Hinterbliebenenversorgung
Wehrdienstbeschädigung
Strahlenbelastung eines Flugzeugmechanikers
Haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin Hinterbliebenenversorgung wegen des Tods ihres Ehemanns und Versorgung während dessen Krebserkrankung
vor seinem Versterben zusteht.
Der 1939 geborene Ehemann der Klägerin R. A. (im Folgenden: G.) war vom 05.01.1960 bis 04.01.1965 Soldat auf Zeit bei der
Bundeswehr.
Nach der Grundausbildung war G. zunächst als Flugzeugmechanikerhelfer und anschließend bis zum Dienstzeitende als Flugzeugmechaniker,
Flugzeugmechaniker (Düsen) und zuletzt Flugzeugmechanikermeister tätig. Er arbeitete überwiegend am Flugzeugtyp F-86 Sabre
(im Folgenden: F-86), aber auch am Flugzeugtyp RF-84 F (im Folgenden: RF-84).
Im Jahre 1987 erkrankte G. an einem Rektumkarzinom, an dem er am 17.08.1991 verstarb.
Am 13.08.2001 beantragte die Klägerin bei der Versorgungsverwaltung (im Folgenden: ZBFS) die Gewährung von Hinterbliebenenversorgung.
Die Krebserkrankung und damit den Tod ihres Ehemanns führe sie - so die Klägerin - auf eine überhöhte Strahlenbelastung (Radar-,
Röntgenstrahlung aus Bordradar und Inkorporation von Leuchtschriftpartikeln aus der Instrumentenbelegung) während der Dienstzeit
zurück.
Das ZBFS lehnte den Antrag auf Gewährung von Hinterbliebenenversorgung mit Bescheid vom 14.04.2003 ab. Es stützte sich dabei
auf die im Weg der Amtshilfe von der Beklagten durchgeführten Ermittlungen, die - so das ZBFS - ergeben hätten, dass G. während
seiner Dienstzeit nicht an Geräten eingesetzt gewesen sei, von denen eine Röntgenstrahlung ausgegangen und in denen auch keine
radioaktive Leuchtfarbe verwendet worden sei.
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 21.04.2003 Widerspruch ein. Den Widerspruch begründete sie damit, dass G. als
Flugzeugmechaniker auch mit radioaktivem Thorium in Verbindung gekommen sei. Das Flugzeug F-86 habe über ein Feuerleitradar
mit erheblicher Röntgenstrahlung verfügt. Die Ausführungen zum Gefährdungspotenzial radioaktiver Leuchtschriften an den Bordinstrumenten
würden völlig fehlgehen. Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der schädigenden Röntgenstrahlung könne nicht
ausgeschlossen werden. G. sei zudem als Unterstützungspersonal der Radartechniker eingesetzt und demzufolge Strahlen ausgesetzt
gewesen. Ein Strahlenschutz habe damals bei der Bundeswehr nicht bestanden.
Die im Weg der Amtshilfe eingebundene Schwerpunktgruppe Radar der Beklagten wies in ihrer Stellungnahme vom 21.11.2003 darauf
hin, dass G. während seiner Dienstzeit nicht als Radarmechaniker/-techniker oder entsprechendes Hilfspersonal eingesetzt gewesen
sei. Somit habe er keine der im Bericht der Expertenkommission zur Frage der Gefährdung durch Strahlung in früheren Radareinrichtungen
der Bundeswehr und der NVA (Radarkommission) vom 02.07.2003 (im Folgenden: Bericht der Radarkommission) vorgegebenen qualifizierenden
Tätigkeiten ausgeübt. Es könne somit nicht von einer Exposition des G. mit ionisierender Strahlung aufgrund wehrdienstlicher
Einflüsse ausgegangen werden. Die geltend gemachte Gesundheitsstörung eines metastasierenden Rektumkarzinoms sei nicht Folge
einer Wehrdienstbeschädigung.
Der in der Folge von der Beklagten angehörte Bund zur Unterstützung Radargeschädigter e.V. teilte mit Schreiben vom 15.02.2004
mit, dass G. als Flugzeugmechaniker und nicht als Radartechniker tätig gewesen sei und hinsichtlich Unterstützungstätigkeiten
wegen seines Tods nicht mehr befragt werden könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2005 wies das ZBFS den Widerspruch zurück.
Am 01.06.2005 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) München erhoben. Die Klage hat sie damit begründet, dass G. nach seinen Ausführungen ihr gegenüber an Radargeräten als Hilfspersonal
gearbeitet habe. Beim Flugzeugtyp F-86 sei das Feuerleitradar AN/APG-30 verwendet worden. Bei Tätigkeiten bis 1975 habe so
gut wie kein Strahlenschutz bestanden und es gebe keine Messwerte. In derartigen Fällen empfehle der Bericht der Radarkommission
grundsätzlich eine Anerkennung bei einer Tätigkeit als Radartechniker oder als Radarbediener, wenn bestimmte Voraussetzungen
vorlägen. G. habe in der Nähe des Radars bzw. als Hilfspersonal am Radar gearbeitet und sei zudem in Kontakt mit radioaktivem
Thorium gekommen. Auch sei er Schwingungen im Niedrigfrequenzbereich infolge Bremsens durch die Triebwerke bei Düsenflugzeugen
ausgesetzt gewesen.
Mit Beschluss vom 29.01.2007 ist die jetzige Beklagte beigeladen worden.
Die Beklagte hat sich mit Schreiben vom 09.02.2007 dahingehend geäußert, dass G. nicht als Radarmechaniker oder -techniker
oder entsprechendes Hilfspersonal eingesetzt gewesen sei und damit keine qualifizierende Tätigkeit im Sinn des Berichts der
Radarkommission ausgeübt habe. Nur Lungenkrebs und Sarkome der Knochen und des an die Knochen grenzenden Bindegewebes würden
nach den Kriterien des Berichts der Radarkommission bei Inkorporation von Radionukliden aus Leuchtfarben zur Anerkennung einer
Wehrdienstbeschädigung führen. Das Rektumkarzinom des G. gehöre nicht zu den vorgenannten qualifizierten Erkrankungen. Schwingungen
im Niedrigfrequenzbereich beim Bremsen des Luftfahrzeugs sei G. nicht ausgesetzt gewesen, da er im Wartungsbereich in der
Halle eingesetzt gewesen sei, die Flugzeuge aber außerhalb der Halle abgebremst worden seien.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 06.04.2008 vorgetragen, dass die Düsen der von G. gewarteten Flugzeuge das Element Thorium
enthalten hätten, das - so die Annahme der Klägerin - durch bloßen Handkontakt in den Verdauungstrakt gelangt sei.
Die Beklagte hat sich mit Schreiben vom 04.09.2008 zur Tätigkeit des G. geäußert: G. sei vom 22.03.1960 bis zum 04.01.1965
als Flugzeugmechanikerhelfer, Flugzeugmechaniker, Flugzeugmechaniker (Düsen) und Flugzeugmechanikermeister beschäftigt gewesen.
Er sei für die Wartung und Reparatur von Flugzeugen der Typen RF-84 und F-86 zuständig gewesen. Ab Frühjahr 1962 hätten für
G. Tätigkeiten an Triebwerkskomponenten zum Aufgabenbereich gehört. Aufgrund der geringen Reichweite der Röntgenstrahlung
von wenigen Dezimetern könne man einer Strahlung nur direkt an der geöffneten Senderbaugruppe eines im Betrieb befindlichen
Radargeräts ausgesetzt gewesen sein. Dies treffe bei Radarmechanikern grundsätzlich zu, nicht aber bei Flugzeugmechanikern.
Praktisch sei aber eine Röntgenstörstrahlenexposition auch bei der F-86 selbst für Radarmechaniker nicht möglich gewesen,
da der stärkste Störstrahler in den dort eingebauten Radargeräten eine Betriebsspannung von lediglich 6 kV gehabt habe. Bei
einer solchen Betriebsspannung seien Werte der Ortsdosisleistung oberhalb des natürlichen Untergrunds auch im Abstand von
wenigen Zentimetern von den Störstrahlern ausschließbar, wie sich aus dem Teilbericht der Radargruppe ergebe. Ra-226-haltige
Leuchtfarbe sei im Cockpit der F-86 vorgekommen. Die dadurch bedingte Ortsdosisleistung im Bereich der Gonaden betrage im
Abstand von 50 cm vor den Cockpit-Armaturen 4,5 Mikrosievert pro Stunde. Im Rahmen eines Dialogverfahrens zwischen Vertretern
des Bundes zur Unterstützung Radargeschädigter e.V. und dem Sonderbeauftragten Radar seien für Luftfahrzeugmechaniker 400
Stunden pro Jahr im Cockpit festgelegt worden. Untersuchungen zum Vorkommen thoriumhaltiger Legierungen in Bauteilen der Triebwerke,
an denen G. gearbeitet habe, lägen nicht vor. Die Verwendung von Thorium zur Verbesserung der Werkstoffeigenschaften sei jedoch
in der Luftfahrtindustrie gängige Praxis, so dass es nicht abwegig sei, eine solche auch in den Triebwerken, an den G. gearbeitet
habe, zu unterstellen. Bei der Abschätzung der Exposition für G. sei zu berücksichtigen, dass die aufwändigen Wartungs- und
Reparaturarbeiten von zivilen Firmen erledigt worden seien und daher nicht unterstellt werden könne, dass G. in einem nennenswerten
Umfang Teile aus den Triebwerken ein- oder auszubauen gehabt habe, so dass er mit den thoriumhaltigen Teilen außerhalb des
Triebwerks nicht in Kontakt gekommen sei. Als Anlage hat die Beklagte den Teilbericht Flugzeugradar AN/APG-30 und AN/APG-501
(Sabre Mk 5/6) der Arbeitsgruppe Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar vom 07.04.2003 vorgelegt. Daraus ergibt sich,
dass das im Radarsender eingebaute Magnetron mit maximal 6 kV betrieben worden ist und die Betriebsspannung des Thyratrons
aus technischen Gründen nicht darüber gelegen hat. Eine Exposition gegenüber Röntgenstörstrahlung sei daher - so der Teilbericht
- auszuschließen.
Am 30.12.2008 hat der vom SG beauftragte Arbeitsmediziner Dr. D. sein 53-seitiges Gutachten vorgelegt. Darin ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass das
Rektumkarzinom des G. weder eine Berufskrankheit im Sinn der Nr. 2402 der Anlage 1 der
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV) (BK Nr. 2402) darstelle noch die Voraussetzungen einer Kannversorgung vorlägen. Auch bei Unterstellung der von der Klägerin
behaupteten Schädigungstatbestände sei mit hoher Wahrscheinlichkeit kein ursächlicher Zusammenhang gegeben. Diese Einschätzung
hat er in seiner beim SG am 09.03.2009 eingegangenen ergänzenden Stellungnahme nochmals bestätigt.
Die Klägerin hat die Feststellungen des Sachverständigen mit Schreiben vom 03.03.2009 angezweifelt und darauf hingewiesen,
dass ihrer Meinung nach Thorium über die Hände in den Mund und damit in den Körper gelangt sei (z.B. durch Nahrungsaufnahme).
Weiter hat sie im Schreiben vom 26.03.2009 die Ansicht vertreten, es bestehe laut Bericht der Radarkommission grundsätzlich
ein Zusammenhang zwischen Rektumkarzinomen und Radarstrahlungen bzw. einer Ra 226-Ingestion.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 08.04.2009 darauf hingewiesen, dass sich im Flugzeug F-86 (auch) das Gerät APX-6 befunden
habe. Dieses Gerät sei kein Radargerät, sondern ein Freund-Feind-Kenngerät, das im Unterschied gegenüber Radargeräten eine
viel geringere Signalintensität habe.
Der Sachverständige hat sich in einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 13.04.2009 zum Vorbringen der Klägerin mit Blick
auf Thorium und Infraschall geäußert und bekräftigt, dass er keinen Zusammenhang mit dem Rektumkarzinom des G. sehe.
Mit Schreiben vom 19.08.2009 hat die Klägerin Auszüge aus der sogenannten Thorotrast-Studie ins Verfahren eingeführt.
Der gerichtliche Sachverständige Dr. D. hat sich in einer weiteren Stellungnahme vom 10.10.2009 zur Thorotrast-Studie geäußert
und erläutert, dass ein dort vorgenommener Vergleich für die Erkrankung Rektumkarzinom kein signifikantes Ergebnis ergeben
habe, was der herrschenden medizinischen Lehrmeinung entspreche.
Die Klägerin hat die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen mit Schreiben vom 19.11.2009 als nicht verwertbar und widersprüchlich
bezeichnet. Werde Thorium inkorporiert, komme - so die Klägerin - dessen biologische Wirkung am unheilvollsten zur Geltung.
Zudem sei G. auch wegen der Bremsen in Kontakt mit Asbest gekommen. Es seien hier Wechselwirkungen zwischen krebserzeugenden
Noxen entstanden.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.12.2009 ist die Klage abgewiesen worden. Das SG hat sich dabei auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. D. gestützt. Selbst wenn die Angaben der Klägerin zugrunde gelegt
würden, lasse sich ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung des G. und dem Rektumkarzinom nicht herstellen.
Am 20.12.2009 hat die Klägerin zu Protokoll des Bayer. Landessozialgerichts (LSG) Berufung eingelegt.
Die Berufung hat sie mit Schreiben vom 11.01.2010 wie folgt begründet: Das SG habe seine Entscheidung nahezu ausschließlich auf die Behauptungen des Dr. D. gestützt, der von falschen Prämissen ausgegangen
sei. Dr. D. sei als Sachverständiger für G. nicht geeignet. Die Thorotrast-Studie sei dem Sachverständigen nicht bekannt gewesen.
Das SG hätte die Dienstvorschrift der Bundeswehr zum Umgang mit radioaktiven Stoffen unter Berücksichtigung der Strahlenschutzverordnung berücksichtigen müssen. Fehlende Messwerte durch die Beklagte und fehlende persönliche Schutzausrüstung seien nicht berücksichtigt
worden. Zu berücksichtigen seien auch die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen krebserzeugenden Noxen.
Im Auftrag des Senats hat der Dr. C. am 24.04.2011 ein Gutachten erstellt. Wie bereits der Vorgutachter ist er zu der Einschätzung
gekommen, dass das Rektumkarzinom, an dem G. gestorben sei, nicht auf eine berufliche Belastung des G. zurückzuführen sei.
Die Klägerin hat anschließend mit Schreiben vom 23.06.2011 beantragt,
Weiter hat sie darauf hingewiesen, dass G. anschließend an die Bundeswehr als Vertreter am Aufbau einer Firma beteiligt gewesen
sei und dies eine extrem gute Gesundheit vorausgesetzt habe. G. habe immer besonders gut auf seine Gesundheit geachtet, sehr
vernünftig gelebt und stets eine gute Fitness gehabt. Er sei sehr beliebt und zuverlässig gewesen. Weder ein Elternteil von
ihm noch eines seiner vier Geschwister sei jemals an einem Rektumkarzinom erkrankt. Weiter hat sie sich mit Schreiben vom
30.06.2011 erneut kritisch zum Gutachten des Dr. C. geäußert und dem Sachverständigen schwere Fehler vorgeworfen.
Mit Schreiben vom 07.01.2012 hat die Klägerin ausgeführt, dass G. verschiedenen Strahlungsquellen ausgesetzt gewesen sei,
nämlich Thorium 232 (Düse), Cäsium 137 (Triebwerkskomponenten) und Radium 226 (Leuchtziffern, Cockpit). Sie hat darauf hingewiesen,
dass bei zu Bruch gegangenen Röhren, die in den Radargeräten gewesen seien, Kontaminationsgefahr bestanden habe. Beim Umgang
mit offenen radioaktiven Stoffen, wie im Fall des G., sei immer mit Kontaminationen zu rechnen.
Die Beklagte hat sich mit Schreiben vom 09.02.2012 zur Asbestproblematik geäußert. Eine Krebserkrankung durch den Kontakt
mit Asbest sei nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft in Form folgender Erkrankungen möglich: Lungenkrebs, Kehlkopfkrebs,
bösartige Erkrankung des Rippen- oder Bauchfells.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 28.02.2012 Auszüge aus der Bundestags-Drucksache 9/360 (Unterrichtung durch die Bundesregierung
zum Vorschlag einer Zweiten Richtlinie des Rates zum Schutz der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch Agenzien bei der Arbeit:
Asbest) vorgelegt, in der u.a. ausgeführt ist, dass einige Studien ein verstärktes Auftreten u.a. von Rektumkarzinomen bei
beruflich exponierten Arbeiten ergeben hätten.
Im Erörterungstermin vom 06.03.2012 hat die Klägerin die Ansicht vertreten, dass die Gefährdung des G. deshalb so hoch gewesen
sei, weil er vielen verschiedenen Noxen ohne Schutzmaßnahmen ausgesetzt gewesen sei. Aus ihrer Sicht sei das vorliegende Gutachten
völlig unverwertbar; der Sachverständige habe praktisch alles verdreht.
Mit Schreiben vom 22.03.2012 hat die Klägerin dem Gutachter Dr. C. fehlende Objektivität und Neutralität, Unkenntnis auf dem
Gebiet des Strahlenschutzes und diverse andere Verstöße vorgehalten.
Am 24.05.2012 ist der von der Klägerin gemäß §
109 SGG benannte Sachverständige Dr. G. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt worden. Mit Schreiben vom 20.06.2012 hat die
Klägerin dann aber mitgeteilt, dass sie die Erstellung des Gutachtens des Dr. G. nicht in Anspruch nehme.
Auf Nachfrage des Senats zu einer Berufskrankheitenreife im Sinn von §
9 Abs.
2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (
SGB VII) eines Rektumkarzinoms infolge einer Belastung durch Asbest bzw. einer kumulativen Belastung von ionisierender Strahlung
und Asbest hat das Bundesministerium und Soziales mit Schreiben vom 31.08.2013 mitgeteilt, dass es dazu derzeit keine Überlegungen
im ärztlichen Sachverständigenbeirat gebe.
Anschließend hat der Senat versucht, bei den bereits bisher mit der Angelegenheit befassten Sachverständigen Dr. D. und Dr.
C. eine ergänzende Stellungnahme insbesondere zum Gesichtspunkt der Asbestbelastung zu erhalten. Beide Sachverständige haben
den Auftrag unerledigt zurückgegeben, ebenso der anschließend beauftragte Sachverständige Prof. Dr. B ...
Mit gerichtlichem Schreiben vom 19.01.2015 sind die Beteiligten über den kraft Gesetzes eingetretenen Beklagtenwechsel - an
die Stelle des Trägers der Versorgungsverwaltung ist die bisherige Beigeladene getreten - informiert worden.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 22.07.2015 Auszüge aus dem Internet übersandt, aus denen sich ergibt, dass Rektumkarzinome
regelmäßig (90 %) nach dem 50. Lebensjahr auftreten und dass die Strahlenempfindlichkeit des Rektums niedrig ist (Merkblatt
zur BK Nr. 2402).
Im Auftrag des Senats hat der Internist und Arbeitsmediziner Prof. Dr. E. am 22.09.2015 ein Gutachten erstellt. Er ist darin
zu der Einschätzung gekommen, dass ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Exposition des G. und dem Rektumkarzinom nicht
bestehe und zwar weder im Sinn der hinreichenden Wahrscheinlichkeit noch im Sinn der Kannversorgung.
Das Gutachten ist der Klägerin mit Schreiben des Senats vom 30.09.2015 und dem Hinweis auf die fehlenden Erfolgsaussichten
infolge der übereinstimmenden Gutachten übersandt worden.
Die Klägerin hat sich dazu mit Schreiben vom 29.10.2015 dahingehend geäußert, dass eine Verwertbarkeit des Gutachtens von
Prof. Dr. E. für sie nicht erkennbar sei.
Während des Berufungsverfahrens von der Klägerin gestellte Befangenheitsanträge (gegen Gutachter und Berichterstatter des
Senats) sind erfolglos geblieben.
In der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2015 hat die Klägerin erklärt, dass eine Schädigung des G. durch Röntgenstrahlen und
Infraschall nicht länger geltend gemacht werde. Weiterhin geltend gemacht werde eine Schädigung durch ionisierende Strahlen
im Cockpit, Radium 226, Thorium 232 und Cäsium 137. Die beiden letzten Stoffe seien in der Düse gewesen. Weiter werde eine
Schädigung durch Asbest und durch die Kombination der von der Klägerin weiterhin als schädigend bezeichneten Stoffe geltend
gemacht.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 08.12.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des
ZBFS vom 14.04.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.05.2005 zu verpflichten, ihr ab Erkrankung ihres Ehemanns
Versorgung und in der Folge wegen des Ablebens ihres Ehemanns Hinterbliebenenversorgung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten der Beklagten, des ZBFS und des SG München beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den
Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Soweit die Klägerin beantragt, ihr unter Aufhebung des angefochtenen Gerichtsbescheids und des angegriffenen Bescheids Hinterbliebenenversorgung
zuzusprechen, ist die Berufung zulässig, aber unbegründet. Soweit sie in der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2015 beantragt
hat, ihr Versorgung während der Lebzeiten des G. zu gewähren, liegt darin eine durch Klageänderung eingeführte Klage, die
als unzulässig abzuweisen ist.
1. Richtige Beklagte
Wegen des zum 01.01.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zur Übertragung der Zuständigkeiten der Länder im Bereich der Beschädigten-
und Hinterbliebenenversorgung nach dem Dritten Teil des Soldatenversorgungsgesetzes auf den Bund vom 15.07.2013 (BGBl. I 2013 Nr. 38 S. 2416 ff.) ist ein Beklagtenwechsel kraft Gesetzes eingetreten. Dies bedeutet,
dass der bisherige Beklagte (Freistaat Bayern als Träger der Versorgungsverwaltung) aus dem Verfahren ausgeschieden und an
seine Stelle die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesministerin der Verteidigung, ins Verfahren eingetreten
ist.
2. Zum Antrag der Klägerin auf Gewährung von Versorgung während Lebzeiten des G.
Die geänderte Klage ist unzulässig.
Mit dem erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2015 gestellten Antrag der Klägerin, ihr auch eine Versorgung für
die Zeit der Erkrankung des G. bis zu seinem Tod zu gewähren, hat die Klägerin eine Klageänderung im Sinn des §
99 SGG vorgenommen und beim LSG als erstinstanzliches Gericht die Klage auf Versorgung während Lebzeiten des G. erhoben.
Unabhängig von der (vorliegend fehlenden) Zulässigkeit der Klageänderung müssen für eine geänderte Klage auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen
erfüllt sein; dies hat der Senat von Amts wegen zu prüfen (ständige Rspr., vgl. z.B. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 25.03.2004, Az.: B 9 VS 1/02 R, Urteile vom 31.7.2002, Az.: B 4 RA 113/00 R, und vom 23.04.2015, Az.: B 5 RE 23/14 R)
Die geänderte Klage ist vorliegend unzulässig, weil es an einer Verwaltungsentscheidung über die Gewährung von Versorgung
an die Klägerin vor dem Versterben des G. bislang fehlt.
3. Zum Antrag der Klägerin auf Gewährung von Hinterbliebenenversorgung
Der Klägerin steht keine Hinterbliebenenversorgung zu, da nicht nachgewiesen ist, dass ihr Ehemann G. an der Folge einer Wehrdienstbeschädigung
gestorben ist.
3.1. Voraussetzungen von Hinterbliebenenrente - Allgemeines
Voraussetzung für eine Hinterbliebenenrente gemäß § 80 SVG i.V.m. § 38 BVG ist ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen Wehrdienstbeschädigung und Tod.
Eine Wehrdienstbeschädigung ist gemäß § 81 Abs. 1 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes
erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist.
Entsprechend der vorgenannten Bestimmung setzt die Anerkennung von Schädigungsfolgen eine dreigliedrige Kausalkette voraus
(vgl. BSG, Urteil vom 25.03.2004, Az.: B 9 VS 1/02 R): Ein mit dem Wehrdienst zusammenhängender schädigender Vorgang (1. Glied) muss zu einer primären Schädigung (= "Wehrdienstbeschädigung")
(2. Glied) geführt haben, die wiederum die geltend gemachten Schädigungsfolgen (= "Folge einer Wehrdienstbeschädigung") (3.
Glied) bedingt. Dabei ist eine trennscharfe Differenzierung zwischen dem 2. und dem 3. Glied oftmals praktisch nicht möglich
und daher verzichtbar; auch im wesensverwandten Rechtsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung wird dies so praktiziert
(vgl. Urteil des Senats vom 19.11.2014, Az.: L 15 VS 19/11).
Die drei Glieder der Kausalkette müssen im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen
sein (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Dies bedeutet, dass kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, Az.: B 9 VG 3/99 R). Demgegenüber reicht es für den zweifachen ursächlichen Zusammenhang der drei Glieder aus, wenn dieser jeweils mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Die Beweisanforderung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt sowohl für den Bereich der
haftungsbegründenden Kausalität (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R - in Aufgabe der früheren Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 24.09.1992, Az.: 9a RV 31/90, die für den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität noch den Vollbeweis vorausgesetzt
hat) als auch den der haftungsausfüllenden Kausalität. Dies entspricht den Beweisanforderungen auch in anderen Bereichen der
sozialen Entschädigung oder Sozialversicherung, insbesondere der wesensverwandten gesetzlichen Unfallversicherung.
Eine potentielle, versorgungsrechtlich geschützte Ursache begründet dann einen wahrscheinlichen Zusammenhang, wenn ihr nach
sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt
(vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1977, Az.: 10 RV 15/77). Oft wird diese Wahrscheinlichkeit auch als hinreichende Wahrscheinlichkeit bezeichnet, wobei das Wort "hinreichend" nur
der Verdeutlichung dient (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer,
SGG, 11. Auflage 2014, §
128, Rdnr. 3 c). Nicht ausreichend ist dagegen eine bloße - abstrakte oder konkrete - Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs
(vgl. BSG, Urteil vom 26.11.1968, Az.: 9 RV 610/66).
Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, so sind sie nach der versorgungsrechtlichen Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 08.08.1974, Az.: 10 RV 209/73) rechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolgs
"annähernd gleichwertig" sind. Während die ständige unfallversicherungsrechtliche Rechtsprechung (vgl. z.B. BSG, Urteile vom 09.05.2006, Az.: B 2 U 1/05 R, und vom 30.01.2007, Az.: B 2 U 8/06 R) demgegenüber den Begriff der "annähernden Gleichwertigkeit" für nicht geeignet zur Abgrenzung hält, da er einen objektiven
Maßstab vermissen lasse und missverständlich sei, und eine versicherte Ursache dann als rechtlich wesentlich ansieht, wenn
nicht eine alternative unversicherte Ursache von überragender Bedeutung ist, hat der für das soziale Entschädigungsrecht zuständige
9. Senat des BSG in seinem Urteil vom 16.12.2014, Az.: B 9 V 6/13 R zur annähernden Gleichwertigkeit Folgendes ausgeführt:
"Kommt einem der Umstände gegenüber anderen indessen eine überragende Bedeutung zu, so ist dieser Umstand allein Ursache im
Rechtssinne. Bei mehr als zwei Teilursachen ist die annähernd gleichwertige Bedeutung des schädigenden Vorgangs für den Eintritt
des Erfolgs entscheidend. Haben also neben einer Verfolgungsmaßnahme mehrere weitere Umstände zum Eintritt einer Schädigungsfolge
beigetragen, ist die Verfolgungsmaßnahme versorgungsrechtlich nur dann im Rechtssinne wesentlich und die Schädigungsfolge
der Verfolgungsmaßnahme zuzurechnen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges - verglichen
mit den mehreren übrigen Umständen - annähernd gleichwertig ist. Das ist dann der Fall, wenn die Verfolgungsmaßnahme in ihrer
Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges allein mindestens so viel Gewicht hat wie die übrigen Umstände zusammen."
Von einer annähernden Gleichwertigkeit einer versorgungsrechtlich geschützten Ursache kann daher nur dann ausgegangen werden,
wenn ihre Bedeutung gleich viel oder mehr Gewicht als die andere(n) Ursachen hat.
Die Entscheidung darüber, welche Bedingungen im Rechtssinn als Ursache oder Mitursache zu gelten haben und welche nicht, ist
im jeweiligen Einzelfall aus der Auffassung des praktischen Lebens abzuleiten (vgl. BSG, Urteil vom 12.06.2001, Az.: B 9 V 5/00 R).
Die Kausalitätsbeurteilung hat grundsätzlich auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands über die Möglichkeit
von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Gesundheitsschäden auf der Basis
der herrschenden medizinischem Lehrmeinung zu erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006, Az.: B 2 U 1/05 R).
Für unfallunabhängige Gesundheitsstörungen, in denen wesensmäßig die Nachweisführung eines Zusammenhangs aufgrund eines konkreten
Anlassereignisses erheblich erschwert ist, bestimmt sich der versorgungsrechtlich geschützte Bereich nach dem SVG nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nach dem Vorbild des Berufskrankheitenrechts der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 25/92). Dieses unterliegt dem Listenprinzip mit der Öffnungsklausel des §
9 Abs.
2 SGB VII, wobei hierdurch nur ein Vorgriff auf eine Änderung der
BKV möglich ist (ständige Rspr., vgl. z.B. BSG, Urteil vom 18.06.2013, Az.: B 2 U 3/12 R).
Bei der Beurteilung unfallunabhängiger Gesundheitsstörungen von Soldaten ist aber zu berücksichtigen, dass die Belastungen
im Wehrdienst nicht selten solche sind, die in zivilen Berufen nicht auftreten. Daher wäre es zu kurz gegriffen, sich uneingeschränkt
an den unfallversicherungsrechtlichen Vorgaben und Erkenntnissen zu Berufskrankheiten oder berufskrankheitenreifen Erkrankungen
zu orientieren. Vielmehr ist der Rechtsgedanke des §
9 Abs.
2 SGB VII dahingehend aufzugreifen, dass von einer "Berufskrankheitenreife" im soldatenversorgungsrechtlichen Sinn auch dann auszugehen
ist, wenn die Krankheit zwar nicht in der Liste der
BKV aufgenommen ist, der Dienstherr (= Bundeswehr) aber wegen einer erkannten Gefährdung der Soldaten handeln müsste, wenn es
eine explizite Regelung wie die
BKV auch für soldatenspezifische Erkrankungen gäbe. Davon ist dann auszugehen, wenn eine Situation gegeben ist, in der bekannt
geworden ist, dass bestimmte Einwirkungen, denen Soldaten im Dienst in höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt
sind, zur Entwicklung bestimmter Krankheiten beitragen können, für die medizinstatistisch nachgewiesen ist, dass die Zahl
der Erkrankungen von Soldaten signifikant höher als in der Allgemeinbevölkerung ist (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 25/92). Wenn das BSG dies im Urteil vom 11.10.1994, Az.: 9 BV 55/94, dahingehend formuliert hat, dass dafür "besondere außerordentliche Belastungen, die typischerweise nur unter den Bedingungen
des Krieges auftreten", erforderlich wären, ist diese Formulierung missverständlich. Denn eine gesetzliche Grundlage für diese
Orientierung am "Krieg" geben die Regelungen des SVG nicht her; vielmehr wird dort (§ 81 Abs.1 SVG) ausdrücklich auf "die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse" abgestellt, womit eine Abgrenzung von auch im zivilen
Leben vorkommenden Belastungen hergestellt wird. Wehrdiensteigentümliche Verhältnisse sind daher solche, die der Eigenart
des militärischen Dienstes entsprechen und im Allgemeinen mit dem Dienst eng verbunden sind. Damit werden all die nicht weiter
bestimmbaren Einflüsse des Wehrdienstes erfasst, die aus der besonderen Rechtsnatur des Wehrdienstverhältnisses und der daraus
resultierenden Beschränkung der persönlichen Freiheit des Soldaten resultieren (vgl. Urteil des Senats vom 19.11.2014, Az.:
L 15 VS 19/11; Lilienfeld, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl. 2012, § 81 SVG, Rdnr. 29). Eine kriegsähnliche Belastung zu verlangen, würde zu weit gehen; ausreichend aber auch erforderlich ist eine
Belastung, wie sie im zivilen Leben so nicht oder nicht in vergleichbarem Maß vorkommt. Bei der Abgrenzung zwischen wehrdiensteigentümlichen
und zivilen Verhältnissen ist von den normalen Umständen und Verhaltensweisen sowie den durchschnittlichen Gefährdungen im
Zivilleben auszugehen (vgl. Sailer, in: Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl. 1992, § 81 SVG, Rdnr. 27; Urteile des Senats vom 02.07.2013, Az.: L 15 VS 9/10, und vom 19.11.2014, Az.: L 15 VS 19/11).
Bei der Bestimmung der Krankheiten, bei denen von einer Berufskrankheitenreife im oben aufgezeigten soldatenversorgungsrechtlichen
Sinn ausgegangen werden kann, stellt der Bericht der Radarkommission vom 02.07.2003 eine wichtige Grundlage dar. Denn darin
ist, was maligne Erkrankungen und Katarakte angeht, der zu der Frage der Verursachung derartiger Erkrankungen zusammengefasste
Stand der medizinischen Wissenschaft zu dem (zum Zeitpunkt der Anfertigung) aktuellen Zeitpunkt dargestellt (vgl. z.B. S.
II, VI des Berichts der Radarkommission).
Kann eine Aussage zu einem hinreichend wahrscheinlichen Zusammenhang nur deshalb nicht getroffen werden, weil über die Ursache
des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kommt die sogenannte Kannversorgung gemäß
§ 81 Abs. 6 Satz 2 SVG in Betracht. Von Ungewissheit ist dann auszugehen, wenn es keine einheitliche herrschende, sondern verschiedene ärztliche
Lehrmeinungen gibt, wobei nach der Rechtsprechung des BSG von der Beurteilung auf dem Boden der "Schulmedizin" (gemeint ist damit der allgemein anerkannte Stand der medizinischen
Wissenschaft) auszugehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 27.08.1998, Az.: B 9 VJ 2/97 R). Aber auch bei der Kannversorgung reicht allein die Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs oder die Nichtausschließbarkeit
des Ursachenzusammenhangs nicht aus. Es muss vielmehr wenigstens eine wissenschaftliche Lehrmeinung geben, die die Wahrscheinlichkeit
des Ursachenzusammenhangs positiv vertritt; das BSG spricht hier auch von der "guten Möglichkeit" eines Zusammenhangs (vgl. BSG, Urteile vom 12.12.1995, Az.: 9 RV 17/94, und vom 17.07.2008, Az.: B 9/9a VS 5/06). In einem solchen Fall liegt eine Schädigungsfolge dann vor, wenn bei Zugrundelegung
der wenigstens einen wissenschaftlichen Lehrmeinung nach deren Kriterien die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs
nachgewiesen ist (vgl. Urteil des Senats vom 19.11.2014, Az.: L 15 VS 19/11). Existiert eine solche Meinung überhaupt nicht, fehlt es an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht infolge einer Ungewissheit;
denn alle Meinungen stimmen dann darin überein, dass ein Zusammenhang nicht hergestellt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.1993, Az.: 9/9a RV 41/92).
Zusammengefasst bedeutet dies, dass ein unfallunabhängiger Gesundheitsschaden unter folgenden Gesichtspunkten als Folge einer
Wehrdienstbeschädigung anerkannt werden kann (vgl. auch Urteil des Senats vom 19.11.2014, Az.: L 15 VS 19/11): * Alternative 1: Die Gesundheitsstörung ist in der
BKV als Berufskrankheit anerkannt. * Alternative 2: Wenn die vorgenannte Voraussetzung nicht erfüllt ist: Es besteht eine sogenannte
Berufskrankheitenreife im Sinn des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung. * Alternative 3: Wenn die vorgenannten Voraussetzungen
nicht erfüllt sind: Es besteht eine Berufskrankheitenreife im oben aufgezeigten soldatenversorgungsrechtlichen Sinn. * Alternative
4 (Kannversorgung): Wenn die vorgenannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind: Es besteht über die Ursache des Leidens in der
medizinischen Wissenschaft Ungewissheit, es gibt aber wenigstens eine wissenschaftliche Lehrmeinung, die die Wahrscheinlichkeit
eines Ursachenzusammenhangs positiv vertritt.
Die Anerkennung des Tods als Folge einer Wehrdienstbeschädigung schließlich setzt voraus, dass die Folge einer Wehrdienstbeschädigung,
gegebenenfalls über mittelbare Schädigungsfolgen (4. Glied der oben begonnenen Kausalkette), über das Todesleiden (letztes
Glied) zum Tod geführt hat (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 1/92). Zum Beweismaßstab hinsichtlich des Vorliegens der etwaigen mittelbaren Schädigungsfolgen, des Todesleidens und des Tods
einerseits und des kausalen Zusammenhangs andererseits wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
3.2. Zu der hier im Raum stehenden Erkrankung eines Rektumkarzinoms
Das Rektumkarzinom des G. hat zwar ohne Zweifel zum Tod des G. geführt; es ist aber nicht der Nachweis erbracht, dass es Folge
einer Wehrdienstbeschädigung ist.
Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat auf die gerichtlichen Gutachter, die alle zum selben Ergebnis gekommen sind.
Die allesamt sehr erfahrenen Sachverständigen haben die ihnen übersandten Akten äußerst sorgfältig ausgewertet und alle relevanten
Gesichtspunkte berücksichtigt. Sie haben ihre Gutachten überzeugend, eingehend und nachvollziehbar begründet. Irgendwelche
Anhaltspunkte, an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen der Sachverständigen zu zweifeln, bestehen für den
Senat nicht.
3.2.1. Keine Berufskrankheit bzw. Wie-Berufskrankheit im Sinn des
BKV
Das Rektumkarzinom des G. war keine Berufskrankheit in diesem Sinn. Eine Berufskrankheit im Sinn der BK Nr. 2402 (Erkrankungen
durch ionisierende Strahlen) liegt nicht vor.
Berufskrankheitentatbestände infolge einer Asbestbelastung (unter der Überschrift Nr. 4 Anlage 1 zur
BKV) kommen nicht zur Anwendung, da die dort genannten Erkrankungen kein Rektumkarzinom, sondern nur Erkrankungen der Atemwege
und der Lungen, des Rippenfells und des Bauchfells umfassen.
Die Voraussetzungen für eine Wie-Berufskrankheit liegen ebenfalls nicht vor, wie sich aus den Ausführungen des Bundesministeriums
und Soziales im Schreiben vom 31.08.2013 ergibt. Danach gibt es derzeit keine Überlegungen im ärztlichen Sachverständigenbeirat
dazu, ob der Frage der Anerkennung eines Rektumkarzinoms als Berufskrankheit infolge einer Belastung durch Asbest bzw. einer
kumulativen Belastung von ionisierender Strahlung und Asbest näher zu treten sei.
3.2.2. Keine Berufskrankheit bzw. Wie-Berufskrankheit im Sinn des Soldatenrechts
Es gibt auch nichts, was darauf hindeuten würde, dass nach dem herrschenden Stand der medizinischen Meinung von einem hinreichend
wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen den Belastungen, denen G. durch seine dienstliche Tätigkeit ausgesetzt gewesen ist,
und dem Auftreten des Rektumkarzinoms ausgegangen werden könnte.
Eine Anerkennung scheitert aus folgenden Gründen:
Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse zu den Arbeitsbedingungen des G. kann bereits nicht davon ausgegangen werden, dass
eine relevante Strahlenexposition bestanden hat.
Eine Strahlenbelastung infolge Radarstrahlen ist bei G. nicht in einem erheblichen Umfang, wie er zur Auslösung eines Rektumkarzinoms
erforderlich wäre, nachgewiesen. Der Kläger ist nicht in einer im Sinn des Berichts der Radarkommission qualifizierenden beruflichen
Position tätig gewesen. Selbst wenn er nicht nur vorübergehend Hilfsarbeiten für Radarmechaniker oder Radartechniker ausgeübt
hätte, sondern in gleicher Weise wie diese tätig gewesen wäre, könnte von einer potentiell krankheitsauslösenden beruflichen
Tätigkeit nicht ausgegangen werden. Denn die auftretende Belastung durch Radarstrahlung wäre nicht geeignet, ein Rektumkarzinom
zu verursachen. Der Flugzeugtyp F-86, an dem G. ganz überwiegend gearbeitet hat, hat mit dem Feuerleitradar vom Typ AN/APG-30
über ein Gerät mit Radarstrahlung verfügt, wie dies die Klägerin vorgetragen und auch die Beklagte durch die Vorlage von Unterlagen
zu diesem Gerät bestätigt hat. Das Gerät AN/APG-30 hat mit einer maximalen Betriebsspannung von 6 kV gearbeitet. Dafür, dass
ein derartiger Störstrahler geeignet wäre, ein Rektumkarzinom zu verursachen, gibt es keinerlei Hinweise. Ausweislich des
Berichts der Radarkommission (vgl. dort S. 136) kommt eine Verursachung eines Rektumkarzinoms erst ab einer maximalen Betriebsspannung
des Radargeräts von mindestens 15 kV in Betracht; anderenfalls kann nicht von einer für die Verursachung eines Rektumkarzinoms
ausreichenden Eindringtiefe der Radarstrahlung ausgegangen werden, wie dies auch die Sachverständigen bestätigt haben. Die
für die Verursachung eines Rektumkarzinoms erforderliche maximale Betriebsspannung des Radargeräts von mindestens 15 kV war
bei G. bei Weitem nicht erreicht. Deshalb und zudem aufgrund der Dienstzeit von (nur) fünf Jahren kann, wie dies der Sachverständige
Dr. D. überzeugend erläutert hat, nicht von einer potentiell krankheitsverursachenden Exposition gegenüber Röntgenstörstrahlung
ausgegangen werden.
Die von Leuchtfarben ausgehende Strahlenbelastung war ebenfalls zu niedrig, wie sachverständigenseits festgestellt worden
ist. Zudem kann, wie dem Bericht der Radarkommission zu entnehmen ist, bei einem Kontakt mit radioaktiven, da radiumhaltigen
Leuchtfarben nicht von einem kausalen Zusammenhang mit einem Rektumkarzinom ausgegangen werden. Als qualifizierende Erkrankungen
hat der Radarbericht ausschließlich Knochenkarzinome und unter bestimmten Voraussetzungen Lungenkrebs bezeichnet (vgl. S.
137 f. des Berichts der Radarkommission).
Von einer relevanten radioaktiven Belastung durch Thorium kann nicht ausgegangen werden. Thorium wäre allenfalls dann potentiell
gefährlich gewesen, wenn eine Inkorporation in erheblichem Umfang erfolgt wäre. Eine Inkorporation ist aber bereits als solche
nicht im Vollbeweis nachgewiesen, geschweige denn in einem erheblichen Umfang. Thorium war nur als Legierung in Triebwerksbestandteilen
enthalten, bei denen zwar ein Berühren durch G. stattgefunden hat. Daraus folgt aber keine Inkorporation. Die Behauptung der
Klägerin, G. hätte über die Hände und von dort über den Mund den radioaktiven Stoff Thorium in seinem Körper aufgenommen,
ist nicht nachvollziehbar. Voraussetzung dafür wäre zum einen gewesen, dass G. erheblichen Kontakt mit Stäuben dieses Stoffs
gehabt hätte. Davon kann aber nicht ausgegangen werden, da materialbearbeitende Tätigkeiten an thoriumhaltigen Triebwerksbestandteilen
nicht zu seiner dienstlichen Tätigkeit gehört haben. Denn materialbearbeitende und mit einer Entstehung von möglicherweise
thoriumhaltigem Staub verbundene Tätigkeiten an Triebwerksbestandteilen wurden nicht von Bundeswehrsoldaten wie G. ausgeführt,
sondern waren an zivile Firmen vergeben. Zum anderen hätte G. diese Stäube dann über den Mund in den Körper aufnehmen müssen,
was ebenfalls nicht nachvollziehbar ist. Schließlich ist das Karzinom des G. am Rektum und damit an einem Körperteil aufgetreten,
der vergleichsweise unempfindlich gegenüber Strahlenbelastung ist. Dass Karzinome des Rektums nicht als Folge einer Inkorporation
von Thorium zu betrachten sind, ergibt sich auch aus der von der Klägerin selbst angeführten Thorotrast-Studie. Wie sich aus
den Unterlagen dieser Studie entnehmen lässt, haben sich damals keinerlei Erkenntnisse hinsichtlich eines relevant erhöhten
Risikos eines Rektumkarzinoms bei der Thorotrast-Gruppe ergeben. Vielmehr war das Risiko einer derartigen Erkrankung nicht
relevant erhöht gegenüber der Vergleichsgruppe aus der Allgemeinbevölkerung (vgl. Becker u.a., Epidemiologische Auswertung
der Mortalität in der Thorotrast-exponierten Gruppe und der Kontrollgruppe im Vergleich zur Mortalität in der Allgemeinbevölkerung,
2006, Anhang, Tabelle 7).
Weiter lässt sich vorliegend auch kein Zusammenhang zwischen der Asbestbelastung und dem Rektumkarzinom herstellen. Sofern
in der medizinischen Wissenschaft über ein statistisch geringfügig erhöhtes Auftreten von Rektumkarzinomen bei Asbestbelastung
berichtet worden ist, liegen dieser Erkenntnis Fälle mit einer weitaus höheren Asbestbelastung als bei G. zu Grunde. Zudem
waren in diesen Fällen bereits deutliche Auswirkungen von Asbest an anderen Körperteilen (Asbestdose bzw. Asbestplaques) nachgewiesen,
was in der Person des G. nicht der Fall war und die Nichtvergleichbarkeit der der Erhebung zugrunde liegenden Fälle mit dem
des G. deutlich macht. Die diesbezüglichen, vom Sachverständigen Prof. Dr. E. überzeugend angestellten Überlegungen werden
auch nicht durch die von der Klägerin bruchstückhaft vorgelegten Auszüge aus der Bundestags-Drucksache 9/360 (Unterrichtung
durch die Bundesregierung zum Vorschlag einer Zweiten Richtlinie des Rates zum Schutz der Arbeitnehmer vor der Gefährdung
durch Agenzien bei der Arbeit: Asbest) in Frage gestellt. Ganz abgesehen davon, dass fraglich ist, ob diese vom 16.04.1981
datierende Drucksache überhaupt noch aktuell ist, steht sie auch nicht in Widerspruch zu den Feststellungen des Sachverständigen
und den von diesem angeführten wissenschaftlichen Erkenntnissen, wonach bei besonders hoher Asbestbelastung ein statistisch
geringfügig erhöhtes Auftreten von Rektumkarzinomen beobachtet worden ist - dann aber mit erkennbaren Asbestauswirkungen in
anderen Körperteilen, wie sie bei G. nicht nachgewiesen sind.
Auch eine potentielle Exposition gegenüber Infraschall beim Abbremsen der Flugzeuge - ob diese überhaupt bei G. vorgelegen
hat, kann dahingestellt bleiben - ist nicht geeignet, ein Rektumkarzinom zu verursachen. Keiner der Gutachter hat hier einen
Zusammenhang sehen können. In der medizinischen Wissenschaft wird, wie dies die Sachverständigen übereinstimmend erläutert
haben, ein Zusammenhang zwischen Infraschall und einem Rektumkarzinom nicht in Erwägung gezogen.
Schließlich handelt es sich bei der Annahme der Klägerin von Wechselwirkungen zwischen verschiedenen krebserzeugenden Noxen
um eine bloße Spekulation, die in der medizinischen Wissenschaft keine Stütze findet, wie dies der Sachverständige Prof. Dr.
E. erläutert hat. Eine Krankheitsursache im Sinn der hinreichenden Wahrscheinlichkeit lässt sich mit einer solchen Spekulation
nicht begründen.
Der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass ein hinreichend wahrscheinlicher Zusammenhang auch nicht unter
dem Gesichtspunkt in Betracht kommt, dass bei G. ein Adenom-Karzinom, also eine bösartige Krebserkrankung vorgelegen hat,
die sich in der Regel aus einem gutartigen Adenom der Rektum- oder Dickdarmschleimhaut entwickelt. Denn es gibt keinerlei
medizinische Erkenntnisse, dass es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer beruflichen Belastung, wie sie G. ausgesetzt
gewesen ist, und der Entwicklung eines gutartigen Adenoms im Bereich des Rektums gäbe. Dies hat der Sachverständige Prof.
Dr. E. überzeugend dargestellt. Der typischen Sequenz der Entwicklung eines sporadisch auftretenden Karzinoms aus einem gutartigen
Adenom liegen teils bis in Details aufgeklärte molekulare, epigenetische und chromosale Aberrationen zu Grunde, bei denen
anlagebedingte und exogene, vor allem durch den westlichen Lebensstil bedingte Faktoren zusammenwirken. Allein die Vielzahl
der Störungsmöglichkeiten auf verschiedenen Ebenen erklärt für sich allein schon die Häufigkeit des spontanen Auftretens colorektaler
Karzinome, so dass eine Strahlenätiologie als Ursache höchst unwahrscheinlich ist. Ein gutartiges Adenom der Rektum- oder
Dickdarmschleimhaut kommt somit nicht als sogenannte Umwegserkrankung (vgl. BSG, Urteil vom 17.07.2008, Az.: B 9/9a VS 5/06 R; Urteile des Senats vom 06.11.2012, Az.: L 15 VS 13/08 ZVW, und vom 21.04.2015, Az.: L 15 VH 1/12) in Betracht.
3.2.3. Keine Kannversorgung
Wie die Sachverständigen, zuletzt Prof. Dr. E., überzeugend erläutert haben, besteht für das Erkrankungsbild eines Rektumkarzinoms
in der medizinischen Wissenschaft keine Ungewissheit über die (allgemeine) Ursache dieser Erkrankung. Das Rechtsinstitut der
Kannversorgung kommt schon aus diesem Grund nicht in Betracht.
Dass es insofern auch keine einzige wissenschaftliche Lehrmeinung gibt, die die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs
zwischen einem Rektumkarzinom und einer beruflichen Belastung, wie sie G. ausgesetzt war, vertritt, auch nicht in dem von
der Klägerin vermuteten Sinn einer Wechselwirkung zwischen verschiedenen krebserzeugenden Noxen - darauf hat insbesondere,
aber nicht nur der Sachverständige Prof. Dr. E. hingewiesen -, hat daher keine weitere entscheidende Bedeutung mehr.
3.3. Zum Vorbringen der Klägerin im Übrigen
Wenn die Klägerin meint, aus dem von ihr angeführten Urteil des SG Aachen vom 29.09.2008 Rückschlüsse auf einen Zusammenhang
zwischen der beruflichen Belastung des G. und dem Rektumkarzinom ziehen zu können, irrt sie. Der dort zu Grunde gelegene Fall
und der des G. sind nicht ansatzweise vergleichbar, sondern unterscheiden sich ganz maßgeblich. Beispielhaft weist der Senat
nur darauf hin, dass im dort entschiedenen Fall die Radargeräte am Flugzeugtyp F-104 eine Betriebsspannung von 25 kV (im Fall
des G: nur maximal 6 kV) gehabt haben, die Strahlenbelastung 22 Jahre (im Fall des G: nur rund 5 Jahre) gedauert hat und der
Tumor am Kiefer (im Fall des G: am vergleichsweise strahlenunempfindlichen Rektum) lokalisiert gewesen ist.
Die Thorotrast-Studie ist schon wegen der zugrunde liegenden Belastung nicht als aussagekräftig für die Beurteilung des Fall
des G. anzusehen. Der Belastung durch die intravenöse Aufnahme des massiv belastenden thoriumhaltigen Röntgenkontrastmittels
Thorotrast ist der Kontakt des G. zu möglicherweise thoriumhaltigen Triebwerksbestandteilen nicht vergleichbar, wobei zu beachten
ist, dass weitergehende Triebwerksarbeiten mit einer möglichen Staubbelastung infolge einer Materialbearbeitung ohnehin nicht
durch G. vorgenommen worden sind. Denn derartige Arbeiten waren an zivile Firmen vergeben und wurden daher von Flugzeugmechanikern
und Flugzeugmechaniker(meister)n (Düse) nicht ausgeführt, wie die Beklagte überzeugend dargestellt hat. Zudem belegt die Studie
gerade nicht die Behauptung der Klägerin, dass eine Belastung mit Thorotrast zu einem erhöhten Auftreten von Rektumkarzinomen
geführt habe. Vielmehr belegt die Studie gerade, dass Rektumkarzinome bei den Thorotrast-Patienten nicht häufiger aufgetreten
sind als bei der Vergleichsgruppe aus der Allgemeinbevölkerung (vgl. oben Ziff. 3.2.2.).
Sofern die Klägerin vorträgt, dass die Dienstvorschrift der Bundeswehr zum Umgang mit radioaktiven Stoffen unter Beachtung
der Strahlenschutzverordnung und die Tatsache, dass die Beklagte über keine Messwerte verfüge und persönliche Schutzausrüstungen gefehlt hätten, berücksichtigt
werden müssten, irrt sie. Ganz abgesehen davon, dass die Strahlenschutzverordnung erst im Jahr 1976 und damit nach dem Dienstende des G. erlassen worden ist, könnte allein mit der Missachtung von rechtlichen
Vorgaben zum Arbeitsschutz kein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang für das Auftreten einer Gesundheitsstörung begründet
werden. Denn der Zusammenhang wird durch tatsächliche Umstände, nicht durch die bloße Verletzung rechtlicher Vorgaben bestimmt;
eine irgendwie geartete Fiktionswirkung gibt es insofern nicht. Im Übrigen sind sowohl die Beklagte als auch das SG davon ausgegangen, dass konkrete Messwerte nicht vorliegen und Schutzmaßnahmen zur Dienstzeit des G. allenfalls in unzureichendem
Umfang getroffen worden sind (vgl. auch den Bericht der Radarkommission, S. III f. und S. 130 f., wonach in der sogenannten
Phase 1 bis 1975 nur vereinzelte Messungen der Röntgen(stör)strahlung dokumentiert sind, in der Phase 2 ab 1975 bis 1985 Strahlenschutzmaßnahmen
etabliert worden sind und erst in der sich anschließenden Phase 3 von adäquaten Strahlenschutzmaßnahmen ausgegangen werden
kann, sowie S. IV f. und S. 132, wonach erst spätestens ab 1980 Arbeiten an Leuchtfarben mit Schutzausrüstungen erfolgt sind).
Ohne Bedeutung für die Entscheidung ist, dass keine konkrete Ursache für das Rektumkarzinom des G. festgestellt worden ist.
Denn die Klägerin hätte nur dann Erfolg haben können, wenn eine versorgungsrechtlich geschützte Ursache als die rechtlich
wesentliche Ursache für die Entstehung des Karzinoms nachgewiesen wäre. Dies ist nicht der Fall. Nicht ausreichend ist hingegen,
wenn andere, keinen Versorgungsschutz vermittelnden Ursachen nur nicht ausgeschlossen werden können oder nur die bloße Möglichkeit
eines Ursachenzusammenhangs zwischen Erkrankung und dienstlicher Tätigkeit besteht.
Die Klägerin hat daher mit ihrer Berufung keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG).