Gründe
I.
Gegenstand des Antragsverfahrens ist ein Anspruch auf nähere Erläuterung der Zahlungsmitteilung vom 18.03.2016.
Die 1927 geborene Klägerin erhält seit dem 01.05.2013 Leistungen der Pflegestufe III sowie einen Betrag von bis zu 100 EUR
monatlich für zusätzliche Betreuungsleistungen (Bescheid der Antragsgegnerin vom 17.01.2014).
Die Antragstellerin lebt unter der Adresse der S. GmbH, S-Straße 14 in A-Stadt. Nach den Feststellungen des vom Sozialgericht
München in einem Klageverfahren betreffend Behandlungspflege eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Dr. H. wird ausgeführt,
die Pflegebedürftige wohne seit 2011 in den vormaligen Betriebsräumen der Firma S., die von Dr. O. A., dem Sohn der Antragstellerin,
betrieben werde. Dr. A. betreibe seine Firma nun aus einem einzelnen Zimmer heraus. Für die Antragstellerin sei in einem 10
m von der Toilette entfernten Raum ein Pflegebett aufgestellt.
Mit Schreiben vom 18.03.2016 übermittelte die Antragsgegnerin der Antragstellerin eine Zahlungsmitteilung über 218 EUR, die
in zehn Einzelposten aufgegliedert wurde, die jeweils verschiedene Monate und hierfür Teilleistungen in unterschiedlicher
Höhe betrafen. Für jeden Monat war eine längere Rechnungsnummer angegeben. Eine weitere Erläuterung enthielt das Schreiben
nicht.
In der Folgezeit versuchte die Antragstellerin wiederholt, von der Beklagten eine nähere Aufschlüsselung der abgerechneten
Leistungen zu erhalten. Sie machte geltend, die einzelnen Beträge nicht den ihr gegenüber abgerechneten Leistungen der Leistungserbringer
zuordnen zu können. Die Antragsgegnerin gab jeweils nur zur Auskunft, dass es sich um "halbe Leistungen im Rahmen der Betreuung"
handle.
Am 13.04.2016 hat die Antragstellerin einen entsprechenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht (SG) München gestellt.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 19.05.2016 lediglich mitgeteilt, dass es sich um die Abrechnung von Betreuungsleistungen
aus dem monatlich zustehenden Betreuungsbetrag in Höhe von 208 EUR handle, der jedoch von der Antragsgegnerin aufgrund des
Beihilfeanspruchs der Antragstellerin nur hälftig übernommen werde. Die Antragstellerin habe selbst Kenntnis von der Rechnungshöhe
und den jeweiligen Rechnungsbeträgen. Derzeit seien rund 2,5 Millionen Menschen pflegebedürftig und hätten keinerlei Probleme
mit der Nachvollziehbarkeit von Rechnungen.
Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 16.06.2016 (Az. S 18 P 132/16 ER) abgelehnt. Ein ausreichendes Rechtsschutzbedürfnis für eine Vorwegnahme der Hauptsache im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
sei nicht erkennbar.
Die Antragstellerin hat gegen den Beschluss des SG, der ihr am 23.06.2016 zugestellt worden war, am 24.06.2016 beim SG Beschwerde eingelegt, die an das Bayerische Landessozialgericht (LSG) zuständigkeitshalber weitergeleitet worden ist.
Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Antragstellerin vorgebracht, dass die Einlassung der Antragsgegnerin, dass die Zahlungsmitteilung
Betreuungsleistungen im Sinne des §
45b SGB XI betreffe, völlig neben der Sache sei. Vielmehr betreffe die Zahlungsmitteilung Kostenerstattungen aus der Kombinationsleistung,
über die die Antragstellerin Rechnungslegung nach §
108 SGB XI beantragt habe.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 16.06.2016 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung
zu verpflichten, die rechnungsmäßigen Kosten aus der Zahlungsmitteilung vom 18.03.2016 in Gesamthöhe von 218 EUR für jeden
einzelnen Buchungsgegenstand der zehn Buchungstexte offenzulegen mit der Maßgabe der Erstellung einer individuellen Abrechnung
für jeden einzelnen Buchungstext gegenüber der Antragstellerin umfassend Vorname, Name und Anschrift der Antragstellerin/Rechnungsempfängerin,
wie im Antrag bezeichnet, Zahlungsdatum, Rechtsgrund für Zahlung, Leistungsinhalte der Zahlung und gesetzliche Zahlungshöhe,
tatsächliche Zahlungshöhe und Rechtsbelehrung.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hat auf die Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses sowie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen verwiesen.
Die Antragsgegnerin hat im Beschwerdeverfahren keine Akten vorgelegt, sondern erklärt, das SG würde diese direkt an das Bayerische Landessozialgericht (LSG) versenden. Eine telefonische Rückfrage beim SG hat ergeben, dass die Akten an die Antragsgegnerin zurückgeschickt wurden. Dies ist der Antragsgegnerin telefonisch mitgeteilt
worden, die dann angegeben hat, es gebe keine anderen Verwaltungsakten als diejenigen, die erstinstanzlich als Anlage zur
Antragserwiderung eingereicht wurden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakte Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG). Die Beschwerdesumme von 750 EUR spielt keine Rolle (§
172 Abs. 3 Nr. 1 Hs. 1 in Verbindung mit §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG), weil es sich bei dem Anspruch nach sinngemäßer Auslegung (siehe unten) um ein Auskunftsbegehren nach §
108 SGB XI und damit nicht um eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung im Sinne des §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG handelt.
Die Beschwerde ist begründet; das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgelehnt.
Gemäß §
86 b Abs.
2 Satz 2
SGG ist eine Regelungsanordnung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der
Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen,
zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79,
69/74; vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236).
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen
eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der Antragsteller sein Begehren stützt - voraus.
Die Angaben hierzu hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (§
86 b Abs.
2 Sätze 2 und 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2, §
294 Zivilprozessordnung; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer,
SGG, 11. Auflage 2014, §
86b Rdnr. 41). Glaubhaftmachung bedeutet überwiegende Wahrscheinlichkeit, d. h. dass mehr dafür als dagegen spricht (Keller in
Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Rdnr. 16b).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes
sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom Bundesverfassungsgericht
vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist
bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches
der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund
entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund
und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung
der grundrechtlichen Belange des Antragstellers zu entscheiden (BVerfG vom 12.05.2005, a.a.O., und vom 22.11.2002, a.a.O.).
Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus §
108 SGB XI. Danach unterrichten die Pflegekassen die Versicherten auf deren Antrag über die im jeweils letzten Geschäftsjahr in Anspruch
genommenen Leistungen und deren Kosten. Die Antragstellerin hat glaubhaft dargelegt, dass es sich bei den mit Zahlungsmitteilung
vom 18.03.2016 abgerechneten Leistungen um das monatliche Pflegegeld handeln muss, das sich bei der Abrechnung von Kombinationsleistungen
nach §
38 SGB XI ergibt. Der sich daraus ergebende Betrag ist für den Versicherten nur dann nachvollziehbar, wenn er weiß, in welchem Umfang
die Pflegekasse mit der ambulanten Pflegeeinrichtung Sachleistungen abgerechnet hat. Da diese Abrechnung direkt im Verhältnis
zwischen Pflegedienst und Pflegekasse erfolgt, hat der Versicherte hierin keinen Einblick. Über §
108 SGB XI hat er jedoch Anspruch auf Unterrichtung über die im letzten Geschäftsjahr in Anspruch genommenen Leistungen und deren Kosten.
Sinn und Zweck der Vorschrift ist gerade die Schaffung von Transparenz, insbesondere damit der Versicherte überprüfen kann,
ob ihm die beantragten Leistungen bis zur gesetzlich vorgesehenen Höchstgrenze gewährt wurden (vgl. Udsching,
SGB XI, 4. Aufl. 2015, §
108 Rdnr. 2). Der Antrag ist bei sinngemäßer Auslegung auf diese Leistung gerichtet.
Im vorliegenden Fall sieht der Senat angesichts der Besonderheiten des Einzelfalls und des bisherigen Verlaufs des Verwaltungsverfahrens
einen Anordnungsgrund, also die Eilbedürftigkeit, für den Anspruch auf Unterrichtung nach §
108 SGB XI als erfüllt an. Grundsätzlich dürfte für einen solchen reinen Informationsanspruch kein Anordnungsgrund bestehen. Vielmehr
ist es dem Antragsteller zumutbar, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Im vorliegenden Fall ist unter Abwägung der Gesamtumstände
aber das Bedürfnis an einer Eilentscheidung, wenn auch grenzwertig, zu bejahen, weil die Antragstellerin glaubhaft gemacht
hat, dass aufgrund des Erfordernisses einer 24-Stunden-Pflege und ihrer Einstufung in die Pflegestufe III ein monatlicher
Bedarf von etwa 6.500 EUR besteht, der die monatlichen Einnahmen in Höhe von ca. 3.300 EUR weit überschreitet, die Klägerin
mit ihren finanziellen Ressourcen am Ende ist und sich auch mit der Bezahlung laufender Pflegeleistungen drei Monate in Rückstand
befindet. Aus dieser Situation ergibt sich ein allgemeines Bedürfnis, klar fällige Ansprüche auf Sozialleistungen zeitnah
erfüllt zu bekommen. Hierzu muss die Antragstellerin auch die notwendigen Informationen erhalten, um in die Lage versetzt
zu werden, die Erfüllung dieser Ansprüche zu überprüfen. Hinzu kommt der Umstand, dass die Antragsgegnerin im zugrunde liegenden
Verfahren in keiner Weise bereit war, auf die Belange der Antragstellerin einzugehen, insbesondere die streitgegenständliche
Zahlungsmitteilung näher zu erläutern, wodurch sich das gerichtliche Verfahren mit Wahrscheinlichkeit hätte vermeiden lassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG analog.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.