Zulässigkeit einer Erinnerung nach § 66 GKG im sozialgerichtlichen Verfahren; Keine gerichtliche Prüfung der Höhe des der Kostenrechnung zugrunde gelegten vorläufigen
Streitwerts im Rahmen der Erinnerung
Gründe
I.
Im Verfahren L 16 R 1203/13 vor dem Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhob die Urkundsbeamtin, ausgehend von einem vorläufigen Streitwert in Höhe von
26.444,01 EUR, mit Gerichtskostenfeststellung vom 10.01.2014 beim Berufungskläger und jetzigen Erinnerungsführer eine Gebühr
in Höhe von 1.624,- EUR.
Dagegen hat der Bevollmächtigte des Erinnerungsführers mit Schreiben vom 30.01.2014 Erinnerung eingelegt und vorgetragen,
dass der Streitwert nicht 26.444,01 EUR betrage; streitgegenständlich sei nur derjenige Betrag, der entgegen den Argumenten
der Berufung weiterhin gefordert werde, wobei - wie dem Schreiben des Bevollmächtigten vom 18.02.2014 zu entnehmen ist - dem
Erinnerungsführer eine Bezifferung nicht möglich zu sein scheint, er aber eine solche durch das Gericht der Hauptsache erwartet.
Mit Schreiben des Kostensenats vom 29.04.2014 ist der Erinnerungsführer darauf hingewiesen worden, dass nach ständiger Rechtsprechung
die Höhe des vorläufigen Streitwerts einer Prüfung im Kostenansatzverfahren entzogen sei.
Der Erinnerungsführer hat mit Schreiben vom 11.08.2014 um eine gerichtliche Entscheidung gebeten.
II.
Eine Verletzung des Kostenrechts ist weder vom Erinnerungsführer vorgetragen worden noch ersichtlich.
Der Kostenansatz ist nicht zu beanstanden.
1.
Prüfungsumfang bei der Erinnerung
Die Erinnerung gemäß § 66 Abs. 1 GKG kann nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden (vgl. Bundesgerichtshof - BGH -, Beschlüsse vom 13.02.1992,
Az.: V ZR 112/90, und vom 20.09.2007, Az.: IX ZB 35/07; Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 29.06.2006, Az.: VI E 2/06; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 01.08.2014, Az.: L 15 SF 90/14 E; Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl. 2014, § 66 GKG, Rdnr. 18; Meyer, GKG/FamGKG, 13. Aufl. 2012, § 66, Rdnr. 13), nicht aber auf die (vermeintliche oder tatsächliche) Unrichtigkeit einer im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidung.
Die im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidungen, insbesondere zu §
197 a SGG, aber auch über die Kostenverteilung und zur Höhe des Streitwerts sind - wie überhaupt die Richtigkeit der gerichtlichen
Entscheidung im Hauptsacheverfahren - wegen der insofern eingetretenen Bestandskraft (§
197 a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
158 Verwaltungsgerichtsordnung bzw. § 68 Abs. 1 GKG) einer Überprüfung im Kostenansatzverfahren entzogen (zur Anwendung des §
197 a SGG: vgl. Beschlüsse des Senats vom 10.05.2013, Az.: L 15 SF 136/12 B, vom 22.07.2013, Az.: L 15 SF 165/13 E, vom 27.11.2013, Az.: L 15 SF 154/12 B, und - zur vergleichbaren Problematik in einem Verfahren nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz - vom 16.02.2012, Az.: L 15 SF 204/11; zur Kostengrundentscheidung, zur Höhe des Streitwerts und zu einer behaupteten Fehlerhaftigkeit der zugrunde liegenden Gerichtsentscheidung:
vgl. Bayer. LSG, Beschluss vom 07.11.2011, Az.: L 2 SF 340/11 E; zur Kostengrundentscheidung: vgl. BGH, Beschluss vom 20.09.2007, Az.: IX ZB 35/07; zur Streitwertfestsetzung: vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 29.06.2011, Az.: L 6 SF 408/11 E, und Verwaltungsgericht B-Stadt, Beschluss vom 09.01.2013, Az.: M 1 M 12.6265; zur Stellung als Beteiligter des Verfahrens
und damit als Kostenschuldner: vgl. Beschlüsse des Senats vom 14.06.2013, Az.: L 15 SF 269/12 E, und vom 07.11.2013, Az.: L 15 SF 303/13; zu einer behaupteten Fehlerhaftigkeit der zugrunde liegenden Gerichtsentscheidung: vgl. BFH, Beschluss vom 29.06.2006, Az.:
VI E 2/06). Gleiches gilt auch für Verfügungen, die der Richter des Hauptsacheverfahrens getroffen hat; auch hier ist eine Klärung
nur im Hauptsacheverfahren, nicht aber im Erinnerungsverfahren möglich (vgl. Beschluss des Senats vom 01.08.2014, Az.: L 15 SF 90/14 E).
Im Erinnerungsverfahren zum Kostenansatz kann daher lediglich geprüft werden, ob die im Hauptsacheverfahren erfolgten Festlegungen
kostenrechtlich richtig umgesetzt worden sind.
2.
Zu den Einwänden des Erinnerungsführers
Der Erinnerungsführer wendet sich allein deshalb gegen die Gerichtskostenrechnung, weil er den der Kostenrechnung zugrunde
gelegten vorläufigen Streitwert für unzutreffend hält.
Dieser Einwand kann nicht durchgreifen, weil die Höhe des vorläufigen Streitwerts einer Prüfung im Rahmen der Erinnerung gegen
den Kostenansatz gemäß § 66 Abs. 1 GKG entzogen ist.
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Höhe des der Kostenrechnung zugrunde gelegten vorläufigen Streitwerts nicht Gegenstand
der gerichtlichen Prüfung im Rahmen der Erinnerung gegen den Kostenansatz gemäß § 66 Abs. 1 GKG (vgl. z.B. Bayer. LSG, Beschluss vom 28.06.2006, Az.: L 11 B 399/06 SO; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.03.2009, Az.: L 11 R 882/11 B; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.01.2010, Az.: L 10 U 64/08, Bayer. Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 27.12.2011, Az.: 7 C 11.2933; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09.07.2012,
Az.: L 4 SF 80/11 B SG; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.02.2013, Az.: L 18 SF 207/12 E). Dies wird auch aus der Regelung des § 63 Abs. 1 Satz 2 GKG deutlich, die in den Fällen, in denen Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme ist oder gesetzlich kein fester
Wert bestimmt ist, - aber auch nur in diesen Fällen - eine Festsetzung des vorläufigen Streitwerts durch gerichtlichen Beschluss
verlangt. Auch in derartigen Fällen ist die Festsetzung des vorläufigen Streitwerts ausschließlich dann, wenn die Tätigkeit
des Gerichts aufgrund des GKG von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, einer gerichtliche Überprüfung zugänglich - dann im Rahmen einer
Beschwerde nach § 67 GKG, nicht einer Erinnerung gegen den Kostenansatz gemäß § 66 Abs. 1 GKG. Das Verfahren vor den Sozialgerichten unterliegt aber gemäß §
103 SGG dem Amtsermittlungsgrundsatz und kann deshalb nicht von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht werden. Selbst
dann, wenn der vorläufige Streitwert durch Beschluss festzusetzen ist, ist also im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß §
197 a SGG der vorläufige Streitwert einer gerichtlichen Kontrolle nicht zugänglich.
Eine (vermeintlich) der Höhe nach unzutreffende vorläufige Streitwertfestsetzung kann/muss daher erst mit der Entscheidung
über den gesamten Streitgegenstand oder dann, wenn sich das Verfahren anderweitig erledigt, korrigiert werden (vgl. § 63 Abs. 2 GKG). Ein derartiges Abwarten ist dem Kostenpflichtigen - auch unter dem Gesichtspunkt des Gebots des umfassenden Rechtsschutzes
im Sinn des Art.
19 Abs.
4 Grundgesetz - zumutbar, da er damit keinen unzumutbaren Rechtsverlust erleidet. Denn in der Durchführung des gerichtskostenpflichtigen
Verfahrens wird er rechtlich nicht behindert, da dieses Verfahren unabhängig davon durchgeführt wird, ob die dafür angeforderten
Gerichtskosten eingezahlt worden sind oder nicht. Zudem hat er am - absehbaren - Ende des Verfahrens die Möglichkeit von Rechtsschutz
gegen den dann endgültig festzusetzenden Streitwert.
Alternativ dazu kann - außerhalb des vom Gesetz eröffneten förmlichen Wegs - ein Beteiligter versuchen, das für die Festsetzung
des Streitwerts zuständige Gericht der Hauptsache davon zu überzeugen, dass der bisher angenommene vorläufige Streitwert unzutreffend
ist, mit dem Ziel, dass dieses einen korrigierten vorläufigen Streitwert verfügt. Einen Rechtsanspruch auf ein derartiges
Tätigwerden des Hauptsachegerichts gibt es aber nicht.
Mit der Frage, ob eine derartige Aktivität des Erinnerungsführers vorliegend zum Erfolg führen könnte, hat sich der Kostensenat
nicht zu befassen. Er hält einen Erfolg aber schon deshalb für fernliegend, weil der angesetzte vorläufige Streitwert von
26.444,01 EUR exakt dem Forderungsbetrag in dem im Hauptsacheverfahren angegriffenen Bescheid vom 07.02.2012 entspricht, dessen
(vollständige) Aufhebung der Erinnerungsführer beantragt hat.
3.
Zur Überprüfung des Kostenansatzes über den vom der Erinnerungsführer erhobenen Einwand hinaus
Der Kostenansatz vom 10.01.2014 ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden.
Nach § 3 Abs. 1 GKG richten sich die Gebühren nach dem Streitwert. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Wertberechnung ist gemäß § 40 GKG die den Streitgegenstand betreffende Antragstellung, die den Rechtszug einleitet. Die Kosten werden gemäß
§ 3 Abs. 2 GKG nach dem Kostenverzeichnis (KV) der Anlage 1 zum GKG erhoben. Im Berufungsverfahren in der Sozialgerichtsbarkeit beträgt die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen gemäß Nr.
7120 KV das 4,0-fache der Gebühr nach § 34 GKG.
Bei einem Streitwert in Höhe von 26.444,01 EUR, wie er im Hauptsacheverfahren für den Kostenbeamten und den Kostenrichter
bindend (vgl. oben) verfügt worden ist, beträgt die einfache Gebühr zu dem gemäß § 40 GKG maßgeblichen Zeitpunkt, also des Eingangs des Berufungsschriftsatzes, 406,- EUR (§ 34 Abs. 1 GKG i.V.m. Anlage 2 zum GKG). Das gemäß Nr. 7120 KV anzusetzende 4,0-fache der Gebühr nach § 34 GKG beträgt daher 1.624,- EUR, wie es zutreffend im Kostenansatz vom 10.01.2014 festgestellt worden ist.
Die Gerichtskosten in Gestalt der Verfahrensgebühr sind gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 GKG mit der Einreichung der Berufungsschrift fällig geworden.
Die Erinnerung ist daher als unbegründet zurückzuweisen.
Das Bayer. LSG hat über die Erinnerung gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1, 1. Halbsatz GKG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 66 Abs. 8 GKG).