Anerkennung einer somatoformen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eines leichten organischen Psychosyndroms
nach Schädelhirntrauma und einer spezifischen Phobie als weitere Folgen eines Wegeunfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob eine somatoforme Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, ein leichtes
organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma und eine spezifische Phobie weitere Folgen des Wegeunfalls der Klägerin vom
15.12.2000 sind.
Die 1961 geborene Klägerin erlitt am 15.12.2000, gegen 15:432135 Uhr auf dem Heimweg von ihrer Arbeitsstätte als Niederlassungsleiterin
bei der Fa. H. in A. zu ihrer Wohnung in A-Stadt mit ihrem Dienstfahrzeug auf der M. Straße in A. einen Autounfall. Die Klägerin
hatte angehalten, weil ein Fahrzeug vor ihr links abbiegen wollte. Als sie zur Weiterfahrt gerade den ersten Gang einlegen
wollte, fuhr ein von hinten kommender Lkw auf ihr noch stehendes Auto auf. Die angeschnallte Klägerin wurde schräg nach vorne
geschleudert und prallte anschließend zurück, wobei ihr Kopf gegen die Kopfstütze und die linke Hüfte gegen den Sitz oder
die Tür stieß. Bewusstlosigkeit trat nicht auf.
Unmittelbar nach dem Unfall hatte sie starke Schmerzen am Hinterkopf und im linken Hüftbereich. Sie fuhr nach Aufnahme des
Unfalls durch die Polizei selbst etwa eine
3/4 Stunde mit dem Pkw nach Hause. Etwa zwei Stunden nach dem Unfall entwickelten sich heftige Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule
(HWS) und der linken Schulter. Am nächsten Morgen bestanden neben einer Verspannung im rechten Bein starke Kopfschmerzen mit
Schwindel, so dass die Klägerin vormittags das Rotkreuzkrankenhaus in A-Stadt aufsuchte.
Der Chirurg und Durchgangsarzt Dr. P. diagnostizierte im Bericht über die Behandlung am 16.12.2000 eine HWS-Distorsion. Es
bestanden HWS-Schmerzen und Myogelosen bei unauffälligem grob neurologischem Befund. Die Röntgenbilder zeigten eine HWS-Steilstellung.
Laut Arztbrief vom 16.01.2001 waren nach Arbeitsversuch der Klägerin vermehrt Kopfschmerzen aufgetreten. Eine kernspintomographische
Untersuchung (MRT) der HWS vom 17.01.2001 zeigte eine mäßige, mediane, dorsale Discus-Protrusion bei C 5 /6 bei intaktem hinterem
Längsband. Es bestanden keine Hinweise für eine Gefügelockerung, knöcherne Verletzungen, pathologische Veränderungen am cervicalen
Myelon oder muskuläre Einblutungen. Ein MRT der HWS vom 28.02.2001 zeigte ebenfalls eine kyphotische Fehlhaltung sowie die
Protrusion C5/6 mit Pelottierung des Thekalsackes und angedeuteter Verformung des Halsmarks.
Laut Zwischenbericht von Prof. G. vom 22.03.2001 gab die Klägerin an, dass sich die Nacken- und Verspannungsschmerzen zunächst
zwei Wochen nach dem Unfall gebessert hätten, aber im Rahmen eines Arbeitsversuchs innerhalb weiterer zwei Wochen deutlich
gestiegen seien. Sie arbeitete seit 29.01.2001 wieder vollschichtig. Beklagt wurden messerstichartige Schmerzen im Nacken
und Schultergürtelbereich; Medikamente (Analgetika, Antiphlogistika oder Muskelrelaxantien) nehme sie nicht.
Am 29.03.2001 beklagte die Klägerin bei Dr. D. einen leichten unkontrollierten Tremor des ersten Fingers rechts sowie Parästhesien
an beiden Händen.
Gegenüber dem Neurologen und Psychiater Dr. F. schilderte die Klägerin am 14.05.2001 linksseitig unverändert Nacken- und Hinterkopfschmerzen
mit Bewegungseinschränkung und Ausstrahlung in die Schultern sowie teilweise unwillkürliche Bewegungen der Finger I und III
links. Anhaltspunkte für traumatische Rückenmarks-, Nervenwurzel- oder periphere Nervenläsionen bestanden bei Untersuchung
nicht. Dr. F. hielt die motorischen Störungen für leichte Reizerscheinungen, deren vollständige Rückbildung zu erwarten sei.
Nach Verlaufsbericht von Dr. D. vom 01.10.2001 bestanden keine unwillkürlichen Fingerzuckungen mehr.
Die Beklagte holte ein verkehrsanalytisches Gutachten des Diplomingenieur Dr. S. vom 20.06.2002 ein. Danach lag die kollisionsbedingte
Geschwindigkeitsänderung zwischen 11 und 14 km/h und wurde mit 14 km/h angesetzt.
Die Beklagte holte weiter ein Gutachten des Orthopäden Dr. K. vom 13.09.2002 ein. Während keine Hüftbeschwerden mehr bestanden,
litt die Klägerin - insbesondere nach PC-Arbeiten - immer wieder an Verspannungen und ausstrahlenden Nackenschmerzen. Nach
Dr. K. führte der Unfall zu einer Schädelprellung, einer Prellung der linken Hüfte und einer mittelschweren Zerrverletzung
der HWS (Schweregrad I-II nach Erdmann). Unfallunabhängig seien die Haltungsschwäche mit Skoliose, die muskuläre Dysbalance
im HWS-Bereich mit Cervicalsyndrom, eine beginnende Osteochondrose sowie die Spondylose und Uncovertrebralarthrose HWK 5/6
mit Bandscheibenprotrusion. Die Bandscheibenprotrusion sei nicht auf den Unfall zurückzuführen, da in den MRT-Befunden das
hintere Längsband intakt war und keine Indizien für eine traumatische Genese bestanden. Die Zerrverletzung der HWS sei spätestens
am 15.12.2001 ausgeheilt, so dass weitere Schmerzen nicht auf den Unfall zurückzuführen seien. Aussagen über die Mitwirkung
vorbestehender Schadensanlagen sei bei weitgehend geschwärzt vorgelegtem Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Bayern schwierig.
Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis 28.01.2001 vorgelegen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte Dr. K.
vom 29.01.2001 bis 30.04.2001 mit 20 v.H., vom 01.05. bis 15.12.2001 mit 10 v.H. und anschließend unter 10 v.H.
Von Klägerseite wurde u.a. moniert, dass Angaben im Gutachten über die Tragezeiten der Halskrause und zur Chiropraktik unzutreffend
seien und die Untersuchung Schmerzen der HWS verursacht habe. Auf Entzündungen in der linken Schulterregion mit Verhärtungen
und Knoten, Muskelverkürzungen im HWS-Bereich, Schmerzen und schmerzbedingte Schlafstörungen wurde hingewiesen.
Der Neurologe und Psychiater Dr. S. führte im Gutachten vom 11.11.2002 aus, dass bei der Klägerin eine Schädelprellung ohne
Nachweis einer posttraumatischen intrakraniellen Komplikation bestand sowie ein cervicales und lumbo-sakrales Wurzelreizsyndrom
ohne neurologische Defizite.
Als Beschwerden nach dem Unfall schilderte die Klägerin Verschwommensehen, gelegentlichen Schwankschwindel beim raschen Aufstehen,
Verminderung von Konzentration, Gedächtnis und Merkfähigkeit, stärkere und unregelmäßigere Monatsblutungen, "Aussetzer" in
dem Sinne, dass sie sich nicht erinnere, die letzten 5 km auf der Autobahn gefahren zu sein, ständige Nackenschmerzen mit
Ausstrahlung in die Schultern und den linken Arm, verbunden mit elektrisierendem Gefühl und unwillkürlichen Schüttelbewegungen
im linken Arm für 4-5 Sekunden. Nach dem Unfall seien für wenige Wochen vermehrt innere Unruhe und Ängste aufgetreten, die
sich inzwischen zurückgebildet hätten. Jetzt bestünden keine depressiven Beschwerden oder Ängste mehr. Der neurologische Status
der Klägerin war bei Untersuchung unauffällig, einschließlich EEG, Doppler-Sonogramm der hirnversorgenden Arterien und EMG. Kognitive Defizite waren nicht nachweisbar. Die Klägerin erschien
dem Sachverständigen stark auf die Beschwerden fixiert; eine wesentliche depressive Symptomatik oder Angstsymptomatik mit
Krankheitswert sah er aber nicht. Die MdE auf neuropsychiatrischem Fachgebiet schätzte der Sachverständige mit
30 v.H. bis 31.01.2001 und vom 01.02.2001 bis 14.02.2001 mit 10 v.H.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme von Dr. K. zur Bildung der Gesamt-MdE ein, der der Beratungsarzt Dr. G. zustimmte.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.03.2003 einen Anspruch der Klägerin auf Rente, eine Behandlungsbedürftigkeit
von Unfallfolgen ab 15.12.2001 sowie Entschädigungsleistungen ab 15.12.2001 ab. Der Unfall vom 15.12.2000 habe Beschwerden
infolge einer Schädelprellung, einer Prellung der linken Hüfte und einer mittelschweren Zerrung der HWS verursacht, die spätestens
nach Ablauf des 1. Unfalljahres folgenlos ausgeheilt seien. Über die 26. Woche hinaus bestünde keine MdE in rentenberechtigender
Höhe mehr. Unfallunabhängig lägen Dysbalancen im Bereich der HWS mit kyphotischer Fehlhaltung an der mittleren HWS, eine vorbestehende
Osteochondrose und beginnende Spondylose bei HWK 5/6 mit Bandscheibenprotrusion sowie eine Fehlstatik des gesamten Rumpfes
mit skoliotischer Umkrümmung vor.
Zur Begründung des am 07.04.2003 erhobenen Widerspruchs wies der Klägerbevollmächtigte auf eine massive psychische Belastung
hin und legte eine ärztliche Bescheinigung der psychosomatischen Klinik K. vom 14.04.2004 vor, wo die Klägerin vom 29.01.
bis 12.03.2003 behandelt worden war. Darin wird ausgeführt, dass sich an Folgen aus dem Verkehrsunfall im Dezember 2000 klopfschmerzhafte
Wirbelsäulenbeschwerden im HWS/BWS-Übergang im Sinne eines Wirbelsäulensyndroms gefunden hätten und die Klägerin über seelische
Unfallfolgen berichtet habe, die trotz aktiver Teilnahme am Straßenverkehr zurückgeblieben seien. Zunächst hätten Gefühle
von Ohnmacht und Kontrollverlust, dann mit Ängsten vor weiteren Unfällen verbundene Erinnerungsbilder bestanden, die sie bis
jetzt im Straßenverkehr beeinträchtigten. Von einer Anpassungsstörung (F 43.2 ICD-10) sei auszugehen.
Auf Anforderung des vollständigen Entlassungsberichts teilte die Klinik der Beklagten mit, dass sich die Versicherte dagegen
gewandt habe und übersandte eine im Einverständnis mit der Klägerin erstellte Bescheinigung. Danach erfolgte die Behandlung
unter den Diagnosen einer Anpassungsstörung, eines Wirbelsäulensyndroms sowie funktioneller Magen-Darm-Beschwerden (F 45.3).
Der Neurologe, Psychiater und Psychotherapeut Dr. D. führte in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 04.08.2003 aus,
dass nach Aktenlage - insbesondere ohne den vollständigen Rehabericht - keine hinreichende Beurteilung einer unfallbedingten
psychischen Störung möglich sei. Die Klägerin erteilte der Beklagten trotz Hinweises auf die Bedeutung von Vorbefunden kein
Einverständnis zur Einholung des vollständigen
Rehaberichtes.
Die Beklagte holte ein neurologisches Gutachten von Prof. S. und Dr. S. vom 26.07.2004 mit neuroradiologischem Zusatzgutachten
von Prof. R. und
Dr. S. vom 27.05.2004 und psychosomatischem Zusatzgutachten von Dr. B. und PD Dr. G. vom 18.04.2005 ein.
Im neuroradiologischen Gutachten wurde festgehalten, dass eine leichte bis mäßige Fehlhaltung der HWS mit angedeuteter Kyphosierung
im mittleren bis unteren Abschnitt, vor allem in Höhe C5/6 bestünde, bei medialer, etwas linksbetonter Bandscheibenvorwölbung
in Höhe C5/6 ohne höhergradige Einengung des Spinalkanals oder eine Recessus- bzw. Foramenenge. Diese Veränderungen seien
mit einem degenerativen Prozess vereinbar. Hinweise für eine bei dem Unfall abgelaufene kontusionelle Schädigung des Rückenmarks
im Bereich der HWS, des craniocervicalen Übergangs oder der oberen HWS bestünden nicht.
Im Rahmen der Untersuchung durch Prof. S. und Dr. S. vom 18.05.2004 schilderte die Klägerin, dass Lkw Angstgefühle auslösen
würden, so dass sie sich sofort entfernen müsse. Trotz Angst bei ihrer ersten Autofahrt beim Arbeitsversuch Mitte Januar 2001
habe sie wegen des Arbeitsdrucks mit einem Leihwagen fahren müssen. Die ein Jahr nach dem Unfall aufgetretene Lactoseintoleranz
führe sie auf die Schmerzmedikamente zurück. Der neurologische Befund (Hirnnerven, Reflexe, Motorik, Sensibilität, Koordination
und Gangbild) war unauffällig. Bei leichtgradig gedrückter Stimmung wirkte die Versicherte phasenweise affektlabil. Anhaltspunkte
für Antriebsstörungen oder kognitive Defizite sahen die Gutachter nicht. Aus neurologischer Sicht könnten die Beschwerden
und Schmerzen nicht auf den Unfall zurückgeführt werden. Der Unfall habe eine leichte Schädelprellung verursacht, ohne feststellbaren
parenchymalen Hirnschaden und ohne Hinweis auf ein Schädelhirntrauma.
Im Rahmen der psychosomatischen Begutachtung im Januar 2005 bei Dr. B. und PD G. schilderte die Klägerin u.a. Angstgefühle
und Anspannung beim Autofahren; extrem seien die Ängste, wenn sie halten müsse und sich ein Lkw von hinten nähere. Sie müsse
pendeln und arbeite 20% der Arbeitszeit im Außendienst. Zum Teil versuche sie, Dienstfahrten zu vermeiden. Wegen Kopfschmerzen
und Albträumen, bei denen sie den Unfall vor Augen habe, leide sie unter Schlafstörungen. Ihre Leistungsfähigkeit und Konzentration
sei eingeschränkt. Ihre Ängste habe sie stets geschildert; diese seien aber als "normal" nicht von den Ärzten aufgegriffen
worden. Auf die Gutachter wirkte die Klägerin gedrückt, bei depressiver, dysphorischer Stimmungslage und eingeschränkter Schwingungsfähigkeit,
sowie misstrauisch und vorwurfsvoll. Bei der Schilderung der Ängste wirkte sie emotional wenig beteiligt. Hinweise auf mnestische
Funktionsstörungen zeigten sich nicht.
Als Diagnosen stellten Dr. B. und PD Dr. G. eine somatoforme Schmerzstörung (F 45.4 nach ICD 10) sowie eine Dysthymie (F.
34.1 nach ICD 10) fest mit chronisch depressiver Verstimmung, Sorgen und Ängsten, Erschöpfungszuständen, Grübeln, Freudlosigkeit,
Klagsamkeit, Schlafstörungen und Gefühlen von Unzulänglichkeit bei bestehender Fähigkeit, mit den alltäglichen Anforderungen
in der Regel fertig zu werden. Die geschilderten Ängste vor dem Autofahren seien nicht so ausgeprägt, dass die Versicherte
gar nicht mehr Auto fahre oder auf andere Verkehrsmittel ausweiche, wobei aber auch die Pflicht zum Außendienst von Bedeutung
sei. Auffällig sei, dass diese Ängste in den Arztbriefen zunächst nicht enthalten und erst nach Ablehnung von Entschädigungsleistungen
von der Versicherten hervorgehoben worden seien. Letztlich müsse die Unfallabhängigkeit der Ängste offen bleiben. Denn die
ablehnende Haltung der Versicherten bei Erhebung der biographischen Anamnese habe eine vollständige psychosomatische Untersuchung
unmöglich gemacht und der vollständige Rehabericht der Klinik K. habe nicht vorgelegen. Hinsichtlich der Schmerzsymptomatik
bestünden keine sicheren Hinweise für objektivierbare Zusammenhänge. Aufgrund der auffallenden Diskrepanz zwischen dem Unfallgeschehen
einerseits und der geschilderten Ausprägung der Symptomatik andererseits sei von einer zusätzlichen psychischen Belastungskomponente
auszugehen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2005 als unbegründet zurück.
Zur Begründung der am 28.07.2005 beim Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage, mit der zunächst Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) ab 15.12.2000 begehrt
wurden, hat der Klägerbevollmächtigte u.a. ausgeführt, dass die Klägerin bereits kurz nach dem Unfall Dr. P. auf psychische
Beschwerden wie Schlafstörungen, innere Unruhe und Angstzustände beim Autofahren hingewiesen habe. Es bestünden dauerhafte
Beeinträchtigungen im Bereich Schulter und HWS mit Einschränkung der Kopf- und Armbeweglichkeit links, Schmerzen und Erschöpfungszustände.
Am 14.11.2005 hat die Klägerin, die mittlerweile in A-Stadt arbeitete, auf dem Heimweg von der Arbeit einen weiteren Auffahrunfall
an der Kreuzung L. in A-Stadt erlitten, als sie beim Rechtsabbiegen mit dem Auto einen Radfahrer abwartete. Nachdem sie anfangs
keine Beschwerden hatte, hat sie sich am Folgetag wegen morgens auftretender Schmerzen zu Dr.B. und anschließend zum D-Arzt
Dr. H. begeben. Im Durchgangsarztbericht vom 15.11.2005 hat Dr. H. eine HWS-Distorsion Grad I diagnostiziert. Das Röntgenbild
habe keine Verletzung oder Anhaltspunkte für eine Bandläsion gezeigt. Die Klägerin hat Schmerzen beidseits im Bereich der
Nackenmuskulatur mit Ausstrahlung in den Hinterkopf und die linke Schulter angegeben. Neurologische Ausfälle haben nicht vorgelegen.
Das am 06.12.2005 gefertigte MRT der HWS hat keine frischen Verletzungen oder Hinweise auf postkontusionelle Veränderungen,
Hämatome, Frakturen oder Luxationen gezeigt bei mediolateral links orientiertem Diskusprolaps C5/6 mit geringem Myelonkontakt
und intraforaminale Wurzelkompressionen C 7 rechts durch einen spondylotisch gedeckelten Diskusprolaps.
Nach weiteren Berichten von Dr. H. hat die Klägerin trotz fortbestehender Hinterkopf- und Nackenschmerzen auf eigenen Wunsch
am 01.12.2005 die Arbeit - zunächst in reduziertem Maß - wieder aufgenommen. Ab etwa 15.02.2006 sei voraussichtlich wieder
der Zustand vor dem Unfall vom 14.11.2005 erreicht.
Das SG hat einen Befundbericht der Internistin und Psychotherapeutin Dr.B. vom 07.10.2005 eingeholt. In den beigefügten medizinischen
Daten werden u.a. genannt: funktionelle Oberbauchschmerzen mit Somatisierung (12/94, 2/96), Konflikte am Arbeitsplatz (9/96),
funktionelle Oberbauchschmerzen (3/97), Wirbelsäulensyndrom (8/97), HWS-BWS-Syndrom und Myogelosen der Schulter (11/97), Nahrungsmittelallergie
(4/98), Kreuzschmerzen und Klopfschmerz der LWS (11.07.2000), HWS- und BWS-Syndrom mit Schmerzen im BWS-Bereich (17.10.2000),
psychosoziale Belastungssituation und Konflikte mit Vorgesetztem (23.09.2002), Anpassungsstörungen (01.04.2003), Stimmungsschwankungen
(28.06.2004) sowie Angstzustände beim Autofahren (18.08.2005). Nach Aufzeichnungen im November 2005 haben Beschwerden und
Angstzustände zugenommen, vom 1. Unfall komme "alles wieder hoch"; geschildert werden "Flash Backs", Unruhe, Albträume und
Angstzustände. Die Klägerin habe eine Besserung der HWS-Beschwerden nach Chirotherapie (2002) berichtet, leide aber weiter
unter Kopfschmerzen und Schlafstörungen.
Das SG hat ein Gutachten des Orthopäden Dr. G. vom 29.05.2006 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, dass durch den Unfall eine leichtgradige
HWS-Distorsion Grad I nach der Klassifikation Quebec bzw. Grad I-II entsprechend der Einteilung nach Schröter, eine Schädelprellung
sowie eine Beckenprellung links verursacht worden seien. Die Prellungen seien folgenlos ausgeheilt. Das cervicale Wurzelreizsyndrom
bei bildgebend nachgewiesener Diskopathie mit geringer Protrusion im Segment HWK 4/5 sei degenerativ bedingt und nicht auf
den Unfall zurückzuführen. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit über den 14.01.2001 hinaus
oder eine unfallbedingte MdE hätten nicht bestanden.
Auf Antrag der Klägerin hat das SG ein Gutachten von Prof. C. und Dr. O. A-Stadt gemäß §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) eingeholt, das diese nach Untersuchungen der Klägerin am 22. und 23.07.2009 unter Berücksichtigung von neuropsychologischen
und psychologischen Zusatzgutachten am 25.09.2009 erstellt haben. Er hat ausgeführt, dass bei der Klägerin eine somatoforme
Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F 45.41 ICD-10), ein leichtes organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma
(SHT) (F 7.2 ICD-10) sowie eine spezifische Phobie vor dem Autofahren (F 40.2 ICD-10) bestünde. Der Unfall vom 15.12.2000
sei für diese Gesundheitsstörungen wesentliche Ursache. Allerdings habe weder Arbeitsunfähigkeit noch Behandlungsbedürftigkeit
über den 14.12.2001 hinaus bestanden und die damit verbundene MdE liege unter 10 v.H.
Die Klägerin hat geschildert, dass sie etwa 18 Monate nach dem Unfall wegen der Schmerzen trotz Ausschöpfung fast aller Therapien
verzweifelt gewesen sei. Nach ca.
4-5 Monaten hätten die Schmerzen nachgelassen und die Stimmung habe sich gebessert. Seitdem hätten keine längeren Phasen mit
Stimmungssenkungen bestanden. Der 2. Unfall habe sich sehr geschockt und an die damaligen Ereignisse erinnert. Aktuell bestünden
HWS-Beschwerden und dauernde, in die HWS ausstrahlende Kopfschmerzen mit attackenartiger Verschlechterung. Schmerztabletten
habe sie wegen Unverträglichkeiten abgesetzt. Sie vermeide Autofahren soweit möglich und fahre seit dem Unfall statt vorher
50.000 km maximal 15.000 km im Jahr. Gelegentlich bestünden Ein- und Durchschlafstörungen; wegen Konzentration- und Gedächtnisstörungen
müsse sie häufiger Pausen einlegen. Die Klägerin hat sich als in der Freizeit als aktiv und vielseitig interessiert beschrieben;
sie unternehme viel mit ihren Freundinnen. Die Abläufe am Arbeitsplatz sowie die Planung und Durchführung von Alltags- und
Freizeitaktivitäten gelängen ausreichend gut. Der psychopathologische Befund ist weitgehend unauffällig gewesen, ohne Hinweise
auf ein depressives oder sonstige psychische Erkrankungen.
Das von Dr. D. gefertigte EEG hat auf eine erhöhte zerebrale Erregbarkeit hingewiesen. Die von Dr. S. ausgewerteten MRT-Befunde von Schädel und HWS haben
im Bereich des Schädels eine kleine, unfallunabhängige Zyste, aber keine Anhaltspunkte für eine posttraumatische Hirnparenchymläsion,
Blutungsresiduen oder für eine traumatische Genese der HWS-Veränderungen gezeigt.
Nach dem neuropsychologischem Zusatzgutachten von Prof. Z. ist die kognitive Belastbarkeit während der zweistündigen Untersuchung
durch chronischen Kopfschmerz reduziert gewesen, mit der Notwendigkeit kurzer Pausen. Bei durchschnittlichem allgemeinen intellektuellen
Leistungsniveau habe die Klägerin im Bereich Aufmerksamkeit mittelgradige Minderleistungen gezeigt, wobei Hinweise auf eine
erhöhte interne und externe Abgelenktheit bestanden. Im Bereich Lernen/ Gedächtnis sind die Leistungen fast durchweg unterdurchschnittlich
gewesen; die verbale Wortflüssigkeit war reduziert.
Dr. B. hat im psychologischen Zusatzgutachten ausgeführt, dass die geschilderte Angst vor dem Autofahren nicht die Kriterien
einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) erfülle, da kein anhaltendes Vermeidungsverhalten über das Autofahren hinaus,
Intrusionen oder Flash-Backs geschildert worden waren; es handele sich aber um eine spezifische Phobie (DSM IV 300.29; ICD-10:
40.2). Da Art und Ausmaß der geschilderten Schmerzen nicht vollständig organisch erklärbar seien und sich keine Anhaltspunkte
für ein Vortäuschen ergäben, erfülle die Klägerin die DSM-IV Kriterien für eine somatoforme Schmerzstörung (DSM IV 307.80;
ICD-10 F. 45.4.). Als Differentialdiagnose komme eine Schmerzstörung in Verbindung mit psychischen und medizinischen Faktoren
in Betracht (DSM IV 308.89; ICD-10 F 45.41).
Prof. C. hat eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren gemäß F 45.41 ICD-10 (DSM-VI 307.89;
ICD-10 F 45.41) bejaht. Der komplizierte Behandlungsverlauf, der Konflikt mit der Beklagten und die Überzeugung ärztlicher
Falschbehandlung habe zur Chronifizierung der zunächst organisch bedingten Schmerzen geführt. Psychische Faktoren spielten
eine wichtige Rolle für Intensität und Aufrechterhalten der Schmerzen. Die Ursache solcher pathologisch veränderter Schmerzwahrnehmung
sei multifaktoriell. Da sich keine Anhaltspunkte für vorbestehende psychische Konflikte oder eine Persönlichkeitsstörung bei
Untersuchung oder aus den Akten ergeben hätten, sei davon auszugehen, dass die somatoforme Schmerzstörung ohne den Unfall
nicht aufgetreten wäre.
Weiter liege ein leichtes organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma (SHT)
(F 07.2 ICD-10) vor. Es stehe außer Frage, dass die Klägerin ein SHT erlitten habe, das bei fehlender initialer Bewusstlosigkeit
oder Amnesie sowie unauffälliger Bildgebung nur leicht sei. Eine unauffällige Bildgebung schließe aber eine zerebrale Schädigung
(z.B. einen diffusen axonalen Schaden) nicht aus. Mit einer solchen Schädigung wäre das aktuelle EEG vereinbar. Zudem entsprächen die Defizite im Bereich Aufmerksamkeit bzw. Lernen / Gedächtnis häufig beschriebenen Veränderungen
nach SHT. Diese Defizite seien nach glaubhaften Angaben der Klägerin bereits kurz nach dem Unfall aufgetreten. Zwar hätten
sich bei der Testung Hinweise auf eine erhöhte interne und externe Abgelenktheit ergeben. Dies sei jedoch am ehesten durch
die chronische Schmerzsymptomatik zu erklären, die ebenfalls in Zusammenhang mit dem Unfall stünde.
Die Diagnose einer spezifischen Phobie (F 40.2), die das Autofahren betreffe, stütze sich auf das glaubhafte ausgeprägte Vermeidungsverhalten
mit Beeinträchtigung der Lebensführung.
Die Beklagte hat die Anerkennung dieser Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen abgelehnt und sich auf eine Stellungnahme von
Dr. D. vom 19.10.2009 gestützt. Dieser hat ausgeführt, dass eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine spezifischen
Phobie nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall als Ursache zurückgeführt werden könnten. Unterschiedliche ärztliche Aussagen
zur Behandlung und Konflikte mit Versicherungsträgern seien nicht kausal auf die HWS-Verletzung zurückzuführen. Da die Phobie
weder im ausführlichen neurologischen Bericht vom 14.05.2001 noch bei der Begutachtung am 08.11.2002 erwähnt worden sei, bestünden
Zweifel, ob diese unfallnah aufgetreten sei. Die Diagnose eines leichten organischen Psychosyndroms nach SHT sei abzulehnen,
da nur eine leichte Schädelprellung, aber kein SHT dokumentiert sei. Mangels Bewusstlosigkeit, Amnesie oder anderweitiger
Hinweise sei ein SHT nicht wahrscheinlich. Angesichts des zeitnahen unauffälligen EEG ergebe sich aus dem 9 Jahre später gefertigten EEG kein Beleg für eine unfallbedingte Hirnschädigung. Die neuropsychologische Testung könne nicht als Beleg herangezogen werden,
zumal eine erhöhte interne und externe Ablenkbarkeit bestanden habe.
Der Klägerbevollmächtigte hat ein Attest von Dr.B. vom 25.02.2010 vorgelegt, wonach seit dem Unfall anhaltende Kopfschmerzen
verbunden mit Konzentrationsstörungen bestünden. Die mit Ängsten verbundenen Erinnerungsbilder beeinträchtigten die Klägerin
im Straßenverkehr. Langfristig sei eine Minderung der Erwerbsfähigkeit zu befürchten.
Das SG hat eine ergänzende Stellungnahme von Prof. C. vom 14.04.2010 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, dass mangels Hinweise auf
vorbestehende psychische Störungen oder andere Auslösefaktoren davon auszugehen sei, dass ohne den Unfall keine somatoforme
Schmerzstörung aufgetreten wäre.
Ein Trauma des Kopfes sei unstreitig, wobei initial starke Kopfschmerzen und Übelkeit bestanden hätten. Es sei von einem leichten
SHT auszugehen. Ferner seien nach dem Unfall neue kognitive Defizite aufgetreten, die in den Akten ab 2002 dokumentiert seien.
In der neuropsychologischen Testung habe sich ein Ausfallprofil ergeben, das für einen Zustand nach SHT typisch sei, auch
wenn Anhaltspunkte für eine Ablenkbarkeit bestanden hätten, die wiederum auf unfallabhängige Schmerzen zurückzuführen sei.
Zwar müsse ein Herdbefund im EEG nicht in direktem Zusammenhang mit einem SHT stehen, sei aber damit vereinbar. In Zusammenschau der Befunde sei aufgrund
des Unfallhergangs, des Profils der neuropsychologischen Defizite und des Fehlens sonstiger Ursachen die Diagnose eines leichten
organischen Psychosyndroms nach SHT gerechtfertigt. Der Zusammenhang der spezifischen Phobie mit dem Unfall ergebe sich aus
den glaubhaften Schilderungen der Klägerin mangels sonstiger Auslöser.
Die Beklagte hat mit weiterem Schreiben auf die beigefügte beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. D. vom 29.04.2010 Bezug
genommen. Insbesondere wurde auf die Problematik hingewiesen, dass Vorbefunde wegen fehlenden Einverständnisses der Klägerin
nicht hatten eingeholt werden können, so dass eine gutachterliche Beurteilung möglicher Vorschäden nicht möglich sei. Dr.
D. hat seine Einschätzung bekräftigt und ergänzend ausgeführt, dass die Geschwindigkeitsänderung nicht geeignet sei, ein Hirntrauma
auszuschließen oder zu belegen. Kopfschmerzen und Übelkeit könnten auch Symptome eines HWS-Traumas sein. Die seit 2002 dokumentierten
kognitiven Defizite seien unspezifisch und könnten auch im Rahmen von Schmerzsyndromen auftreten. Ein SHT sei nicht im Vollbeweis
gesichert.
In der mündlichen Verhandlung vom 10.06.2010 hat die Klägerin ausgeführt, sie sei bereits nach ca. 2 Wochen beim Neurologen
in Behandlung gewesen und habe unfallzeitnah öfter bei Ärzten ihre Schmerzen geschildert.
Das SG hat mit Urteil vom 10.06.2010, der Beklagten zugestellt am21.07.2010, auf entsprechenden Antrag der Klägerin unter Abänderung
des Bescheides der Beklagten vom 07.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2005 festgestellt, dass eine
somatoforme Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10 F 45.41), ein leichtes organisches Psychosyndrom
nach Schädelhirntrauma (ICD-10 F 07.2) und eine spezifische Phobie (ICD 40.2) Folgen des Arbeitsunfalls vom 15.12.2000 sind.
Die Ausführungen des gerichtsbekannten und erfahrenen Sachverständigen Prof. C. seien überzeugend. Dr. D. habe die konkreten
Umstände des Einzelfalls nicht hinreichend berücksichtigt.
Mit der dagegen am 27.07.2010 eingelegten Berufung begehrt die Beklagte die Aufhebung des Urteils und Klageabweisung. Es bestünden
schon Zweifel, ob die Gesundheitsstörungen im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen seien. Zudem habe Prof. C. die von Dr.B.
geschilderten Vorbefunde aus den 90er Jahren wie funktionelle Oberbauchbeschwerden, teilweise mit Somatisierung, und Wirbelsäulenbeschwerden
1997, im Juli 2000 und im Oktober 2000 nicht berücksichtigt.
Der Klägerbevollmächtigte hält das Urteil für zutreffend. Die Vorbelastungen seien
Prof. C. bekannt gewesen. Die funktionellen Oberbauchbeschwerden seien ohne Bedeutung. Die Klägerin sei bis zum Unfall nicht
nur sportlich, sondern auch bei Fortbildungen sehr aktiv gewesen; hierzu wurden Unterlagen vorgelegt, u.a. eine Berufungsurkunde
der IHK Schwaben in den Prüfungsausschuss für Kaufmann /-frau im Groß- und Außenhandel für die Zeit vom 01.01.2008 bis 31.12.2012.
Dazu hat der Klägerbevollmächtigte ergänzt, dass die Klägerin seit 1995 als Ausbilderin eingesetzt gewesen sei, nach dem Unfall
aber nur ein einziges Mal an einer Prüfung des IHK-Ausschusses teilgenommen habe.
Das LSG hat ein Verzeichnis über die Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin bei der AOK Bayern eingeholt, die Akten des Rentenversicherungsträgers
beigezogen und den Neurologen, Psychiater und Psychotherapeuten Dr. D. mit Erstellung eines Gutachtens beauftragt.
Im Gutachten vom 09.03.2011 hat Dr. D. nach Untersuchung der Klägerin am 01.03.2011 auf seinem Fachgebiet keine Gesundheitsstörungen
festgestellt, die ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 15.10.2000 zurückzuführen seien.
Die Diagnose einer spezifischen Phobie der Klägerin, die nach eigenen Angaben 15.000-20.000 km im Jahr mit ihrem Pkw auf Dienstreisen
und Heimfahrten zurücklege, und die fehlende Dokumentation spezifischer Ängste zeitnah zum Unfall seien nicht nachvollziehbar.
Zwar seien Ängste und Befürchtungen auch nach einem Bagatellunfall nachvollziehbar, erfüllten aber nicht stets die Kriterien
einer Phobie. Eine behandlungsbedürftige Symptomatik zeitnah zum Unfall habe insoweit nicht bestanden.
In Übereinstimmung mit Dr. D. habe ein SHT zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Die fehlende Bewusstlosigkeit und die Tatsache,
dass die Klägerin danach mit dem Auto noch eine dreiviertel Stunde nach Hause gefahren sei, sprächen nachdrücklich dagegen.
Eine substantielle Hirnschädigung sei nie dokumentiert worden. Daher könne ein pathologischer EEG-Befund nicht im Zusammenhang mit dem Unfall gesehen werden. Die von Prof. C. beschriebenen psychologischen Defizite seien
nicht mit den notwendigen Beschwerdevalidierungstests abgesichert. Zudem fehle eine Auseinandersetzung mit der 2. HWS-Distorsion.
Ein pathologischer neurologischer Befund - auch des EEG - hat bei der Untersuchung von Dr. D. nicht vorgelegen.
Auch eine somatoforme Schmerzstörung hat Dr. D. verneint. Durch die HWS-Distorsion 2000 und erneut 2005 sei eine adäquate
Erklärung der Schmerzthematik anzunehmen. Zudem seien unfallfremde Faktoren wie Auseinandersetzungen auf privatrechtlicher
Ebene wegen Schmerzensgeld anzunehmen. Auffallend sei, dass den Berichten der Hausärztin die zur Aufnahme in die psychosomatische
Klinik 2003 führende Symptomatik oder ein detaillierter Behandlungsverlauf von 1993 bis 2000 nicht zu entnehmen sei. Es bestünden
deutliche Hinweise auf unfallfremde Faktoren, die bewusst zurückgehalten worden seien. Angeregt wurde insoweit die Einholung
weiterer Unterlagen zur Eruierung von Vorerkrankungen, insbesondere des vollständigen Rehaberichtes der Klinik K ... Bei der
Untersuchung sei außer verbalen Äußerungen keine gravierende Schmerzsymptomatik zu objektivieren gewesen. Eine Schmerzmedikation
oder psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung der Klägerin sei nicht erfolgt.
Im neurologischen Bericht vom 14.05.2001 werde ein normaler neurologischer Befund bei unauffälligem EEG beschrieben und von der Klägerin seien keine neuropsychologischen Beschwerden angegeben worden.
Auf Antrag der Klägerin hat das LSG eine ergänzende Stellungnahme von Prof. C. vom 06.10.2011 eingeholt, der seine Einschätzung
bekräftigt hat. Eine chronische somatoforme Schmerzstörung bestehe auch dann, wenn - wie hier - ein andauernder, schwerer
und quälender Schmerz durch einen psychologischen Prozess und seine körperliche Störung nicht vollständig erklärt werden könne.
Die Beschwerdeschilderung der Klägerin sei glaubhaft gewesen. Sie habe wegen Unverträglichkeit kein Schmerzmittel eingenommen.
Da in der ausführlichen Exploration und in den vorherigen psychiatrischen Einschätzungen keine Hinweise auf vorbestehende
psychische Störungen vorgelegen hätten, die Dr. D. vermute, und sonst keine auslösenden Faktoren eruierbar gewesen seien,
sei davon auszugehen, dass die Klägerin ohne den Unfall nicht an einer somatoformen Schmerzstörung erkrankt wäre. Die neuropsychologische
Testuntersuchung sei nach bewährten und allgemein anerkannten Standards erfolgt.
Auf Anforderung einer Entbindungserklärung von der sozialrechtlichen Geheimhaltungspflicht durch das LSG hat der Klägerbevollmächtigte
mitgeteilt, dass die Klägerin ihr Einverständnis mit einer Verwertung des Entlassungsberichts aus der psychosomatischen Klinik
weiterhin nicht erteilt. Das LSG habe alle dem SG vorliegenden Unterlagen.
In der mündlichen Verhandlung vom 20.06.2012 hat die Klägerin ihre Ängste beim Autofahren geschildert.
Die Berufungsklägerin und Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.06.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Berufungsbeklagte und Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die beigezogenen Beklagtenakten sowie die Akte des SG und LSG Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden ist.
Entscheidungsgründe
A)
Die form- und fristgerecht von der Beklagten eingelegte Berufung erweist sich als begründet. Denn die auf Feststellung weiterer
Unfallfolgen unter Abänderung des insoweit ablehnenden Verwaltungsakts der Beklagten im Bescheid vom 07.03.2003 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2005 gerichtete Anfechtungs- und Feststellungsklage i.S. des §
54 Abs.
1 Satz 1
SGG, §
55 Abs.
1 Nr.
3 SGG ist zulässig, aber unbegründet; daher war das der Klage stattgebende SG-Urteil aufzuheben.
Ein Versicherter hat einen Anspruch gegenüber dem Unfallversicherungsträger auf Feststellung des Vorliegens eines Versicherungsfalls,
der ggf. diesem zuzurechnenden Gesundheitsschäden und der Unfallfolgen (vgl. u.a. BSG vom 05.07.2011 - Az. B 2 U 17/10 R - [...] RdNr. 14 ff.)
Während der Gesundheitserstschaden (Gesundheitsbeeinträchtigung, Krankheit oder Tod des Versicherten), der durch ein Unfallereignis
im Sinne von §
8 Abs.
1 Satz 2 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB VII) verursacht wird (sog. haftungsbegründende Kausalität), eine den Versicherungsfall selbst begründende Tatbestandsvoraussetzung
und damit keine Folge des Arbeitsunfalls ist (vgl. BSG vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R - [...] RdNr. 27), ist das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (sog. haftungsausfüllende
Kausalität) Voraussetzung für weitergehende Leistungsansprüche wie z.B. die Gewährung einer Verletztenrente (vgl. BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 30 RdNr. 10 m.w.N.).
Hinsichtlich des Beweismaßstabes ist zu beachten, dass das Vorliegen eines Gesundheitserstschadens bzw. eines Gesundheitsfolgeschaden
(Unfallfolgen) im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen
muss, während für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitserst-
bzw. -folgeschaden die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit genügt (vgl. BSG vom 02.04.2009 - B 2 U 29/07 R - [...] RdNr. 16).
Für die erforderliche Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheits(erst)schaden sowie für die Kausalität zwischen Gesundheits(erst)schaden
und weiteren Gesundheitsschäden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSG vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R - [...] RdNr. 12). Diese beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie: Danach ist jedes Ereignis
Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Als rechtserheblich
werden allerdings nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich
mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung
der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden (vgl. BSG vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R - [...] RdNr. 12) sowie auf Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen
zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten (vgl. BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - [...] RdNr. 17). Gesichtspunkte für die Beurteilung sind neben der versicherten Ursache als solcher, einschließlich Art
und Ausmaß der Einwirkung, u.a. die konkurrierende Ursache (nach Art und Ausmaß), der zeitliche Ablauf des Geschehens, das
Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte
(vgl. BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - [...] RdNr. 16). Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Ist jedoch eine Ursache - allein oder gemeinsam
mit anderen Ursachen - gegenüber anderen Ursachen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n)
"wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (vgl. BSGE 12, 242, 245). Eine Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist, kann auch
als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (vgl. BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - [...] RdNr. 15 m.w.N.).
Die Beklagte hat in den angegriffenen Bescheiden aus Sicht eines objektiven Empfängers als Gesundheitserstschaden eine Schädelprellung,
eine Prellung der linken Hüfte und eine mittelschwere Zerrung der HWS festgestellt, die spätestens nach Ablauf des ersten
Unfalljahres folgenlos ausgeheilt sind; damit hat die Beklagte zugleich die Feststellung von Unfallfolgen über den 14.12.2001
hinaus abgelehnt. Dieser Verwaltungsakt erweist sich als rechtmäßig.
1.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Schädel-Hirn-Traumas (SHT) als Gesundheitserstschaden und infolgedessen
auch keinen Anspruch auf Feststellung eines leichten organischen Psychosyndroms nach SHT (F 07.2 nach ICD 10).
Denn der Senat vermag sich angesichts der vorliegenden ärztlichen Unterlagen und Gutachten nicht davon zu überzeugen, dass
nach dem Unfallereignis vom 15.12.2000 bei der Klägerin ein SHT mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorlag. Der
Senat schließt sich den überzeugenden Ausführungen von Dr. D. und Dr. D. an; die Ausführungen von Prof. C. und Dr. O. vermögen
demgegenüber nicht zu überzeugen.
Ein SHT ist ausgehend von der Definition in der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie zum Schädel-Hirn-Trauma
im Erwachsenenalter (Stand 06/2007; veröffentlicht unter www. awmf.org/leitlinien.html) Folge einer Gewalteinwirkung, die
zu einer Funktionsstörung und / oder Verletzung des Gehirns geführt hat und mit einer Prellung oder Verletzung der Kopfschwarte,
des knöchernen Schädels, der Gefäße und / oder der Dura verbunden sein kann. Demgegenüber bezeichnet man eine Verletzung des
Kopfes ohne Hirnfunktionsstörung oder Verletzung des Gehirns als Schädelprellung.
Hinweise auf eine Schädigung des Nervensystems sind Amnesie, Wachheitsstörungen, Orientierungsstörungen, Erbrechen, Lähmungen,
Sprach- und/oder Koordinationsstörungen, Hirnnervenstörungen, Krampfanfälle, Streckkrämpfe oder vegetative Störungen. Eine
Störung des Bewusstseins weist auf eine schwerwiegende Funktionsstörung des Gehirns hin. Hier ist zu unterscheiden zwischen
einer Bewusstseinstrübung - reduzierte Wachheit, Einschränkung der Orientierung zu Person, Ort und Zeit, Augenöffnung möglich
- und einer Bewusstlosigkeit. Als subjektive Störungen im Zusammenhang mit einem SHT werden Kopfschmerzen, Benommenheitsgefühl,
Übelkeit, Schwindel, Doppelbilder oder Schwerhörigkeit genannt.
Ein organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma im Sinne von F 07.2 wird nach ICD 10 folgendermaßen definiert: Das Syndrom
folgt einem Schädeltrauma, das meist schwer genug ist, um zur Bewusstlosigkeit zu führen. Es besteht aus einer Reihe verschiedenartiger
Symptome, wie Kopfschmerzen, Schwindel, Erschöpfung, Reizbarkeit, Schwierigkeiten bei Konzentration und geistigen Leistungen,
Gedächtnisstörungen, Schlafstörungen und verminderter Belastungsfähigkeit für Stress, emotionale Reize oder Alkohol.
Bei der Klägerin ist im Zusammenhang mit dem Unfall vom 15.12.2000 weder Bewusstlosigkeit noch eine Amnesie aufgetreten. Eine
substanzielle Hirnschädigung ist in keinem Befund dokumentiert worden; die zwischenzeitlich festgestellte Zyste ist nach übereinstimmender
gutachterlicher Einschätzung nicht auf den Unfall zurückzuführen. Auch wenn - wie Prof. C. ausführt - eine unauffällige Bildgebung
eine zerebrale Schädigung nicht ausschließt, so bietet sie aber andererseits auch kein Indiz für ein im Vollbeweis nachzuweisendes
SHT.
Pathologische neurologische Befunde sind nicht erhoben worden, insbesondere war die grob neurologische Prüfung am Tag nach
dem Unfall beim Durchgangsarzt ohne Befund.
Der Senat schließt sich der Einschätzung von Dr. D. an, dass die Tatsache, dass die Klägerin in der Lage war, im Anschluss
an den Unfall ihren Wagen noch ca. eine 3/4 Stunde nach Hause zu fahren, gegen wesentliche Beeinträchtigungen im Sinne eines
SHT spricht. Ergänzend sei erwähnt, dass die Polizisten am Unfallort keine Einwände gegen die Weiterfahrt der Klägerin erhoben
hatten, so dass auch ihnen keine Einschränkungen der Klägerin z.B. zur Orientiertheit oder Wachheit aufgefallen sind. Zeitnah
wurden keine neurologischen Ausfälle dokumentiert.
Soweit Prof. C. die starken Kopfschmerzen mit Übelkeit als Symptome eines SHT deutet, hat Dr. D. überzeugend dargelegt, dass
Kopfschmerzen und Übelkeit ohne Weiteres Symptome eines HWS-Traumas sein könnten. Ergänzend sei erwähnt, dass sich die Übelkeit
nach der Unfallschilderung der Klägerin erst am Folgetag bei erheblichen Kopfschmerzen gezeigt hat und dass die Klägerin auch
nach Untersuchung durch
Dr. K. starke HWS-Beschwerden - ihrer Ansicht nach infolge der Untersuchung - und das Auftreten starker Übelkeit am Tag danach
geschildert hatte.
Aus dem Unfallhergang mit Geschwindigkeitsänderung von maximal 14 km/ h lässt sich kein Rückschluss auf ein SHT ziehen, wie
Dr. D. und Dr. D. dargelegt haben.
Aus dem einmaligen auffälligen EEG-Befund bei Untersuchung im Jahr 2009 bei sonst unauffälligen EEG-Untersuchungen davor und danach lässt sich nicht ableiten, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fast neun
Jahre zuvor ein SHT aufgetreten ist, zumal im Jahr 2005 erneut ein Auffahrunfall erfolgt war. Prof. C. hat selbst nur von
einer Vereinbarkeit des frontalen Herdbefundes mit einem Z.n. SHT gesprochen.
Ebenso mögen die in der neuropsychologischen Untersuchung festgehaltenen Defizite mit einem Z.n. SHT vereinbar bzw. erklärlich
sein; auch dabei handelt es sich aber nicht um spezifische Symptome, denn diese könnten ebenso z.B. im Rahmen von Schmerzsyndromen
auftreten, worauf Dr. D. überzeugend hingewiesen hat. Prof. C. und
Dr. O. räumen selbst ein, dass die Ergebnisse der Testung auch auf eine Ablenkbarkeit, z.B. durch die Schmerzen, zurückgeführt
werden könnten. Dann kann aber das Testergebnis kein maßgebliches Indiz für den Nachweis eines früheren SHT sein. Unerheblich
ist insoweit, ob die Schmerzen unfallbedingt sind oder nicht. Während die Klägerin mittlerweile über kognitive Einschränkungen
bereits ab dem Unfall berichtet, sind im Bericht vom 14.05.2001 ausdrücklich unter dem neuropsychologischen Befund Anhaltspunkte
für aphasische, apraktische oder mnestische Störungen verneint worden; ferner wurden im Gutachten vom 18.05.2004 Anhaltspunkte
für kognitive Defizite verneint.
Vor diesem Hintergrund ist nach Überzeugung des Senats weder ein SHT am 15.12.2000 als Gesundheitserstschaden noch ein organische
Psychosyndrom nach SHT als darauf zurückzuführende Unfallfolge im Vollbeweis nachgewiesen.
2.
Auch eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung oder eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren
ist keine Unfallfolge des Arbeitsunfalls vom 15.12.2000.
Anhaltende Schmerzstörungen im Sinne der Gruppe F 45.40 nach ICD 10 sind Schmerzzustände mit vermutlich psychogenem Ursprung.
Eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung im Sinne F 45.40 der ICD 10 hat als vorherrschende Beschwerde einen andauernden,
schweren und quälenden Schmerz, der durch einen physiologischen Prozess oder eine körperliche Störung nicht hinreichend erklärt
werden kann. Er tritt in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder psychosozialen Belastungen auf, denen die Hauptrolle für
Beginn, Schweregrad, Exazerbation oder Aufrechterhaltung der Schmerzen zukommt. Die Folge ist meist eine beträchtlich gesteigerte
persönliche oder medizinische Hilfe und Unterstützung.
Bei einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren gemäß F 45.41 nach ICD 10 stehen im Vordergrund
des klinischen Bildes seit mindestens
sechs Monaten bestehende Schmerzen in einer oder mehreren anatomischen Regionen, die ihren Ausgangspunkt in einem physiologischen
Prozess oder einer körperlichen Störung haben. Psychischen Faktoren wird eine wichtige Rolle für Schweregrad, Exazerbation
oder Aufrechterhaltung der Schmerzen beigemessen, jedoch nicht die ursächliche Rolle für deren Beginn. Der Schmerz verursacht
in klinisch bedeutsamer Weise Leiden und Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.
Der Schmerz wird nicht absichtlich erzeugt oder vorgetäuscht (wie bei der vorgetäuschten Störung oder Simulation).
a)
Unter Berücksichtigung der vorliegenden Gutachten bestehen nach Ansicht des Senats schon Zweifel, ob eine anhaltende somatoforme
Schmerzstörung bzw. eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren bei der Klägerin mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist.
Zwar hat Prof. C. zutreffend darauf hingewiesen, dass eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung auch dann vorliegt, wenn
der Schmerz durch einen physiologischen Prozess oder eine körperliche Störung nicht vollständig erklärt werden kann. Die Klägerin
hat auch erhebliche Schmerzen über den 15.12.2001 hinaus beklagt, obwohl die Sachverständigen Dr. K. und Dr. G. eine folgenlose
Ausheilung der HWS-Distorsion vom 15.12.2000 als organisches Korrelat für Schmerzen spätestens am 15.12.2001 angenommen haben.
Diese Schmerzen haben die Sachverständigen Prof. C. sowie Dr. B. und PD Dr. G. für glaubhaft gehalten. Ferner musste die Klägerin
im Rahmen der zweistündigen neuropychologischen Zusatzbegutachten durch Prof. Z. wegen chronischer Kopfschmerzen Pausen einlegen
und die Einschränkungen im Leistungsvermögen wurden auf die Abgelenktheit durch Schmerzen zurückgeführt.
Allerdings sprechen einige Anhaltpunkte gegen das Fortbestehen andauernder erheblicher bzw. quälender Schmerzen der Klägerin,
worauf Dr. D. hingewiesen hat. Insbesondere ist auf die Diskrepanz zwischen der Schilderung gegenüber Prof. C. von Dauerschmerzen
mit attackenweiser Verschlechterung mit einem Grad von 4-7 von
10 Punkten einerseits und der fehlenden Schmerzmedikation andererseits hinzuweisen. Bereits im Zwischenbericht von Prof. G.
vom März 2001 wurde angegeben, dass keine Medikamente eingenommen würden. Selbst wenn - wie Prof. C. ausführt - wegen Unverträglichkeiten
solche Medikamente abgesetzt worden sein sollten, erscheint dem Senat nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin über einen
Zeitraum von Jahren bei so erheblichen Schmerzen wie geschildert nicht den Versuch mit anderen Schmerzmedikamenten unternommen
hat. Eine spezielle Schmerztherapie oder länger dauernde psychiatrische oder psychotherapeutische Maßnahmen, eventuell mit
entsprechender Medikamentengabe zur Schmerzdistanzierung etc., sind nicht ersichtlich, obwohl die behandelnde Internistin
auch Psychotherapeutin ist und eine Psychotherapie bereits 2003 gegenüber der Klägerin angeregt hatte und auch die Klinik
K. eine Psychotherapie empfohlen hatte. Daher bestehen am Leidensdruck der Klägerin aufgrund der Schmerzen für den Senat durchaus
Zweifel.
Abgesehen von den angegebenen Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen sowie gelegentlichen Ein- und Durchschlafstörungen
erscheint die Beeinträchtigung in Berufsleben und Freizeit durch die Schmerzen gering. Nach eigenen Schilderungen der Klägerin
im Rahmen der Begutachtungen durch das A.Institut unternimmt sie in ihrer Freizeit viel mit ihren Freundinnen, geht spazieren,
besucht Ausstellungen und beschäftigt sich mit Blumen. Die Organisation der Arbeitsabläufe am Arbeitsplatz gelingt auch nach
Einschätzung von Prof. C. ausreichend; die Planung und Durchführung von Alltags- und Freizeitaktivitäten ist danach nicht
wesentlich eingeschränkt. Ferner hatte die Klägerin nach Aussage der Hausärztin über eine gewisse Besserung der HWS-Beschwerden
nach chirotherapeutischer Behandlung 2002 berichtet, während die Kopfschmerzen fortbestanden. Eine gravierende Schmerzsymptomatik
über verbale Äußerungen hinaus vermochte Dr. D. im Rahmen seiner Untersuchung unter Berücksichtigung des erhobenen psychopathologischen
Befundes nicht zu objektivieren.
b)
Selbst wenn eine somatoforme Schmerzstörung bei der Klägerin besteht bzw. unterstellt wird, ist diese nach Überzeugung des
Senats aber nicht hinreichend wahrscheinlich auf das Unfallereignis vom 15.12.2000 oder auf die dadurch verursachen Gesundheitserstschäden
- eine Schädelprellung, eine Hüftprellung oder eine HWS-Distorsion Grad I nach Quebec sowie Grad I nach Schröter - als wesentliche
(Teil-) Ursache zurückzuführen.
Zwar erscheint nachvollziehbar, dass Prof. C. im Unfall am 15.12.2000 mit zunächst organisch erklärbaren Kopf- und Nackenschmerzen
einen Ursachenbeitrag ("conditio sine qua non") für das Auftreten der von ihm angenommenen somatoformen Schmerzstörung gesehen
hat. In Übereinstimmung mit den Sachverständigen Dr. D. und mit Dr. D. ist der Unfall aber nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
als rechtlich wesentliche (Teil-) Ursache für das Auftreten oder Fortbestehen einer somatoformen Schmerzstörung zu sehen.
Soweit Prof. C. davon ausgegangen ist, dass in der ausführlichen Exploration und in den vorherigen psychiatrischen Einschätzungen
keine Hinweise auf vorbestehende psychische Störungen, sonstige psychische Vorschädigungen oder eine Persönlichkeitsstörung
bestanden hätten und daher mangels feststellbarer Konkurrenzursachen der Unfall vom 15.12.2000 wesentliche Ursache für die
seitdem durchgehenden Schmerzen sei, überzeugt dies den Senat nicht.
Zum einen legt schon die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung bzw. einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen
und psychischen Faktoren nach der Definition der ICD 10 nahe, dass psychische Faktoren, psychosoziale Belastungen oder emotionale
Konflikte zumindest mitursächlich sind. Prof. C. hat selbst schlüssig ausgeführt, dass bei dieser Gesundheitsstörung eine
pathologisch veränderte Schmerzwahrnehmung vorliegt, deren Ursachen multifaktoriell sind, wobei keine lineare Beziehung zu
einem äußeren Schadensereignis vorliegen müsse. Ferner hat er ausgeführt, dass bei der Klägerin psychische Faktoren eine wichtige
Rolle für Intensität und Aufrechterhalten der Schmerzen spielen. Damit geht er selbst von weiteren Ursachenbeiträgen (psychische
Faktoren) aus, ohne sie zu benennen oder deren Bedeutung für Entstehung oder Verschlimmerung der Erkrankung darzulegen.
Zum anderen hat Prof. C. nicht berücksichtigt, dass bei der Klägerin ausweislich des hausärztlichen Berichtes bereits vor
dem streitgegenständlichen Unfall, nämlich 1994 und 1996, Somatisierungstendenzen dokumentiert sind in Verbindung insbesondere
mit Oberbauchbeschwerden, die als funktionell bezeichnet werden und damit ohne organisches Korrelat aufgetreten sind. Vor
diesem Hintergrund sieht der Senat bereits vor dem Unfall bei der Klägerin eine dokumentierte Somatisierungsneigung als Konkurrenz-
bzw. zumindest als weitere wesentliche (Teil-)Ursache für eine somatoforme Schmerzstörung. Für eine erhebliche psychische
Komponente bei Entwicklung der Schmerzstörung spricht nach Auffassung des Senats zudem, dass die Klägerin ausweislich der
Unterlagen gegenüber den Sachverständigen selbst Beschwerden wie eine verlängerte und verstärkte Menstruation ohne Krankheitswert,
eine im Jahr 2001 diagnostizierte Milchunverträglichkeit sowie nach der Klagebegründung die Verschlechterung ihres Sehvermögens
zwischen Mai 2002 und September 2002 auf den Unfall als Wendepunkt in ihrem Leben zurückführt.
Das Argument von Prof. C., dass in den Arztbefunden keine Konkurrenzursachen dokumentiert seien, überzeugt demgegenüber nicht,
weil die Klägerin im Verwaltungsverfahren kein Einverständnis zur Beiziehung von Vorbefunden erteilt hatte. Insbesondere hat
sie auch gegenüber dem LSG auf Nachfrage ausdrücklich kein Einverständnis zur Beiziehung des vollständigen Rehablitationsentlassungsberichtes
der Klinik K. und seiner Verwertung erteilt.
Vor diesem Hintergrund ist eine weitergehende gutachterliche Beurteilung bzw. Gewichtung der verschiedenen Ursachenbeiträge
bzw. Teilursachen für die pathologisch veränderte Schmerzwahrnehmung nicht möglich, so dass sich der Senat auf Grundlage der
Gutachten angesichts der lange vor dem Unfall bereits dokumentierten Somatisierungen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
davon zu überzeugen vermag, dass der Unfall vom 15.12.2000 wesentliche Teilursache für eine sich nach dem Unfall entwickelnde
somatoforme Schmerzstörung der Klägerin war.
3.
Die Klägerin hat ferner keinen Anspruch auf Feststellung einer phobischen Störung vor dem Autofahren als Unfallfolge.
Phobische Störungen der Gruppe F 40 nach ICD 10 erfassen eine Gruppe von Störungen, bei der Angst ausschließlich oder überwiegend
durch eindeutig definierte, eigentlich ungefährliche Situationen hervorgerufen wird. In der Folge werden diese Situationen
typischerweise vermieden oder mit Furcht ertragen. Die Befürchtungen des Patienten können sich auf Einzelsymptome wie Herzklopfen
oder Schwächegefühl beziehen, häufig gemeinsam mit sekundären Ängsten vor dem Sterben, Kontrollverlust oder dem Gefühl, wahnsinnig
zu werden. Allein die Vorstellung, dass die phobische Situation eintreten könnte, erzeugt meist schon Erwartungsangst.
Spezifische (isolierte) Phobien im Sinne von F 40.2 nach ICD 10 sind Phobien, die auf eng umschriebene Situationen wie Nähe
von bestimmten Tieren, Höhen, Donner, Dunkelheit, Fliegen, geschlossene Räume, Urinieren oder Defäkieren auf öffentlichen
Toiletten, Genuss bestimmter Speisen, Zahnarztbesuch oder auf den Anblick von Blut oder Verletzungen beschränkt sind. Obwohl
die auslösende Situation streng begrenzt ist, kann sie Panikzustände wie bei Agoraphobie oder sozialer Phobie hervorrufen.
a)
Der Senat vermag sich in Übereinstimmung mit Dr. D. nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon zu überzeugen,
dass eine phobische Störung im Sinne von F. 40.2 vorliegt.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Angaben der Klägerin dazu sehr unterschiedlich sind und kein klares Bild über Art und
Ausmaß der Angst vor dem Autofahren bieten.
Gegenüber Dr. S. hatte die Klägerin am 08.11.2002 innere Unruhe und Ängste für wenige Wochen nach dem Unfall geschildert,
während gleichzeitig angegeben wurde, dass diese abgeklungen seien und nun - im November 2002 - keine depressiven Beschwerden
oder Ängste mehr bestünden. Eine wesentliche depressive Symptomatik oder Angstsymptomatik hat Dr. S. bei seiner Untersuchung
nicht festgestellt.
Andererseits hat die Klägerin im Rahmen der Reha von Januar bis März 2003 nach den vorliegenden Attesten über massive fortbestehende
Ängste beim Autofahren berichtet, mit Erinnerungsbildern, die sie im Straßenverkehr sehr belasteten.
Gegenüber den Gutachtern Dr. B. und PD G. wurde im Januar 2005 geschildert, dass weiterhin Angstgefühle und Anspannung bestünden,
wenn Fahrzeuge im Auto hinter ihr fahren, besonders wenn sich ein Lkw nähere und sie anhalten müsse. Geschildert wurde ein
Ereignis im Jahr zuvor, bei dem sie auf die Standspur fahren musste, als sie auf der Autobahn im Stau stand und sich ein Lkw
von hinten näherte. Sie habe erst nach 10 Minuten weiterfahren können. Allerdings hat sie nach Einschätzung der Gutachter
bei der Schilderung der Ängste wenig beteiligt gewirkt. In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hat die Klägerin geschildert,
dass sich Verspannungen, ein Bauchschmerzgefühl und ein Fluchtgefühl entwickeln würden, wenn sich ein Lkw von hinten nähere.
Obwohl nach dem Auffahrunfall im November 2005 in den Aufzeichnungen von Dr.B. ein Wiederaufflammen der Erinnerung und Ängste
geschildert werden, hat die Klägerin selbst gegenüber Dr. D. diesen Unfall erst auf konkrete Nachfrage geschildert und ihn
als Bagatellunfall bezeichnet.
Zusammenfassend lässt sich ableiten, dass zeitweise nach dem Unfall in bestimmten Verkehrssituationen verstärkte Ängste aufgetreten
sind, nämlich in Situationen mit Auffahrgefahr, insbesondere wenn ein Lkw hinter der Klägerin fuhr und diese vor ihm halten
musste. Als Vermeidungsverhalten hat die Klägerin angegeben, dass sie versucht habe, die Dienstfahrten zu reduzieren, z.T.
durch Umverteilung von Arbeit. Die Klägerin fährt mittlerweile nicht mehr 50.000 km/ Jahr, aber immerhin noch 15.-20.000 km/Jahr
mit dem Auto. Zwar mag das Autofahren teilweise der Außendiensttätigkeit geschuldet gewesen sein. Allerdings ist zu beachten,
dass sie auch nach dem Arbeitsplatzwechsel nach A-Stadt die Wege von und zur Arbeitsstelle mit dem Auto zurückgelegt hat anstatt
öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Ferner hat der kürzere Arbeitsweg ohne tägliches Pendeln von B. nach A-Stadt sicher
mit zur reduzierten Fahrstrecke beigetragen.
Ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten von Autofahrten oder die Klägerin wesentlich beeinträchtigende Ängste vermag der Senat
daher insgesamt nicht zu erkennen. Dass die Klägerin - abgesehen von der Reha im Jahr 2003 - zur Bewältigung dieser Ängste
therapeutische Hilfe gesucht hätte, z. B. in Form einer Verhaltenstherapie, ist nicht ersichtlich. Das spricht nach Ansicht
des Senats dagegen, dass sie selbst die angegebene Angst als wesentliche Einschränkung empfindet.
Dass nach dem Auffahrunfall eine gewisse Angst und Anspannung bei Autofahrten bestanden hat und sich die Klägerin auch heute
noch in konkreten Situationen unwohl fühlt (z.B. beim Vorbeifahren an Unfallstellen) bzw. in bestimmten Situationen Furcht
vor einem erneuten Auffahrunfall auftritt (z.B. wenn sich ein Lkw von hinten nähert), erscheint nachvollziehbar. Der Senat
vermag sich aber in Übereinstimmung mit Dr. D. nicht davon zu überzeugen, dass die Kriterien einer spezifischen Phobie i.S.
von F. 40.2 bei der Klägerin erfüllt sind oder waren bzw. dass diesen Ängsten nach Art und Ausmaß Krankheitswert zuzumessen
ist. Gerade die von der Klägerin geschilderten Situationen sind auch bei gesunden und psychisch nicht belasteten Personen
durchaus geeignet, Ängste vor Unfällen hervorzurufen.
Daher ist das Urteil des SG München aufzuheben und die Klage abzuweisen.
B)
Die Klägerin hat ihre außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge selbst zur tragen. Die Kostenentscheidung beruht auf
§
193 SGG.
C)
Gründe gemäß §
160 Abs.
2 SGG, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.