Aufhebung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung
Alterssicherung der Landwirte
Regelmäßige Überprüfung der Rentenbewilligung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte berechtigt war, die Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung mit Wirkung
vom 1. April 2013 aufzuheben.
Der im Januar 1957 geborene Kläger, gelernter Maschinenschlosser, war nach seiner Lehrzeit bis Juli 2008 als Vollerwerbslandwirt
erwerbstätig. Im Juli 2008 wurde bei ihm ein Rektum-Karzinom diagnostiziert. Nach neoadjuvanter Radio-Chemotherapie erfolgte
eine radikale Rektumresektion mit Anlegung eines künstlichen Ausgangs. Der weitere Verlauf war kompliziert mit Ausbildung
einer generalisierten Sepsis bei diffuser Peritonitis, Langzeitbeatmung und tiefer Beinvenenthrombose mit anschließender Lungenembolie
rechts. Im März 2009 wurde der künstliche Ausgang zurückverlagert.
Mit Antrag vom 30. September 2009 begehrte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Die Beklagte zog diverse
Befundberichte sowie ein für die Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd erstelltes Gutachten des Internisten Dr. W. vom 28.
Dezember 2009 bei. Dr. W. diagnostizierte beim Kläger eine Anpassungsstörung bei Tumorerkrankung, einen Zustand nach anteriorer
Rektumresektion mit kompliziertem Verlauf ohne Hinweis auf das Vorliegen eines Tumor-Rezidivs, eine Störung der Stuhlregulation
nach Rückverlagerung eines Ileostomas, eine Veneninsuffizienz mit Rückflussstörung, einen Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose
rechts sowie eine Hypertriglyzeridämie. Der Kläger sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt derzeit für leichte bis mittelschwere
Tätigkeiten nur 3 bis unter 6 Stunden einsetzbar.
Die Beklagte wies den Kläger darauf hin, dass er voll erwerbsgemindert sei. Für Rentenleistungen sei die Abgabe des landwirtschaftlichen
Unternehmens erforderlich. Eine Überprüfung des Gesundheitszustands sei in einiger Zeit vorgesehen. Bei einer Besserung des
Gesundheitszustands könnte trotz Hofabgabe kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung mehr bestehen. Nachdem der Kläger
diverse Pachtverträge vorgelegt hatte, stellte die Beklagte fest, dass die Abgabevoraussetzungen mit Ablauf des 31. Januar
2010 erfüllt sind und gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 2. März 2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Februar
2010. Eine Befristung ist in dem Bescheid nicht enthalten. In ihm wird jedoch darauf hingewiesen, dass eine spätere Überprüfung
der Erwerbsminderung vorgesehen sei.
Im Rahmen einer ersten Überprüfung der Erwerbsminderung des Klägers zog die Beklagte einen Entlassungsbericht der M. vom 28.
September 2011 über Maßnahmen der stationären Rehabilitation auf internistischer/gastroenterologischer Grundlage bei, an denen
der Kläger vom 30. August bis 29. September 2011 teilgenommen hatte. Hierin wurde dem Kläger ein Leistungsvermögen von 3 bis
unter 6 Stunden für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts bescheinigt. Nachdem sich der sozialmedizinische Dienst
der Beklagten dieser Leistungsbeurteilung angeschlossen hatte, wurde dem Kläger mitgeteilt, er sei weiterhin erwerbsgemindert.
Im Rahmen des nächsten Überprüfungsverfahrens zog die Beklagte ein neuerliches Gutachten von Dr. W. für die Deutsche Rentenversicherung
Bayern Süd vom 1. Februar 2013 (Untersuchung des Klägers am 31. Januar 2013) bei. Hierin sind folgende Diagnosen festgehalten:
1. Zustand nach anteriorer Rektum-Resektion bei Rektum-Karzinom 10/2008, Zustand nach neoadjuvanter Radio-Chemotherapie, kein
Rezidivhinweis 2. Chronic Fatigue-Syndrom 3. Störung der Stuhlregulation nach Rückverlagerung des doppelläufigen Ileostomas
(Besserung im zeitlichen Verlauf) 4. Zustand nach Lungenembolie 2009, kein Hinweis auf das Vorliegen einer pulmonalen Hypertonie
5. Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose 01/2009 rechts.
Der Kläger sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne besondere nervliche Beanspruchung
mit der Möglichkeit des uneingeschränkten Toilettengangs 6 Stunden und mehr einsetzbar.
Die Beklagte hörte daraufhin den Kläger mit Schreiben vom 18. Februar 2013 zu ihrer Absicht an, den Bescheid vom 2. März 2010
gemäß § 48 Abs. 1 SGB X für die Zukunft, also ab 1. April 2013, insofern aufzuheben, dass der Anspruch auf Erwerbsminderungsrente ab dem 1. April
2013 wegfalle. Bei der Nachuntersuchung am 31. Januar 2013 sei festgestellt worden, dass sich seine Gesundheit wesentlich
verbessert habe und er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere Tätigkeiten für mindestens 6 Stunden täglich
ausüben könne. Der Kläger teilte hierzu mit, dieses Untersuchungsergebnis sei nicht nachvollziehbar. Er habe massive Beschwerden
in Bezug auf seine Verdauung und befinde sich laufend in ärztlicher Behandlung. Er übersandte ein ärztliches Attest des Allgemeinmediziners
Dr. D., wonach der Kläger an chronischen Durchfällen leide. Seit wenigen Monaten sei eine Stuhlinkontinenz hinzugetreten.
Eine Besserung der Symptomatik sei nicht zu erwarten. Der sozialmedizinische Dienst der Beklagten erklärte in seiner Stellungnahme
hierzu, es verbleibe beim Gutachten vom 1. Februar 2013.
Mit angefochtenem Bescheid vom 28. März 2013 hob die Beklagte den Bescheid vom 2. März 2010 gemäß § 48 SGB X ab dem 1. April 2013 auf. Eine dauernde Erwerbsminderung liege nicht mehr vor.
Nachdem der hiergegen erhobene Widerspruch des Klägers nicht begründet wurde, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid
vom 13. November 2013 zurück. Seit Januar 2013 bestehe wieder ein Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen
Arbeitsmarkts von mindestens 6 Stunden täglich. Hierin liege eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen im Sinne des §
48 Abs. 1 S. 1 SGB X.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) erhoben und vorgetragen, eine wesentliche Verbesserung im Gesundheitszustand des Klägers liege nicht vor. Der Kläger könne
nicht in einen regelmäßigen Tätigkeitsablauf eingegliedert werden.
Das SG hat nach Beiziehung diverser Befundberichte Beweis erhoben durch Einholung eines internistischen Gutachtens von Dr. L. und
eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. Dr. W ...
Dr. L. hat in ihrem Gutachten vom 15. Mai 2014 ausgeführt, dass gegenüber dem Gutachten von Dr. W. vom 28. Dezember 2009 eine
wesentliche Besserung hinsichtlich des Allgemein- und Kräftezustands eingetreten sei. Die Rekonvaleszenz nach der komplikationsreichen
Darmoperation im Oktober 2008 mit Rückverlagerung des künstlichen Ausgangs im März 2009 sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht
abgeschlossen gewesen, weder körperlich, noch psychisch. Mittlerweile sei sowohl in körperlicher als auch in psychischer Hinsicht
eine Besserung eingetreten. Der Kläger sei wieder in der Lage, 8 Stunden täglich leichte körperliche Tätigkeiten bei Möglichkeit
des uneingeschränkten Toilettengangs zu verrichten. Nicht mehr zumutbar seien häufiges Bücken, schweres Tragen und Heben,
besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit sowie Akkord- und Nachtschichtarbeit. Die Umstellungsfähigkeit sei
eingeschränkt auf einfache und ungelernte Tätigkeiten.
Dr. Dr. W. hat in seinem Gutachten vom 25. Februar 2015 erklärt, beim Kläger bestehe auf neuropsychiatrischem Gebiet eine
Rentenneurose. Im Übrigen hat er auf die von Dr. L. festgestellten Gesundheitsstörungen verwiesen. Der internistische Leistungsstatus
habe sich im Zeitverlauf erheblich verbessert. Das nachfolgend eingeführte psychiatrische Argument ("chronic fatigue") könne
nicht bestätigt werden. Der Kläger könne leichte bis kurzzeitig mittelschwere Arbeiten mindestens 6 Stunden täglich verrichten.
Als weitere qualitative Leistungseinschränkungen hat Dr. Dr. W. Zwangshaltungen genannt. Die Umstellungsfähigkeit auf andere
Tätigkeiten sei nicht eingeschränkt. Weitere Gutachten seien nicht erforderlich.
Das SG hat daraufhin die Klage mit Urteil vom 21. August 2015 unter Berufung auf die Gutachten Dr. L. und Dr. Dr. W. abgewiesen.
Eine wesentliche Besserung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers liege vor. Er verfüge nunmehr wieder über ein
vollschichtiges Leistungsvermögen.
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und geltend gemacht, die unregelmäßigen, extrem
häufigen Stuhlfrequenzen würden nicht ausreichend gewürdigt. Damit sei keine regelmäßige Arbeitsleistung möglich. Auch sei
das Chronic fatigue-Syndrom nicht berücksichtigt worden. Dieses liege nicht durchgehend vor, sondern trete meist in Belastungssituationen
auf. Es könne daher nicht in einer Begutachtung festgestellt werden. Auch sei der Kläger gezwungen gewesen, die Bewirtschaftung
seines Hofes aufzugeben. Die dem Kläger attestierte Rentenneurose sei als Krankheit zu werten.
Der Senat hat nach Beiziehung weiterer Befundberichte Beweis erhoben durch Einholung eines internistischen Gutachtens von
Dr. C ... Dr. C. hat in seinem Gutachten vom 11. April 2016 folgende Diagnosen gestellt: 1. Zustand nach tiefer Rektumresektion
bei Rektum-Karzinom 2. Stuhlinkontinenz Grad III 3. Zustand nach Stomaanlage 4. Arterielle Hypertonie 5. Psychovegetative
Dysregulation 6. Chronisches Fatigue-Syndrom 7. Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose 8. Adipositas.
Beim Kläger sei eine gute Stabilisierung nach durchgemachter maligner Erkrankung eingetreten. Er könne ab Januar 2013 leichte,
selten auch mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig in wechselnder Ausgangsposition verrichten.
Nicht mehr zumutbar seien das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Zwangshaltungen sowie Tätigkeiten mit Publikumsverkehr.
Die rasche Erreichbarkeit einer Toilette müsse gewährleistet sein. Unüblicher Pausenbedarf bestehe nicht. Das Restleistungsvermögen
des Klägers erlaube ab Januar 2013 die Verrichtung von Tätigkeiten, die üblicherweise in ungelernten Tätigkeiten gefordert
werden. So seien etwa Tätigkeiten wie Zureichen, Abnehmen, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von Teilen möglich. Ab
2013 bestehe eine uneingeschränkte Umstellungsfähigkeit.
Der Kläger hat hierzu erklärt, aufgrund des letzten Befundes des Krankenhauses V. vom 9. Februar 2016 habe sich herausgestellt,
dass die Schmerzen beim Kläger Folge einer lokal entzündlichen irritativ toxischen Veränderung seien und es sich wahrscheinlich
um neuroplastische Veränderungen nach Bestrahlung und pelviner Sepsis handele. Aufgrund der ausgeprägten posttherapeutischen
anatomischen Veränderungen erschienen Therapien und operative Eingriffe nur sehr fraglich erfolgversprechend. Im Gutachten
Dr. C. hätte dieser Befund gewürdigt werden können. Die vorausgegangenen Gutachten hätten dies jedoch nicht berücksichtigt.
Damit gingen die Vorgutachten, die allerdings wieder Einfluss auf das Gutachten Dr. C. gehabt hätten, von falschen Voraussetzungen
aus. Erstmals im Krankenhaus V. sei eine einschlägige Untersuchung vorgenommen worden. Die Bemerkung im Zusammenhang mit der
Beschwielung der Hände sei eine Unterstellung. Denn der Kläger könne keine Tätigkeiten im Rahmen der Landwirtschaft ausüben
und mache dies auch nicht. Lediglich kleinere Arbeiten wie Rasenmähen an der Hofstelle und Reinigungsarbeiten im Hof seien
ihm möglich und dies auch unter dem Gesichtspunkt, dass er Zeit habe, Arbeiten unterbrechen könne und Pausen mache, solange
es erforderlich und das WC in der Nähe sei. Die als möglich angegebenen Arbeiten seien für ihn, der fast ausschließlich im
landwirtschaftlichen Bereich tätig gewesen sei, nicht erreichbar und stünden auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur
Verfügung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 21. August 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. März 2013 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 13. November 2013 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die zulässige Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 28. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 13. November 2013 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Beklagte durfte gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X den Rentenbescheid vom 2. März 2010 mit Wirkung ab 1. April 2013 aufgrund einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse
aufheben. Dem Kläger steht ab 1. April 2013 kein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung gemäß §§
13 Abs. 1 S. 1 ALG i.V.m. §
43 Abs.
1,
2 SGB VI zu, weil er nicht mehr erwerbsgemindert ist.
Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig, insbesondere ist die notwendige Anhörung ordnungsgemäß erfolgt (vgl.
§ 24 Abs. 1 SGB X).
Sie sind aber auch materiell rechtmäßig.
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen
haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft, hier damit ab 1. April 2013, aufzuheben.
In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheids vom 2. März 2010 vorgelegen haben, ist eine wesentliche Änderung
dadurch eingetreten, dass jedenfalls ab 31. Januar 2013 keine Erwerbsminderung mehr vorliegt. Wesentlich ist eine Änderung
in den tatsächlichen Verhältnissen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur dann, wenn sie rechtserheblich ist, d.h., wenn die Änderung dazu führt, dass der Bescheid über die Gewährung einer Rente
wegen Erwerbsminderung nach den nunmehr geänderten vorliegenden Verhältnissen nicht mehr erlassen werden dürfte. Im Bereich
der Renten wegen gesetzlicher Erwerbsminderung sind damit alle Umstände wesentlich, die zur Herbeiführung oder Beseitigung
der Erwerbsminderung führen (vgl. von Wulffen, SGB X, § 48 Rn. 12 m.w.N.). Für die Feststellung ob eine Änderung vorliegt, sind dabei die Verhältnisse im Zeitpunkt des Erlasses der
bindend gewordenen bescheidmäßigen Feststellung der Leistung mit denen im Zeitpunkt der beabsichtigten veränderten Feststellung
zu vergleichen, also mit dem Zeitpunkt der letzten Entscheidung der Beklagten über die Aufhebung der Rentenleistung mit Widerspruchsbescheid
vom 13. November 2013 (vgl. KassKomm, SGB X, § 48 Rn. 14 ff.).
Gemäß § 13 Abs. 1 S. 1, 2 ALG haben Landwirte Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise bzw.
voll erwerbsgemindert nach §
43 SGB VI sind 2. sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens 3 Jahre Pflichtbeiträge zur landwirtschaftlichen
Alterskasse gezahlt haben, 3. sie vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben und 4. das Unternehmen
der Landwirtschaft abgegeben ist.
Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind gemäß §
43 Abs.
1 S. 2 bzw. Abs.
2 S. 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 bzw. 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. §
43 Abs.
3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann;
dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die Beklagte hat zu Recht als Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Rentenbewilligung § 48 Abs. 1 SGB X herangezogen. § 45 SGB X ist nicht einschlägig, denn der ursprüngliche Rentenbewilligungsbescheid vom 2. März 2010 war rechtmäßig. Der Senat hat keinen
Zweifel daran, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung durch Bescheid vom 2.
März 2010 in diesem Sinne voll erwerbsgemindert war. Der Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt erst unlängst eine schwere Tumorerkrankung
überwunden, die durch einen besonders schweren postoperativen Verlauf gekennzeichnet war. Er befand sich noch in der Phase
der Rekonvaleszenz, die weder körperlich noch psychisch abgeschlossen war. Nach den Feststellungen von Dr. W. im Gutachten
vom 21. Dezember 2009 gestalteten sich der Kostaufbau und die Stuhlregulierung nach Rückverlagerung des künstlichen Ausgangs
schwierig. Der Stuhlabgang konnte vom Kläger nicht adäquat kontrolliert werden. Der Kläger trug bei der Untersuchung durch
Dr. W. Windeln. Es fanden sich Zeichen einer deutlichen Anpassungsstörung. Der Kläger war besorgt und befand sich damals in
einer zunehmenden sozialen Isolation.
Die damalige Annahme eines auf 3 bis unter 6 Stunden abgesunkenen Leistungsvermögens des Klägers ist damit für den Senat nachvollziehbar.
Da auch damals von einer Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes auszugehen war, stand dem Kläger damit nicht nur Rente
wegen teilweiser Erwerbsminderung, sondern Rente wegen voller Erwerbsminderung zu. Zutreffend hat die Beklagte die Rente wegen
voller Erwerbsminderung auch auf Dauer gewährt. Eine Rechtsgrundlage für eine Befristung der Rente wegen voller Erwerbsminderung
im Bereich der Alterssicherung der Landwirte ist nicht gegeben. Denn § 30 Abs. 1 ALG verweist nicht auf §
102 Abs.
2 SGB VI, in dem bestimmt ist, dass Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet werden (§
102 Abs.
2 Satz 1
SGB VI) bzw. Renten unbefristet geleistet werden, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, wenn
unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann (§
102 Abs.
2 S. 5
SGB VI). Aus diesem unterbliebenen Verweis folgt, dass auf der Grundlage von § 13 ALG zu leistende Renten wegen Erwerbsminderung unbefristet zu gewähren sind, wobei jedoch - wie geschehen - in regelmäßigen Abständen
die Rentenbewilligung zu überprüfen ist (vgl. Alterssicherung der Landwirte, Kommentar, § 13 Anm. 1.6).
Nach den Feststellungen von Dr. W., dessen Gutachten der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat, sowie nach dem Ergebnis
der Beweisaufnahme vor dem SG und dem erkennenden Gericht steht für den Senat fest, dass der Kläger ab Januar 2013 (Untersuchung durch Dr. W.) und auch
noch zu dem im Rahmen einer Anfechtungsklage maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids, hier im November
2013, aber auch darüber hinaus, wieder in der Lage ist, mindestens 6 Stunden täglich leichte Arbeiten auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt zu verrichten. Damit hat sich eine wesentliche Veränderung im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X ergeben.
Die erfahrene Sachverständige Dr. L. hat betont, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers sowohl in körperlicher als auch
in psychischer Hinsicht gebessert hat. Ein Rezidiv der Tumorerkrankung ist nicht aufgetreten. Der Kläger hat an Gewicht zugenommen.
Die vom Kläger in den Vordergrund gestellte allgemeine Schwäche und die rasche Erschöpfbarkeit sind aufgrund der objektivierbaren
Befunde, der Ergospirometrie, des Belastungs-EKGs, der Echokardiographie und der Lungenfunktion organisch nicht nachvollziehbar.
Lungenfunktionsanalytisch waren keine Einschränkungen nachweisbar. Es fanden sich weder eine obstruktive noch eine restriktive
Ventilationsstörung. Auch die Diffusionskapazität war nicht eingeschränkt. Bei der Belastung des Klägers bis 50 Watt war keine
Einschränkung der kardiopulmonalen Leistungsbreite festzustellen bei noch erheblicher kardialer und pulmonaler Reserve. Der
vom Kläger vorgenommene Belastungsabbruch bei Angabe einer körperlichen Schwäche ließ sich nicht objektivieren. Ein überhöhter
Herzfrequenzanstieg war nicht nachweisbar. Auch wurde die anaerobe Phase bei Belastungsabbruch nicht erreicht.
Der Kläger hat bei Dr. L. auch einen normalen Tagesablauf geschildert. Er hat Freude an seiner Hofstelle, auf der er lebt,
kümmert sich um seinen Garten sowie seine Obstbäume und betreut 40 Nistkästen. Die Muskulatur des Klägers zeigte sich seitengleich
gut ausgebildet sowohl an den oberen als auch an den unteren Extremitäten. Die Hände waren normal beschwielt. Ein sozialer
Rückzug liegt mittlerweile nicht mehr vor. Der Kläger besucht Volksfeste und Ausstellungen. Hinweise auf eine seelische Störung
ergaben sich bei der Untersuchung durch Dr. L. nicht. Die emotionale Schwingungsfähigkeit des Klägers war regelgerecht, Antrieb
und psychomotorisches Tempo waren regelgerecht, nur etwas gesteigert. Die Stimmungslage war ausgeglichen.
Zwar liegen beim Kläger nach wie vor Restbeschwerden mit Stuhlregulationsstörungen vor. Der Kläger berichtete bei Dr. L. über
10-maligen Stuhlgang täglich. Auf Vorlagen war der Kläger jedoch zu dieser Zeit nicht mehr angewiesen, wie sich aus den ausdrücklichen
diesbezüglichen Feststellungen von Dr. Dr. W. ergibt.
Die gutachterliche Einschätzung von Dr. L. wurde aus nervenärztlicher Sicht von Dr. Dr. W. bestätigt. Die Stimmungslage des
Klägers war in keiner Weise gedrückt. Es fanden sich keine ängstlichen Hemmungszeichen, keine Anhedonie, keine affektive Instabilität
und keine idiopathische Adynamie. Die Schwingungsfähigkeit war in jedem Fall erhalten, die Affektbreite unverkürzt. Ein tiefgreifendes
depressives Erleben war nicht erkennbar. Die von Dr. W. in seinem ersten, zur Rentengewährung führenden Gutachten gesehenen
deutlichen Zeichen einer erheblichen Anpassungsstörung fanden sich bei der Untersuchung durch Dr. Dr. W. nicht mehr. In Bezug
auf die vom Kläger geklagte chronische Müdigkeit ("chronic fatigue") hat Dr. Dr. W. ausgeführt, dass insoweit organisch kaum
reproduzierbare diagnostische Kriterien existieren. Gegen das Vorliegen einer chronischen Müdigkeit im Sinne einer Neurasthenie
sprechen beim Kläger insbesondere das Fehlen einer mangelhaften Erholungswirkung des Schlafs, der Erhalt der Entspannungswirkung
von Erholung, das Fehlen von Muskelschmerzen, psychovegetativer Begleitsymptome wie Freudlosigkeit, Depressivität, vermehrter
Angstbereitschaft und Schlafstörungen und eines therapieerheblichen Leidensdrucks. Einer diesbezüglichen spezifischen Behandlung
unterzieht sich der Kläger nämlich nicht. Schließlich hat auch Dr. Dr. W. auf ein erhebliches Tätigkeitsspektrum des Klägers
hingewiesen, aus der sich keine gesteigerte Ermüdbarkeit erschließen lässt.
Auch Dr. C. hat sich dieser Leistungsbeurteilung durch die Vorgutachter angeschlossen. Er hat betont, dass beim Kläger eine
gute Stabilisierung nach durchgemachter maligner Erkrankung eingetreten sei. Anhand der Beschwielung der Hände sei zu erkennen,
dass der Kläger sicherlich einer gewissen regelmäßigen Betätigung nachgehe, so dass nicht mehr von einer Erwerbsminderung
ausgegangen werden könne. Den Stuhlregulationsstörungen könne durch eine entsprechende qualitative Leistungseinschränkung
im Form der Notwendigkeit einer jederzeitigen Erreichbarkeit einer Toilette hinreichend Rechnung getragen werden. Eine quantitative
Leistungseinschränkung allein hieraus hat sich für Dr. C. ebenfalls nicht ergeben.
Die vom Kläger zuletzt gemachten Einwendungen konnten den Senat nicht überzeugen. Der Befundbericht des Krankenhauses V. vom
9. Februar 2016 lag Dr. C. vor und wurde von ihm berücksichtigt. Ein durchgreifend neuer medizinischer Sachverhalt wird hierin
nicht geschildert. Worauf im Einzelnen die vom Kläger angegebenen Beschwerden, die sowohl von Dr. C. als auch von den Vorgutachten
gewürdigt wurden, zurückzuführen sind oder sein könnten, ist für die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung nicht von durchschlagender
Bedeutung. Entscheidend ist, welche funktionellen Einschränkungen vorliegen und welche Auswirkungen sie auf das Leistungsvermögen
in Bezug auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes haben. Insoweit lassen sich aus dem Befundbericht des Krankenhauses
V. keine weitergehenden Einschränkungen ableiten. Abgesehen davon ist in dem Befundbericht des Krankenhauses V. vom 9. Februar
2016 ausgeführt, für den Kläger stünden jetzt die seit ca. zwei Monaten auftretenden Schmerzen im Unterbauch und dem Dammbereich
nach der Defäkation im Vordergrund. Da im Rahmen der hier anhängigen reinen Anfechtungsklage jedoch der Gesundheitszustand
des Klägers zum Zeitpunkt der letzten Entscheidung der Beklagten über die Aufhebung der Rentenleistung mit Widerspruchsbescheid
vom 13. November 2013 relevant ist, können diese erst Ende 2015 aufgetretenen Gesundheitsstörungen nicht zur Rechtswidrigkeit
der angefochtenen Entscheidungen der Beklagten führen.
Der Senat geht auch weder davon aus, dass dem Kläger landwirtschaftliche Tätigkeiten, die in der Regel mittelschwer bis schwer
sind, zugemutet werden können, noch davon, dass der Kläger tatsächlich solche Arbeiten verrichtet. Für einen Anspruch auf
Rente wegen Erwerbsminderung ist jedoch unerheblich, ob der Kläger noch Tätigkeiten im Rahmen der Landwirtschaft ausüben kann
oder nicht. Denn entscheidend ist nicht das Leistungsvermögen des Klägers in der Landwirtschaft, sondern auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt. Die vorhandene Beschwielung der Hände deutet aber sehr deutlich darauf hin, dass der Kläger trotz seiner Beschwerden
wieder körperlich tätig ist. Dies wurde ja auch zuletzt mit dem Hinweis auf Arbeiten wie Rasenmähen an der Hofstelle und Reinigungsarbeiten
im Hof erneut bestätigt.
Zusammenfassend ist also davon auszugehen, dass in körperlicher und psychischer Hinsicht beim Kläger seit der Rentenbewilligung
eine Verbesserung eingetreten ist, die sich bereits bei der Untersuchung durch Dr. W. am 31. Januar 2013 für sein zweites
Gutachten über den Kläger objektivieren ließ. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass bei Krankheiten, die für gewisse Zeiten
noch zu Rückfällen neigen, wie dies auch bei der vom Kläger durchlittenen Krebserkrankung der Fall ist, eine wesentliche Änderung
sogar schon dann vorliegt, wenn nach Ablauf einer längeren Zeitspanne einer Heilungsbewährung feststeht, dass Rückfälle wahrscheinlich
nicht mehr zu erwarten sind, mithin eine Konsolidierung im Krankheitsverlauf eingetreten ist (von Wulffen, SGB X, § 48 Rn. 8 m.w.N.). Eine derartige Konsolidierung im Krankheitsverlauf ist beim Kläger sehr deutlich eingetreten.
Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger unter den üblichen Bedingungen
des für ihn in Betracht kommenden allgemeinen Arbeitsmarktes keine Tätigkeit finden würde. Denn bei ihm liegt keine Summierung
ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die ausnahmsweise die Benennung
einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich machen würde. Die von den Sachverständigen festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen,
die oben in Sachverhalt wiedergegeben wurden und die der Senat bei seiner Beurteilung zu Grunde legt, sind nicht ungewöhnlich
und schränken die Einsatzfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht in erheblichem Umfang ein. Die Beweglichkeit
seiner Arme und Hände ist in keiner Weise eingeschränkt, auch seine Wegefähigkeit ist vollumfänglich erhalten. Es kann daher
auch keine Rede davon sein, Arbeitsstellen des allgemeinen Arbeitsmarkts außerhalb der Landwirtschaft seien für den Kläger
nicht erreichbar.
Der Kläger benötigt nach den Feststellungen sämtlicher Sachverständiger auch keine zusätzlichen Pausen. Ein solcher unüblicher
Pausenbedarf resultiert insbesondere nicht daraus, dass der Kläger öfters die Toilette aufsuchen muss.
Nach § 4 Arbeitszeitgesetz steht vollschichtig tätigen Arbeitnehmern eine Ruhepause von 30 Minuten zu. Die Ruhepause kann nach Satz 2 dieser Bestimmung
in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Diese Pausen kann der Kläger somit für Toilettengänge
nutzen. Über die nach dem Arbeitszeitgesetz vorgeschriebenen Pausen hinaus werden Arbeitnehmern in gewissem Umfang auch noch sogenannte Verteilzeiten zugestanden (Zeiten
z. B. für den Weg vom Zeiterfassungsgerät zum Arbeitsplatz, das Vorbereiten bzw. Aufräumen des Arbeitsplatzes, den Gang zur
Toilette, Unterbrechungen durch Störungen durch Dritte usw.; vgl. z. B. Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 6.
April 2001, Az.: L 5 RJ 641/98, in [...]). Der Kläger kann damit diese Verteilzeiten ebenfalls für Toilettengänge nutzen, so dass ein unüblicher Pausenbedarf
nicht vorliegt.
Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen mit der Pflicht der Benennung einer konkreten Tätigkeit ist darüber
hinaus dann zu verneinen, wenn sich bereits Arbeitsfelder bezeichnen lassen, die der Versicherte mit seinen Einschränkungen
noch verrichten kann. Nach den ausdrücklichen Feststellungen von Dr. C. (Antwort zu Beweisfrage 4) erlaubt das Restleistungsvermögen
des Klägers ihm noch mindestens 6 Stunden täglich die Ausübung einiger körperlicher Verrichtungen, die in ungelernten Tätigkeiten
gefordert zu werden pflegen (z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren oder Reinigen). Dem Kläger stehen damit noch hinreichend
Arbeitsfelder zur Verfügung (vgl. KassKomm,
SGB VI, §
43 Rn. 47).
Die Beklagte hat damit den Rentenbewilligungsbescheid vom 2. März 2010 zu Recht mit Wirkung vom 1. April 2013 aufgehoben.
Ab diesem Zeitpunkt steht dem Kläger keine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung mehr zu. Eine wesentliche Veränderung
in den tatsächlichen Verhältnissen ist damit eingetreten. An weitere Voraussetzungen ist die Aufhebung eines begünstigenden
Verwaltungsaktes für die Zukunft gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X nicht gebunden, insbesondere war die Beklagte nicht verpflichtet, Ermessen auszuüben. Die Entscheidung gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X steht nicht in ihrem Ermessen. Hierbei handelt es sich vielmehr um eine gebundene Entscheidung.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung (§
193 SGG) berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor.