Anspruch auf Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren; Berücksichtigung eines im Verwaltungsverfahren eingeholten
Gutachtens bei der Prüfung der Erfolgsaussicht der Klage
Gründe:
I. Streitig ist die Gewährung von Prozesskostenhilfe.
Im Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Augsburg zum Aktenzeichen S 8 U 139/08 machte der Kläger (jetzt Beschwerdeführer) geltend, er habe sich bei einem Unfall am 19.08.2005 bleibende Gesundheitsstörungen
zugezogen. Beim Vorrichten einer Bohrmaschine sei er mit einem Schlüssel abgerutscht. Er habe sofort starke Schmerzen im Bereich
der rechten Schulter und dann an der Wirbelsäule verspürt und sich zur Erstbehandlung in das Krankenhaus B-Stadt begeben.
Dort wurde eine muskuläre Zerrung der oberen Brustwirbelsäule diagnostiziert. Der am 24.08.2005 aufgesuchte Chirurg Dr. G.
diagnostizierte eine Zerrung der Rückenmuskulatur. Am 30.08.2005 waren die Schmerzen weniger geworden, aber noch nicht ganz
abgeklungen (so Dr. G.). Der Neurologe Dr. S. äußerte am 17.10.2005, aufgrund des sensiblen Befundes sei am ehesten von einer
Zerrung bzw. Läsion des oberen Abschnitts des Plexus brachialis auszugehen. Am 21.11.2005 gab der Beschwerdeführer an, das
Kribbeln im rechten Arm habe zugenommen. Der Neurologe Dr. H. ging am 15.12.2005 von einer Zerrung aus; für eine segmentale
oder periphere Nervenirritation fänden sich keine Anhaltspunkte. Dr. G. erklärte am 25.01.2006, ab 26.11.2005 sei der Beschwerdeführer
wieder arbeitsfähig gewesen; die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 0 %. Der Beschwerdeführer wandte ein, bei ihm
bestehe eine unfallbedingte Schulterverletzung, die noch der medizinischen Abklärung bedürfe.
Im Gutachten vom 04.12.2006 führte Dr. S. aus, infolge der unklaren Symptomatik sei ein Magnetresonanztomogramm (MRT) der
Halswirbelsäule nötig. Die Befunde, nämlich unauffällige Nervenleitgeschwindigkeit, deuteten darauf hin, dass kein bleibender
Körperschaden zurückgeblieben sei. Das MRT vom 26.01.2007 zeigte einen Bandscheibenvorfall beim Halswirbelkörper (HWK) 5/6
und eine Protrusion bei HWK 3/4.
Im Gutachten vom 21.09.2007 führte der Neurochirurg Dr.S. aus, im Zusammenhang mit dem Unfall könne allenfalls der vom Beschwerdeführer
geschilderte Druckschmerz im Bereich der Schulter angesehen werden. Die noch bestehenden Dysästhesien mit begleitenden Zervikobrachialgien
stünden möglicherweise mit dem Bandscheibenvorfall in Höhe von HWK 5/6 im Zusammenhang und seien Ausdruck eines langsam fortschreitenden
chronisch degenerativen Leidens. Im Übrigen bestehe der Verdacht auf Aggravation.
Mit Bescheid vom 09.01.2008 erkannte die Beschwerdegegnerin den Arbeitsunfall vom 19.08.2005 an mit der Folge einer ausgeheilten
Zerrung der Rückenmuskulatur. Über den 15.12.2005 hinaus bestehe kein Anspruch auf Leistungen. Den Widerspruch wies die Beklagte
mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2008 zurück. Die Begründung stützte sich auf das Gutachten von Dr. S ...
Im hiergegen gerichteten Klageverfahren machte der Beschwerdeführer die Verletzung der Rückenmuskulatur als Unfallfolge geltend.
Nach wie vor verspüre er Schmerzen im Bereich hinter dem rechten Schulterblatt. Von einer Ausheilung könne nicht gesprochen
werden. Unfallbedingte MdE von mindestens 20 v.H. bestehe. Ein Sachverständigengutachten müsse eingeholt werden.
Mit Schreiben vom 05.05.2008 beantragte der Beschwerdeführer, ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren und Rechtsanwalt B. beizuordnen.
Die bisher durchgeführten Untersuchungen seien nicht ordnungsgemäß verlaufen. Der erstbehandelnde Arzt habe wesentliche Unfallfolgen
übersehen.
Mit Beschluss vom 02.07.2009 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Prozesskostenhilfe ab, weil die Klage keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg biete. Der Arbeitsunfall habe nur zu einer Schulterprellung geführt, aber nicht zu weiteren Beschwerden;
eine MdE um 20 v.H. komme nicht in Betracht. Dies ergebe sich aus den Untersuchungen des Dr. S. und des Dr. S ... Die vom
Beschwerdeführer angegebenen Schmerzen, die vom rechten Arm bis in die Schulter reichten, stünden nicht im ursächlichen Zusammenhang
zum Unfall. Selbst wenn man den Schulterschmerz als Unfallfolge ansehen wollte, ergäbe sich keine rentenberechtigende MdE.
Auf die Prüfung der Bedürftigkeit könne bei dieser Sachlage verzichtet werden.
Gegen den am 10.07.2009 zugestellten Beschluss legte der Beschwerdeführer am 23.07.2009 Beschwerde ein. Das Sozialgericht
hätte nicht ohne weiteres Sachverständigengutachten die Anerkennung gesundheitlicher Einschränkungen im Schulterbereich als
Unfallfolge ablehnen dürfen. Es sei nicht bloß zu einer Prellung, sondern zu einer Zerrung der Rückenmuskulatur gekommen.
Es müssten weitere Arztberichte eingeholt werden. Bis heute seien die unter dem Schulterblatt gelegenen Schmerzen nicht untersucht
worden.
Die Beschwerdegegnerin erwiderte, es könne dahinstehen, ob eine Prellung oder Zerrung im Bereich der rechten Schulter infolge
des Unfalls abgelaufen sei. Jedenfalls stünden die darüber hinaus geltend gemachten Beschwerden nicht in ursächlichem Zusammenhang
mit dem Unfallgeschehen. Der Sachverhalt sei vollständig aufgeklärt.
Der Beschwerdeführer beantragt,
auf seine Beschwerde den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 02.07.2009 aufzuheben und ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren
sowie Rechtsanwalt B. beizuordnen.
II. Die Beschwerde ist statthaft und zulässig gemäß §§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG), aber unbegründet. Nach §
73a Abs.1 Satz 1
SGG i.V.m. §
114 Zivilprozessordnung (
ZPO) kann einem Beteiligten auf Antrag bei ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn
die beabsichtigte Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Erfolgsaussicht ist im Falle
des Beschwerdeführers nach der derzeitigen Sach- und Rechtslage zu verneinen.
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 09.01.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 01.04.2008. Darin
erkannte die Beschwerdegegnerin den Arbeitsunfall an, aber lediglich eine ausgeheilte Zerrung der Rückenmuskulatur als Unfallfolge.
Zugleich lehnte sie Leistungen über den 15.12.2005 hinaus ab. Der Kläger begehrt darüber hinaus eine Verletzung der Rückenmuskulatur
als Folge des Arbeitsunfalls festzustellen und Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v.H. zu bewilligen. Mit der
Frage, inwieweit der weitere Antrag, dem Beschwerdeführer Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 v.H. der Vollrente zu
zahlen, zulässig ist, braucht sich der Senat nicht zu befassen. In Anbetracht der Tatsache, dass sich die Beschwerdegegnerin
in dem angefochtenen Bescheid noch gar nicht mit der MdE auseinandergesetzt hat, kann diese Frage für die hier anzustellende
Prüfung außer Acht bleiben. Die Anerkennung von Unfallfolgen, wie sie der Beschwerdeführer begehrt, hängt davon ab, ob die
von ihm beklagten Gesundheitsstörungen wesentlich durch das Unfallereignis verursacht oder zumindest mitverursacht worden
sind. Dies ist im Wesentlichen eine von medizinischen Sachverständigen zu beantwortende Frage. Nach dem gegenwärtigen Beweisstand
liegen hierzu die im Verwaltungsverfahren eingeholten ärztlichen Berichte sowie das Gutachten des Dr. S. vom 21.09.2007 vor.
Anders als der Beschwerdeführer meint, können im Rahmen der freien Beweiswürdigung gemäß §§
118,
128 SGG im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten im Urkundenbeweis verwertet werden. Solche Gutachten sind keine Privatgutachten
(Meyer-Ladewig,
SGG, 9. Auflage, §
118 Rdnr.12b; BSG, Urteil vom 08.12.1988 - 2/9 B RU 66/87 und Urteil vom 14.12.2000 - B 3 P 5/00 R zum Recht der Pflegeversicherung). Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Sozialgericht sich insbesondere auf das letztgenannte
Gutachten des Neurochirurgen Dr. S. bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage stützt. Inwieweit andere medizinische
Unterlagen den Feststellungen des Dr. S. entgegenstehen sollen oder diese sogar widerlegen würden, führt der Beschwerdeführer
nicht aus. Allein sein Vortrag, seine rechte Schulter sei nicht hinreichend begutachtet worden, vermag die gutachtliche Äußerung
des Dr. S. nicht zu widerlegen. Darüber hinaus ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, dass insbesondere die von Dr. G.
in unmittelbarer Zeit nach dem Unfall erhobenen Befunde ausschließlich für eine Zerrung der Muskulatur sprechen, die folgenlos
ausheilte. Es ist, anders als der Beschwerdeführer meint, nicht Aufgabe des Unfallversicherungsträgers bzw. des Gerichts im
anschließenden Klageverfahren, die Ursache der vom Beschwerdeführer geschilderten Beschwerden im Schulterbereich zu klären.
Die Aufklärungsverpflichtung beschränkt sich auf die Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs von Beschwerden mit dem streitgegenständlichen
Unfallgeschehen. Ein solcher ursächlicher Zusammenhang ist nach dem gegenwärtigen Beweisergebnis nicht zu begründen, wie Dr.
S. ausführt. Ob die darüber hinaus im MRT zu Tage getretenen degenerativen Störungen an der Wirbelsäule für die Beschwerden
verantwortlich zu machen sind, kann insoweit dahinstehen.
Von diesem Beweisstand hat der Senat auszugehen; dieser hat zum Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts vorgelegen und
besteht auch jetzt noch. Danach reicht das bisherige Beweisergebnis nicht aus, um eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit der
Klage annehmen zu können.
Der Beschwerdeführer hat demnach keinen Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe - auch bei unterstellter Bedürftigkeit.
Seine Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 02.07.2009 war zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).