Gerichtskostenfeststellung in einem Anhörungsrügeverfahren
Rechtsinstitut der Bestandskraft
Wirkung einer offensichtlich falschen Entscheidung im Hauptsacheverfahren
Gründe
I.
Streitig ist eine Gerichtskostenfeststellung der Urkundsbeamtin in einem Anhörungsrügeverfahren zu einem nach §
197 a Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kostenpflichtigen rentenversicherungsrechtlichen Rechtsstreit
Das zugrunde liegende Verfahren einer Anhörungsrüge gemäß §
178 a SGG (in der Folge: Hauptsacheverfahren) mit dem Aktenzeichen L 14 R 624/15 RG vor dem Bayer. Landessozialgericht (LSG), das sich an ein gemäß §
197 a SGG kostenpflichtiges Berufungsverfahren (Az.: L 14 R 296/13) angeschlossen hatte, endete mit Beschluss vom 22.10.2015. Mit diesem Beschluss wurde die Anhörungsrüge als unzulässig verworfen.
Ziff. II. des Tenors lautet wie folgt: "Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten." Die Kostenentscheidung wurde in
den Gründen der vorgenannten Entscheidung auf die entsprechende Anwendung von §
193 SGG gestützt.
Mit Gerichtskostenfeststellung vom 11.11.2015 erhob die Kostenbeamtin des LSG beim Erinnerungsführer Kosten für das Verfahren
der Anhörungsrüge in Höhe von 60,- EUR.
Dagegen hat sich der Erinnerungsführer mit Schreiben vom 13.11.2015 gewandt. Die Erinnerung hat er wie folgt begründet:
Er habe gegen die Kostengrundentscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde erhoben. Die Voraussetzungen
des §
197 a SGG lägen nicht vor, da er als Bezieher einer Rente zu den Personen des §
183 SGG gehöre. Zudem stelle er fest, dass er keine Klage vor den Sozialgerichten erhoben habe. Seine Klage habe sich entsprechend
der Rechtmittelbelehrung der Oberfinanzdirektion Hannover an das Arbeitsgericht bzw. Landesarbeitsgericht Celle bzw. Hannover
gerichtet. Nach Verweisung durch das Arbeitsgericht Celle an das Sozialgericht Lüneburg hätten sich fünf Gerichte für unzuständig
erklärt, bis dann das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag des Verwaltungsgerichts Augsburg das Verfahren an die Sozialgerichtsbarkeit
verwiesen habe. Dies habe er nicht zu verantworten und daher auch keine Verfahrenskosten zu tragen; dies liege ausschließlich
in der Verantwortung der ohne seine Veranlassung beteiligten Gerichte. Er gehe davon aus, dass nach erfolgreichem Abschluss
der Verfassungsbeschwerde die Kosten erstattet würden.
Der Senat hat die Akten des Hauptsacheverfahrens und des vorhergehenden Berufungsverfahrens beigezogen.
II.
Die Erinnerung ist gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. §
197 a Abs.
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig. Sie ist auch begründet.
Bei dem zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren handelt es sich nach den für den Kostensenat bindenden Festlegungen des Gerichts
der Hauptsache nicht um ein Verfahren gemäß §
197 a SGG, sodass Gerichtskosten nicht zu erheben waren.
1. Prüfungsumfang bei der Erinnerung
Eine Erinnerung gemäß § 66 Abs. 1 GKG kann nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden (vgl. Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 13.02.1992, Az.: V ZR 112/90, und vom 20.09.2007, Az.: IX ZB 35/07; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.06.2006, Az.: VI E 2/06; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 01.08.2014, Az.: L 15 SF 90/14 E; Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, § 66 GKG, Rdnr. 18; Meyer, GKG/FamGKG, 14. Aufl. 2014, § 66, Rdnr. 13), nicht aber auf die (vermeintliche oder tatsächliche) Unrichtigkeit einer im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidung.
Die im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidungen sind wegen der insofern eingetretenen Bestandskraft (§
197 a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
158 Verwaltungsgerichtsordnung bzw. § 68 Abs. 1 GKG) einer Überprüfung im Kostenansatzverfahren entzogen (ständige Rspr., vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 18.12.2014, Az.:
L 15 SF 322/14 E - m.w.N.). Gleiches gilt grundsätzlich auch für die dort getroffenen Verfügungen (vgl. Beschlüsse des Senats vom 07.10.2014,
Az.: L 15 SF 61/14 E, und vom 05.12.2014, Az.: L 15 SF 202/14 E).
Im Erinnerungsverfahren zum Kostenansatz kann daher lediglich geprüft werden, ob die im Hauptsacheverfahren erfolgten Festlegungen
kostenrechtlich richtig umgesetzt worden sind.
2. Zu den Einwänden des Erinnerungsführers
Der sinngemäße Einwand des Erinnerungsführers, bei dem der Gerichtskostenfeststellung zu Grunde liegenden Hauptsacheverfahren
dürfe nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um ein Verfahren gemäß §
197 a SGG handle, trifft zu. Denn der Hauptsachesenat hat diesbezüglich eine Entscheidung getroffen, die den Kostensenat unabhängig
von deren materiellen Richtigkeit, die der Kostensenat nicht für gegeben erachtet, bindet.
Die Frage der Anwendbarkeit des §
197 a SGG, der eine Gerichtskostenpflicht konstituiert, ist einer Prüfung im Kostenansatzverfahren entzogen, weil die Entscheidung
dazu bereits im Hauptsacheverfahren getroffen worden ist und diese Entscheidung den Kostensenat genauso wie den Kostenbeamten
bindet (vgl. oben Ziff. 1.; ständige Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 10.04.2015, Az.: L 15 SF 83/15 E).
Mit dem im Hauptsacheverfahren ergangenen Beschluss vom 22.10.2015, Az.: L 14 R 624/15 RG, ist für den Kostensenat bindend festgelegt worden, dass dieses Verfahren kein solches gemäß §
197 a SGG ist.
Dies ergibt sich sowohl aus dem Tenor des genannten Beschlusses, wenn dort formuliert ist "II. Außergerichtliche Kosten sind
nicht zu erstatten." als auch aus den Gründen, wenn dort die Kostenentscheidung wie folgt begründet worden ist "Die Kostenentscheidung
beruht auf der entsprechenden Anwendung von §
193 SGG." Beiden Formulierungen ist unzweifelhaft zu entnehmen, dass der Hauptsachesenat bei der der angegriffenen Gerichtskostenfeststellung
vom 11.11.2015 zu Grunde liegenden Entscheidung, dem Beschluss vom 22.10.2015, von einer Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens
der Anhörungsrüge gemäß §
183 SGG ausgegangen ist, nicht von einer Gerichtskostenpflichtigkeit gemäß §
197 a SGG. Diese Festlegung ist für den Kostensenat bindend.
Lediglich zum besseren Verständnis der gesetzlichen Systematik und der sich daraus ergebenden Konsequenzen weist der Senat
auf Folgendes hin:
Selbst dann, wenn eine im Hauptsacheverfahren getroffene Entscheidung möglicherweise falsch oder sogar offenkundig unrichtig
ist, wofür hier bei der Kostenentscheidung im Beschluss vom 22.10.2015 alles spricht - das der Anhörungsrüge vorhergehende
Berufungsverfahren war ein gerichtskostenpflichtiges Verfahren gemäß §
197 a SGG, sodass auch das sich daran anschließende Verfahren der Anhörungsrüge gerichtskostenpflichtig sein hätte müssen! - , kann
sich das Gericht der Kostensache im Rahmen der Entscheidung über die Erinnerung weder zu Gunsten noch zu Ungunsten eines Betroffenen
über die im Hauptsacheverfahren erfolgte bindende Entscheidung hinwegsetzen und darf diese nicht durch eine eigene Bewertung
ersetzen (ständige Rspr., vgl. z.B. auch den in der Sache des Erinnerungsführers ergangenen Beschluss zur der Gerichtskostenfeststellung
im Berufungsverfahren vom 21.08.2015, Az.: L 15 SF 181/15 E). Einer Korrektur im Rahmen der Erinnerung sind diese Fälle aufgrund der Rechtssystematik nicht zugänglich. Es sind also
- so wie hier - durchaus Fälle denkbar, in denen der Kostenrichter sehenden Auges eine falsche Entscheidung im Hauptsacheverfahren
zugrunde legen muss (vgl. auch die Beschlüsse des Senats in vergleichbaren Konstellationen wie hier vom 27.11.2013, Az.: L 15 SF 154/12 B, und vom 27.01.2015, Az.: L 15 SF 162/12 B). Dass die von der Kostenbeamtin vorgenommene Gerichtskostenfeststellung vom 11.11.2015 bei objektiver Betrachtung und
Außerachtlassung der Bindungswirkung der Entscheidung des Hauptsachesenats der materiellen Rechtslage entsprochen hätte und
daher die Kostenerhebung berechtigt gewesen wäre, kann daher im vorliegenden Verfahren keine Rolle spielen. Oder mit anderen
Worten ausgedrückt: Der Erinnerungsführer profitiert vom Rechtsinstitut der Bestandskraft.
Darauf, dass die weiteren Einwände des Erinnerungsführers keinen Anlass gegeben hätten, der Erinnerung stattzugeben, kommt
es nicht mehr an.
Die Gerichtskostenfeststellung vom 11.11.2015 ist daher aufzuheben.
Das Bayer. LSG hat über die Erinnerung gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1, 1. Halbsatz GKG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 66 Abs. 8 GKG).