falscher Streitgegenstand; Statthaftigkeit der Berufung; Unmöglichkeit einer überschlägigen Berechnung; Wert des Beschwerdegegenstandes;
Arbeitsunfall; Berufung; Bescheid; Beschwerde; Bewilligung; Minderung; Nichtzulassung; Nichtzulassungsbeschwerde; Rentenanspruch;
Rentennachzahlung; Statthaftigkeit; Verletztenrente; Erwerbsfähigkeit; Minderung der Erwerbsfähigkeit; Rentennachzahlungsbetrag;
Rentennachzahlungsanspruch; Versagung
Gründe
Der Kläger erlitt am 09.04.2014 einen Arbeitsunfall. Aufgrund dieses Arbeitsunfalls bewilligte die Beklagte dem Kläger mit
Bescheid vom 06.12.2016 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) i.H.v. 70 v.H. ab 04.05.2015.
In den Gründen des Bescheids berechnete die Beklagte eine dem Kläger zustehende Rentennachzahlung in Höhe von 4.340,71 €.
Der Bescheid vom 06.12.2016 ist Gegenstand des Berufungsverfahrens L 17 U 331/17 vor dem Bayer. Landessozialgericht (LSG). In dem Berufungsverfahren ist strittig, ob die Beklagte den Rentenanspruch falsch
berechnet hat und dem Kläger daher ab 04.05.2015 monatlich ein höherer Rentenanspruch zusteht.
Mit weiterem Bescheid vom 02.01.2017 (Widerspruchsbescheid vom 20.04.2017) stellte die Beklagte fest, dass dem Kläger aufgrund
des im Bescheid vom 06.12.2016 genannten Rentennachzahlungsbetrags ein Zinsanspruch in Höhe von 82,92 € zusteht.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 02.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 20.04.2017 zu verurteilen, die Rentennachzahlung in zustehender Höhe (mehr als 4.340,71 €) nach Maßgabe der gesetzlichen
Bestimmungen zu verzinsen (mehr als 82,92 €).
Mit Gerichtsbescheid vom 12.10.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Dem Gerichtsbescheid war eine Rechtsmittelbelehrung angefügt, wonach der Gerichtsbescheid nicht mit
der Berufung angefochten werden könne, weil sie gesetzlich ausgeschlossen und vom Sozialgericht nicht zugelassen worden sei.
Gegen die Entscheidung des SG hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde zum LSG eingelegt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Gerichtsakte des SG zum Verfahren S 13 U 134/17, auf die Gerichtsakte des LSG zum Verfahren L 17 U 331/17 sowie auf die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
Der Kläger hat gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 12.10.2017 ausdrücklich Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Eine Auslegung oder Umdeutung der Nichtzulassungsbeschwerde
in eine Berufung kommt vorliegend nicht in Betracht (siehe allgemein zu dieser Möglichkeit Cantzler in Berchtold/Richter,
Prozesse in Sozialsachen, 2. Auflage 2016, § 7 Rn. 37 m.w.N.).
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des SG vom 12.10.2017 ist unzulässig. Die (mögliche) Berufung gegen den Gerichtsbescheid ist entgegen der Rechtsmittelbelehrung
des SG statthaft und bedarf nicht der Zulassung.
Gemäß §
144 Abs.
1 S. 1
SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts,
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten
Verwaltungsakt betrifft, 750,00 € (Nr. 1) oder bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen
Rechts oder Behörden 10.000,00 € (Nr. 2) nicht übersteigt.
Der Senat kann nicht feststellen, dass der Wert des Beschwerdegegenstands nicht 750 € übersteigt.
Maßgebend für den Wert des Beschwerdegegenstandes ist der Betrag, den das SG dem Kläger verwehrt oder zugesprochen hat und der deshalb im Berufungsverfahren weiterverfolgt werden kann (Cantzler a.a.O.,
§ 7 Rn. 47 m.w.N.). Bei der Prüfung, ob eine Zulassung erforderlich ist, ist daher auf den maximal möglichen Rechtsmittelstreitwert
abzustellen, der der Beschwer des Klägers entspricht (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Auflage 2017, §
144 Rn 14).
Zwar hat das SG den Klageantrag im Tatbestand des Gerichtsbescheids (sinngemäß) richtig wiedergegeben. Allerdings hat das SG im Tatbestand auch ausgeführt, dass zwischen den Beteiligten die Höhe einer Rentennachzahlung - was unzutreffend ist - sowie
deren Verzinsung streitig sei. In den Gründen seiner Entscheidung hat das SG dann festgestellt, dass dem Kläger weder eine höhere Nachzahlung noch eine höhere Verzinsung zustehe. Zur Begründung hat
es hinsichtlich des nicht gegebenen Anspruchs auf eine höhere Rentennachzahlung auf seine Ausführungen im Gerichtsbescheid
vom 12.10.2017 im Verfahren S 13 U 134/17 verwiesen.
Das SG hat somit unter Verkennung des Streitgegenstands und der im verfahrensgegenständlichen Bescheid der Beklagten getroffenen
Regelung nicht nur über eine Klage auf einen höheren Zinsanspruch, sondern auch über eine Klage auf einen höheren Rentennachzahlungsanspruch
abweisend entschieden. Daraus folgt, dass der Kläger durch die erstinstanzliche Entscheidung nicht nur im Hinblick auf die
Versagung eines höheren Zinsanspruchs, sondern auch im Hinblick auf die Versagung eines höheren Rentennachzahlungsanspruchs
beschwert ist.
Dem Senat ist es jedoch nicht möglich, die Höhe einer sich eventuell - bei Unterstellung eines Erfolgs der Klage auf Bewilligung
einer höheren Verletztenrente - infolge des Verfahrens L 17 U 331/17 ergebenden (weiteren) Rentennachzahlung auch nur überschlägig zu berechnen. Auch im angefochtenen erstinstanzlichen Urteil
fehlen jegliche Feststellungen und Ausführungen zur Höhe des Rentennachzahlungsanspruchs bzw. zum Wert des Beschwerdegegenstands
überhaupt. Wenn sich aber nicht nachweisen lässt, dass die Voraussetzungen für eine Beschränkung der Berufung erfüllt sind,
greift die Grundregel des §
143 SGG (in Verbindung mit §
105 Abs.
2 S. 1
SGG), wonach gegen Gerichtsbescheide der Sozialgerichte die Berufung ohne Zulassung statthaft ist (Leitherer a.a.O., § 144 Rn
15b m.w.N.). Damit ist eine Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 12.10.2017 zulässig.
Da das SG fehlerhaft die Zulassungsbedürftigkeit der Berufung angenommen hat, ist die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers als unzulässig
zu verwerfen und die Statthaftigkeit der Berufung festzustellen (s. dazu Cantzler a.a.O., § 7 Rn. 37 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §
193 SGG; sie berücksichtigt, dass die Beschwerde des Klägers ohne Erfolg geblieben ist.