Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung einer Verletztenrente aufgrund eines Arbeitsunfalls des Klägers vom 24.11.2014.
Der 1952 geborene Kläger, der bei der Beklagten als Betreiber einer eigenen Landwirtschaft versichert ist, bezieht von der
Beklagten aufgrund eines Arbeitsunfalls vom 18.05.1992, bei dem er sich einen Ausriss des vorderen Kreuzbandes im rechten
Kniegelenk zuzog, eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) i.H.v. 20 v.H.
Am 24.11.2014 erlitt der Kläger erneut einen Arbeitsunfall, als er bei dem Versuch, das Neugeborene einer kalbenden Kuh anzuseilen
und herauszuziehen, auf den linken Arm stürzte. Er suchte am nächsten Tag den Durchgangsarzt auf, der eine Kontusion der linken
Schulter diagnostizierte. Am 30.12.2014 wurde eine MRT der linken Schulter angefertigt, bei der eine ausgedehnte Ruptur bei
subtotalem Abriss der Subscapularissehne sowie eine Partialruptur mit gelenknaher Längsruptur der Supraspinatussehne bei begleitender
Tendinopathie der langen Bizepssehne, kommunizierendem Erguss in der Bursa subacromialis und subdeltoidea und im Schultergelenk
bei aktivierter ACC-Arthrose festgestellt wurde. Vom 29.01.2015 bis 02.02.2015 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung
im Universitätsklinikum F-Stadt - Klinik und Poliklinik für Unfall-, Hand-, plastische und Wiederherstellungschirurgie, wo
er am 29.01.2015 an der linken Schulter operiert wurde.
Am 31.08.2015 erstellte Professor Dr. M. (M) im Auftrag der Beklagten ein chirurgisches Gutachten. M kam zu dem Ergebnis,
dass es durch den Sturz zu einer Komplettierung einer bereits vorbestehenden Subscapularissehnen- bzw. Pulleyläsion gekommen
sei. Vorbestehend seien zudem eine lange Bizepssehnentendinitis sowie eine AC-Gelenksarthrose gewesen. Eine unfallbedingte
MdE sah M nicht gegeben.
Mit Bescheid vom 22.10.2015 (Widerspruchsbescheid vom 30.05.2016) lehnte die Beklagte die Bewilligung einer Verletztenrente
wegen des Arbeitsunfalls vom 24.11.2014 ab. Im Laufe des Vorverfahrens erging zudem am 28.04.2016 ein Bescheid der Beklagten,
mit dem sie gemäß § 38 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vier offensichtliche Unrichtigkeiten im Bescheid vom 22.10.2015 berichtigte, bei denen sie anstatt von der linken Schulter
bzw. von der linken Bizepssehne von der rechten Schulter bzw. von der rechten Bizepssehne des Klägers gesprochen hatte.
Gegen die Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines unfallchirurgischen Fachgutachtens des Dr. G. (G) vom 03.11.2016. G kam abschließend
zu dem Ergebnis, dass es durch den Unfall vom 24.11.2014 zu einer Distorsion/Kontusion der linken Schulter des Klägers gekommen
sei. Vor dem Unfall hätten bereits ein Sehnendefekt der Subscapularissehne links sowie eine Pulley-Läsion links mit Luxation
und Degeneration der langen Bizepssehne bestanden. Die unfallbedingte MdE hat G mit 0 v.H. beziffert.
Mit Urteil vom 23.02.2017 hat das SG die Klage abgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt und eine privatgutachterliche Stellungnahme
des Dr. E. (leitender Oberarzt der Sportklinik S-Stadt) vom 28.08.2017 vorgelegt. Der Senat hat, da dies erstinstanzlich noch
nicht geschehen war, Beweis erhoben durch Beiziehung von Befundberichten der behandelnden Ärzte sowie der Schwerbehindertenakte
des Klägers.
Auf Antrag des Klägers nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) hat der Senat Prof. Dr. L. (L) mit orthopädischem Sachverständigengutachten vom 28.05.2018 mit ergänzender Stellungnahme
vom 05.07.2018 gehört. L ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Unfall vom 24.11.2014 beim Kläger eine Narbenbildung, Muskelminderung,
aktive und passive Bewegungseinschränkung, Bewegungsschmerzen und Kraftminderung der linken Schulter bei operativ versorgter
Läsion der Rotatorenmanschette verursacht habe. Die unfallbedingte MdE hat L mit 20 v.H. eingeschätzt.
Der Senat hat daraufhin von Amts wegen ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Prof. Dr. J. (I) vom
18.10.2018 mit ergänzender gutachtlicher Stellungnahme vom 03.01.2019 eingeholt. I führt aus, dass es durch den Unfall vom
24.11.2014 zu einer hochgradigen Funktionseinschränkung des linken Armes des Klägers infolge einer Subscapularissehnenruptur,
einer Pulley-Läsion, einer Luxation der langen Bizepssehne und einer Partialruptur des Vorderrandes der Supraspinatussehne
gekommen sei. Die unfallbedingte MdE hat I mit 30 v.H. beziffert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 23.02.2017 (Az. S 13 U 5008/16) und die Bescheide der Beklagten vom 22.10.2015 und vom 28.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2016
aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger wegen des Unfalls vom 24.11.2014 eine Verletztenrente nach einer MdE
in Höhe von 30 v.H. zu bewilligen.
Ferner beantragt der Kläger,
die Beklagte zu verpflichten, die im Klageverfahren und im zugrundeliegenden Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten zur
Rechtsverfolgung zu erstatten und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten als notwendig anzuerkennen. Zudem die Beklagte zu
verpflichten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten; hierzu gehören insbesondere
die Fahrtkosten des Klägers von seinem Wohnsitz zum Privatgutachter Dr. E. in die Sportklinik in Bad C., S-Stadt sowie die
Kosten des Privatgutachters Dr. E. in Höhe von 837,50 EUR.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, der Schwerbehinderten-Akten
des ZBFS sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 22.10.2015 in Fassung des Berichtigungsbescheides vom 28.04.2016 in
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.05.2016 (§
95 SGG). Mit diesen Bescheiden hat es die Beklagte abgelehnt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 24.11.2014 eine
Verletztenrente zu bewilligen.
II. Die Berufung ist teilweise begründet. Das SG hat die Klage insoweit zu Unrecht abgewiesen, als dem Kläger wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 24.11.2014 ab 03.11.2016
eine Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von 10 v.H. und ab 09.10.2018 nach einer MdE in Höhe von 20 v.H. zusteht. Insoweit
sind die angefochtenen Bescheide der Beklagten zu Unrecht ergangen und abzuändern und das Urteil des SG teilweise aufzuheben. Soweit der Kläger eine Verletztenrente nach einer höheren MdE als 10 v.H. ab 03.11.2016 bzw. als 20
v.H. ab 09.10.2018 begehrt, ist die Berufung gegen das Urteil des SG hingegen unbegründet und damit zurückzuweisen.
Gemäß §
56 Abs.
1 S. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall
hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle
gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall,
Anspruch auf Rente (S. 2). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit
um wenigstens 10 vom Hundert mindern (S. 3).
Ein Gesundheitsschaden kann nur dann als Folge eines Versicherungsfalls (d.h. eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit,
vgl. §
7 Abs.
1 SGB VII), Berücksichtigung finden, wenn an dessen Entstehung der Unfall (oder eine Berufskrankheit) wesentlich mitgewirkt hat. Davon
ist auszugehen, wenn der Unfall neben anderen Bedingungen bei wertender Betrachtung diejenige ist, die wegen ihrer besonderen
qualitativen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen hat (Theorie der wesentlichen Bedingung, ständige
Rechtsprechung, vgl. z.B. BSG, Urteil v. 28.06.1988 - 2/9b RU 28/87; siehe dazu auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Kap 1.7, S. 21 ff.). Dem
liegt der Umstand zugrunde, dass die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen des §
8 Abs.
1 S. 1
SGB VII den Rechtsgrund umschreiben, aufgrund dessen der wegen einer Verrichtung einer versicherten Tätigkeit durch den Verletzten
verbandszuständige Unfallversicherungsträger überhaupt versicherungsrechtlich für die Schäden, Nachteile und Bedarfe des verunfallten
Verletzten einstehen soll. Er soll nur verpflichtet sein, soweit der Versicherungsschutz durch die Verrichtung der versicherten
Tätigkeit in der jeweiligen Versicherung begründet ist. Er soll deshalb (grundsätzlich) nur einstehen müssen für Gesundheitsschäden,
die "infolge" der versicherten Verrichtung eingetreten sind und ein Risiko realisieren, gegen das die jeweils begründete Versicherung
schützen soll. Zurechnungsvoraussetzungen sind somit auf der ersten Stufe die (faktisch-objektive) Wirkursächlichkeit der
versicherten Verrichtung des Verletzten für den Schaden und auf der darauf aufbauenden zweiten Stufe dessen rechtliche Erfassung
vom jeweiligen Schutzzweck der begründeten Versicherung. Die Zurechnung setzt somit erstens voraus, dass die Verrichtung der
versicherten Tätigkeit den Schaden (ggf. neben anderen konkret festgestellten unversicherten Wirkursachen) objektiv mitverursacht
hat. Denn für Einbußen des Verletzten, für welche die versicherte Verrichtung keine Wirkursache war, ist schlechthin kein
Versicherungsschutz begründet, hat also der Versicherungsträger nicht einzustehen. Objektive Verursachung bedeutet einen nach
dem jeweils neuesten anerkannten Stand der einschlägigen Erfahrung (insbesondere der Wissenschaft, hilfsweise der sonstigen
Fachkunde) geprüften und festgestellten Wirkungszusammenhang zwischen einer bestimmten Wirkursache und ihrer Wirkung. Dabei
gibt es keine Ursache ohne Wirkung und keine Wirkung ohne Ursache. Die versicherte Verrichtung muss also eine Wirkursache
(ggf. neben anderen Wirkursachen) der Einwirkung, die Einwirkung eine Wirkursache (ggf. neben anderen Wirkursachen) des Gesundheitserstschadens
sein. Ob die Verrichtung Wirkursache der Einwirkung (etc.) war, ist eine Frage, die nur auf der Grundlage von Erfahrung über
Kausalbeziehungen beantwortet werden kann. Auch der Satz der Bedingungstheorie, ein tatsächlicher Umstand sei "notwendige
Bedingung" (nicht: Ursache) eines anderen Umstandes, wenn der erste nicht "hinweggedacht" werden könne, ohne dass der zweite
(der "Erfolg") entfiele ("conditio sine qua non"), ist kein logischer Schluss. Er verlangt eine hypothetische, dem Recht der
gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich fremde, alternative Zusammenhangserwägung ohne Berücksichtigung eines in Wirklichkeit
vorhandenen Umstandes und mit Unterstellung eines in Wirklichkeit nicht erfolgten Geschehensablaufs. Darüber hinaus verweist
er auf Erfahrungswissen über den Zusammenhang von Bedingungen. Die Erwägung nach dieser Formel führt zur Unbeachtlichkeit
von Bedingungen, die nach Erfahrung die Wirkung nicht mitverursacht haben können. Insoweit kann sie zur ersten negativen Vorklärung,
dem Ausscheiden von als Ursachen von vornherein nicht in Betracht kommender Bedingungen, beitragen. Sie erfasst aber alle
Bedingungen, die nach Erfahrung möglicherweise die fragliche Wirkung (den "Erfolg") verursacht haben könnten. Aus sich heraus
gibt sie aber keinen Maßstab dafür, ob ein solcher als für das Geschehen erforderliche (und nur in diesem Sinne "notwendige")
Bedingung erkannter Umstand den "Erfolg" wirklich bewirkt, also die Wirkung mitverursacht hat, worauf schon der große Senat
des Reichsversicherungsamtes hingewiesen hat. Eine solche Bedingung kann Wirkursache sein, muss es aber nicht. Sie kann auch
bloße Randbedingung sein. Die Formel schließt nur "Bedingungen" aus, die nach Erfahrung unmöglich Wirkursachen sein können.
Entscheidend ist aber, ob die versicherte Verrichtung die Einwirkung und ob diese den Erstschaden bewirkt hat. Wenn die festgestellte
versicherte Verrichtung nach Erfahrung eine "Bedingung eines Erfolgs", also einer Einwirkung und des Gesundheitserstschadens
(etc.) ist, wären diese (hypothetisch) ohne sie nicht eingetreten. Gleiches gilt für eine kaum abzählbare Menge anderer Bedingungen
für den konkreten Unfall. Die Verrichtung war aber nur dann eine Wirkursache der Einwirkung/des Gesundheitserstschadens, wenn
sie das Unfallereignis hervorgerufen oder in Gang gehalten und dadurch die Einwirkung herbeigeführt hat, welche den Körper
des Verletzten, seinen physiologischen Zustand verändert und dadurch den Gesundheitsschaden mitbewirkt hat. Ob dies der Fall
war, ist nach dem neuesten anerkannten Stand des einschlägigen Fachwissens zu beurteilen (BSG, Urteil v. 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R m.w.N.; vgl. auch Urteil v. 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R; Urteil vom 18.06.2013 - B 2 U 10/12 R; Urteil vom 26.06.2014 - B 2 U 4/13 R).
Zweitens muss der (letztlich) durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Schaden rechtlich auch unter Würdigung unversicherter
Mitursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten
Risikos, zu bewerten sein. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die
jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll. Wird auf der ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert
dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Rechtsfrage, ob die Mitverursachung
der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfallversicherungsrechtlich rechtserheblich, "wesentlich", war. Denn die
unfallversicherungsrechtliche Wesentlichkeit der Wirkursächlichkeit der versicherten Verrichtung für die Einwirkung (etc.)
muss eigenständig rechtlich nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung beurteilt werden. Sie setzt
rechtlich voraus, dass der Schutzbereich und der Schutzzweck der jeweiligen durch die versicherte Verrichtung begründeten
Versicherung durch juristische Auslegung des Versicherungstatbestandes nach den anerkannten Auslegungsmethoden erkannt werden.
Insbesondere ist festzuhalten, ob und wie weit der Versicherungstatbestand gegen Gefahren aus von ihm versicherten Tätigkeiten
schützen soll. Bei der folgenden Subsumtion muss vorab entschieden werden, ob die versicherte Verrichtung durch ihren auf
der ersten Stufe festgestellten Verursachungsbeitrag überhaupt ein Risiko verwirklicht hat, das in den Schutzbereich der begründeten
Versicherung fällt. Nur wenn dies, wie zumeist, zu bejahen ist, kommt es darauf an, ob ggf. konkret festgestellte unversicherte
Mitursachen, die selbst die Zurechnung zum Unfallversicherungsträger nie begründen können, gleichwohl die Zurechnung ausschließen.
Das ist der Fall, wenn die unversicherten Wirkursachen das gesamte Unfallgeschehen derart geprägt haben, dass die Wirkung
insgesamt trotz des Mitwirkungsanteils der versicherten Verrichtung nicht mehr unter den Schutzbereich der jeweiligen Versicherung
fällt. Bei dieser Subsumtion sind alle auf der ersten Stufe im Einzelfall konkret festgestellten versicherten und unversicherten
Wirkursachen mit ihren ggf. festgestellten Mitwirkungsanteilen in einer rechtlichen Gesamtabwägung nach Maßgabe des jeweilig
festgestellten Schutzzwecks des Versicherungstatbestandes zu bewerten. Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht sind, erweist
sich die versicherte Verrichtung als "wesentliche Ursache" (BSG, Urteil vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R m.w.N.). "Wesentlich" ist hierbei nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht
annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich
wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 30.01.2007 - B 2 U 8/06 R). Eine nicht gleichwertige unwesentliche Teilursache (sog. Gelegenheitsursache) liegt somit dann vor, wenn eine Krankheitsanlage,
konstitutionell bedingte Schwäche oder ein Vorschaden, die zum Zeitpunkt des Unfalls nachweisbar vorlagen, so stark oder so
leicht ansprechbar waren, dass der durch den Unfall eingetretene Gesundheitsschaden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auch
ohne das schädigende Ereignis ähnlich schwer zu annähernd gleicher Zeit durch ein anderes beliebig austauschbares Ereignis
oder eine Belastung des täglichen Lebens oder auch ohne eine solche ausgelöst worden wäre (BSG, Urteil vom 27.10.1987 - 2 RU 35/87, BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr 10; BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R, BSGE 94, 296 = SozR 4-2700 § 8 Nr 25 jeweils Rn. 11).
Die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. neben dem Arbeitsunfall auch die Gesundheitsstörung, müssen im sogenannten Vollbeweis
feststehen. Hierfür ist keine absolute, jeden möglichen Zweifel und jede Möglichkeit des Gegenteils ausschließende Gewissheit
zu fordern, vielmehr genügt für die entsprechende richterliche Überzeugung ein der Gewissheit nahekommender Grad von Wahrscheinlichkeit
(BSG, Urteil vom 27.03.1958 - 8 RV 387/55, juris Rn. 16). Die volle Überzeugung wird als gegeben angesehen, wenn eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, d.h. eine Wahrscheinlichkeit
besteht, die nach der Lebenserfahrung praktisch der Gewissheit gleichkommt, weil sie bei jedem vernünftigen, die Lebensverhältnisse
klar überschauenden Menschen keine Zweifel mehr bestehen lässt (BSG, Urteil vom 27.04.1972 - 2 RU 147/71, juris Rn. 30; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl. 2017, §
128 Rn. 3b m.w.N.).
Für den ursächlichen Zusammenhang - Wirkursächlichkeit - zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Gesundheitsschaden (haftungsbegründende
Kausalität) sowie Folgeschäden (haftungsausfüllende Kausalität) ist demgegenüber hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend.
Um eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges zu bejahen, muss absolut mehr für als gegen die jeweilige
Tatsache sprechen. Es muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, das
ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden und nach der geltenden ärztlichen wissenschaftlichen Lehrmeinung
deutlich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (BSG, Beschluss vom 08.08.2001 - B 9 V 23/01 B, juris Rn. 4 m.w.N.; BSG, Urteil vom 02.02.1978 - 8 RU 66/77, juris Rn. 13). Die Beweisanforderungen bei der hinreichenden Wahrscheinlichkeit sind höher als bei der überwiegenden Wahrscheinlichkeit
(Glaubhaftmachung im Sinne eines Beweismaßes, vgl. dazu BSG, Beschluss vom 08.08.2001 - B 9 V 23/01 B, juris Rn. 5). Überwiegende Wahrscheinlichkeit bedeutet die gute Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei
durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können; dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet (vgl. BSG vom 08.08.2001 - B 9 V 23/01 B, juris Rn. 5 und Orientierungssatz; vom 14.12.2006 - B 4 R 29/06, juris Rn. 116; vom 17.04.2013 - B 9 V 3/12 R, juris Rn. 36; Keller, a.a.O., Rn. 3d m.w.N.; zum Zivilrecht BGH vom 11.09.2003 - IX ZB 37/03, juris Rn. 8; vom 15.06.1994 - IV ZB 6/94).
1. Aufgrund eines Arbeitsunfalls vom 18.05.1992 bezieht der Kläger von der Beklagten eine Verletztenrente auf unbestimmte
Zeit nach einer MdE i.H.v. 20 v.H. Insoweit ist ein sog. Stützrententatbestand i.S.d. §
56 Abs.
1 S. 2
SGB VII gegeben.
2. Zudem hat der Kläger am 24.11.2014 einen Arbeitsunfall mit der Unfallfolge "hochgradige Funktionseinschränkung des linken
Armes nach Subscapularissehnenruptur, Pulley-Läsion, Luxation der langen Bizepssehne und Partialruptur des Vorderrandes der
Supraspinatussehne" erlitten.
Nach §
8 Abs.
1 S. 1
SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §
2,
3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Nach Satz 2 der Vorschrift sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen
auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
a. Das Ereignis vom 24.11.2014 stellt ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis dar. Hierzu
trifft der Senat im Vollbeweis folgende Feststellungen:
Der Kläger versuchte am 24.11.2014 - im Rahmen seiner bei der Beklagten versicherten Tätigkeit als Landwirt - zusammen mit
zwei weiteren Personen, ein Kalb mithilfe eines Geburtsstricks aus dem Leib der Mutterkuh herauszuziehen. Der Kläger befand
sich am hinteren Ende des Stricks. Der Strick riss plötzlich, so dass der Kläger rückwärts zu Boden stürzte und mit der linken
Schulter auf dem Betonboden aufschlug. Die beiden vor ihm befindlichen Männer stürzten ebenfalls und fielen auf den Kläger.
Die Feststellungen trifft der Senat aufgrund der glaubhaften Angaben des Klägers im Klageverfahren vor dem SG (Schriftsatz vom 03.01.2017).
b. Gestützt auf die nachvollziehbaren Feststellungen des ärztlichen Sachverständigen I steht zur vollen Überzeugung des Senats
fest, dass beim Kläger eine hochgradige Funktionseinschränkung des linken Armes nach Subscapularissehnenruptur, Pulley-Läsion,
Luxation der langen Bizepssehne und Partialruptur des Vorderrandes der Supraspinatussehne vorliegt.
L. Diese gesundheitlichen Schäden sind mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis vom 24.11.2014 zurückzuführen.
Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund der insoweit übereinstimmenden Ausführungen der ärztlichen Sachverständigen
L und I. Es spricht deutlich mehr dafür als dagegen, dass es durch das Ereignis zu den beschriebenen Verletzungen im Bereich
der linken Schulter des Klägers gekommen ist.
Der ärztliche Sachverständige I hat - unter Zitierung einschlägiger wissenschaftlicher Literatur - in seinem Gutachten insoweit
nachvollziehbar dargestellt, dass nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft der vom Senat festgestellte Unfallhergang
(siehe dazu 2.a.) grundsätzlich als Rasanztrauma geeignet ist, die genannten Verletzungsfolgen (siehe dazu 2.b.) herbeizuführen.
Eine nähere Evaluation dieses Mechanismus im Hinblick auf Geeignetheit und Ungeeignetheit sei nicht zielführend, da hierzu
keine relevanten wissenschaftlichen Daten (experimentelle und wissenschaftlich beweisende Studien zu den tatsächlichen Abläufen
und Belastungen) vorlägen. Gegen einen Unfallzusammenhang spricht nach den Ausführungen des ärztlichen Sachverständigen I,
dass in einer MRT der linken Schulter von 2008 bereits initiale degenerative Veränderungen des oberen Anteils der Subscapularissehne
und des oberen Anteils des Musculus supraspinatus im Sinne einer fettigen Infiltration zu sehen sind. Es bestand somit ein
Vorschaden in Form einer Partialruptur des Oberrandes der Subscapularissehne gegebenenfalls mit leichter Pulley-Läsion und
Partialruptur des vorderen Anteils der Supraspinatussehne. Allerdings handelt es sich hierbei um keine schwerwiegenden Vorschäden
bzw. um keine fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen. Außerdem ergibt sich im Vergleich mit der 2014 angefertigten
MRT, dass diese Veränderungen nicht fortgeschritten sind. Soweit im OP-Bericht vom 29.01.2015 von einer überwiegend degenerativ
bedingten Komplettruptur der SSC-Sehne die Rede ist, ist dies nicht aussagekräftig. Der ärztliche Sachverständige I führt
hierzu in Übereinstimmung mit dem ärztlichen Sachverständigen L aus, dass dem OP-Bericht kaum eine Aussagekraft zukomme, weil
der Eingriff erst mehr als 2 Monate nach dem Unfallereignis stattgefunden habe. Auch das Vorliegen einer ACG-Arthrose beim
Kläger spricht nicht für einen Unfallzusammenhang. Der ärztliche Sachverständige I erläutert hierzu, dass nach dem Stand der
Wissenschaft ein Zusammenhang zwischen einer ACG-Arthrose und einer Rotatorenmanschettenruptur, insbesondere einer Subscapularissehnenruptur
nicht belegt sei. Für einen Unfallzusammenhang sprechen hingegen - so der ärztliche Sachverständige I in Übereinstimmung mit
dem ärztlichen Sachverständigen L - die Beschwerdefreiheit des Klägers in den Jahren vor dem Unfallereignis, das unmittelbare
Aufsuchen eines Arztes nach dem Unfall, der direkt nach dem Unfall eingetretene Funktionsausfall der linken Schulter, der
sich im Sinne einer Decrescendo-Symptomatik nur langsam und wenig gebessert hat, die in der MRT vom 23.12.2014 feststellbaren
Veränderungen, die für ein frisches traumatisches Ereignis sprechen - insbesondere die Schlängelung (das Kinking) der Subscapularissehne
- sowie der Umstand, dass Subscapularissehnenrupturen nach dem Stand der Wissenschaft überwiegend traumatisch bedingt sind.
Zudem ist es nach den Ausführungen des ärztlichen Sachverständigen im Zeitraum 2014 bis 2017, anders als zuvor im Zeitraum
zwischen 2008 und 2014, zu einem im bildgebenden Verfahren (MRT) erkennbaren deutlichen Fortschreiten der degenerativen Entwicklung
im Bereich der linken Schulter des Klägers gekommen. Auch dies spricht für einen Unfallzusammenhang.
Soweit M und G demgegenüber in ihren Gutachten einen Unfallzusammenhang im Ergebnis verneint haben, folgt der Senat dem nicht.
Der Gutachter M führt zum Unfallzusammenhang lediglich aus, dass es durch den Sturz zu einer Komplettierung der Läsion der
bereits vorbestehend stark degenerativ veränderten Subscapularissehne gekommen sei. Dieser Befund wäre mit Wahrscheinlichkeit
auch ohne jede äußere Einwirkung bzw. ohne das angeschuldigte Ereignis durch eine normale Verrichtung des privaten täglichen
Lebens zu etwa derselben Zeit (in naher Zukunft) in etwa dem selben Ausmaße eingetreten. Es findet sich in dem Gutachten aber
keinerlei Begründung für diese Annahme. Der Gutachter G sieht den OP-Bericht als entscheidend für die Beurteilung im vorliegenden
Fall an. Allerdings kommt dem OP-Bericht, wie dargelegt, aufgrund des zwischen dem Unfallereignis und der OP verstrichenen
Zeitraums keine wesentliche Aussagekraft zu. Auch sprechen die bildgebenden Befunde, anders als G annimmt, nach den Darlegungen
der ärztlichen Sachverständigen I und L eher für einen Unfallzusammenhang.
3. Die beschriebenen Unfallfolgen sind nach den Feststellungen des Senats ab 03.11.2016 mit einer MdE i.H. v. 10 v.H. und
ab 09.10.2018 mit einer MdE i.H.v. 20 v.H. zu bewerten.
Die MdE richtet sich gemäß §
56 Abs.
2 S. 1
SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten
Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet;
sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes (§
56 Abs.
3 S. 1
SGB VII). Bei einer MdE wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad
der MdE entspricht (§
56 Abs.
3 S. 2
SGB VII).
Dabei erfolgt die Bemessung des Grades der MdE als Tatsachenfeststellung des Senats, die dieser gemäß §
128 Abs.
1 S. 1
SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (vgl. die ständige Rechtsprechung
des BSG, u.a. Urteil vom 18.01.2011 - B 2 U 5/10 R m.w.N.; BSG v. 20.12.2016 - B 2 U 11/15 R, SozR 4-2700 § 56 Nr. 4). Maßgebend für die Festsetzung der Erwerbsminderung sind die durch den Unfall bedingten krankhaften
Befunde und ihre Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit im allgemeinen Erwerbsleben. Maßstab für die Bewertung sind insoweit
die nach den medizinischen Erfahrungen gebildeten, durch die Rechtsprechung bestätigten allgemeinen Bewertungsgrundsätze (s.
dazu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 126 ff m.w.N.). Sie sind zwar nicht
für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen
Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen ständigem Wandel (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. u.a. Urt. v. 05.09.2006 - B 2 U 25/05 R, Urt. v. 22.06.2004 - B 2 U 14/03 R, jeweils m.w.N.; zur Zulässigkeit der Heranziehung von MdE-Tabellen als Wiedergabe allgemeiner Erfahrungssätze BSG v. 20.12.2016 - B 2 U 11/15 R, juris Rn. 18 ff.).
Hinsichtlich der Auswirkungen der bezeichneten Unfallfolgen stellt der Senat fest, dass bei der Untersuchung des Klägers durch
den Gutachter M am 31.07.2015 folgende Bewegungsmaße vorlagen: links 150-0-40 (seitwärts/körperwärts), 50-0-125 (rückwärts/vorwärts),
60-0-90 (auswärts/einwärts drehen bei anliegendem Oberarm); rechts 150-0-40 (seitwärts/körperwärts), 50-0-150 (rückwärts/vorwärts),
70-0-90 (auswärts/einwärts drehen bei anliegendem Oberarm). Zudem bestand ein seitengleiches Muskelrelief an den Schultern,
die Innenrotation war auch gegen Widerstand kräftig demonstrabel. In Gesamtschau der Untersuchungsbefunde sieht der Senat
unter Zugrundelegung der allgemeinen Bewertungsgrundsätze (vgl. z.B. Schönberger a.a.O., S. 560; Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich,
Unfallbegutachtung, 13. Aufl., S. 169) zu diesem Zeitpunkt keine messbare MdE wegen der Folgen des streitgegenständlichen
Arbeitsunfalls gegeben. Hiernach setzt eine MdE i.H.v. 10 v.H. eine Bewegungseinschränkung im Schultergelenk von vorwärts/seitwärts
bis 120 Grad bei freier Rotation voraus. Als Hauptkriterium zur Bemessung der MdE ist dabei im Hinblick auf die Gebrauchsfähigkeit
der Hand die Schultervorhebung zu sehen. Anders als ärztliche Sachverständige I geht der Senat davon aus, dass die allgemeinen
Bewertungsgrundsätze für die Beurteilung der MdE infolge eines Schulterschadens der genannten Literatur entnommen werden können.
Die vom ärztlichen Sachverständigen I zur Bestimmung der MdE herangezogene Literatur ist im Vergleich deutlich älteren Datums.
Soweit der ärztliche Sachverständige I das Werk Schönberger/Mehrtens/Valentin nicht heranziehen möchte, weil es sich bei den
Autoren um zwei Juristen und einen Sozialmediziner handelt, ist darauf hinzuweisen, dass die Feststellung der MdE, wie ausgeführt,
letztlich eine richterliche und damit eine juristische Aufgabe ist. Die hierfür wesentlichen, in der Rechtsprechung bestätigten
Bewertungsgrundsätze sind im Werk Schönberger/Mehrtens/Valentin dokumentiert.
Zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung durch G am 03.11.2016 wurden - bei guter Mitarbeit des Klägers folgende Bewegungsmaße
dokumentiert: links 90-0-30 (seitwärts/körperwärts), 30-0-90 (rückwärts/vorwärts), 10-0-10 (auswärts/einwärts drehen bei anliegendem
Oberarm), nicht möglich (auswärts/einwärts mit Oberarm 90° seitwärts abgehoben); rechts 150-0-40 (seitwärts/körperwärts),
40-0-150 (rückwärts/vorwärts) 30-0-50 (auswärts/einwärts drehen bei anliegendem Oberarm), 40-0-20 (auswärts/einwärts mit Oberarm
90° seitwärts abgehoben). Es fand sich im Seitenvergleich links eine leichte Kraftminderung über alle vier Kennmuskeln der
Rotatorenmanschette, wobei der Muskelbauch der langen Bizepssehne beidseits kräftig entwickelt war. Zur Überzeugung des Senats
wurde nach den dargestellten Bewetungsgrundsätzen zu diesem Zeitpunkt somit eine MdE i.H.v. 10 v.H. wegen der Folgen des streitgegenständlichen
Arbeitsunfalls erreicht, eine MdE i.H.v. 20 v.H. jedoch (noch) nicht. Eine Bewertung mit einer MdE i.H.v. 20 v.H. würde eine
Bewegungseinschränkung im Schultergelenk von vorwärts/seitwärts bis 90 Grad bei freier Rotation voraussetzen. Bei der nachfolgenden
Untersuchung beim ärztlichen Sachverständigen L am 07.05.2017 fanden sich jedoch leicht bessere Bewegungsmaße im Bereich der
oberen Extremitäten: links (aktiv) 100-0-20 (seitwärts/körperwärts), 10-0-110 (rückwärts/vorwärts), 30-0-80 (auswärts/einwärts
drehen bei anliegendem Oberarm), 20-0-40 (auswärts/einwärts mit Oberarm 90° seitwärts abgehoben); links (passiv) 150-0-30
(seitwärts/körperwärts), 20-0-150 (rückwärts/vorwärts), 30-0-80 (auswärts/einwärts drehen bei anliegendem Oberarm), 40-0-60
(auswärts/einwärts mit Oberarm 90° seitwärts abgehoben); rechts (aktiv) 160-0-30 (seitwärts/körperwärts), 20-0-160 (rückwärts/vorwärts),
60-0-80 (auswärts/einwärts drehen bei anliegendem Oberarm), 80-0-70 (auswärts/einwärts mit Oberarm 90° seitwärts abgehoben);
rechts (passiv) 170-0-40 (seitwärts/körperwärts), 30-0-170 (rückwärts/vorwärts), 60-0-80 (auswärts/einwärts drehen bei anliegendem
Oberarm), 80-0-70 (auswärts/einwärts mit Oberarm 90° seitwärts abgehoben). Die linke Hand wurde vom Kläger als Beihandbewegung
bewegungssicher eingesetzt und beim Ausziehen des Oberteils schwungvoll über die Kopfhöhe angehoben. Die Schultergürtelmuskulatur
war asymmetrisch ausgeprägt mit einer leichten Verschmächtigung des Schulterhaubenmuskels und des Obergrätenmuskel links gegenüber
rechts. Der Nackengriff war beidseits möglich, der Schürzenbandgriff links bis zur unteren Lendenwirbelsäule. Die aktive Beweglichkeit
im linken Schultergelenk war in sämtlichen Bewegungsrichtungen endgradig eingeschränkt. Die Anhebung des Armes nach vorn und
seitlich bis zur Kopfhöhe war möglich; Außendrehung bei anliegendem Oberarm und aus der Schulterhöhe waren reduziert. Es lag
eine Kraftminderung vor. In der Gesamtschau der Befunde vom 03.11.2016 und vom 07.05.2017 sieht der Senat daher ab 03.11.2016
nur eine MdE i.H.v. 10 v.H. als gegeben.
Schließlich ergaben sich bei der Untersuchung durch den ärztlichen Sachverständigen I am 09.10.2018 folgende Bewegungsmaße
im Bereich der beiden Arme des Klägers: links (aktiv) 70 (seitwärts), 70 (vorwärts), 30 (auswärts drehen bei anliegendem Oberarm),
50 (auswärts/einwärts mit Oberarm 90° seitwärts abgehoben); links (passiv) 30-0-15 (seitwärts/körperwärts), 10-0-80 (rückwärts/vorwärts),
30-0-60 (auswärts/einwärts drehen bei anliegendem Oberarm), 15-0-30 (auswärts/einwärts mit Oberarm 90° seitwärts abgehoben);
rechts (aktiv) 130 (seitwärts), 150 (vorwärts), 30 (auswärts drehen bei anliegendem Oberarm), 70 (auswärts/einwärts mit Oberarm
90° seitwärts abgehoben) rechts (passiv) 90-0-20 (seitwärts/körperwärts), 10-0-160 (rückwärts/vorwärts), 45-0-60 (auswärts/einwärts
drehen bei anliegendem Oberarm), 15-0-60 (auswärts/einwärts mit Oberarm 90° seitwärts abgehoben). Nunmehr bestand eine deutliche
Minderung des Oberarmumfangs im Seitenvergleich von 3 cm. Die Griffmöglichkeiten waren eingeschränkt, der Griff zum Kreuz
nicht möglich. Angesichts dieser Befunde liegt zur vollen Überzeugung des Senats unter Zugrundelegung der oben zitierten Bewertungsgrundsätze
bei Einschränkungen der Beweglichkeit in den Schultergelenken wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 24.11.2014 ab 09.10.2018
eine MdE i.H.v. 20 vor. Diese Einschätzung bestätigt sich auch im Vergleich mit der vom ärztliche Sachverständigen I angeführten
Fachliteratur. So wird in Habermeyer, Schulterchirurgie, 4. Aufl. 2010, S. 840 eine MdE i.H.v. 30 v.H. bei einer Arthrodese
in günstiger Stellung vorgeschlagen. Mit einem versteiften Gelenk kann der Zustand der linken Schulter des Klägers aber nicht
gleichgesetzt werden.
Nach alledem waren das Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten insoweit abzuändern, als dem Kläger wegen des Arbeitsunfalls vom 24.11.2014 ab 03.11.2016
eine Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von 10 v.H. und ab 09.10.2018 nach einer MdE in Höhe von 20 v.H. zusteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger nur zum Teil obsiegt hat. Die Kostenentscheidung ergeht als Grundentscheidung, so dass
über die Erstattung der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers im einzelnen beantragten Kosten nicht zu entscheiden ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG), sind nicht gegeben.