben. Es sei ihr versichert worden, dass der Antrag
gestempelt werde und alles in Ordnung sei. Auf die fehlenden Fahrkarten sei sie nicht hingewiesen worden. Das Schreiben der
Kostenbeamtin habe sie so spät erreicht, dass die Fahrkarten bereits mit der Papiertonne entsorgt worden seien.
Der Senat hat sich über die Fahrplanauskunft der Deutschen Bahn Informationen zu Fahrtzeiten und Fahrkartenkosten beschafft.
II.
Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier die Berechtigte mit Schreiben vom 07.11.2012 die gerichtliche Festsetzung beantragt.
Die Entschädigung für die Wahrnehmung des Gerichtstermins am 27.09.2012 ist auf 84,- EUR festzusetzen. Ein weitergehender
Anspruch besteht nicht.
Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Berechnung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige
Festsetzung. Bei der Kostenfestsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die
durch den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.:
RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis
gegenstandslos (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 06.12.2013, Az.: L 15 SF 39/13; Meyer/Höver/Bach, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 12 - m.w.N.). Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf
Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Kostenfestsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschädigung
kann deshalb auch niedriger ausfallen, als sie zuvor vom Kostenbeamten festgesetzt worden ist; das Verbot der reformatio in
peius gilt nicht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 06.02.2014, Az.: L 15 SF 13/14; Meyer/Höver/Bach, a.a.O., § 4, Rdnr. 12 - m.w.N).
Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens sind gemäß §
191 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) wie Zeugen zu entschädigen, sofern es sich wie hier um ein gerichtskostenfreies Verfahren im Sinn des §
183 SGG handelt. Die Entschädigung ergibt sich aus dem JVEG. Die Entschädigungstatbestände (für einen Zeugen) sind in § 19 JVEG aufgelistet.
1. Anzuwendendes Recht
Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall auch nach Erlass des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz
-
2.KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl I S. 2586, 2681 ff.) gemäß der Übergangsvorschrift des § 24 JVEG die Regelungen des JVEG in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung. Denn die Antragstellerin als Berechtigte ist vor dem gemäß Art. 55
2.KostRMoG am 01.08.2013 erfolgten Inkrafttreten des 2. KostRMoG herangezogen worden.
2. Fahrtkosten
Die von der Antragstellerin geltend gemachten Fahrtkosten sind nicht zu erstatten, da für den Senat nicht zweifelsfrei nachgewiesen
ist, dass diese Kosten der Antragstellerin tatsächlich entstanden sind.
2.1. Kriterien für die Entscheidung über die Entschädigung von Fahrtkosten
2.1.1. Erstattung tatsächlich entstandener Kosten
Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 JVEG werden einem Beteiligten im sozialgerichtlichen Verfahren bei Benutzung von öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln
die tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der entsprechenden Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse der
Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks ersetzt.
2.1.2. Nachweisführung
Berücksichtigt werden können nur im Vollbeweis nachgewiesene Kosten, die infolge des Gerichtstermins entstanden sind.
Vollbeweis bedeutet, dass eine Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen ist (vgl. Bundessozialgericht
- BSG -, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen.
Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses
des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, Az.: B 9 VG 3/99 R), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 1/92). Lässt sich der Vollbeweis nicht führen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten dessen, der sich zur Begründung
seines Anspruchs auf ihr Vorliegen stützen möchte. Ob das Gericht die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht, hat es im Rahmen
der ihm zustehenden Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung gemäß §
128 Abs.
1 Satz 1
SGG festzustellen.
Wie der Senat im Beschluss vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B, ausführlich erläutert hat, setzt der Nachweis der bei der Benutzung von öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln
entstandenen Kosten nicht zwingend die Vorlage der Fahrkarte, die sicherlich die nächstliegende Möglichkeit der Beweisführung
ist, voraus. Der erforderliche Vollbeweis kann auch anders erbracht werden, wobei für die Nachweisführung alle nur erdenklichen
Beweismittel eröffnet sind. Das Gericht hat gemäß §
128 SGG bei seiner Entscheidung im Rahmen des geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes die absolute Wahrheit soweit wie möglich zu erforschen
und das Gesamtergebnis des Verfahrens zu berücksichtigen. Das Gericht ist nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet,
in einschlägigen Fällen den Sachvortrag der Beteiligten bei der Entscheidungsfindung mitzuverwerten. Dies ist jedenfalls dann
angezeigt, wenn der Vortrag des Beteiligten glaubhaft, also wahrheitsgemäß und überzeugend, erscheint (vgl. Beschluss des
Senats vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B), wobei der Begriff der Glaubhaftigkeit im vorgenannten Sinn der Beweiswürdigung nicht zu verwechseln ist mit den in §
294 Zivilprozessordnung beschriebenen Beweisanforderungen. Bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben hat das Gericht die nach Lage der
Sache angezeigte Vorsicht bei der Überzeugungsbildung walten zu lassen (vgl. BSG, Beschluss vom 15.08.1960, Az.: 4 RJ 291/59).
Wie der Senat weiter im Beschluss vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B, ausgeführt hat, dürften - wie die Praxis zeigt - für den Erwerb einer Fahrkarte so gut wie nie förmliche Beweismittel
zur Verfügung stehen, wenn die Fahrkarte selbst nicht mehr auffindbar ist. In derartigen Fällen wird die Führung des Nachweises
des Erwerbs der Fahrkarte in der Regel nur durch den Sachvortrag des Antragstellers möglich sein.
Mit der Unterschrift auf dem Entschädigungsantrag versichert der Antragsteller die Richtigkeit seiner Angaben. Diese Versicherung
wird regelmäßig ausreichen, um von einer Glaubhaftigkeit der Angaben auszugehen, wenn nicht Gesichtspunkte offensichtlich
sind, die an der Richtigkeit der gemachten Angaben Zweifel wecken. Vom Offensichtlichsein von Gesichtspunkten, die Zweifel
an der Richtigkeit der Angaben wecken, wird beispielsweise (vgl. Beschluss des Senats vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B) dann auszugehen sein, wenn
- sich aus einer mit wenig Aufwand im Internet einholbaren Fahrplanauskunft ergibt, dass entweder die gemachten Zeitangaben
unschlüssig sind,
oder
- die angegebenen Kosten von den aus der Fahrplanauskunft ersichtlichen Kosten abweichen
oder
- Kosten für die Benutzung der ersten Klasse geltend gemacht werden, da die Benutzung dieser Wagenklasse im Regelfall, wie
die Erfahrung zeigt, untypisch ist und Zusatzkosten verursacht, bei denen ein verständiger Beteiligter ohne besondere Rechtskenntnisse
nicht davon ausgehen kann, dass sie ohne weiteres und insbesondere ohne Vorlage der Fahrkarte erstattet werden,
oder
- die Lebensumstände des Antragstellers (z.B. eine Arbeitsstelle am Zielort) es nahe legen, dass er über eine Pendlerkarte
verfügt,
oder
- Kosten wegen einer besonders weiten und damit überdurchschnittlich kostenaufwändigen Anreise im Raum stehen, bei denen vom
Betroffenen schon im eigenen Interesse regelmäßig zu erwarten ist, dass er die Belege sorgfältig aufbewahrt.
Im Beschluss vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B hat der Senat in Übereinstimmung mit diversen Entscheidungen des Senats (vgl. z.B. Beschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11, vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, vom 08.04.2013, Az.: L 15 SF 305/10, und vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11) darauf hingewiesen, dass wegen des zugrunde gelegten Leitgedankens der Praktikabilität und Verwaltungsökonomie der Kostensachbearbeitung
bei der Prüfung, ob Zweifel an der Richtigkeit der gemachten Angaben bestehen, die Anforderungen an die Prüfpflicht der Kostenbeamten
und Kostenrichter nicht überspannt werden dürfen.
2.2. Kostenerstattung im hier vorliegenden Fall
Fahrtkosten sind nicht zu erstatten, da sich der Senat nicht die Überzeugung davon bilden kann, dass die von der Antragstellerin
angegebenen Fahrtkosten ihr tatsächlich so entstanden sind. Für den Senat sind Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der
Antragstellerin offensichtlich. Zu diesem Ergebnis ist der Senat im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung bei Berücksichtigung
folgender Gesichtspunkte gekommen:
- Die von der Antragstellerin gemachten Angaben im Entschädigungsantrag stimmen, was die angegebenen Abfahrtszeiten der Züge
angeht, mit den Erkenntnissen überein, wie sie sich aus der Fahrplanauskunft der Deutschen Bahn ergeben. Danach fährt ein
Zug nach München in A-Stadt um 8.47 Uhr ab. Ein Verlassen der Wohnung der Antragstellerin, die rund 400 m vom Bahnhof entfernt
liegt, um 8.30 Uhr ist damit in Einklang zu bringen. Auch die angegebene Abfahrtszeit für die Rückfahrt und die Ankunft zu
Hause stimmt mit der Information aus der Fahrplanauskunft überein.
- Die Angaben der Antragstellerin zu den Fahrtkosten korrelieren mit der Information, wie sie sich aus der Fahrpreisauskunft
der Deutschen Bahn ergibt. Ein Preis von 24,- EUR entspricht dem Preis eines Bayerntickets, wenn es an einer DB Verkaufstelle
mit persönlicher Beratung erworben wird.
- Offensichtliche Zweifel an den Angaben der Antragstellerin ergeben sich aber daraus, dass sie ausdrücklich angibt, die "günstigste
Fahrtmöglichkeit" gewählt zu haben. Denn dies ist, wie sich aus der Fahrpreisauskunft der Deutschen Bahn ergibt, nicht richtig.
Die Antragstellerin hat mit 26,- EUR (24,- EUR Bayernticket, 2,- Einzelticket bis zum Beginn der Gültigkeit des Bayerntickets)
für die Fahrt nach München und zurück mehr für Fahrkarten ausgegeben, als es der günstigsten Fahrtmöglichkeit mit dem Zug
entspricht. Denn eine Einzelfahrt vom Wohnort der Antragstellerin nach München hätte nur 11,40 EUR gekostet. Damit wären für
Hin- und Rückfahrt nur 22,80 EUR und damit weniger als die von der Antragstellerin als günstigste Möglichkeit beschriebenen
26,- EUR angefallen. Wenn die Antragstellerin sinngemäß - der angegebene Erwerb eines Bayerntickets für 24,- EUR und nicht
für 22,- EUR entspricht dem Erwerb an einer DB Verkaufstelle mit persönlicher Beratung und nicht am Automaten oder im Internet
(Preis dort 22,- EUR) - vorträgt, am Schalter bei Beratungsmöglichkeit die billigste Fahrkarte erworben zu haben, tatsächlich
ihr aber bei Beratung eine andere Fahrkarte empfohlen und verkauft werden hätte müssen, weckt dies Zweifel am Wahrheitsgehalt
der Angaben der Antragstellerin. Denn wenn sie tatsächlich am Schalter nach Beratung eine Fahrkarte gekauft und dabei angegeben
hätte, sie möchte die günstigste Fahrtmöglichkeit wählen, wäre ihr nicht ein Bayernticket mit zusätzlicher Fahrkarte bis 9.00
Uhr, sondern eine Fahrkarte für die konkrete Strecke hin und zurück empfohlen worden. Es ist daher für den Senat durchaus
nicht fernliegend, dass die Antragstellerin auf andere, kostengünstigere Weise nach München gekommen ist, z.B. bei einem anderen
Inhaber eines Bayerntickets mitgefahren ist, und sich mit den Angaben zum Bayernticket und der Nichtauffindbarkeit der Fahrkarte
nur einen wirtschaftlichen Vorteil verschaffen wollte. Denn ihre Angaben sind so nicht plausibel und wecken daher Zweifel
daran, dass sie tatsächlich die angegebenen Fahrkarten erworben hat.
- Diese Zweifel werden für den Senat dadurch verstärkt, dass es durchaus nicht fernliegend ist, dass die Antragstellerin zumindest
bei der Anreise zum Gericht von einem nach München Reisenden mit dem Auto mitgenommen worden ist. Der Wohnort der Antragstellerin
ist im Einzugsbereich des Gerichtsorts München gelegen. Es dürfte nicht wenige Berufspendler geben, die von A-Stadt aus täglich
mit dem PKW nach München fahren. Auch die zeitliche Lage des Gerichtstermins steht der Mitfahrt bei einem Pendler nicht entgegen.
Ob eine kostenlose Rückfahrt möglich gewesen ist oder die Antragstellerin dafür gegebenenfalls die Bahn benutzen musste, macht
eine Anreise in Form einer kostenlosen Mitnahme nicht abwegig.
- Wenn die Antragstellerin vorträgt, dass sie den Entschädigungsantrag beim Verlassen des Gerichts an der Pforte abgegeben
habe, ihr dort gesagt worden sei, dass "Alles in Ordnung sei", und sie nicht auf die fehlenden Fahrkarten hingewiesen worden
sei, ist dies nicht geeignet, die Zweifel zu zerstreuen. Ganz abgesehen davon, dass sowohl im Ladungsschreiben als auch im
Formular des Entschädigungsantrags ausdrücklich der Hinweis enthalten ist, dass für die Auslagen Belege beizufügen seien,
und die Antragstellerin schon deshalb zur eigenen Sicherheit die Fahrkarten aufheben hätte können, ist der Vortrag zu den
an der Pforte erhaltenen Informationen nicht plausibel. Eine Nachfrage des Senats bei der Pforte hat ergeben, dass dort zwar
Post und damit auch Entschädigungsanträge angenommen werden, Auskünfte zur Vollständigkeit von Entschädigungsanträgen aber
nicht gegeben werden. Zweifel an der Richtigkeit dieser Auskunft der Mitarbeiter an der Pforte bestehen für den Senat nicht.
Wenn die Antragstellerin glauben machen will, sie habe die Fahrkarten infolge einer Auskunft von Bediensteten des LSG an der
Pforte vernichtet, ist dieser Vortrag daher nicht überzeugend.
Zusammenfassend hält es der Senat daher zwar für durchaus möglich und auch nicht einmal fernliegend, dass die Antragstellerin
die von ihr angegebenen Fahrkarten erworben hat. Eine solche Möglichkeit oder sogar Wahrscheinlichkeit reicht aber nicht aus,
um den Nachweis im Vollbeweis zu erbringen. Denn dafür ist mehr erforderlich, nämlich ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit,
dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen
des Erwerbs eines Bayerntickets für 24,- EUR und einer Einzelfahrkarte für 2,- EUR zweifelt. Derartige Zweifel verbleiben
aber für den Senat, wenn einerseits die vielfältigen Möglichkeiten berücksichtigt werden, die eine Zugfahrt auch mit geringeren
Kosten zulassen (z.B. Mitfahrt bei einem anderen Bayernticketinhaber, vgl. auch den Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom
02.05.2013: "Geschäft mit dem Bayernticket - professionell Schwarzfahren"), andererseits die Angaben der Antragstellerin in
sich nicht widerspruchsfrei sind. An diesen Zweifeln kann auch der Hinweis der Antragstellerin nichts ändern, dass sie wegen
ihres schwerkranken Ehemanns zu Hause unabhängig bleiben und sich daher die angegebenen Fahrkarten kaufen habe müssen. Denn
eine solche Abhängigkeit steht den möglichen kostengünstigeren Fahrtvarianten nicht entgegen.
3. Nachteile bei der Haushaltsführung
Der Antragstellerin steht eine Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung für 7 Stunden und damit in Höhe von 84,-
EUR zu.
Voraussetzung für eine Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung gemäß § 21 JVEG ist, dass der Zeuge bzw. Beteiligte einen gemeinsamen Haushalt für mindestens eine weitere Person führt (vgl. Meyer/Höver/Bach,
a.a.O., § 21, Rdnr. 1). Ein solcher Haushalt ist hier nachgewiesen; die Antragstellerin führt, wie sich aus den Angaben anlässlich
der Zeugenvernehmung ergibt, einen Haushalt für ihren schwerkranken Ehemann und sich selbst.
Die von der Antragstellerin angegebene Zeit - im Schreiben vom 07.11.2012 innerhalb der dreimonatigen Antragsfrist des § 2 Abs.1 Satz 1 JVEG nochmals um eine Stunde erweitert - ist angesichts der Anwesenheitszeit vor Gericht und der von der Klägerin angegebenen
Fahrtzeiten plausibel und damit zu entschädigen. Die Entschädigungshöhe beträgt 12,- EUR pro Stunde.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).