Entschädigung von Betreuern und Begleitpersonen im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt eine Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) wegen der Begleitung einer von ihm Betreuten zu einem Gutachtenstermin.
Der Antragsteller arbeitet als Berufsbetreuer; er ist als Betreuer von Frau A. u.a. für die Gesundheitsfürsorge und die Vertretung
gegenüber Behörden und Renten- und Sozialleistungsträgern bestellt.
In dem am Bayerischen Landessozialgericht (Bayer. LSG) vom Antragsteller als Betreuer unter dem Az. L 15 VG 10/09 anhängig gemachten Rechtsstreit wurde die Betreute am 05.01.2012 auf Anordnung des Gerichts begutachtet. Der Antragsteller
begleitete die Klägerin zum Untersuchungstermin. Die Gutachterin bestätigte die Notwendigkeit einer Begleitperson wegen der
Angsterkrankung der Klägerin.
Mit Entschädigungsantrag vom 09.01.2012 beantragte der Antragsteller als Begleitperson, ihm einen Verdienstausfall in Höhe
von 341,- EUR sowie Fahrtkosten für 188 km zu erstatten.
Der Kostenbeamte des Bayer. LSG setzte mit Schreiben vom 23.01.2012 die Entschädigung auf 36,75 EUR fest. Dem lag ein Fahrkostenersatz
für 147 km (aus dem Routenplaner sich ergebende Strecke) zugrunde. Ein Verdienstausfall - so der Kostenbeamte - könne nicht
erstattet werden, da der Antragsteller in seiner Funktion als Betreuer tätig geworden sei.
Dagegen hat sich der Antragsteller mit Schreiben vom 24.01.2012 gewandt und die gerichtliche Kostenfestsetzung beantragt.
Die Begleitung eines Betreuten gehöre nicht zu den verpflichtenden Aufgaben eines Betreuers, auch wenn die Gesundheitsfürsorge
zu seinem Aufgabenkreis gehöre. Die Begleitung sei auf ausdrücklichen Wunsch der Klägerin erfolgt und aus dem Grund, dass
keine andere Begleitperson zu dem kurzfristig anberaumten Untersuchungstermin habe gefunden werden können. Die angegebenen
188 km würden aufgrund der besonders schlechten Wetterumstände den Tatsachen entsprechen.
II.
Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte mit Schreiben vom 24.01.2012 die gerichtliche Festsetzung beantragt.
Gegenstand der gerichtlichen Festsetzung ist ein Entschädigungsanspruch des Antragstellers. Nicht Gegenstand der Entscheidung
ist ein Entschädigungsanspruch der vom Antragsteller betreuten Klägerin im Verfahren mit dem Az. L 15 VG 10/09. Dies ergibt sich aus dem Antrag vom 09.01.2012, den der Antragsteller im eigenen Namen gestellt hat und aus dem im Übrigen
auch hervorgeht, dass ein Anspruch der Betreuten nicht geltend gemacht wird.
Zwar besteht dann, wenn ein gesetzlicher Vertreter, wie dies auch ein Betreuer gemäß §
1902 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) ist (vgl. Diederichsen, in: Palandt,
Bürgerliches Gesetzbuch, 71. Aufl. 2012, §
1902, Rdnr. 2), erkennbar im Rechtskreis des Vertretenen auftritt, eine tatsächliche Vermutung dahingehend, dass er im Namen des
Vertretenen handelt, auch wenn dies im eigenen Namen und nicht im Namen des Betreuten erfolgt (vgl. Diederichsen, a.a.O.,
§ 1902, Rdnr. 1). Die Vermutung gilt aber dann nicht, wenn es besondere Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Vertreter für sich
persönlich handeln will (vgl. Oberlandesgericht - OLG - Düsseldorf, Urteil vom 23.02.2010, Az: I-24 U 99/08, 24 U 99/08). Derartige Anhaltspunkt, die es verbieten, von einem Handeln in Vertretung der Betreuten auszugehen, liegen hier vor. Im
Antrag vom 09.01.2012 hat der Antragsteller ausdrücklich einen eigenen Verdienstausfall geltend gemacht, den Antrag im eigenen
Namen und als Begleitperson gestellt sowie um Überweisung auf ein eigenes Konto, nicht ein Konto der Betreuten, gebeten. Auch
hat der Antragsteller keinerlei Entschädigung für die Betreute, z.B. auch nicht für Zeitversäumnis, geltend gemacht. All dies
zeigt unzweifelhaft, dass der Antragsteller einzig und allein einen eigenen Anspruch und nicht einen Anspruch der von ihm
betreuten Klägerin geltend machen will. Auch wenn der Antragsteller der Betreuer der Klägerin A. ist, verbietet es sich daher
aus den aufgezeigten Gründen, den Antrag als einen solchen der Betreuten auszulegen.
Die Entschädigung des Antragstellers für die Begleitung der Klägerin im Verfahren L 15 VG 10/09 zur Begutachtung am 05.01.2012 ist auf 0,- EUR festzusetzen.
Das JVEG enthält keine Rechtsgrundlage für einen Entschädigungsanspruch des Antragstellers.
Eine originäre Anwendung der Regelungen des JVEG auf Betreuer scheitert daran, dass das JVEG eine Entschädigung von Betreuern in dieser Eigenschaft nicht vorsieht.
Eine analoge Anwendung des JVEG scheitert daran, dass für Betreuer mit dem Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern eine abschließende Regelung für die Vergütung zur Verfügung steht (vgl. Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 19.11.2001,
Az.: 3 Ws 77/01).
Auch eine Entschädigung des Antragstellers als Betreuer nach den Regelungen des JVEG, das über die Verweisungsnorm des §
191 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zur Anwendung kommt, wenn ein Betreuer in seinem Aufgabenkreis als Betreuer tätig geworden ist und deshalb wie ein Beteiligter
im Sinne des §
69 SGG zu behandeln ist (vgl. Beschluss des Kostensenats vom 16.07.2012, Az.: L 15 SF 42/11 - m.w.N.), kommt vorliegend nicht in Betracht. Denn der Antragsteller ist bei der Begleitung der von ihm Betreuten zur Begutachtung
nicht in seiner Eigenschaft als Betreuer tätig geworden, sondern nur als Begleitperson im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 JVEG. Eine Begleitperson hat aber keinen eigenen Entschädigungsanspruch gegen die Staatskasse.
Der Antragsteller ist gemäß Beschluss des Amtsgerichts K. - Betreuungsgericht - vom 21.05.2010 als Betreuer von Frau A. u.a.
für die Gesundheitsfürsorge und die Vertretung gegenüber Behörden und Renten- und Sozialleistungsträgern bestellt worden.
Er hat aber die Betreute nicht in dieser Eigenschaft zur Begutachtung begleitet.
Was zum Aufgabenkreis einer Betreuertätigkeit gehört, erschließt sich aus den rechtlichen Rahmenvorgaben dieser Tätigkeit.
Diese ist, wie die Überschrift des Zweiten Titels des Vierten Buchs des
BGB ("Rechtliche Betreuung") zeigt, eine rechtsfürsorgerische Tätigkeit. Sie stellt gemäß §
1902 BGB eine bürgerlich-rechtlich geregelte gesetzliche Vertretung dar und umfasst gemäß §
1901 Abs.
1 BGB alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen. Eine persönlich-tatsächliche,
über das Rechtsfürsorgerische hinausgehende Hilfeleistung ist davon nicht umfasst (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht
- Bayer. ObLG -, Beschluss vom 17.02.1998, Az.: 3Z BR 333/97).
Rein tatsächliche Hilfeleistungen oder Unterstützungsmaßnahmen hat der Betreuer grundsätzlich nicht zu erbringen, da derartige
Tätigkeiten keinen rechtsfürsorgerischen Charakter haben; sie gehören in der Regel nicht zum Aufgabenkreis des Betreuers.
Der Betreuer ist lediglich für die Organisation dieser tatsächlichen Hilfsmaßnahmen verantwortlich, soweit dies erforderlich
ist (vgl. Bayer. ObLG, Beschluss vom 09.10.2002, Az.: 3Z BR 146/02). Die Rechtsprechung hat daher beispielsweise die Begleitung bei Einkäufen (vgl. Bayer. ObLG, Beschluss vom 17.11.1998, Az.:
3Z BR 268/98) und zu Arztbesuchen (vgl. Landgericht - LG - Koblenz, Beschluss vom 06.10.1997, Az.: 2 T 648/97; LG Mainz, Beschluss vom 19.05.1999, Az.: 8 T 124/99) nicht dem Aufgabenkreis des Betreuers zugerechnet.
Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgabe in §
1897 Abs.
1 BGB, dass die Betreuung nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine persönliche Betreuung im erforderlichen Umfang gebietet
und damit von der Schaffung eines Vertrauensverhältnisses zwischen Betreutem und Betreuer ausgeht, ist über die rein rechtsfürsorgerische
Betreuung hinaus eine gewisse persönliche Betreuung erforderlich. Dazu kommt, dass der Betreuer gemäß §
1902 Abs.
2 und
3 BGB im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben auf die Wünsche und Vorstellungen des Betreuten Rücksicht zu nehmen hat. Aus diesem Gesichtspunkt
heraus kann es im Einzelfall nötig sein, dass der Betreuer auch tatsächliche Hilfe leistet, die über die reine Rechtsfürsorge
hinaus geht. Die tatsächliche Hilfe wird dann ausnahmsweise Teil der betreuerischen Tätigkeit (vgl. Bayer. ObLG, Beschluss
vom 09.10.2002, Az.: 3Z BR 146/02). Dies kann der Fall sein, wenn die Erbringung der tatsächlichen Hilfsmaßnahme nicht oder nur mit erheblich höherem Aufwand
durch Dritte erbracht werden kann. Im Bereich der Gesundheitsfürsorge, in dem dem Betreuer grundsätzlich nur die Organisation
der Arzttermine, nicht aber deren Durchführung obliegt, kann wegen der in §
1901 Abs.
4 BGB verankerten gesetzlichen Nebenpflicht des Betreuers, Rehabilitationschancen zu nutzen, die Begleitung des Betreuten zu einem
wichtigen ärztlichen Termin ausnahmsweise erforderlich werden, wenn nur so die ärztliche Behandlung sichergestellt werden
kann (vgl. Heitmann, jurisPR-FamR 1/2004 Anm. 5, zu Bayer. ObLG, Beschluss vom 09.10.2002, Az.: 3Z BR 146/02). Wegen des grundsätzlich rechtsfürsorgerischen Charakters der Betreuung darf diese Erweiterung des Aufgabenkreises aber
nicht extensiv erfolgen.
Bei Beachtung dieser Vorgaben ist die Begleitung zur Begutachtung am 05.01.2012 nicht mehr zum Aufgabenkreis des Antragstellers
als Betreuer zu rechnen. Zwar ist dieser als Betreuer mit dem Aufgabenkreis u.a. der Gesundheitsfürsorge und der Vertretung
gegenüber Behörden bestellt worden. Die Begleitung der Betreuten zu der vom Gericht angeordneten ärztlichen Begutachtung ist
aber keine Verrichtung im Rahmen der Rechtsfürsorge, die dem Aufgabenkreis des Betreuers unterfallen würde. Bei der Begutachtung
selbst ist die Anwesenheit des Betreuers nicht erforderlich, da dabei eine Untersuchung durchgeführt wird, die den Betreuten
allein nicht überfordert. Auch die Gutachterin hat nicht angegeben, dass eine Teilnahme des Betreuers an der Untersuchung
erforderlich gewesen wäre. Die An- und Abreise zur Begutachtung ist der Klägerin zwar aus Gründen, die auch Anlass für die
Anordnung der Betreuung gewesen sind, nicht allein möglich gewesen. Dies bedeutet aber nicht, dass deshalb der mit der Gesundheitsfürsorge
und der Behördenvertretung beauftragte Betreuer die Betreute selbst hätte begleiten müssen. Vielmehr geht seine aus der Anordnung
der Betreuung resultierende Pflicht nur soweit, dass er sich darum kümmern muss, dass die Klägerin zur Begutachtung und zurück
gelangt. Wie er dies organisatorisch sicherstellt, ob er beispielsweise eine Begleitung durch Familienangehörige sicherstellt,
bleibt ihm überlassen. Allein dadurch, dass er die Begleitung selbst übernimmt, wird die Begleitung noch nicht zu einer Tätigkeit
aus dem Aufgaben- und Pflichtenkreis der Betreuung. Irgendein überzeugender Grund dafür, dass wegen der besonderen Umstände
des Einzelfalls eine Begleitung gerade durch den Betreuer erforderlich gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist
die Begutachtung nicht mit einem so wichtigen Arztbesuch zu vergleichen, dass der Betreuer selbst die Betreute begleiten müsste,
um die Wahrnehmung des Arzttermins angesichts sonst drohender Gefahren für die Gesundheit der Betreuten oder wegen dringender
darauf aufbauender medizinischer Maßnahmen sicherzustellen. Auch wird die Begleitung nicht schon deshalb zur betreuerischen
Tätigkeit, weil der Antragsteller wegen der von ihm angegebenen kurzfristigen Ladung zur Begutachtung keine andere Begleitperson
finden konnte. Anders als bei einem kurzfristig und aus medizinischen Gründen dringend erforderlich gewordenen Arzttermin,
den der Betreute nicht allein wahrnehmen kann, für den wegen der Kurzfristigkeit keine andere Begleitung gefunden werden kann
und bei dem die Begleitung durch den Betreuer erforderlich ist, um Gefahren für die Gesundheit des Betreuten zu vermeiden,
lässt sich bei einem kurzfristig angesetzten Begutachtungstermin keine betreuerische Aufgabe begründen. Anders als bei einem
unaufschiebbaren Arztbesuch besteht ein zwingender Grund für die Begleitung durch den Betreuer bei einem Gutachtenstermin
nicht. Ein kurzfristig angesetzter Begutachtungstermin kann ohne Schwierigkeiten und Risiken für den Betreuten verschoben
werden, sodass der Betreuer ausreichend Zeit gewinnen kann, eine Begleitung durch einen Dritten im Rahmen seiner rechtsfürsorgerischen
Betreuertätigkeit zu organisieren. Auch die Bitte der Betreuten um Begleitung durch den Betreuer macht die Begleitung noch
nicht zu einer Maßnahme im betreuerischen Aufgabenkreis. Soweit reicht die vom Betreuer im Rahmen des Vertrauensverhältnisses
zu erbringende persönliche Betreuung nicht. Die Begleitung zur Begutachtung gehört damit im vorliegenden Fall nicht zum Aufgabenkreis
des Antragstellers als Betreuer, was im Übrigen auch der eigenen Einschätzung des Antragstellers im Schreiben vom 24.01.2012
entspricht.
Auch wenn dem Antragsteller - was hier nicht bekannt ist - im erstinstanzlichen Verfahren entgegen den obigen Ausführungen
eine Entschädigung als Begleitperson zugesprochen worden sein sollte, hat dies auf die hier zu treffende Entscheidung keinen
Einfluss. Denn daraus würde kein Anspruch auf eine nachfolgende, rechtlich nicht tragfähige Entscheidung resultieren ("keine
Gleichbehandlung im Unrecht").
Dass dieser gerichtlich festgesetzte Betrag von 0,- EUR unter dem vom Kostenbeamten festgesetzten Betrag liegt, steht der
Festsetzung nicht entgegen. Denn das Verbot der sogenannten "reformatio in peius" verbietet eine gerichtliche Feststellung
auf einen Betrag unter der Festsetzung des Kostenbeamten nicht. Dieses Verbot greift bei einer gerichtlichen Festsetzung,
die von der im Verwaltungswege berechneten Vergütung zu Lasten des Antragstellers abweicht, nicht ein, da die gerichtliche
Festsetzung keine Abänderung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Berechnung, sondern eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung
nach § 4 Abs.1 Satz 1 JVEG ist. Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungswege gegenstandslos (ständige Rechtsprechung, vgl. Meyer,
Höver, Bach, a.a.O., Rdnr. 4.12 - m.w.N.).
Eine Entschädigung für die Begleitung von Frau A. zur Begutachtung am 05.01.2012 nach Vorschriften des JVEG kann der Antragsteller daher nicht im Wege der Geltendmachung eines eigenen Anspruchs gegen die Staatskasse erhalten. Ob
und in welchem Umfang hingegen Frau A. einen Anspruch gemäß §
191 SGG i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 3 und § 7 Abs. 1 Satz 2 JVEG auf Kostenerstattung für die Begleitung durch den Antragsteller hat, kann in diesem Verfahren nicht geklärt werden.
Der Kostensenat trifft diese Entscheidung wegen der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG in voller Besetzung.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).